Entscheidungsstichwort (Thema)
Zahlung eines Weihnachtsgeldes
Orientierungssatz
Kein Anspruch auf Weihnachtsgratifikation aufgrund eines Arbeitsvertrages (Auslegung), betrieblicher Übung oder aufgrund einer Erklärung des Arbeitnehmers (Auslegung).
Normenkette
BGB §§ 242, 611
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 31.05.1990; Aktenzeichen 13 Sa 58/90) |
ArbG Pforzheim (Entscheidung vom 16.04.1986; Aktenzeichen 4 Ca 591/85) |
Tatbestand
Der Kläger verlangt von den Beklagten Zahlung einer Weihnachtsgratifikation für das Jahr 1985.
Die Beklagten betrieben eine staatlich anerkannte Privatschule, das B -Gymnasium in H und eine entsprechende Schule in P . An beiden Gymnasien wurden insgesamt rund 150 Arbeitnehmer beschäftigt.
Der Kläger war seit dem 1. August 1981 am B -Gymnasium als Lehrer beschäftigt. In Nr. 5 seines Arbeitsvertrages heißt es u.a.:
"Das Gehalt der Lehrkraft wird in Anlehnung an
den BAT oder die Besoldungsordnung für das Land
Baden-Württemberg gemäß Vergütungsgruppe II a be-
rechnet und besteht aus Grundgehalt, Ortszulage
und ggf. Stellenzulage. Sonstige Bezüge werden
nicht gewährt.
...
Die Zahlung einer Weihnachtsgratifikation stellt
eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers dar,
die ebenfalls in Anlehnung an die Regelung im öf-
fentlichen Dienst gezahlt und jährlich neu fest-
gesetzt wird; die Auszahlung erfolgt mit der Zah-
lung des November-Gehalts."
Im Jahr 1981 zahlten die Beklagten an den Kläger ohne einen Vorbehalt eine Gratifikation in Höhe eines halben Monatsgehaltes. Im Jahr 1982 erhielt der Kläger ein Weihnachtsgeld in Höhe eines Monatsgehaltes. Die Beklagten hatten dabei an die Arbeitnehmer, - so auch an den Kläger -, unter dem 26. November 1982 folgendes Schreiben gerichtet, in dem es u.a. heißt:
"Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
wir werden - trotz der allgemeinen schlechten
Wirtschaftslage, enormer Kostensteigerungen und
Kürzung unserer staatlichen Zuschüsse - unter Zu-
rückstellung aller Bedenken auch in diesem Jahr
die Weihnachtsgratifikation als "freiwillige Lei-
stung des Arbeitgebers" in voller Höhe zur Aus-
zahlung bringen. Wir hoffen, daß dies auch in den
nächsten Jahren möglich sein wird ..."Am 14. November 1983 schlossen die Beklagten und der Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung, in der mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Lage der Beklagten das Weihnachtsgeld für Arbeitnehmer mit einem Gehalt von mehr als 2.000,-- DM auf einen Betrag von 2.000,-- DM begrenzt wurde. Von dieser Betriebsvereinbarung unterrichteten die Beklagten die Arbeitnehmer mit einem Schreiben vom 28. November 1983, in dem es zum Schluß heißt:
" ...
Wie auch im vergangenen Jahr mit Schreiben vom
26. November 1982 mitgeteilt, möchten wir darauf
hinweisen, daß die Weihnachtsgratifikation eine
"freiwillige Leistung des Arbeitgebers" ist.
..."
Gegen diese Kürzung des Weihnachtsgeldes erhoben eine Reihe von Arbeitnehmern Klage. Am 28. September 1984 unterzeichnete der Kläger - wie auch die anderen Arbeitnehmer der Beklagten - die nachfolgende Erklärung:
"1. Der Schulträger bestätigt hiermit, daß die
finanzielle Situation des Unternehmens B -
-Gymnasium anläßlich der Betriebsver-
sammlung am 28.09.1984 durch Herrn S ,
Frau I P und Herrn Sch
wahrheitsgetreu dargelegt wurde.
2. Auf der Grundlage dieser Bestätigung er-
klärt sich der Arbeitnehmer bereit, im In-
teresse der Sicherung der Arbeitsplätze
aller Beschäftigten und im Interesse der
Schüler einmalig 1984 auf die ihm zustehen-
de Weihnachtsgratifikation zu verzichten.
3. Die Parteien sind sich darüber einig, daß
durch diese Vereinbarung eine betriebliche
Übung nicht außer Kraft gesetzt wird.
4. Von dieser Vereinbarung erhalten die Unter-
zeichner je ein Original."
Auch im Jahre 1985 zahlten die Beklagten kein Weihnachtsgeld. Der Kläger erhob daraufhin am 9. Dezember 1985 die vorstehende Klage, der das Arbeitsgericht stattgab. Im Juli 1986 wurde über das Vermögen der Beklagten das Konkursverfahren eröffnet, jedoch im April 1989 mangels Masse eingestellt. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien wurde im Laufe des Konkursverfahrens beendet. Nach Beendigung des Konkursverfahrens haben die Beklagten das Verfahren wieder aufgenommen und beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts, durch das die Be-
klagten als Gesamtschuldner verurteilt worden
sind, an den Kläger 4.475,90 DM nebst 4 % Zinsen
aus dem Nettobetrag seit dem 30. November 1985 zu
zahlen,
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung der Beklagten stattgegeben und die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter, während die Beklagten um Zurückweisung der Revision bitten.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Dem Kläger steht für das Jahr 1985 ein Anspruch auf Weihnachtsgeld nicht zu.
