Entscheidungsstichwort (Thema)
Stufenzuordnung bei Vorbeschäftigung in Teilzeit. Notwendiger Umfang der Arbeitszeit für die Berücksichtigung von Vorbeschäftigungszeiten bei der Stufenzuordnung eines wissenschaftlichen Mitarbeiters nach § 40 Nr. 5, § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L
Leitsatz (amtlich)
Der Erwerb einschlägiger Berufserfahrung iSv. § 40 Nr. 5, § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L setzt keinen Mindestbeschäftigungsumfang in Höhe einer bestimmten Teilzeitquote voraus.
Orientierungssatz
Ein wissenschaftlicher Mitarbeiter im Hochschulbereich muss bei Teilzeitarbeit nicht mit einem bestimmten Mindestumfang beschäftigt werden, um im Rahmen der Zuordnung zu einer Entgeltstufe einschlägige Berufserfahrung iSv. § 40 Nr. 5, § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L zu erwerben.
Normenkette
Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) § 40 Nr. 5; Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) § 16 Abs. 2 S. 3; TV-L Anhang zu §§ 6, 16 Abs. 2 Sätze 3-4; Protokollerklärung Nr. 1 zu § 16 Abs. 2, § 17 Abs. 3 Sätze 3-4, § 40 Nr. 5; TzBfG § 4 Abs. 1 S. 1; WissZeitVG § 2 Abs. 3 S. 1; GG Art. 9 Abs. 3; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
Sächsisches LAG (Urteil vom 08.05.2012; Aktenzeichen 7 Sa 227/10) |
ArbG Leipzig (Urteil vom 18.03.2010; Aktenzeichen 14 Ca 143/09) |
Tenor
1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 8. Mai 2012 – 7 Sa 227/10 – wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Stufenzuordnung des Klägers.
Der Kläger wurde vom beklagten Freistaat zum 1. Oktober 2007 als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit der Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eingestellt. Er war an der Universität L beschäftigt und versah dort Tätigkeiten im Bereich von Forschung und Lehre. Dazu gehörte die Vorbereitung und Überarbeitung von Veröffentlichungen sowie die Vorbereitung von Lehrveranstaltungen und Vorträgen. Außerdem korrigierte der Kläger Klausur- und Seminararbeiten, führte eine Arbeitsgemeinschaft durch und hielt eine Vorlesung. Nach dem Arbeitsvertrag fand auf das Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) in der jeweiligen Fassung Anwendung. In der Zeit vom 1. Oktober 2007 bis 30. September 2008 wurde der Kläger nach Entgeltgruppe 13 Stufe 1 TV-L vergütet.
Der Kläger war zuvor vom 1. September 2006 bis 30. September 2007 ununterbrochen auf der Grundlage verschiedener befristeter Arbeitsverträge mit variierendem Arbeitszeitumfang an einem Lehrstuhl der M-Universität tätig gewesen. Die Arbeitsverträge sahen entweder Tätigkeiten als wissenschaftliche Hilfskraft mit Hochschulabschluss oder als wissenschaftlicher Mitarbeiter vor. Vom 1. September 2006 bis 31. Oktober 2006 war der Kläger nach dem Arbeitsvertrag als wissenschaftliche Hilfskraft mit einer monatlichen Arbeitszeit von durchschnittlich 26 Stunden beschäftigt. Die im Oktober 2006 geschuldeten 26 Stunden sollten in der Zeit vom 1. Oktober 2006 bis 14. Oktober 2006 erbracht werden. Vom 15. Oktober 2006 bis 14. März 2007 folgte eine Beschäftigung als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit einer Arbeitszeit von 20 Stunden wöchentlich. Vom 15. März 2007 bis 31. Mai 2007 war der Kläger laut Arbeitsvertrag als wissenschaftliche Hilfskraft eingesetzt. Vom 15. März 2007 bis 31. März 2007 betrug die Arbeitszeit 20 Stunden im Monat. Ab 1. April 2007 lag sie bei 76 Stunden monatlich. Vom 1. Juni 2007 bis 30. September 2007 war der Kläger nach dem Arbeitsvertrag weiter als wissenschaftliche Hilfskraft mit einem Stundenvolumen von 76 Stunden im Monat beschäftigt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe für den Zeitraum vom 1. Oktober 2007 bis 30. September 2008 Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe 13 Stufe 2 TV-L. Seine Vorbeschäftigung an der M-Universität sei nach § 40 Nr. 5, § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L in vollem Umfang als Zeit einschlägiger Berufserfahrung anzuerkennen. Er hat behauptet, er sei während seiner Beschäftigung durch das Land Sachsen-Anhalt durchgehend mit Tätigkeiten eines wissenschaftlichen Mitarbeiters betraut gewesen, wie er sie nun auch für den Beklagten erbringe. Soweit der Beschäftigung formal ein drittmittelfinanziertes Arbeitsverhältnis als wissenschaftliche Hilfskraft zugrunde gelegen habe, sei das lediglich auf haushaltsrechtliche Erwägungen zurückzuführen gewesen.