Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusatzversorgung für nebenamtlich in der Fleischbeschau tätige Arbeitnehmer
Normenkette
BetrAVG § 1 Gleichbehandlung; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 14. November 1996 – 13 Sa 916/96 – in der Kostenentscheidung und insoweit aufgehoben, wie es der Klägerin für die Zeit vom 23. Januar 1978 bis zum 31. Dezember 1984 einen Anspruch auf Zusatzversorgung zuerkannt hat.
2. In diesem Umfang wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 16. April 1996 – 1 Ca 2284/95 – auf die Berufung des Beklagten abgeändert und insgesamt zur Klarstellung wie folgt neu gefaßt:
Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 1. Juni 1995 die Versorgungsleistungen zu verschaffen, die ihr zustünden, wenn sie vom 1. Januar 1985 bis zum 31. Mai 1995 bei der Zusatzversicherung des Kreises Kleve versichert gewesen wäre. Rückständige Rentenbeträge sind ab dem 1. Juni 1995 vom Ersten des jeweiligen Monats an mit 4 % zu verzinsen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Im übrigen werden die Berufung und die Revision des Beklagten zurückgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 7/17, der Beklagte 10/17 zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin eine Zusatzversorgung zu verschaffen.
Die Klägerin war vom 23. Januar 1978 bis zum 31. Mai 1995 nebenberuflich und teilzeitbeschäftigt als Trichinenschauerin für den beklagten Landkreis tätig. Im Arbeitsvertrag vom 6. März 1978 heißt es u.a., daß sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag über die Regelung der Rechtsverhältnisse der Fleischbeschautierärzte, Fleischbeschauer und Trichinenschauer außerhalb öffentlicher Schlachthöfe vom 1. April 1969 (im folgenden: TV Ang aöS) und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen richtet. Durch Änderungsvertrag vom 18. Dezember 1984 wurde mit Wirkung zum 1. Januar 1985 festgelegt, daß hinsichtlich der Vergütung die Bestimmungen des Abschnitts V des Tarifvertrages über die Regelung der Rechtsverhältnisse der nicht vollbeschäftigten Fleischbeschautierärzte, Fleischbeschauer und Trichinenschauer in öffentlichen Schlachthöfen und in Einfuhruntersuchungsstellen in der Fassung vom 24. Juni 1983 (im folgenden: TV Ang iöS) und die diesen ergänzenden und ändernden Tarifverträge entsprechend anzuwenden sind. Diese Regelungen sollen nach dem Wortlaut des Änderungsvertrages nur bei der Untersuchung zusammengefaßter Proben nach der Verdauungsmethode gelten. Soweit Einzeluntersuchungen auf Trichinen durchgeführt würden, soll es bei der bisherigen Stückvergütung bleiben.
Die beiden Tarifverträge unterscheiden sich insbesondere dadurch voneinander, daß für Tätigkeiten in öffentlichen Schlachthöfen nur Stundenvergütung vorgesehen ist und eine Pflicht des Arbeitgebers, die Angestellten nach Maßgabe des Versorgungstarifvertrages zu versichern. Diese Verpflichtung war bis zum 31. Dezember 1996 allerdings auf die Fälle beschränkt, in welchen der Angestellte im jeweils vorangegangenen Kalenderjahr Stundenvergütungen für mindestens 1000 Stunden erhalten hatte. Im TV Ang aöS ist ein Anspruch auf Zusatzversorgung nicht vorgesehen. Ursprünglich erfolgte nach diesem Tarifvertrag die Bezahlung allein nach Stückvergütung. Seit dem 1. Januar 1982 gibt es daneben aber auch die Möglichkeit, u.a. nicht vollbeschäftigte Trichinenschauer in der Trichinenschau nach der Digestionsmethode gegen Stundenvergütung zu beschäftigen.
Die Klägerin ist bis zum 31. Dezember 1984 gegen Stückvergütung und ab dem 1. Januar 1985 gegen Stundenvergütung für den Beklagten tätig gewesen. Der Beklagte hat sie nicht bei der Zusatzversorgungskasse versichert.
Die Klägerin hat den Standpunkt eingenommen, der Beklagte habe sie gleichheitswidrig aus dem Kreis derer ausgenommen, denen er durch Versicherungsbeiträge einen Zusatzversorgungsanspruch verschafft habe. Der Beklagte müsse die Klägerin mit Wirkung ab dem 1. Juni 1995 so stellen, als hätte er auch für die Klägerin Beiträge zur Zusatzversorgungskasse gezahlt.
