Entscheidungsstichwort (Thema)
Beginn und Ende der Arbeitszeit. Übergangsregelung
Leitsatz (amtlich)
- Die Übergangsvorschrift des § 2 Abs. 2 des 66. Änderungstarifvertrages zum BAT, nach der örtliche/bezirkliche Regelungen nicht berührt werden, die auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 15 Abs. 7 BAT Leistungen vorsehen, verhindert, daß eine örtliche Tarifregelung durch die Neufassung des Satzes 2 der Protokollnotiz zu § 15 Abs. 7 BAT (vgl. § 1 Nr. 8 Buchst. c des 66. Änderungstarifvertrags zum BAT) abgelöst wird.
- Ein Tarifpartner ist durch die Übergangsvorschrift jedoch nicht gehindert, die Wirkung der örtlichen Tarifregelung durch Ausübung eines in ihr vereinbarten Kündigungsrechts zu beenden.
Normenkette
BAT § 15 Abs. 7; 66. Änderungstarifvertrag zum BAT § 1 Nr. 8; 66. Änderungstarifvertrag zum BAT § 2 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Vergütung für Wege- und Rüstzeiten aufgrund einer tariflichen Pauschalierungsregelung.
Die Klägerin ist als Diätassistentin am Krankenhaus H… beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung. Dessen § 15 Abs. 7 lautet:
“Die Arbeitszeit beginnt und endet an der Arbeitsstelle, bei wechselnden Arbeitsstellen an der jeweils vorgeschriebenen Arbeitsstelle oder am Sammelplatz.”
Die Protokollnotiz zu § 15 Abs. 7 BAT lautete bis zum 31. März 1991:
“Der Begriff der Arbeitsstelle ist weiter als der Begriff des Arbeitsplatzes. Er umfaßt z. B. die Dienststelle oder den Betrieb, während unter dem Arbeitsplatz der Platz zu verstehen ist, an dem der Angestellte tatsächlich arbeitet.”
Im Urteil vom 18. Januar 1990 (– 6 AZR 386/89 – BAGE 65, 1 = AP Nr. 16 zu § 15 BAT) hat der erkennende Senat in Bestätigung seiner bis dahin verfolgten Rechtsprechung angenommen, daß Arbeitszeit auch die Zeit zwischen dem Betreten der Arbeitsstelle (z. B. des umzäunten Krankenhausgeländes) und dem Arbeitsplatz des Angestellten (z. B. der Station) sein kann.
Am 26. April 1990 schloß die Beklagte mit der Gewerkschaft ÖTV einen Tarifvertrag über die pauschalierte Abgeltung der Wege- und Rüstzeiten.
Aufgrund dieser tariflichen Regelung erhielt die Klägerin zur Abgeltung von Wege- und Rüstzeiten einen monatlichen Pauschalbetrag von 137,80 DM. Gemäß § 7 Abs. 2 konnte dieser Tarifvertrag mit einer Frist von 3 Monaten schriftlich gekündigt werden.
Durch § 1 Nr. 8 Buchst. c des 66. Änderungstarifvertrages zum BAT vom 24. April 1991 (fortan: Änderungstarifvertrag), gültig ab 1. April 1991, wurde Satz 2 der Protokollnotiz zu § 15 Abs. 7 BAT geändert. Sie lautet nunmehr:
“Der Begriff der Arbeitsstelle ist weiter als der Begriff des Arbeitsplatzes. Er umfaßt z. B. den Verwaltungs-/Betriebsbereich in dem Gebäude-/ Gebäudeteil, in dem der Angestellte arbeitet.”
Die gleichzeitig ergangene Übergangsvorschrift in § 2 Abs. 2 Änderungstarifvertrag lautet:
“Eine am 15. März 1991 bestehende örtliche/bezirkliche Regelung, die auf der bisherigen Rechtsprechung des BAG zu § 15 Abs. 7 BAT beruht und zusätzliche Geldleistungen oder zusätzliche Freizeit vorsieht, wird für die vom Geltungsbereich dieser Regelung erfaßten Arbeitnehmergruppen durch das Inkrafttreten der Neufassung des Satzes 2 der Protokollnotiz zu § 15 Abs. 7 BAT nicht berührt.”
Im Hinblick auf die Änderung der Protokollnotiz zu § 15 Abs. 7 BAT kündigte die Beklagte den Tarifvertrag vom 26. April 1990 zum 10. Januar 1992 und stellte die Zahlung des Pauschbetrages ein.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei aufgrund der Übergangsvorschrift in § 2 Abs. 2 Änderungstarifvertrag weiterhin zur Zahlung der monatlichen Pauschalbeträge verpflichtet. Mit den Hauptanträgen hat sie entsprechende Feststellung sowie Zahlung für die Monate Januar (anteilig) bis April 1992 begehrt. Hilfsweise hat sie geltend gemacht, sie habe Anspruch auf Überstundenvergütung im Umfang der arbeitstäglich anfallenden Wege- und Rüstzeiten von 15 bis 20 Minuten pro Tag, und entsprechende Feststellung begehrt.