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihn ab 1. Oktober 2007 bis 30. September 2008 in Entgeltgruppe 13 Stufe 2 TV-L zu vergüten.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Durch die Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft an der M-Universität habe der Kläger keine einschlägige Berufserfahrung für seine aktuelle Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität L erworben. Die Tätigkeiten eines wissenschaftlichen Mitarbeiters und die einer wissenschaftlichen Hilfskraft seien nicht gleichwertig. Das ergebe sich aus den unterschiedlichen Arbeitsaufgaben und der unterschiedlichen Vergütung beider Berufsgruppen. Das Hochschulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt unterscheide insoweit ausdrücklich zwischen wissenschaftlichen Mitarbeitern (§ 42 HSG LSA) und wissenschaftlichen Hilfskräften
(§ 51 HSG LSA). Im Rahmen der Stufenzuordnung nach § 40 Nr. 5, § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L seien zudem nur Zeiten mit einem Beschäftigungsumfang von mindestens 50 % der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit anzuerkennen. Nur auf diese Weise sei gewährleistet, dass auch Teilzeitbeschäftigte über eine hinreichende einschlägige Berufserfahrung verfügten, die dem Arbeitgeber im neuen Arbeitsverhältnis zugutekomme und eine höhere Vergütung rechtfertige.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage nach Vernehmung des Lehrstuhlinhabers an der M-Universität stattgegeben. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts erbrachte der Kläger seine Arbeitsleistungen – zum Teil abweichend von der Tätigkeitsbezeichnung im Arbeitsvertrag – spätestens seit 1. Oktober 2006 bis 30. September 2007 als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision will der Beklagte das Urteil erster Instanz wiederhergestellt wissen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben.
A. Die Feststellungsklage ist zulässig. Die Erfordernisse des § 256 Abs. 1 ZPO sind gewahrt. Das erstrebte Urteil ist trotz seiner lediglich feststellenden und einer Vollstreckung nicht zugänglichen Wirkung geeignet, den Streit der Parteien über die Berechnung der Vergütung beizulegen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden.
I. Der von § 256 Abs. 1 ZPO verlangte Gegenwartsbezug des Rechtsverhältnisses wird dadurch hergestellt, dass der Kläger die Erfüllung konkreter, auf ein höheres Entgelt gerichteter Ansprüche aus einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum und damit gegenwärtige rechtliche Vorteile erstrebt (vgl. für die st. Rspr. BAG 21. November 2013 – 6 AZR 23/12 – Rn. 15).
II. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse besteht. Mit dem angestrebten Feststellungsurteil wird die Stufenzuordnung des Klägers und mit ihr die Berechnung der Vergütung auch zukunftsbezogen dem Streit der Parteien entzogen. Das rechtfertigt die Annahme eines rechtlichen Interesses. Dafür sprechen ua. prozessökonomische Gründe. Der Kläger war deswegen nicht gehalten, objektiv gehäufte Leistungsklagen zu erheben (vgl. BAG 21. November 2013 – 6 AZR 23/12 – Rn. 15).
B. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat nach § 40 Nr. 5, § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L Anspruch darauf, in der Zeit vom 1. Oktober 2007 bis 30. September 2008 nach Stufe 2 der Entgeltgruppe 13 TV-L vergütet zu werden.