Dem stehe das Urteil des Senats vom 17. Oktober 1995 (– 3 AZR 882/94 –) nicht entgegen. Die Klägerin habe ihr Entgelt für die geleistete Arbeitsstunde auch nicht annähernd selbst bestimmen können. Sie habe auch nicht durch erarbeitete Freizeit anderweitigen Verdienst erzielen können. Die Arbeitszeit sei ihr von ihrem jeweiligen Beschauamtsleiter vorgegeben worden. Auch die Arbeitsstelle sei anderweitig bestimmt worden. Die Wochentage, an denen zu arbeiten gewesen sei, seien vorgegeben gewesen. Für die Zeit ab dem 1. Januar 1985 sei die angesprochene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ohnehin nicht einschlägig. Hier habe sie wie jede andere Teilzeitbeschäftigte Stundenvergütung erhalten.
Die Klägerin hat beantragt,
- festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab 1. Juni 1995 eine monatliche Rente in der Höhe zu zahlen, die zu zahlen wäre, wenn die Klägerin vom 23. Ja-nuar 1978 bis zum 31. Mai 1995 in der Zusatzversicherung des Kreises versichert gewesen wäre. Rückständige Rentenbeträge sind ab 1. Juni 1995 vom jeweiligen Fälligkeitsdatum an mit 4 % zu verzinsen;
- hilfsweise, festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die Versorgungsleistungen zu verschaffen, die ihr zustünden, wenn sie vom 23. Januar 1978 bis zum 31. Mai 1995 bei der Zusatzversicherung des Kreises Wesel versichert gewesen wäre.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Für die Zeit bis zum 31. Dezember 1984 rechtfertige die Beschäftigung im Stücklohn die Ungleichbehandlung in der betrieblichen Altersversorgung. Ebenso wie die Tierärzte außerhalb öffentlicher Schlachthöfe könnten auch die Trichinenschauer ihre Stundenverdienste tatsächlich erheblich steigern. Nicht grundsätzlich anders sei die Rechtslage auch im Zeitraum ab dem 1. Januar 1985. Auch hier liege kein Gleichheitsverstoß vor.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben nach dem Hauptantrag entschieden. Hiergegen richtet sich die Revision des Beklagten, der seinen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist nur teilweise begründet. Die Klägerin kann verlangen, daß der Beklagte ihr ab dem 1. Juni 1995 Versorgungsleistungen verschafft, als wäre sie vom 1. Januar 1985 bis zum 31. Mai 1995 bei der Zusatzversicherung des Kreises Kleve versichert gewesen. Im übrigen ist die Klage entgegen der Auffassung der Vorinstanzen unbegründet.
I. Der Beklagte war in der Zeit zwischen dem 23. Januar 1978 und dem 31. Dezember 1984, in welcher die Klägerin Stückvergütung nach dem TV Ang aöS erhielt, nicht verpflichtet, die Klägerin bei der Zusatzversorgungskasse zu versichern.
1. Die Klägerin hat keinen vertraglichen Anspruch auf Zusatzversorgung. Weder die von den Parteien abgeschlossenen Arbeitsverträge noch die in Verträgen in Bezug genommenen Tarifverträge geben der Klägerin einen solchen Anspruch.
2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Verschaffung von Versorgung aus dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
- Dieser Rechtsgrundsatz kommt als Anspruchsgrundlage nur dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber ein eigenes Regelwerk geschaffen und selbst Gestaltungsmacht ausgeübt hat. In diesem Falle ist er an die von ihm geschaffene Ordnung gebunden und muß die seiner Gestaltungsmacht unterworfenen Arbeitnehmer dementsprechend behandeln, es sei denn, es gibt im Einzelfall sachliche Gründe, von dieser Ordnung abzuweichen. Vollzieht der Arbeitgeber dagegen nur einen Tarifvertrag, scheidet der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz als Anspruchsgrundlage aus. Nur aus dem Tarifvertrag selbst, möglicherweise korrigiert aufgrund einer Verletzung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG, kann sich dann ein Anspruch ergeben. Dies gilt auch dann, wenn der Tarifvertrag nicht kraft beiderseitiger Tarifbindung, sondern aufgrund einzelvertraglicher Bezugnahme anzuwenden ist. Eine solche Bezugnahme ändert nichts daran, daß der Arbeitgeber nicht selbst eine Ordnung geschaffen, sondern nur die Ordnung der Tarifvertragsparteien übernommen hat. Ein Schutz der Arbeitnehmer gegenüber der Gestaltungsmacht des einzelnen Arbeitgebers mit Hilfe des Gleichbehandlungsgrundsatzes erübrigt sich. Es stellt sich nur die Frage, ob die übernommenen tarifvertraglichen Regelungen einer rechtlichen Überprüfung standhalten (Senatsurteil vom 7. März 1995 – 3 AZR 282/94 – BAGE 79, 236, 241 f. = AP Nr. 26 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, zu B II 1 der Gründe).
