Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebliche Altersversorgung – Aufklärungspflichten
Normenkette
BetrAVG § 1 Beamtenversorgung; BGB §§ 242, 611; ZPO §§ 263, 264 Nrn. 2-3
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 24. März 1995 – 15 Sa 1979/94 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadenersatz für entgangenes Ruhegehalt.
Der am 28. Juli 1936 geborene Kläger war vom 1. Juli 1974 bis zum 31. Dezember 1988 in dem von der Beklagten betriebenen Krankenhaus zuletzt als technischer Leiter beschäftigt. Die Beklagte ist Mitglied der Rheinischen Versorgungskasse des Landschaftsverbandes Rheinland (Rheinische Versorgungskasse). Nach § 3 des Arbeitsvertrages sollte der Kläger über die Rheinische Versorgungskasse „eine Versorgung nach Gr. A 14/Endstufe LBO-NW” erhalten. In § 5 des Arbeitsvertrages hatte sich der Kläger „bereit erklärt, sich jederzeit auf Verlangen des Evangelischen Krankenhauses von einem von diesem zu bestimmenden Arzt untersuchen zu lassen”.
Der Kläger war ab Anfang 1988 arbeitsunfähig erkrankt. In einem Dienstgespräch Ende April 1988 forderte der Stiftungsdirektor den Kläger auf, sich auf seine Dienstunfähigkeit hin amtsärztlich untersuchen zu lassen. Nachdem der Kläger zwei Untersuchungstermine nicht wahrgenommen hatte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 23. Juni 1988 zum 31. Dezember 1988. Es lautete auszugsweise wie folgt:
„Ich habe mit Bedauern festgestellt, daß Sie die Möglichkeiten einer krankheitsbedingten frühzeitigen Versetzung in den Ruhestand nicht wahrgenommen haben. Bei einem entsprechenden Erörterungsgespräch mit Herrn Stiftungsdirektor S und Herrn Personalleiter N war von Ihnen einer amtsärztlichen Untersuchung zugestimmt worden. Der in Ihrer Anwesenheit mit Herrn Ltd. Stadtmedizinaldirektor Dr. O vereinbarte Termin am 3. Mai wurde von Ihnen zum Untersuchungszeitpunkt telefonisch abgesagt. Sie gaben hierfür an, daß Sie nicht transportfähig seien. Auf Vermittlung von Herrn Personalleiter N wurde Ihnen von Herrn Dr. O ein zweiter Termin am 16. Mai, ersatzweise am 19. oder 20. Mai, eingeräumt. Im Telefonat am 5. Mai mit Herrn Personalleiter N haben Sie sich für den 16. Mai entschieden. Am 10. Mai teilten Sie Herrn Personalleiter N mit, daß Sie am 16. Mai wiederum nicht zur amtsärztlichen Untersuchung erscheinen könnten, da Sie zur gleichen Zeit vormittags an einem privaten Gerichtstermin teilzunehmen hätten. Mit Verwunderung habe ich auch zur Kenntnis genommen, daß Sie an dem Untersuchungstermin am 3. Mai, der wegen Ihrer mangelnden Transportfähigkeit abgesagt wurde, ebenfalls an einem Gerichtstermin in M teilnehmen konnten.
Aus diesen wenigen Beispielen möchte ich Ihnen verdeutlichen, daß es am fürsorglichen Wollen des Dienstgebers nicht gefehlt hat, das Dienstverhältnis mit Ihnen in einer übereinstimmenden Weise zu beenden.
Da Sie auch in der Zwischenzeit weder für die Nachholung der notwendigen amtsärztlichen Untersuchung noch für die Weiterführung Ihres Dienstbereiches Interesse bekundet haben, ist damit auch jegliche Vertrauensgrundlage für eine Zusammenarbeit entfallen.
Aufgrund der sechsmonatigen Kündigungsfrist kann die Auflösung des Dienstverhältnisses erst zum 31.12.1988 rechtlich wirksam werden. …”
Der anwaltlich vertretene Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben. In der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht am 26. Juli 1988 haben die Parteien folgenden Vergleich geschlossen:
- „Die Parteien sind sich einig, daß das Arbeitsverhältnis seitens der Beklagten aufgrund fristgemäßer betriebsbedingter Kündigung, die durch die Krankheit des Klägers ausgelöst wurde, zum 31.12.1988 sein Ende finden wird.
