Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrittszulage in der Druckindustrie

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Antrittszulage für die regelmäßige Herstellung von Zeitungen und Zeitschriften an Sonn- und Feiertagen erhalten nach § 11 Abs 5 Unterabs 2 des Tarifvertrages über die Einführung und Anwendung rechnergesteuerter Textsysteme vom 20. März 1978 nur diejenigen angestellten Arbeitnehmer, die zuvor als gewerbliche Arbeitnehmer Anspruch auf eine tarifliche Antrittsgebühr hatten und deren früherer Arbeitsplatz durch die Einführung der rechnergesteuerten Textsysteme betroffen ist.

 

Normenkette

TVG § 1

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Entscheidung vom 22.10.1982; Aktenzeichen 5 Sa 183/82)

ArbG Hagen (Westfalen) (Entscheidung vom 22.12.1981; Aktenzeichen 4 Ca 2253/81)

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zahlung einer tariflichen Antrittszulage für Sonntagsarbeit am 12. Juli 1981 in der Höhe von 63,26 DM.

Der Kläger war vom 1. September 1980 bis zum 30. Juni 1981 als Montierer in der Abteilung Anzeigenlichtsatz im Druckereibetrieb der Beklagten in Hagen beschäftigt. Die Geltung des Manteltarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Druckindustrie vom 12. April 1979 (MTV) war im Arbeitsvertrag vereinbart. Auf seinen Wunsch wurde der Kläger ab 1. Juli 1981 als Anzeigenaufbereiter in demselben Betrieb der Beklagten in das Angestelltenverhältnis übernommen. In dem neuen Arbeitsvertrag wurde die Geltung des Manteltarifvertrages für die Verlage von Tageszeitungen im Lande Nordrhein-Westfalen vereinbart. Ferner gilt kraft Verbandszugehörigkeit der Parteien auch der Tarifvertrag über Einführung und Anwendung rechnergesteuerter Textsysteme vom 20. März 1978, gültig in der Druckindustrie sowie in den Zeitungen- und Zeitschriftenverlagen der Bundesrepublik Deutschland (RTS-TV).

Bis zum 30. Juni 1981 erhielt der Kläger die tarifliche Antrittsgebühr nach § 6 Abs. 5 a MTV in Höhe von 15 % bzw. 7,5 % des tariflichen Wochenlohns. Ab 1. Juli 1981 stellte die Beklagte diese Zahlung ein. Auch an seinem neuen Arbeitsplatz ist der Kläger regelmäßig an Sonn- und Feiertagen mit der Zeitungsherstellung beschäftigt. Er ist in der Abteilung Anzeigenlichtsatz im rechnergesteuerten Textsystem (RTS) eingesetzt. Als Angestellter erhält er im Vergleich zu seiner früheren Tätigkeit als gewerblicher Arbeitnehmer ein insgesamt höheres Gehalt sowie einen um 12 % höheren Sonntagszuschlag. Von diesem Sonntagszuschlag rechnet er sich 11,83 DM auf die Antrittszulage von 75,09 DM an. Das Zahlenwerk ist unstreitig.

Zur Begründung seines Anspruchs auf Zahlung des Differenzbetrages von 63,26 DM bezieht sich der Kläger auf § 11 Abs. 5 RTS-TV. Nach dieser Vorschrift ist eine Antrittszulage zu zahlen, wenn der für den im RTS tätigen Angestellten geltende Gehaltstarifvertrag ein Antrittsgeld nicht vorsieht.

Der Kläger hat vorgetragen, die tarifliche Antrittszulage stehe ihm zu, da er regelmäßig mit der Herstellung von Zeitungen an Sonn- und Feiertagen beschäftigt sei und der einschlägige Gehaltstarifvertrag die den gewerblichen Arbeitnehmern zu zahlende Antrittsgebühr nicht vorsehe. Daß er seinen neuen Arbeitsplatz auf eigenen Wunsch einnehme und ein insgesamt höheres Einkommen erziele, sei unerheblich.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 63,26 DM

nebst 4 % Zinsen seit dem 30. September 1981

zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei vom Geltungsbereich des RTS-TV nicht erfaßt. Er sei nicht "Betroffener" im Sinne des Tarifvertrages, weil sein früherer Arbeitsplatz durch die Einführung des RTS nicht weggefallen sei. Die Betriebsstätte, in welcher der Kläger arbeite, sei 1978 eingerichtet worden und von Anfang an ausschließlich mit RTS ausgestattet gewesen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Das Berufungsgericht hat nach Einholung von Auskünften der Tarifvertragsparteien die Auffassung vertreten, der Kläger sei nicht Betroffener im Sinne des RTS-TV. Ein Arbeitnehmer sei nur dann durch die Einführung oder Anwendung des RTS betroffen, wenn dadurch sein Arbeitsplatz in nachteiliger Weise verändert werde. Zwischen der Maßnahme und der Einwirkung auf den Arbeitsplatz müsse ein unmittelbarer Ursachenzusammenhang bestehen. Daran fehle es, wenn ein Arbeitnehmer sich um einen im RTS neu geschaffenen Arbeitsplatz bewerbe, ohne daß sein alter Arbeitsplatz in irgendeiner Weise durch die Einführung des RTS beeinflußt worden sei. Es sei nicht Sinn der tariflichen Regelung, die Antrittszulage auch solchen Arbeitnehmern zu gewähren, die erstmals ein Arbeitsverhältnis im RTS eingingen. Dieser Begründung kann sich der Senat nur teilweise anschließen.