- Jedenfalls für die Zeit bis zum 31. Dezember 1984 hat der Beklagte keine eigene Ordnung geschaffen, an die er im Verhältnis zur Klägerin anspruchsbegründend gebunden wäre. Die Klägerin behauptet nicht, daß der Beklagte seinen Beschäftigten einen Anspruch auf Zusatzversorgung unabhängig davon verschafft hat, ob es hierfür eine tarifvertragliche Grundlage gab. Danach ist davon auszugehen, daß der Beklagte wie jeder andere Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes den Arbeitsverhältnissen mit den bei ihm Beschäftigten die jeweils einschlägigen Tarifverträge zugrunde gelegt hat.
3. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts steht der tarifvertragliche Ausschluß der Klägerin aus der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst für die Zeit bis zum 31. Dezember 1984 nicht im Widerspruch zum Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
a) Die Gerichte für Arbeitssachen haben Tarifverträge daraufhin zu überprüfen, ob sie gegen höherrangiges Recht verstoßen. Hierzu gehört auch der allgemeine Gleichheitssatz der Verfassung. Er ist Teil der objektiven Wertordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts Geltung beansprucht. Er ist auch von den Tarifvertragsparteien zu beachten. Art. 9 Abs. 3 GG steht dem nicht entgegen. Die Tarifvertragsparteien müssen sich bei der Ausübung der ihnen verliehenen Macht, ähnlich wie der Gesetzgeber Rechtsnormen zu schaffen, auch wie der Gesetzgeber an die zentrale Gerechtigkeitsnorm des Art. 3 Abs. 1 GG halten (Senatsurteil vom 7. März 1995 – 3 AZR 282/94 – BAGE 79, 236, 242 = AP Nr. 26 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, zu B II 2 a der Gründe, m.w.N.).
Die Überprüfung, ob die Tarifvertragsparteien den Gleichheitssatz im Verhältnis zwischen verschiedenen Arbeitnehmergruppen beachtet haben, wird nicht dadurch verhindert, daß sich die unterschiedlichen Regelungen für die Arbeitnehmergruppen in verschiedenen Tarifverträgen finden, wenn nur dieselben Tarifvertragsparteien diese Tarifverträge abgeschlossen haben (Senatsurteil vom 17. Oktober 1995 – 3 AZR 882/94 – AP Nr. 132 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, zu II 2 b der Gründe, im Anschluß an EuGH Urteil vom 27. Oktober 1993 – Rs C 127/92 – AP Nr. 50 zu Art. 119 EWG-Vertrag). Die Anwendung des Gleichheitssatzes auf ein tarifliches Regelwerk kann nicht davon abhängen, welche Regelungstechnik die Tarifvertragsparteien gewählt haben.
b) Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verbietet es den Tarifvertragsparteien im Grundsatz ebenso wie dem Gesetzgeber, eine Gruppe von Normadressaten schlechter als eine andere zu behandeln, wenn zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Die sachliche Unterscheidung muß also in tatsächlichen Unterschieden der einander gegenüberstehenden Gruppen eine ausreichende Stütze finden. Dabei geht es für die Tarifvertragsparteien ebenso wie für den Gesetzgeber darum, Massenerscheinungen zu ordnen. Sie müssen deshalb nicht um eine allen Besonderheiten gerecht werdende differenzierende Regelung besorgt sein. Sie können von einem Gesamtbild ausgehen, das sich aus den ihnen vorliegenden Erfahrungen ergibt. Auf dieser Grundlage dürfen sie generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen. Sie verstoßen nicht allein deshalb gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, weil mit solchen Regelungen unvermeidlich auch Härten im Einzelfall verbunden sind. Eine Typisierung ist immer dann statthaft, wenn die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur eine kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist.
c) Nach diesen Maßstäben verstoßen die Tarifverträge im öffentlichen Dienst, insbesondere die für die nebenamtlich in der Fleischbeschau tätigen Angestellten, nicht dadurch gegen den Gleichheitssatz, daß die teilzeitbeschäftigten Tierärzte und Trichinenschauer in öffentlichen Schlachthöfen, die Stundenentgelte erhalten, grundsätzlich einen Versorgungsanspruch erwerben können, während diese Möglichkeit für die außerhalb öffentlicher Schlachthöfe mit Stückvergütung Tätigen nicht besteht.