- Bis zu diesem Zeitpunkt wird der Kläger unter Anrechnung restlicher Urlaubsansprüche von der Arbeit freigestellt.
- Die Beklagte verpflichtet sich, an den Kläger 48.000,00 DM (achtundvierzigtausend) als Abfindung i.S.d. §§ 9, 10 KSchG und § 3 Ziffer 9 EStG zu zahlen.
- Von diesem Betrag werden 24.000,00 DM (vierundzwanzigtausend) zum 01.10.1988 und weitere 24.000,00 DM (vierundzwanzigtausend) zum 15.01.1989 fällig.
- Die Parteien sind sich einig, daß keinerlei Gehaltsfortzahlungs- oder Urlaubsentgeltansprüche des Klägers mehr bestehen.
- Mit Erfüllung dieses Vergleiches sind alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien, mit Ausnahme der Aushändigung der ordnungsgemäß ausgefüllten Arbeitspapiere und eines qualifizierten Zeugnisses, ausgeglichen.”
Bei Abschluß des Vergleichs meinte der Kläger, er werde wieder arbeiten können. Der Chefarzt der Neurochirurgie des Knappschaftskrankenhauses B, Prof. Dr. P hatte allerdings in einem Schreiben vom 8. Juli 1988 an den behandelnden Arzt des Klägers, Dr. H, ausgeführt, daß der Kläger seit Januar 1988 vorläufig und bis zum Ablauf von zwei Jahren nicht in der Lage sei, lohnbringende Arbeiten irgendwelchen Ausmaßes in irgendeiner Regelmäßigkeit zu erbringen. In einer ärztlichen Bescheinigung vom 1. März 1991 nahm Dr. H auf diesen Befundbericht und ein weiteres Gutachten der Bundesknappschaft vom 25. November 1989 Bezug, wonach der Kläger voraussichtlich ab 1. November 1989 für die Dauer von zwei Jahren nicht mehr fähig sei, irgendeiner Erwerbstätigkeit nachzugehen. Außerdem bestätigte Dr. H, daß der Kläger seit Jahren wegen eines schweren Wirbelsäulenleidens in ambulanter und stationärer Behandlung sei. Seit 1989 bezieht er eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger zunächst Ruhegehalt nach beamtenrechtlichen Grundsätzen verlangt und beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft zu erteilen, in welcher Höhe ein Versorgungsanspruch ab dem 01.01.1989 aus Anlaß der Dienstunfähigkeit bestehe,
- die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 01.01.1989 ein Ruhegehalt in noch zu beziffernder Höhe nach Auskunftserteilung durch die Beklagte zu zahlen.
Das Arbeitsgericht hat die Auskunftsklage durch Teilurteil vom 13. Mai 1992 abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht diesem Antrag mit der Begründung stattgegeben, dem Kläger stehe zwar kein Versorgungsanspruch wegen seiner Dienstunfähigkeit zu, jedoch müsse die Beklagte die verlangte Auskunft nach § 242 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag erteilen, weil der begründete Verdacht bestehe, daß die Beklagte bei der Durchführung und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger ihre arbeitsvertragliche Fürsorgepflicht verletzt und sich deshalb gegenüber dem Kläger schadensersatzpflichtig gemacht habe. Mit Schreiben vom 15. März 1993 hat die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar 1989 bis zum 31. Dezember 1992 Auskunft erteilt. Daraufhin hat er in Höhe dieses Ruhegehalts Schadensersatz verlangt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei wegen Verletzung der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht schadenersatzpflichtig. Nach seiner Bandscheibenoperation habe er sich bei der Beklagten über die Versorgungslage informieren wollen und die Aushändigung von Unterlagen der Rheinischen Versorgungskasse, insbesondere ihre Satzung, erbeten. Er habe jedoch weder die Auskünfte noch Unterlagen erhalten. Die Termine für eine amtsärztliche Untersuchung am 3. und 16. Mai 1988 habe er wegen eines Gerichtstermins bzw. wegen seines Gesundheitszustandes nicht wahrnehmen können. Beim Amtsarzt habe er sich vergeblich um einen weiteren Termin bemüht. Trotzdem habe die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 23. Juni 1988 gekündigt. Wäre ihm ein neuer Untersuchungstermin genannt und die Dienstunfähigkeit festgestellt worden, hätte er sich einer vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand nicht widersetzt. Bei Abschluß des Vergleichs seien beide Parteien der Ansicht gewesen, daß der Kläger seine Versorgungsansprüche nicht verlieren würde. Den Prozeßvergleich vom 26. Juli 1988 hätte er niemals abgeschlossen, wenn ihm die versorgungsrechtlichen Folgen bekannt gewesen wären. Die Beklagte hätte ihn darüber aufklären müssen. Sie sei dieser Pflicht jedoch nicht nachgekommen, auch nicht in den Gesprächen vom 12. April, 22. April, 3. Mai, 5. Mai oder 10. Mai 1988.