I. Nach § 40 Nr. 5, § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L sind Beschäftigte an Hochschulen und Forschungseinrichtungen bei der Einstellung der Stufe 2 ihrer jeweiligen Entgeltgruppe zuzuordnen, wenn sie über eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr aus einem befristeten oder unbefristeten Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber verfügen.
II. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger.
1. Er wurde vom Beklagten zum 1. Oktober 2007 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität L eingestellt. Er verrichtete Tätigkeiten im Bereich der Forschung und Lehre iSv. § 71 SächsHSFG. Im Bereich der Forschung wirkte er an der Vorbereitung und Überarbeitung von Kommentierungen, Monografien, Aufsätzen und Entscheidungsanmerkungen mit. Im Bereich der Lehre unterstützte er die Vorbereitung von Lehrveranstaltungen und bereitete Vorträge vor. Außerdem korrigierte er Klausur- und Seminararbeiten, führte eine Arbeitsgemeinschaft durch und hielt eine Vorlesung.
2. Bei der Einstellung verfügte der Kläger durch seine Vorbeschäftigung als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der M-Universität in der Zeit vom 1. September 2006 bis 30. September 2007 über eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr iSv. § 40 Nr. 5, § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L.
a) Einschlägige Berufserfahrung ist nach der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 16 Abs. 2 TV-L eine berufliche Erfahrung in der übertragenen oder einer auf die Aufgabe bezogenen entsprechenden Tätigkeit. Um einschlägige Berufserfahrung handelt es sich demnach, wenn die frühere Tätigkeit im Wesentlichen unverändert fortgesetzt wird oder zumindest gleichartig war. Das setzt grundsätzlich voraus, dass der Beschäftigte die Berufserfahrung in einer Tätigkeit erlangt hat, die in ihrer eingruppierungsrechtlichen Wertigkeit der Tätigkeit entspricht, die er nach seiner Einstellung auszuüben hat (vgl. BAG 21. November 2013 – 6 AZR 23/12 – Rn. 45). Dabei kommt es nicht auf die formale Bewertung der Tätigkeit durch den Arbeitgeber, sondern auf die entgeltrechtlich zutreffende Bewertung an (vgl. BAG 24. Oktober 2013 – 6 AZR 964/11 – Rn. 20).
b) Das Landesarbeitsgericht hat nach Beweisaufnahme festgestellt, dass der Kläger jedenfalls in der Zeit vom 1. Oktober 2006 bis 30. September 2007 teilweise abweichend von der Bezeichnung im Arbeitsvertrag und der geleisteten Vergütung durchgehend Tätigkeiten eines wissenschaftlichen Mitarbeiters versah. Der Beklagte hat diese Feststellung des Tätigkeitsinhalts innerhalb der Revisionsbegründungsfrist nicht gerügt. Sie ist für den Senat bindend. Das Landesarbeitsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, die Vorbeschäftigung des Klägers an der M-Universität sei als gleichwertig mit der Beschäftigung an der Universität L zu bewerten und habe dem Kläger einschlägige Berufserfahrung vermittelt.
c) Das Landesarbeitsgericht hat die Vorbeschäftigung des Klägers in dem Zeitraum vom 1. Oktober 2006 bis 30. September 2007 im Ergebnis zutreffend in vollem Umfang als anzurechnende Zeit einschlägiger Berufserfahrung beurteilt. Der Erwerb einschlägiger Berufserfahrung iSv. § 40 Nr. 5, § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L setzt keinen Mindestbeschäftigungsumfang in Höhe einer bestimmten Teilzeitquote voraus. Das ergibt eine an Wortlaut, Zusammenhang und Zweck orientierte Auslegung der Tarifnorm.
aa) Der Wortlaut der § 40 Nr. 5, § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L bezieht sich auf eine „einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr in einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber”. Die Bestimmung legt den zeitlichen Mindestumfang der Vorbeschäftigung nicht fest. Nach dem Wortlaut kommt es für den Erwerb einschlägiger Berufserfahrung deshalb nicht darauf an, ob die Vorbeschäftigung in Teilzeit oder Vollzeit ausgeübt wird (vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Stand September 2009/November 2013 Teil II § 40 – Wissenschaft Rn. 36 zu Nr. 5; Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand April 2013 E § 16 Rn. 19).