1.Das Landesarbeitsgericht hat einen Anspruch auf das Weihnachtsgeld aus einer bestehenden betrieblichen Übung verneint. Einer solchen betrieblichen Übung stehe der vereinbarte Freiwilligkeitsvorbehalt entgegen. Die Beklagten hätten sich schon im Arbeitsvertrag vorbehalten, jährlich neu über die Zahlung einer Weihnachtsgratifikation zu entscheiden. Durch die Verzichtserklärung vom 28. September 1984 sei ein Anspruch auf das Weihnachtsgeld für die folgenden Jahre nicht anerkannt worden. Da 1985 kein Arbeitnehmer ein Weihnachtsgeld erhalten habe, scheide auch der Gleichbehandlungsgrundsatz als Anspruchsgrundlage aus.
2.Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen.
a)Der Kläger hat aus seinem Arbeitsvertrag keinen Anspruch gegen die Beklagten auf die Zahlung einer Gratifikation.
Im Arbeitsvertrag der Parteien ist die Frage der Zahlung einer Weihnachtsgratifikation geregelt. Nach der Feststellung des Berufungsgerichts stand die Zahlung einer Weihnachtsgratifikation unter Freiwilligkeitsvorbehalt. Wenn der Kläger meint, die Bestimmung im Arbeitsvertrag, wonach die Gratifikation in Anlehnung an die Regelung im öffentlichen Dienst gezahlt werde, binde den Freiwilligkeitsvorbehalt und den Vorbehalt der jährlichen neuen Festsetzung an die Grenzen in den diesbezüglichen Regelungen des BAT, so vermag der Senat dem nicht zu folgen.
Das Berufungsgericht hat nicht näher ausgeführt, worauf es seine Auslegung des Vertrages stützt. Seine Auslegung ist jedoch im Ergebnis zutreffend. Die Auslegung des Arbeitsvertrages kann hier durch das Revisionsgericht erfolgen, da weitere Feststellungen als die, die sich aus dem schriftlichen Arbeitsvertrag ergeben, nicht in Betracht kommen (Zöller/Schneider, ZPO, 17. Aufl., § 550 ZPO Rz 10).
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben es mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erfordern, § 157 BGB. Es ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinne zu haften, § 133 BGB. Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mußte. Es dürfen nur solche Umstände berücksichtigt werden, die bei Zugang der Erklärung für den Empfänger erkennbar waren. Entscheidend ist der durch normative Auslegung zu ermittelnde objektive Erklärungswert.
Hier ergibt die Auslegung, daß zwar eine Anlehnung an die Regelungen des öffentlichen Dienstes beabsichtigt war, daß aber im Vordergrund der Vorbehalt der Freiwilligkeit der Leistung stand. So heißt es in Ziff. 5 Abs. 4 zunächst "die Zahlung ... stellt eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers dar", im letzten Satzteil heißt es weiter "... und jährlich neu festgesetzt wird". Es findet mithin eine doppelte Betonung der Absicht der Beklagten statt, sich nicht über das jeweilige Jahr hinaus binden zu wollen.
Die Bestimmung, daß die Gratifikation in Anlehnung an die Regelung des öffentlichen Dienstes erfolgt, kann nicht gleichzeitig bedeuten, daß dennoch ein Rechtsanspruch gewährt wird. Aus dieser Bestimmung ergibt sich lediglich, daß die Voraussetzungen für eine Zahlung, wie Dauer der Betriebszugehörigkeit, Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses über den 31. März des Folgejahres hinaus und Zahlung trotz Ausscheidens in den im Zuwendungstarifvertrag vorgesehenen Fällen, z.B. Schwangerschaft, Niederkunft, Bezug einer Altersrente etc., an die Regelungen des öffentlichen Dienstes angelehnt werden sollten.
Die Beklagten wollten sich die Frage, ob ein Weihnachtsgeld gezahlt werden soll, offenhalten, wenn sie aber leisten wollten, sollte dies wie im öffentlichen Dienst erfolgen.
b)Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus einer den Arbeitsvertrag abändernden betrieblichen Übung.
Unter einer betrieblichen Übung wird die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Durch die stillschweigende Annahme dieser Willenserklärung erwachsen Ansprüche auf die üblich gewordenen Vergünstigungen (BAGE 59, 73, 84 = AP Nr. 33 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu II 3 a der Gründe). Entscheidend für die Bindungswirkung der betrieblichen Übung ist, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen durfte (BAGE 59, 73, 85 = AP, aaO).
Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, steht hier dem etwaigen Entstehen einer betrieblichen Übung der Freiwilligkeitsvorbehalt entgegen. Ein Anspruch auf jährliche Gewährung einer Gratifikation entsteht nur bei mehrjähriger vorbehaltloser Zahlung (BAG Urteil vom 25. April 1991 - 6 AZR 532/89 - AP Nr. 137 zu § 611 BGB Gratifikation, auch zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen). Eine solche mehrjährige vorbehaltlose Zahlung ist nicht ersichtlich. Zunächst ist im Arbeitsvertrag ein Vorbehalt ausdrücklich vereinbart. Dieser ist zwar nicht anläßlich der Zahlung im Einstellungsjahr, 1981, wiederholt worden. Jedoch wurde mit Schreiben vom 26. November 1982 wieder betont, es handele sich um eine freiwillige Leistung. Im Schreiben vom 28. November 1983 wurde dieser Vorbehalt wiederholt.
Der Freiwilligkeitsvorbehalt ist auch nicht dadurch entfallen, daß die Beklagten im Schreiben vom 26. November 1982, mit dem sie die Zahlung einer Gratifikation ankündigten, zum Ausdruck brachten: "wir hoffen, daß dies auch in den nächsten Jahren möglich sein wird...". Hieraus könnte allenfalls gefolgert werden, der Vorbehalt erstrecke sich nur noch auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Dem steht aber der vorhergehende Hinweis auf die Freiwilligkeit entgegen. Zudem hat der Kläger auch nicht dargetan, daß eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bei den Beklagten im Jahr 1985 noch vorlag, nachdem wegen der Situation der Beklagten bereits im Vorjahr keine Zahlung mehr erfolgt war und im Folgejahr das Konkursverfahren eröffnet wurde.
Dem Entstehen einer betrieblichen Übung steht darüber hinaus die im Arbeitsvertrag für Änderungen und Ergänzungen des Vertrages vorgeschriebene Schriftform entgegen.Ein konstitutives Schriftformerfordernis für Vertragsänderungen verhindert das Entstehen einer betrieblichen Übung (BAG Urteil vom 27. März 1987 - 7 AZR 527/85 - AP Nr. 29 zu § 242 BGB Betriebliche Übung). Zwar kann das gewillkürte Schriftformerfordernis auch durch eine betriebliche Übung formlos abgedungen werden (BAG Urteil vom 27. März 1987, aaO). Für einen solchen Änderungsvertrag sind im vorliegenden Fall Anhaltspunkte nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht vorgetragen worden.
c)Ein Anspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus der Erklärung vom 28. September 1984 , mit der er auf die Gratifikation für dieses Jahr verzichtete. Dort heißt es zwar "... auf der Grundlage dieser Bestätigung erklärt sich der Arbeitnehmer bereit ... auf die ihm zustehende Weihnachtsgratifikation zu verzichten", daraus ergibt sich jedoch nicht, daß die Beklagten einen Anspruch des Klägers auf ein Weihnachtsgeld für die folgenden Jahre anerkennen wollten.
Auch die Auslegung dieser Erklärung kann durch das Revisionsgericht erfolgen, da weitere Feststellungen als die, die sich aus dem Vertrag und den vorgetragenen Umständen ergeben, nicht in Betracht kommen.
Im Betrieb der Beklagten bestand seit der Kürzung des Weihnachtsgeldes im Jahre 1983 und aufgrund der anhängig gemachten Rechtsstreitigkeiten Rechtsunsicherheit darüber, ob die Beklagten zur Kürzung des Weihnachtsgeldes berechtigt waren. Von daher ist es verständlich, wenn die Beklagten, um weitere Rechtsstreitigkeiten auszuschließen, sich einen Verzicht der Arbeitnehmer auf das Weihnachtsgeld für 1984 bescheinigen ließen, auch wenn ein solcher Verzicht angesichts des erklärten Freiwilligkeitsvorbehaltes nicht erforderlich war. Im übrigen sollte die Erklärung der bestehenden Rechtslage nichts ändern. Das ergibt sich daraus, daß die Parteien ausdrücklich erklärt haben, sie seien sich darüber einig, daß durch diese Vereinbarung eine betriebliche Übung nicht außer Kraft gesetzt wird. Durch die Erklärung sollte damit zunächst keine Verschlechterung einer möglichen Rechtsstellung der Arbeitnehmer für die folgenden Jahre herbeigeführt werden. Der Erklärung kann aber umgekehrt damit auch nicht entnommen werden, daß die Beklagten abweichend von der bisherigen Rechtslage sich für die Zukunft verpflichten wollten, ein Weihnachtsgeld zu zahlen.
Soweit der Kläger in der Revisionsbegründung vorgetragen hat, die Beklagten hätten ihm im Jahre 1984 ausdrücklich zugesagt, 1985 werde wieder ein Weihnachtsgeld gezahlt, kann dieses Vorbringen als neuer Sachvortrag in der Revisionsinstanz nicht mehr berücksichtigt werden.
Damit erweist sich die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts als zutreffend, so daß die Revision des Klägers zurückzuweisen war.
Der Kläger hat nach § 97 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
Matthes Dr. Freitag Dr. Müller-Glöge
Koerner Fieberg
Fundstellen