Der Kläger hat in den Vorinstanzen zuletzt beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, 172.777,11 DM nebst 4 % Zinsen von 87.191,43 DM seit dem 01.01.1992, 4 % Zinsen von 2.230,24 DM jeweils seit dem 01.02.1992, 01.03.1992, 01.04.1992, 01.05.1992, nebst 4 % Zinsen von 2.492,28 DM seit dem 01.06.1992, nebst 4 % Zinsen von
- 417,02 DM jeweils seit dem 01.07.1992, 01.08.1992, 01.09.1992, 01.10.1992, 01.11.1992, 01.12.1992, nebst 4 % Zinsen von 4.265,64 DM seit dem 01.01.1993, nebst 4 % Zinsen von 2.417,02 DM monatlich beginnend ab 02.01.1993 bis einschließlich dem 01.10.1994 an ihn zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn monatlich 2.417,02 DM zu zahlen, beginnend mit dem 01.11.1994;
- festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, die monatliche Rentenzahlung ab dem 01.01.1993 den jeweiligen Besoldungserhöhungen und Rentenerhöhungen entsprechend der Ruhensberechnung für Ruhestandsbeamte anzupassen;
- festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ab dem 01.01.1993 die jeweilige Sonderzuwendung nach § 55 BeamtVG entsprechend der Ruhensberechnung für Ruhestandsbeamte an ihn zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, es liege eine unzulässige Klageänderung vor. Da der Kläger nicht mehr Versorgungsansprüche, sondern Schadenersatzansprüche geltend mache, habe er den Streitgegenstand geändert. Die Voraussetzungen für eine zulässige Klageänderung seien nicht erfüllt. Die geänderte Klage sei auch unbegründet. Dem Kläger stehe kein Schadenersatzanspruch zu. Der Kläger habe die Untersuchungen ohne ausreichenden Grund verweigert. Er sei damals von seiner Dienstfähigkeit ausgegangen. Deshalb könne nicht unterstellt werden, daß er zu der erforderlichen amtsärztlichen Untersuchung bereit gewesen sei. Die Satzung sei dem Kläger ausgehändigt worden. In Gesprächen am 12. April, 22. April, 3. Mai, 5. Mai und 10. Mai 1988 sei ihm die Rechtslage erläutert worden. Zumindest könne davon ausgegangen werden, daß sich der anwaltlich vertretene Kläger bis zum Abschluß des Prozeßvergleichs kundig gemacht habe.
Das Arbeitsgericht hat in seinem Schlußurteil den Leistungsanträgen stattgegeben und die Feststellungsanträge als unzulässig abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Leistungsanträge weiter. Er begehrt nunmehr die Zahlung von 196.947,31 DM sowie, beginnend mit dem 1. September 1995, eine monatliche Zahlung von 2.417,02 DM.
Entscheidungsgründe
Der Kläger hat weder einen Erfüllungsanspruch noch einen Schadenersatzanspruch in Höhe der geforderten Versorgungsleistungen.