bb) Zusammenhang und Zweck der Tarifnormen unterstützen diesen Befund. §§ 16, 17 TV-L bilden einen in sich geschlossenen Regelungskomplex für die Stufenzuordnung und Stufenlaufzeit. Ausgangspunkt ist eine erfahrungsbezogene Stufenzuordnung und ein erfahrungs- und leistungsbezogener Stufenaufstieg. Nur die Unterbrechung der Tätigkeit von mehr als drei Jahren ist nach § 17 Abs. 3 Satz 3 TV-L schädlich für die Stufenlaufzeit. Nach dem Beschäftigungsumfang wird nicht unterschieden.
(1) § 17 Abs. 3 Satz 4 TV-L bestimmt, dass jede Teilzeitbeschäftigung im Rahmen der Stufenlaufzeit voll angerechnet wird. Das System der §§ 16, 17 TV-L verfolgt erkennbar nicht den Zweck, die Berufserfahrung bei Einstellung und Höherstufung unterschiedlich zu behandeln. § 17 Abs. 3 Satz 4 TV-L spricht daher dafür, auch bei der Einstellung die in einer Teilzeitbeschäftigung erworbene einschlägige Berufserfahrung in vollem Umfang zu berücksichtigen (vgl. Braun in Sponer/Steinherr TV-L Stand Mai 2013 Teil 1140-L § 40 Nr. 5 Rn. 7; von Landenberg-Roberg öAT 2014, 23, 24; Wurm ZfPR 2010, 47, 48).
(2) § 16 Abs. 2 TV-L hat den Zweck, einen Arbeitgeberwechsel innerhalb des öffentlichen Dienstes, aber auch aus der Privatwirtschaft in den öffentlichen Dienst zu erleichtern, indem Vorbeschäftigungszeiten anerkannt werden. Bei Hochschulen und Forschungseinrichtungen iSv. § 40 TV-L gilt diese Zielsetzung in besonderem Maß. Sie sind im Wettbewerb um die besten Arbeitskräfte darauf angewiesen, dass nachteilige Folgen beim Arbeitgeberwechsel vermieden werden, damit die Personalgewinnung nicht von vornherein aussichtslos ist. Hier ist besondere Mobilität erwünscht und oft erforderlich (vgl. Braun inBepler/Böhle/Martin/Stöhr TV-L Stand März 2008 § 40 Nr. 5 Rn. 1; Braun in Sponer/Steinherr TV-L Stand Mai 2013 Teil 1140-L § 40 Nr. 5 Rn. 2; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Stand November 2013 Teil II § 40 – Wissenschaft Rn. 2 zu Nr. 5). Deswegen werden Zeiten mit einschlägiger Berufserfahrung an anderen Hochschulen bei Einstellung in den Entgeltgruppen 13 bis 15 grundsätzlich nach § 40 Nr. 5, § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L anerkannt. Die Festlegung eines Mindestbeschäftigungsumfangs für die Anerkennung von Zeiten einschlägiger Berufserfahrung wäre ein Hemmnis für das Ziel der Mobilität. Sie wäre auch wenig praktikabel, weil für die Länder unterschiedliche regelmäßige Arbeitszeiten gelten (vgl. den Anhang zu § 6 TV-L). Ein prozentual an der regelmäßigen Arbeitszeit orientierter Mindestbeschäftigungsumfang führte zu einer in jedem Land anderen Mindeststundenzahl. Das könnte zB das wenig nachvollziehbare Ergebnis zur Folge haben, dass der Mindestbeschäftigungsumfang im aufnehmenden Land, nicht jedoch im abgebenden Land erreicht wäre (vgl. Braun in Sponer/Steinherr TV-L Stand Mai 2013 Teil 1140-L § 40 Nr. 5 Rn. 7).