Die Klägerin hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an sie 506,75 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Juni 1992 zu zahlen,
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, für die Dauer der Wirksamkeit des § 2 Abs. 2 des ÄnderungsTV zum BAT vom 24. April 1991 an die Klägerin die Pauschale zur Abgeltung der Wege- und Rüstzeiten in jeweiliger tariflicher Höhe – derzeit 137,80 DM brutto monatlich – über den 30. April 1992 hinaus zu zahlen,
hilfsweise,
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihre Wege- und Rüstzeiten zwischen Arbeitsstelle und Arbeitsplatz als Überstunden zu vergüten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Übergangsregelung in § 2 Abs. 2 des Änderungstarifvertrages verhindere lediglich das automatische Außerkrafttreten der örtlichen Regelungen, stehe jedoch deren Kündigung nicht entgegen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage hinsichtlich der Hauptanträge durch Teilurteil abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen dieses Teilurteil zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr ursprüngliches Klagebegehren im Umfange der Abweisung. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin blieb erfolglos.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, es bestehe kein Anspruch der Klägerin auf Weiterzahlung des monatlichen Pauschalbetrages. Der Pauschalierungstarifvertrag vom 26. April 1990 sei zum 10. Januar 1992 gekündigt worden. Auch aus der Übergangsvorschrift des § 2 Abs. 2 Änderungstarifvertrag lasse sich der Zahlungsanspruch nicht herleiten. Nach dieser Vorschrift sei der Pauschalierungstarifvertrag durch die Neufassung der Protokollnotiz zu § 15 Abs. 7 BAT nicht berührt worden. Dies bedeute jedoch nur, daß der Pauschalierungstarifvertrag inhaltlich mit der vorgesehenen und hier ausgeübten Kündigungsmöglichkeit bestehen geblieben sei. Einen weiteren Bestandsschutz bewirke die tarifliche Übergangsregelung nicht.
Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
II. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von monatlich 137,80 DM für Wege- und Rüstzeit aus dem Tarifvertrag vom 26. April 1990.
1. Die Beklagte hat diesen Tarifvertrag zum 10. Januar 1992 gekündigt. Dazu war sie nach § 7 Abs. 2 des Tarifvertrages berechtigt. Dadurch wurde der Anspruch auf die Pauschalabgeltung beseitigt.
2. Entgegen der Auffassung der Revision wird durch § 2 Abs. 2 Änderungstarifvertrag die örtliche Tarifregelung vom 26. April 1990 nicht auf Dauer in ihrem Bestand gesichert. Die Kündigungsbefugnis der Beklagten nach § 7 Abs. 2 des Pauschalierungstarifvertrages wurde durch den Änderungstarifvertrag nicht beseitigt.
Gemäß § 2 Abs. 2 Änderungstarifvertrag wird eine am 15. März 1991 bestehende örtliche/bezirkliche Regelung, die auf der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 15 Abs. 7 BAT beruht und zusätzliche Geldleistungen oder Freizeit vorsieht, für die vom Geltungsbereich dieser Regelung erfaßten Arbeitnehmergruppen durch das Inkrafttreten der Neufassung des Satzes 2 der Protokollnotiz zu § 15 Abs. 7 BAT nicht berührt. Dies gilt auch für das in einer solchen Regelung enthaltene Kündigungs- oder Widerspruchsrecht.
a) Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 15. Juli 1993 (– 6 AZR 398/92 – AP Nr. 26 zu § 15 BAT) bei Beurteilung einer vom Arbeitgeber individualrechtlich zugesagten Wegegeldpauschale die Übergangsvorschrift ausgelegt und angenommen, daß die Tarifvertragsparteien durch die Formulierung “nicht berührt” nur zum Ausdruck gebracht haben, daß günstigere örtliche Regelungen durch § 2 Abs. 2 des Änderungstarifvertrages nicht verdrängt oder verschlechtert werden, sondern bestehen bleiben. Da der Ausschluß einer Kündigung im Änderungstarifvertrag jedoch nicht bestimmt sei, enthalte dessen § 2 Abs. 2, falls er auf individualrechtliche Vereinbarungen überhaupt anwendbar sei, lediglich die Wiedergabe des in § 4 Abs. 3 TVG geregelten Günstigkeitsprinzips. Der Arbeitgeber könne demnach eine vom ihm getroffene Regelung durch vorbehaltene und erklärte Kündigung beseitigen.
b) Für die hier vorliegende örtliche Tarifregelung gilt im Ergebnis das gleiche. Sie wird durch den Änderungstarifvertrag nicht abgelöst, sondern bleibt in ihrem Bestand unberührt. § 2 Abs. 2 Änderungstarifvertrag verhindert, daß eine örtliche Tarifregelung über eine Wegegeldpauschale durch die Änderung der Protokollnotiz zu § 15 Abs. 7 BAT in ihrer Wirkung beendet wird. Nicht ausgeschlossen ist jedoch, die örtliche Tarifregelung unter den in ihr geregelten Voraussetzungen zu kündigen. Für einen solchen Ausschluß enthält der Text des Änderungstarifvertrags keine Anhaltspunkte. Die mit einer Frist von drei Monaten kündbare und unstreitig fristgerecht gekündigte örtliche Tarifregelung vom 26. April 1990 über die Wegegeldpauschale wurde somit nicht für die Dauer der Wirksamkeit des § 2 Abs. 2 Änderungstarifvertrag unkündbar, wie die Klägerin fälschlich meint.
III. Die Kostentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Jobs, Dr. Armbrüster, Gotsche, Schneider
Fundstellen
Haufe-Index 856727 |
BB 1994, 1792 |
NZA 1995, 177 |