Dies hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 17. Mai 1995 (– 3 AZR 882/94 – AP Nr. 132 zu § 242 BGB Gleichbehandlung) entschieden. Maßgeblicher Grund hierfür war nicht allein die unterschiedliche Form der Vergütung der genannten Arbeitnehmergruppen. Die sachliche Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung liegt vielmehr darin, daß die nebenamtlich außerhalb öffentlicher Schlachthöfe in der Fleischbeschau eingesetzten Mitarbeiter die Möglichkeit haben, durch Verdichtung ihrer Arbeitsleistung in den Schlachthöfen eine höhere Stundenvergütung zu erzielen als die Mitarbeiter in öffentlichen Schlachthöfen. Sie können sich damit zugleich zeitliche Freiräume erarbeiten, in denen sie ihrem nach den Vorstellungen der Tarifvertragsparteien typischerweise neben ihrer Fleischbeschautätigkeit bestehenden Hauptberuf nachgehen können. Diese Möglichkeit ist auch deshalb von erheblicher tatsächlicher und wirtschaftlicher Bedeutung, weil im Bereich der nebenamtlichen Fleischbeschau eine anderweitige Tätigkeit ohne die sonst im öffentlichen Dienst üblichen Beschränkungen ohne weiteres statthaft ist (vgl. z.B. § 9 TV Ang aöS).
Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest, die zwar aufgrund der Klage eines Fleischbeschautierarztes ergangen ist, aber die Tarifverträge für die nebenamtlich Tätigen in der Fleischbeschau insgesamt betrifft. Sie gilt auch für die Ungleichbehandlung der Trichinenschauer, die auf der Grundlage einer Stückvergütung beschäftigt sind. Sie sind nebenamtlich beschäftigt. Es gibt keine allgemeinen, jedermann zugänglichen Hinweise, daß sie anders als Fleischbeschautierärzte nicht durch Arbeitsverdichtung Freiräume für hauptberufliche Tätigkeiten erarbeiten können, so daß die Tarifvertragsparteien dem durch differenzierende Regelung hätten Rechnung tragen müssen.
d) Die Klägerin kann sich demgegenüber nicht mit Erfolg darauf berufen, in ihrem Arbeitsverhältnis habe es die allgemein festgestellten Differenzierungsgründe zur Rechtfertigung der sie treffenden Ungleichbehandlung nicht gegeben.
Die Klägerin hat weder Tatsachen behauptet, noch hat das Landesarbeitsgericht solche Tatsachen festgestellt, aus denen sich ergibt, daß die Tarifvertragsparteien aufgrund der typischen Vertragsgestaltung bei Trichinenschauern eine von den Fleischbeschautierärzten abweichende Regelung hätten treffen müssen. Daran ändert der Umstand nichts, daß es wohl keine Möglichkeit gibt, außerhalb des öffentlichen Dienstes, also freiberuflich oder in einem anderen Beschäftigungsverhältnis, als Trichinenschauer tätig zu sein. Der entscheidende Gesichtspunkt, der die vorgenommene Ungleichbehandlung trägt, ist der Freiraum, den man neben der nebenamtlichen Tätigkeit als Fleischbeschautierarzt oder Trichinenschauer für einen anderen Beruf erarbeiten und in dem man anderweitige Verdienste erzielen kann. Die Tarifvertragsparteien haben diesen Zusammenhang gesehen und für typisch gehalten. Dies ergibt sich aus § 9 TV Ang aöS, der gegenüber den allgemeinen im öffentlichen Dienst geltenden Regelungen die Möglichkeiten für eine anderweitige berufliche Tätigkeit der in seinen Geltungsbereich fallenden Beschäftigten ohne Einschränkung eröffnet.
Eine möglicherweise den von den Tarifvertragsparteien vorgestellten Vertragstypus im Einzelfall verfehlende Vertragswirklichkeit zwingt den einzelnen Arbeitgeber auch nicht, in diesem Fall über eine einzelvertragliche Differenzierung die übernommene Tarifordnung zu verlassen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber sich wie im vorliegenden Fall bei seiner Arbeitsvertragsgestaltung innerhalb des übernommenen Tarifwerkes bewegt.