(3) Ein weiterer Zweck des § 16 Abs. 2 TV-L besteht darin, bereits erworbene Berufserfahrung bei der Einstellung finanziell zu honorieren, weil sie dem Arbeitgeber Einarbeitungszeit erspart und ein höheres Leistungsvermögen des Arbeitnehmers erwarten lässt.
(a) Ausgehend von dieser Zielsetzung wird im Schrifttum teilweise gefordert, einen Mindestbeschäftigungsumfang für die Anerkennung von Vorbeschäftigungszeiten festzulegen. Ein Teil der Literatur spricht sich für einen Beschäftigungsumfang von mindestens 50 % der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit aus (vgl. Braun in Bepler/Böhle/Martin/Stöhr TV-L Stand März 2008 § 40 Nr. 5 Rn. 5; Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen TV-L Stand Oktober 2009 Teil B 2 § 40 Nr. 5 Rn. 9; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Stand September 2009/November 2013 Teil II § 40 – Wissenschaft Rn. 36 zu Nr. 5). Ein anderer Teil des Schrifttums erwägt, unter Rückgriff auf § 2 Abs. 3 Satz 1 Wiss-ZeitVG einen Beschäftigungsumfang von mehr als 25 % der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit zu verlangen, verneint das aber im Ergebnis (vgl. Braun in Sponer/Steinherr TV-L Stand Mai 2013 Teil 1140-L § 40 Nr. 5 Rn. 7).
(b) Das Erfordernis eines bestimmten Mindestbeschäftigungsumfangs ist abzulehnen. Die Voraussetzungen für eine ergänzende einschränkende Auslegung der § 40 Nr. 5, § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L sind nicht erfüllt. Die von Teilen der Literatur geforderte Mindestgrenze für die Anerkennung von Vorbeschäftigungszeiten stünde zudem nicht im Einklang mit höherrangigem Recht.
(aa) Der Zweck der § 40 Nr. 5, § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L gebietet keine einschränkende Auslegung zugunsten eines Mindestbeschäftigungsumfangs für die Anerkennung von Vorbeschäftigungszeiten.
(aaa) Tarifvertragliche Regelungen sind einer ergänzenden Auslegung nur zugänglich, wenn damit kein Eingriff in die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie verbunden ist. Die ergänzende Auslegung eines Tarifvertrags scheidet aus, wenn die Tarifvertragsparteien eine regelungsbedürftige Frage bewusst ungeregelt lassen und diese Entscheidung höherrangigem Recht nicht widerspricht (vgl. BAG 12. Dezember 2013 – 8 AZR 942/12 – Rn. 19; 23. April 2013 – 3 AZR 23/11 – Rn. 29). Eine bestehende Tariflücke darf nicht durch ergänzende Tarifauslegung geschlossen werden, wenn den Tarifvertragsparteien ein Spielraum in der Frage bleibt, wie die Lücke zu schließen ist, und es ihnen wegen der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie überlassen ist, die von ihnen für angemessen gehaltene Regelung selbst zu finden (vgl. BAG 12. Dezember 2013 – 8 AZR 942/12 – Rn. 19; 23. April 2013 – 3 AZR 23/11 – Rn. 30).
(bbb) Hier besteht bereits keine unbewusste Tariflücke. Die Auslegung der § 40 Nr. 5, § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L anhand von Wortlaut, tariflichem Gesamtzusammenhang und Zweck lässt nicht erkennen, dass die Tarifvertragsparteien die Frage der Teilzeitbeschäftigung bei der Anerkennung von Vorbeschäftigungszeiten im Rahmen der Stufenzuordnung nicht gesehen und unbewusst nicht geregelt haben. Der Zusammenhang von § 16 Abs. 2 und § 17 Abs. 3 TV-L spricht vielmehr dafür, dass die Tarifvertragsparteien sich – wie im Wortlaut des § 17 Abs. 3 Satz 4 TV-L ausgedrückt – bewusst für eine volle Anrechnung von Teilzeitbeschäftigungen mit einschlägiger Berufserfahrung entschieden haben. Ein anderes Verständnis überschritte die Grenzen des Wortlauts und des Zusammenhangs. Die Tarifvertragsparteien haben damit nicht zuletzt eine klare und praktikable Regelung gewählt.