A. Im Revisionsverfahren hat der Kläger seine Anträge dem zwischenzeitlichen Zeitablauf angepaßt. Er hat die Klage auf Zahlung rückständiger Leistungen erweitert und die Klage auf künftige Leistungen entsprechend eingeschränkt. In der Revisionsinstanz sind Klageänderungen zulässig, wenn es sich um Fälle des § 264 Nr. 2 oder 3 ZPO handelt und der neue Sachantrag sich auf den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt oder auf unstreitiges tatsächliches Vorbringen stützt (BAG Urteil vom 17. Oktober 1972 – 1 AZR 86/72 – AP Nr. 8 zu § 630 BGB, zu I 1 der Gründe; BAGE 50, 85, 92 = AP Nr. 2 zu § 98 BetrVG 1972, zu B III der Gründe; BAG Urteil vom 7. November 1995 – 9 AZR 645/94 – AP Nr. 38 zu § 59 KO, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt, zu I 2 der Gründe; BGH LM § 561 ZPO Nr. 27).
Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der neue Antrag berücksichtigt, daß zwischenzeitlich weitere Versorgungsbezüge, deren Höhe unstreitig ist, fällig geworden wären.
B. Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sind nicht die dem Kläger zustehenden Ansprüche auf Nachversicherung, sondern ausschließlich Zahlungsansprüche in Höhe der zugesagten Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen. Der Streitgegenstand umfaßt alle in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen. Das Klagevorbringen ist auch vom Revisionsgericht unter allen rechtlichen Gesichtspunkten zu würdigen. Dabei ist es unerheblich, auf welche Anspruchsgrundlagen sich der Kläger beruft. Entgegen der Ansicht der Beklagten war es nicht als Klageänderung anzusehen, daß der Kläger seine Zahlungsklage zunächst auf einen Erfüllungsanspruch und später auf einen Schadenersatzanspruch stützte.
C. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat weder einen Erfüllungsnoch einen Schadenersatzanspruch auf die geforderte Zahlung.
I. Die Parteien hatten arbeitsvertraglich vereinbart, daß der Kläger eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen erhält. Er war bei seiner Altersund Invaliditätsversorgung so zu behandeln, als wäre er als Beamter tätig gewesen. Nach § 96 Abs. 1 des Landesbeamtengesetzes Nordrhein-Westfalen (LBG NW) richtet sich die Versorgung der Landesbeamten nach den Vorschriften des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG). Als Beamter hätte der Kläger nach § 96 Abs. 1 LBG NW in Verb. mit § 4 Abs. 1 Nr. 2 BeamtVG nur dann Ruhegehalt erhalten, wenn er gemäß § 45 ff. LBG NW wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden wäre. Bei Beamten ist die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit von einer Entlassung aus dem Beamtenverhältnis zu unterscheiden. Bei Arbeitnehmern ist unter einer „Versetzung in den Ruhestand” die Umwandlung des Arbeitsverhältnisses in ein Versorgungsverhältnis zu verstehen, das den Arbeitnehmer nur noch zur Einhaltung von Restpflichten gegenüber dem Arbeitgeber und den Arbeitgeber zur Zahlung der Ruhestandsbezüge verpflichtet (BAG Urteil vom 15. Oktober 1985 – 3 AZR 93/84 – AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Invaliditätsrente, zu 2 a der Gründe). Auch im vorliegenden Fall kann offenbleiben, in welcher Form dies zu geschehen hat. Jedenfalls muß der rechtsgeschäftliche Wille darauf gerichtet sein, daß mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Ruhestandsverhältnis begründet werden soll. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Die Kündigung war insbesondere auf verhaltensbedingte Gründe gestützt. Im Vergleich wurde eine „betriebsbedingte Kündigung, die durch die Krankheit des Klägers ausgelöst wurde”, vereinbart. Weder der Vergleich noch die Kündigung vom 23. Juni 1988 waren darauf gerichtet, mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Versorgungsverhältnis zu begründen. Sowohl bei Kündigungszugang als auch bei Vergleichsabschluß ging der Kläger davon aus, daß er nur vorübergehend arbeitsunfähig krank sei und wieder arbeiten könne.