2. Der Kläger ist "Betroffener" im Sinne des Tarifvertrages. Gemäß § 1 II b RTS-TV gilt der Tarifvertrag sachlich

"für die Tätigkeiten, die von der Einführung

und Anwendung rechnergesteuerter Textsysteme

(Texterfassung und -gestaltung zur Herstel-

lung von Druckerzeugnissen) betroffen sind."

Dem Berufungsgericht ist einzuräumen, daß der Kläger nicht von der "Einführung" des RTS betroffen ist. Denn als der Kläger im Jahre 1980 erstmals eine Stelle als gewerblicher Arbeitnehmer bei der Beklagten antrat, war die Betriebsstätte bereits mit Lichtsatz und RTS eingerichtet. Der RTS-TV regelt aber nicht nur die erstmalige Einrichtung des Betriebs mit RTS, sondern auch die weitere "Anwendung" dieses Systems im Betrieb. Dies zeigen nicht nur der Wortlaut des § 1 II b des Tarifvertrages, sondern auch die Regelungsgegenstände der übrigen Vorschriften. So regeln die §§ 2 bis 10 RTS-TV vornehmlich Fragen, die auftreten, wenn die Arbeitsplätze in einem Betrieb von der herkömmlichen Technik auf ein rechnergesteuertes System umgestellt werden (Sicherung der Arbeitsplätze, Ausschreibung und Unterrichtung über Arbeitsplätze im RTS, Einweisung, Umschulung und Abfindung). Mit den §§ 12 ff. RTS-TV schließen sich dagegen Vorschriften an, die Regelungen für die Arbeit im RTS unabhängig von dessen Einführung enthalten (ärztliche Kontrollen, Pausen, Mitbestimmungsrechte, Erarbeitung von technischen Mindestnormen). Von dem rechnergesteuerten Textsystem betroffen im Sinne des § 1 II b RTS-TV sind daher auch die Arbeitnehmer, deren Arbeitsbedingungen generell von der neuen Technik bestimmt werden, selbst wenn sie zuvor niemals in der Druckindustrie gearbeitet haben.

3. § 11 RTS-TV regelt unterschiedliche Gegenstände, die teilweise nur die erstmalige Einführung, teilweise aber auch generell die Anwendung der neuen Technik betreffen.

a) § 11 Abs. 1 Satz 1 RTS-TV bewertet die Tätigkeit im RTS ausnahmslos als Angestelltentätigkeit. Das ist eine Regel, die unabhängig von der Neueinführung gilt. Da diese Tätigkeit aber bevorzugt von früheren gewerblichen Arbeitnehmern ausgeübt werden soll (vgl. § 2 RTS-TV), stellen sich Fragen der Überleitung. Damit befassen sich Abs. 1 Unterabsätze 2 bis 4 sowie die Absätze 2 bis 4. Die Vorschrift des Abs. 2 will soziale Härten vermeiden und Besitzstände sichern; daher erhalten bestimmte frühere Facharbeitergruppen eine Ausgleichszulage, wenn ihr Angestelltengehalt niedriger ist. Abs. 2 Unterabs. 2 und Abs. 3 regeln, wie diese Zulage zu berechnen ist, und Abs. 4 sieht vor, daß die Zulage bei späteren Erhöhungen des Tarifgehalts in bestimmten Schritten gekürzt wird. § 11 Abs. 5 RTS-TV schließt hieran an. Die Vorschrift lautet:

"(5) Die Regelung des vorstehenden Absatz 4,

Satz 3 (Reduzierung der Ausgleichszulage)

findet keine Anwendung für Schriftsetzer.

Ihnen gleichgestellt werden Arbeitnehmer,

die bereits vor Inkrafttreten dieses Ver-

trages Schriftsetzer- oder Korrektoren-

tätigkeit ausgeübt haben und entsprechend

bezahlt wurden.

Wird nach dem neu einschlägigen Gehalts-

tarif für die regelmäßige Herstellung von

Zeitungen und Zeitschriften an Sonn- und

Feiertagen kein Antrittsgeld gezahlt, so

wird eine gesondert auszuweisende Antritts-

zulage in Höhe der Antrittsgebühr des MTV

für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druck-

industrie gezahlt.