(ccc) Der Zweck der § 40 Nr. 5, § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L verlangt auch keine einschränkende Auslegung. Die von diesen Tarifbestimmungen angestrebte Erleichterung des Arbeitsplatzwechsels wird durch eine volle Anrechnung von Teilzeitbeschäftigungen erreicht. Die Regelungen stellen in hinreichendem Maß den Erwerb einschlägiger, für das neue Arbeitsverhältnis dienlicher Berufserfahrung sicher. Auch im Rahmen von Teilzeitarbeitsverhältnissen erwerben die Arbeitnehmer Berufserfahrung, die sie – soweit einschlägig – auf das neue Arbeitsverhältnis vorbereitet. Allenfalls bei einer Teilzeitbeschäftigung mit einem sehr geringen Beschäftigungsumfang stellt sich die Frage, ob Berufserfahrung erworben wurde, die einer einschlägigen Berufserfahrung von einem Jahr iSv. § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L entspricht. Um inhaltlich „einschlägige” Berufserfahrung handelt es sich nur, wenn der Arbeitnehmer sie in einer Tätigkeit erlangt hat, die in ihrer eingruppierungsrechtlichen Wertigkeit der auszuübenden Tätigkeit entspricht. Die in früheren Tätigkeiten erworbene Erfahrung muss ihn in die Lage versetzen, aus dem Stand die Tätigkeit im neuen Arbeitsverhältnis voll auszufüllen (vgl. Spelge in Groeger Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst 2. Aufl. Teil 8 Rn. 15). Davon ist nur auszugehen, wenn die Vorbeschäftigung qualitativ im Wesentlichen die gesamte inhaltliche Breite der aktuellen Beschäftigung abdeckt. Daran kann es bei Teilzeitbeschäftigungen mit sehr geringem Beschäftigungsumfang fehlen (ähnlich Braun in Bepler/Böhle/Martin/Stöhr TV-L Stand März 2008 § 40 Nr. 5 Rn. 5; von Landenberg-Roberg öAT 2014, 23, 25; Steuernagel öAT 2010, 75).
(bb) Der von Teilen des Schrifttums geforderte Mindestbeschäftigungsumfang für die Anerkennung von Vorbeschäftigungszeiten im Rahmen der § 40 Nr. 5, § 16 Abs. 2 TV-L verstieße zudem gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG.
(aaa) § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG verbietet es, einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer wegen der Teilzeit schlechter zu behandeln. Eine Ungleichbehandlung wegen der Teilzeitarbeit ist anzunehmen, wenn die Dauer der Arbeitszeit das Kriterium ist, an das die unterschiedliche Behandlung bei den Arbeitsbedingungen anknüpft (vgl. BAG 25. September 2013 – 10 AZR 4/12 – Rn. 15; 23. Februar 2011 – 10 AZR 299/10 – Rn. 21 f.; 19. Oktober 2010 – 6 AZR 305/09 – Rn. 18, BAGE 136, 62).
(bbb) Ein abstrakter Mindestbeschäftigungsumfang für die Anerkennung von Vorbeschäftigungszeiten knüpfte ausschließlich an die Dauer der Arbeitszeit an. Teilzeitbeschäftigte mit einschlägiger Berufserfahrung würden bei der Stufenzuordnung allein wegen ihres quantitativen Beschäftigungsumfangs benachteiligt.