II. Der gerichtliche Vergleich vom 26. Juli 1988 ist nicht nach § 242 BGB wegen Fehlens der Geschäftsgrundlage dahingehend anzupassen, daß dem Kläger die Versorgungsbezüge erhalten bleiben.
Geschäftsgrundlage sind nach ständiger Rechtsprechung die bei Abschluß des Vertrages zutage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Partei oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut (vgl. u.a. BAGE 52, 273, 276 = AP Nr. 7 zu § 242 BGB Geschäftsgrundlage, zu 2 b der Gründe; BAGE 65, 290, 301 = AP Nr. 24 zu § 611 BGB Arzt-Krankenhaus-Vertrag, zu II 2 a der Gründe; BAG Urteil vom 10. Dezember 1992 – 2 AZR 269/92 – AP Nr. 27 zu § 611 BGB Arzt-Krankenhaus-Vertrag, zu B III 3 a der Gründe; BGHZ 128, 230, 236). Diese Voraussetzungen lassen sich dem Sachvortrag des Klägers nicht entnehmen.
Der Kläger hat behauptet, beide Parteien seien der Ansicht gewesen, daß durch den Vergleichsabschluß keine Versorgungsansprüche verloren gingen. Dem späteren Verhalten der Beklagten läßt sich allerdings nicht ohne weiteres entnehmen, daß auch sie dieser Auffassung war. Die Beklagte hat sich zwar nach Vergleichsabschluß bei der Rheinischen Versorgungskasse für die Auszahlung des Ruhegehalts eingesetzt. Dies kann aber auf unterschiedlichsten Gründen beruhen. Selbst wenn die Parteien bei Abschluß des Vergleichs bestimmte Folgen des Vergleichs nicht bedachten oder unrichtig einschätzten, bedeutet dies noch nicht, daß der gemeinsame Geschäftswille darauf aufbaute. Umstände hierfür hat der Kläger nicht vorgetragen. Der Anlaß der Kündigung und der Inhalt des Vergleichs sprechen vielmehr dagegen. Die Beklagte hat dem Kläger eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes in Höhe von 48.000,00 DM bezahlt. Selbst wenn diese Abfindung, wie der Kläger behauptet, nichterfüllte arbeitsrechtliche Forderungen mitberücksichtigte, sollte die Abfindung jedenfalls zu einem erheblichen Teil die mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verbundenen Nachteile ausgleichen. Dementsprechend hatten die Parteien nicht angenommen, daß mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Ruhestandsverhältnis zwischen den Parteien entsteht. Weder dem Vergleich selbst noch der Vorgeschichte seines Zustandekommens läßt sich entnehmen, daß die Beklagte dem Kläger zu einem späteren Zeitpunkt unabhängig von den beamtenrechtlichen Voraussetzungen Ruhegeld gewähren wollte. Dagegen spricht auch die allgemeine Abgeltungsklausel im Vergleich. Sie enthält zwar keinen Verzicht des Klägers auf die bestehenden Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung (vgl. u.a. BAG Urteil vom 9. November 1973 – 3 AZR 66/73 – AP Nr. 163 zu § 242 BGB Ruhegehalt, zu I 2 der Gründe; BAGE 42, 312, 320 = AP Nr. 4 zu § 128 HGB, zu A III der Gründe; BAG Urteil vom 27. Februar 1990 – 3 AZR 213/88 – AP Nr. 13 zu § 1 BetrAVG Vordienstzeiten, zu 3 a der Gründe). Eine Erweiterung der Versorgungspflichten entsprach aber nicht dem zum Ausdruck gebrachten Geschäftswillen der Beklagten.
III. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht auch Schadenersatzansprüche des Klägers aus positiver Vertragsverletzung verneint. Die Beklagte hat keine arbeitsvertraglichen Nebenpflichten verletzt.
1. Zugunsten des Klägers kann unterstellt werden, daß die Beklagte ihm kein Exemplar der Satzung der Rheinischen Versorgungskasse ausgehändigt hat. Dazu war die Beklagte nicht verpflichtet.