Dieser Artikel entfällt, wenn und insoweit

im neuen Tarifbereich höhere Sonntagszu-

schläge als in der Druckindustrie gezahlt

werden oder antrittsgeldpflichtige Sonn-

und Feiertagsarbeit nicht geleistet wird."

Abs. 6 enthält eine zusätzliche Übergangsregelung für ältere Arbeitnehmer, denen die Ausgleichszulage nicht gemäß Abs. 4 gekürzt werden soll. Abs. 7 sieht vor, daß der Anspruch auf die Ausgleichszulage unter bestimmten Voraussetzungen abgefunden werden kann. Schließlich bestimmt Abs. 8, daß bisher schon im RTS tätige und in Gehaltstarife eingruppierte Arbeitnehmer nicht im Zusammenhang mit der Einführung des neuen bundesweit geltenden Tarifwerks abgruppiert werden dürfen.

b) Betrachtet man die Regelung in § 11 Abs. 5 Unterabs. 2 isoliert ohne Beachtung der davor und danach stehenden Vorschriften, so hat Anspruch auf die Antrittszulage auch der Arbeitnehmer, dessen Verwendung im RTS nicht mit einer Überleitung von einem alten auf einen neuen Arbeitsplatz zusammenhängt. Die Antrittszulage wäre bei einer solchen Auslegung ohne Rücksicht darauf zu zahlen, ob der Mitarbeiter früher als gewerblicher Arbeitnehmer oder Angestellter in der Druckindustrie tätig war, sofern er nur bei einer entsprechenden Tätigkeit als gewerblicher Arbeitnehmer die tarifliche Antrittsgebühr erhielte. Es ergäbe sich lediglich der Höhe nach eine Begrenzung, soweit die tariflichen Sonntagszuschläge die Antrittsgebühr übersteigen (§ 11 Abs. 5 Unterabs. 3 RTS-TV). Eine solche Auslegung würde aber dem Zweck der Regelung und dem tariflichen Zusammenhang nicht gerecht. § 11 Abs. 5 Unterabs. 2 RTS-TV ist ebenso wie die Abs. 2 bis 4 und 6 bis 8 Teil einer abgestuften Übergangsregelung, die nach der ausdrücklichen Zweckbestimmung des Abs. 2 soziale Härten vermeiden soll. Der als gewerblicher Arbeitnehmer in eine Angestelltentätigkeit im RTS überführte Mitarbeiter soll keine Nachteile hinnehmen müssen, die auf der Einführung der neuen Technik und der damit verbundenen Änderung des Arbeitnehmerstatus vieler in der herkömmlichen Satz- und Drucktechnik tätig gewesener Mitarbeiter beruhen. Auch der tarifliche Regelungszusammenhang bliebe unbeachtet. Wollte man in § 11 Abs. 5 Unterabs. 2 RTS-TV eine Vorschrift sehen, die im Gegensatz zu allen anderen hier geregelten Gegenständen ganz allgemein eine Antrittszulage für alle im RTS tätigen angestellten Mitarbeiter vorsähe, so dürfte das nicht bloß in einem Unterabsatz innerhalb einer Übergangsregelung zum Ausdruck kommen. Die Antrittszulage sollen daher ersichtlich nur angestellte Arbeitnehmer erhalten, die - wäre nicht das RTS eingeführt worden und wären sie deshalb gewerbliche Arbeitnehmer geblieben - die Antrittsgebühr erhielten. Die Vorschrift will aber nicht auf Dauer spezielle, den gewerblichen Arbeitnehmern zustehende Zulagen auch den angestellten Arbeitnehmern erhalten.

c) Der Kläger erfüllt hiernach die Voraussetzungen des § 11 Abs. 5 Unterabs. 2 RTS-TV nicht. Er erhielt allerdings gemäß § 6 Abs. 5 a des Manteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie in der Fassung vom 12. April 1979 die Antrittsgebühr, weil er als Montierer am Sonntag und in der Nacht von Sonntag auf Montag mit der Herstellung der Zeitung oder Zeitschrift beschäftigt war. Als angestellter Anzeigenaufbereiter übt er ebenfalls eine die Zeitungsherstellung betreffende Tätigkeit aus. Aber er wird von der Besitzstandsregelung des § 11 RTS-TV deshalb nicht erfaßt, weil nicht die Einführung des RTS seinen Arbeitnehmerstatus verändert und damit den Verlust der Zulage der gewerblichen Arbeitnehmer verursacht hat, sondern sein Arbeitsplatzwechsel innerhalb des Betriebs der Beklagten.

Schaub Griebeling Dr. Peifer

Dr. Hoppe Gnade

 

Fundstellen

AP § 1 TVG, Nr 4

EzA § 4 TVG Druckindustrie, Nr 2 (LT1)

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