II. Die Revision des Beklagten ist unbegründet, soweit es um die Beschäftigungszeit der Klägerin seit dem 1. Januar 1985 geht, in der die Klägerin ausschließlich Stundenvergütung erhalten hat. Für diese Zeit war der Beklagte entsprechend dem von der Klägerin mit ihren Anträgen verfolgten Rechtsschutzziel verpflichtet, der Klägerin einen Versorgungsanspruch sei es bei der Zusatzversorgungskasse, sei es durch Selbsteintritt zu verschaffen, als wäre sie in dieser Zeit versichert gewesen.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin seit 1985 Stundenvergütung nach § 12 Abs. 5 TV Ang aöS oder nach dem in ihrem letzten Arbeitsvertrag in bezug genommenen TV Ang iöS erhalten hat. Es ist für die Begründetheit ihrer Klage insoweit auch nicht von Bedeutung, ob sie in jedem Jahr ihrer Beschäftigung seit 1985 Stundenvergütung für mindestens 1000 Arbeitsstunden erhalten hat.
1. Hat die Klägerin Stundenvergütung nach dem TV Ang aöS erhalten, ergibt sich ihr Anspruch aus einer entsprechenden Anwendung des § 20 TV Ang iöS.
Die tarifliche Regelung, die zwar den innerhalb öffentlicher Schlachthöfe gegen Stundenvergütung nebenamtlich Beschäftigten einen Zusatzversorgungsanspruch gibt, nicht aber denen, die dieselbe Tätigkeit gegen Stundenvergütung außerhalb öffentlicher Schlachthöfe ausüben, verstößt gegen den Gleichheitssatz. Aus der regelmäßig unterschiedlichen Vergütungsform bei Tätigkeiten innerhalb und außerhalb öffentlicher Schlachthöfe ergibt sich die sachliche Rechtfertigung der Schlechterstellung der letztgenannten Arbeitnehmergruppe im Hinblick auf die daraus folgenden und von den Tarifvertragsparteien bewußt freigegebenen Möglichkeiten zur Arbeitsverdichtung und zu anderweitiger Berufstätigkeit. Fällt dieser grundlegende Strukturunterschied der beiden Beschäftigungsformen weg, bleibt nur noch der unterschiedliche Einsatzort bei gleicher Tätigkeit. Er kann eine Ungleichbehandlung bei der Altersversorgung nicht rechtfertigen.
Sollte die Klägerin entsprechend der in ihrem letzten Arbeitsvertrag vorgesehenen Bezugnahme trotz ihres Einsatzes außerhalb öffentlicher Schlachthöfe Stundenvergütung nach dem TV Ang iöS erhalten haben, ändert dies am Ergebnis nichts. Es ist, welchen Tarifvertrag der Beklagte auch immer zugrunde gelegt hat, in jedem Falle gleichheitswidrig, nebenamtliche Trichinenschauer von der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst auszunehmen, wenn und soweit sie Stundenvergütung erhalten.
2. Darauf, ob die Klägerin zwischen 1985 und 1995 in jedem Jahr eine Stundenvergütung für mindestens 1000 Arbeitsstunden erhalten hat, kommt es ebenfalls nicht an. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 13. Mai 1997 (– 3 AZR 66/96 – AP Nr. 36 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung) entschieden, daß § 20 TV Ang iöS wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz unwirksam ist, soweit die Vorschrift Fleischbeschauer aus dem öffentlichen Zusatzversorgungswerk ausnimmt, die in einem geringeren Umfang als 1000 Stunden jährlich beschäftigt sind, wenn ihre Beschäftigung nur oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze lag. Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest, der gegenüber der Beklagte auch keine Einwendungen mehr erhoben hat. Der Beklagte hat auch nicht behauptet, daß die Klägerin in der Zeit seit 1985 geringfügig beschäftigt gewesen ist.
3. Die Verzinsungspflicht des Beklagten ergibt sich aus § 284 Abs. 2 BGB. Nach den Satzungen der öffentlichen Versorgungseinrichtungen ist die Zusatzrente monatlich im voraus zu zahlen. Der Beklagte ist vor erstmaliger Fälligkeit der Zusatzrente am 1. Juni 1995 aufgefordert worden, die Klägerin so zu stellen, als hätte er sie versichert. Damit konnte er sein Wahlrecht auch rechtzeitig ausüben. Er ist seit dem 1. Juni 1995 für die dann folgenden Rentenbeträge zum jeweiligen Monatsersten in Verzug.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Heither, Kremhelmer, Bepler, Born, Kaiser
Fundstellen
Haufe-Index 951860 |
ZTR 1999, 83 |