Die Satzung der Rheinischen Versorgungskasse war für die Rechtsbeziehungen der Parteien nicht entscheidend. Die Parteien hatten arbeitsvertraglich eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen vereinbart. Die Ruhegeldansprüche des Klägers richteten sich nach den Vorschriften des Landesbeamtengesetzes und des Beamtenversorgungsgesetzes. Die Rheinische Versorgungskasse übernimmt lediglich die Berechnung und Auszahlung der Versorgungsleistungen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 der Satzung). Zwischen ihr und den versorgungsberechtigten Beschäftigten besteht keine Rechtsbeziehung. Rechte und Pflichten gibt es nur zwischen der Versorgungskasse und ihren Mitgliedern (§ 11 Abs. 1 der Satzung). Mitglieder können nicht die versorgungsberechtigten Beschäftigten, sondern ausschließlich die versorgungspflichtigen Dienstherren sein (§ 3 der Satzung). Soweit sie der Versorgungskasse gegenüber nach § 17 der Satzung verpflichtet sind, die Dienstunfähigkeit ihrer Beschäftigten durch amtsärztliches Zeugnis nachzuweisen, betrifft dies ebenfalls nicht ihr Verhältnis zu ihren Beschäftigten, sondern ihr Mitgliedsverhältnis zur Versorgungskasse. Im Beschäftigungsverhältnis sind bei einer Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit die §§ 45 ff. LBG NW zu beachten.
2. Soweit der Kläger geltend macht, die Beklagte habe erbetene Auskünfte nicht erteilt, fehlt ein ausreichender Sachvortrag zu den gestellten Fragen. Der Kläger hat lediglich behauptet, er habe sich „über seine Versorgungslage informieren” wollen. Er hat aber nicht ausgeführt, welche Fragen er im einzelnen stellte. Ohne genaue Fragestellung läßt sich aber nicht beantworten, ob die erbetenen Informationen entscheidungserheblich waren und ob die Beklagte sie erteilen mußte.
3. Bis zum Ausspruch der Kündigung war die Beklagte nicht verpflichtet, den Kläger darüber zu belehren, daß er nach den beamtenrechtlichen Vorschriften den Ruhegehaltsanspruch verliere, wenn er nicht wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt werde, sondern das Arbeitsverhältnis auf andere Weise und aus anderen Gründen beendet werde.
a) Die Beklagte hatte das zur Vermeidung von Versorgungseinbußen erforderliche Verfahren eingeleitet. Sie hatte den Kläger aufgefordert, sich auf seine Dienstunfähigkeit hin untersuchen zu lassen. Für den Kläger war unschwer zu erkenne, daß die Beklagte bei Feststellung der Dienstunfähigkeit das Arbeitsverhältnis lösen und ein Ruhestandsverhältnis begründen wolle. Hätte sich der Kläger entsprechend der Aufforderung der Beklagten untersuchen lassen, so wären ihm die Versorgungsnachteile erspart geblieben.
b) Nach § 5 des Arbeitsvertrages war er verpflichtet, sich auf Verlangen der Beklagten amtsärztlich untersuchen zu lassen. Das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers gebietet es zwar, diese Vertragsbestimmung einschränkend auszulegen. Die erforderlichen Zweifel an der Dienstfähigkeit des Klägers lagen aber vor. Der Kläger hatte sich einer Bandscheibenoperation unterziehen müssen und war unstreitig seit Anfang 1988 arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte durfte erwarten, daß der Kläger seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nachkam. Schadenersatzansprüche kann der Kläger nicht daraus herleiten, daß er nicht auf die Folgen eines vertragswidrigen Verhaltens hingewiesen wurde.
4. Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt sich der geltend gemachte Schadenersatzanspruch auch nicht daraus, daß die Beklagte ihm keinen weiteren Untersuchungstermin verschaffte, sondern das Arbeitsverhältnis kündigte.