(ccc) Diese Ungleichbehandlung wäre auch nicht sachlich gerechtfertigt. Es kann auf sich beruhen, ob der größere Gewinn an Erfahrungswissen, der sich aus dem größeren Arbeitsvolumen vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer ergibt, grundsätzlich geeignet sein kann, eine Ungleichbehandlung zu rechtfertigen (vgl. in diesem Sinn Arnold/Gräfl/Rambach TzBfG 3. Aufl. § 4 TzBfG Rn. 17; Laux in Laux/Schlachter TzBfG 2. Aufl. § 4 Rn. 78; Thüsing in Annuß/Thüsing TzBfG 3. Aufl. § 4 Rn. 54; offengelassen von BAG 9. März 1994 – 4 AZR 301/93 – zu II 3 c der Gründe, BAGE 76, 90). Die mit der wachsenden Dauer einer Tätigkeit zunehmende Erfahrung eines Arbeitnehmers, die ihn zu besserer Arbeitsleistung befähigt, erfordert stets eine Prüfung der Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Frage, welche Beziehung zwischen der Art der ausgeübten Tätigkeit und der Erfahrung besteht, die die Ausübung dieser Tätigkeit nach einer bestimmten Zahl geleisteter Arbeitsstunden mit sich bringt (vgl. EuGH 10. März 2005 – C-196/02 – [Nikoloudi] Rn. 61, Slg. 2005, I-1789; 7. Februar 1991 – C-184/89 – [Nimz] Rn. 14, Slg. 1991, I-297; BAG 9. März 1994 – 4 AZR 301/93 – aaO; 2. Dezember 1992 – 4 AZR 152/92 – zu IV 3 d cc der Gründe, BAGE 72, 64). Zu prüfen ist, ob nach der Art der ausgeübten Tätigkeit eine Relation zwischen der Erfahrung und der Dauer der Tätigkeit auszumachen ist (vgl. die Schlussanträge der Generalanwältin Stix-Hackl vom 29. April 2004 in der Sache – C-196/02 – [Nikoloudi] Rn. 62, aaO). Ein erheblicher Unterschied zwischen Vollzeit und Teilzeit mag in bestimmten Fällen bei sehr qualifizierten Tätigkeiten und ausgesprochen kurzer Beschäftigungsdauer gegeben sein (vgl. Thüsing in Annuß/Thüsing aaO). Dem Gebot einer solchen Einzelfallabwägung würde der von Teilen des Schrifttums geforderte abstrakte Mindestbeschäftigungsumfang für die Anerkennung von Vorbeschäftigungszeiten im Rahmen der § 40 Nr. 5, § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L nicht gerecht. Es handelte sich um eine generalisierende, an einem bloßen Zeitfaktor orientierte Regelung, die keine Rücksicht auf die konkret betroffene Art der Tätigkeit nähme.
(c) Die Vorbeschäftigungszeiten des Klägers an der M-Universität sind jedenfalls in der Zeit vom 1. Oktober 2006 bis 30. September 2007 – unabhängig von ihrem quantitativen Umfang – bei der Stufenzuordnung anzurechnen. Auf die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe sich bei der Feststellung des konkreten Beschäftigungsumfangs des Klägers in der Zeit vom 15. März 2007 bis 31. März 2007 verrechnet und damit § 286 ZPO verletzt, kommt es deshalb nicht an.
3. Der Kläger hat seine einschlägige einjährige Berufserfahrung an der M-Universität und damit bei einem anderen Arbeitgeber iSv. § 40 Nr. 5, § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L erworben. Der Senat braucht nicht darüber zu befinden, ob mit diesem Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis auf der Grundlage mehrerer Arbeitsverträge bestand oder mehrere Arbeitsverhältnisse zustande kamen. Ungeachtet des missverständlichen Wortlauts des § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L ist es unerheblich, wenn die Berufserfahrung nicht aus „einem” Arbeitsverhältnis, sondern aus mehreren vorangegangenen Arbeitsverhältnissen herrührt. Für die Beurteilung, ob es sich um einschlägige Berufserfahrung handelt, die dem Arbeitgeber im aktuellen Arbeitsverhältnis zugutekommt, ist es belanglos, ob die Erfahrung in einem Arbeitsverhältnis oder in mehreren Arbeitsverhältnissen erworben wurde (vgl. BAG 21. Februar 2013 – 6 AZR 524/11 – Rn. 14 mwN).
C. Der Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Fischermeier, Gallner, Krumbiegel, M. Jostes, Sieberts
Fundstellen
Haufe-Index 6822120 |
BAGE 2015, 1 |
DB 2014, 6 |
EBE/BAG 2014 |
FA 2014, 254 |
NZA 2015, 1211 |
ZTR 2014, 475 |
AP 2014 |
EzA-SD 2014, 19 |
RiA 2015, 163 |
öAT 2014, 163 |
AP-Newsletter 2014, 159 |
NJOZ 2014, 1555 |