a) Die Reaktion der Beklagten war nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt nicht unverständlich. Der Kläger hatte nach seiner eigenen Einlassung den ersten Untersuchungstermin am 3. Mai 1988 unter anderem wegen privater Gerichtstermine nicht wahrgenommen. Der zweite Untersuchungstermin war mit dem Kläger abgesprochen. Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger habe auch den zweiten Untersuchungstermin wegen eines privaten Gerichtstermins abgesagt. Der Kläger hat diese Behauptung nicht substantiiert bestritten. Er ist auf sie nicht weiter eingegangen, sondern hat lediglich vorgetragen, daß es ihm an diesem Tag gesundheitlich sehr schlecht gegangen sei. Das steht jedoch nicht im Widerspruch zum Vorbringen der Beklagten, weil der Kläger die Absage des ersten Untersuchungstermins ebenfalls sowohl mit einem schlechten Gesundheitszustand als auch mit einem privaten Gerichtstermin begründet hat. Bei der Beklagten konnte unter diesen Umständen der Eindruck entstehen, daß der Kläger nicht bereit sei, sich untersuchen zu lassen, und lediglich auf Zeit spiele.
b) Offenbleiben kann, ob die Beklagte nach dem im Kündigungsrecht zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gehalten war, vor Ausspruch einer Kündigung den Kläger abzumahnen und auf die versorgungsrechtlichen Folgen einer verhaltensbedingten Kündigung hinzuweisen. Greift der Arbeitnehmer eine sozialwidrige Kündigung nicht an und versäumt er die Klagefrist des § 4 KSchG, so gilt die Kündigung nach § 7 KSchG als sozial gerechtfertigt. Erhebt der Kläger rechtzeitig Kündigungsschutzklage, so kann er die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erreichen und versorgungsrechtliche Nachteile vermeiden.
5. Die Beklagte mußte den anwaltlich vertretenen Kläger nicht darüber belehren, wie sich der Prozeßvergleich auf seine Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen auswirke.
a) Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) können sich zwar Aufklärungsund Hinweispflichten ergeben. Bei Abschluß von Verträgen ist es aber zunächst Sache jeder Vertragspartei, sich über die Auswirkungen des beabsichtigten Rechtsgeschäfts zu unterrichten. Vor Abschluß eines Vergleichs muß sich der Arbeitnehmer grundsätzlich über die versorgungsrechtlichen Folgen dieses Schritts Klarheit verschaffen, wenn er die Beendigung des Arbeitsverhältnisses davon abhängig machen will, daß seine Versorgungsansprüche gegen den Arbeitgeber erhalten bleiben (BAGE 47, 169, 174 = AP Nr. 5 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen, zu I 3 a der Gründe). Beim Abschluß von Auflösungsverträgen und Vergleichen ist der Arbeitgeber nur ausnahmsweise verpflichtet, über die Voraussetzungen von Versorgungsansprüchen und deren eventuellen Verlust zu belehren. Eine solche Verpflichtung kommt dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer aufgrund besonderer Umstände darauf vertrauen darf, der Arbeitgeber werde bei der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Interessen des Arbeitnehmers wahren und ihn redlicherweise vor unbedachten nachteiligen Folgen des vorzeitigen Ausscheidens, insbesondere bei der Versorgung, bewahren. Die Interessen der Vertragspartner sind gegeneinander abzuwägen. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen (vgl. u.a. BAG Urteil vom 3. Juli 1990 – 3 AZR 382/89 – AP Nr. 24 zu § 1 BetrAVG, zu II 2 a der Gründe, m.w.N.).
b) Der anwaltlich vertretene Kläger konnte im Kündigungsschutzprozeß nicht erwarten, daß die Beklagte seine Interessen wahrnimmt und ihn auf die versorgungsrechtlichen Folgen des Vergleichsabschlusses hinweist, zumal es sich um eine naheliegende Fragestellung handelte. Aus dem Arbeitsvertrag ergab sich die Zusage einer Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen. Im ersten Satz des Kündigungsschreibens hatte die Beklagte darauf hingewiesen, daß der Kläger die Möglichkeit einer frühzeitigen Versetzung in den Ruhestand nicht wahrgenommen habe. Damit war die versorgungsrechtliche Problematik angesprochen. Die Beklagte durfte davon ausgehen, daß der Kläger mit Unterstützung seiner Rechtsanwälte selbst die Auswirkungen des Vergleichs prüft.
D. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Unterschriften
Dr. Heither, Kremhelmer, Bepler, Weinmann, Schoden
Fundstellen