Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung einer Erzieherin in einer landwirtschaftlichen Außenwohngruppe
Leitsatz (redaktionell)
Bestätigung der Rechtsprechung des Senats zur heilpädagogischen Gruppe für Erzieher in Außenwohngruppen (Urteile des Senats vom 25. August 1993 – 4 AZR 533/92 – und – 4 AZR 534/92 –, n.v.).
Zur heilpädagogischen Gruppe grundlegend Urteile des Senats vom 26. Mai 1993 – 4 AZR 358/92 –, – 4 AZR 382/92 – und – 4 AZR 383/92 – AP Nr. 2, 3 und 4 zu § 12 AVR Caritasverband sowie – 4 AZR 381/92 – ZTR 1993, 469.
Normenkette
AVR-Diakonie § 12; AVR-Diakonie Anlage 1 a Einzelgruppenplan (EGP) 21; AVR-Diakonie Anlage 1 a Einzelgruppenplan (EGP) 22 b
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Urteil vom 29.01.1993; Aktenzeichen 15 (3) Sa 466/92 E) |
ArbG Lingen (Urteil vom 06.02.1992; Aktenzeichen 1 Ca 859/91) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 29. Januar 1993 – 15 (3) Sa 466/92 E – aufgehoben.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen (Ems) vom 6. Februar 1992 – 1 Ca 859/91 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin in einer „heilpädagogischen Gruppe” tätig ist und dementsprechend Vergütung aus der Vergütungsgruppe IV b der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR-Diakonie) Anlage 1 a Einzelgruppenplan (EGP) 22 b Fallgruppe 2 (a.F.) zu erhalten hat.
Die Klägerin ist staatlich anerkannte Erzieherin. Sie steht seit dem 1. August 1984 in den Diensten des Beklagten, einer diakonischen Einrichtung der Evangelischen Kirche, die in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins betrieben wird. Auf das Arbeitsverhältnis sind kraft einzelvertraglicher Vereinbarung die Richtlinien der Arbeitsverträge mit Anstalten und Einrichtungen, die dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland angeschlossen sind (AVR-Diakonie), anzuwenden. Die Klägerin erhält eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe V c der Anlage 1 a AVR-Diakonie.
Das vom Beklagten betriebene Kinder- und Jugenddorf „E.” ist eine Einrichtung der stationären Jugendhilfe mit insgesamt 105 Plätzen für Kinder und Jugendliche. Es besteht aus der E.-Schule (Sonderschule für Verhaltensgestörte/Schule für Erziehungshilfe), in der etwa 75 Kinder und Jugendliche in den Jahrgängen 1–9 in kleinen Gruppen unterrichtet werden. Außerdem verfügt der Beklagte über verschiedene Einrichtungen für differenzierte dezentrale Wohnformen, unter anderem für sechs Außenwohngruppen in geeigneten größeren Einfamilienhäusern in Wohngebieten, zwei Außenwohngruppen auf Bauernhöfen, drei weitgehend verselbständigte Wohngruppen sowie über ein Mädchenwohnhaus. Zielgruppe sind Kinder und Jugendliche aus Familien in Krisen, mit Erziehungsproblemen, Verhaltensauffälligkeiten bis hin zu kinder- und jugendpsychiatrischen Störungsbildern, unter anderem nach sexuellem Mißbrauch, und mit Schulproblemen. Ausschließende Merkmale für die Aufnahme in den Einrichtungen des Beklagten sind starke geistige oder körperliche Behinderung sowie Drogenabhängigkeit.
Ziel der Betreuungsarbeit des Beklagten ist die Rückführung der Kinder und Jugendlichen in die Herkunfts- oder Pflegefamilie bzw. ihre Verselbständigung. Das Konzept des Beklagten ist darauf ausgerichtet, kleine pädagogische Lebensräume mit möglichst wenig „klassischem Heimcharakter” zu schaffen. Grundsatz seiner Erziehungsarbeit ist eine individuelle Erziehungsplanung unter Einbeziehung gruppenpädagogischer Ansätze. Der Grundsatz „soviel Normalität und Realität wie möglich” bildet die Basis für seinen gruppenpädagogischen Ansatz.
Die Außenwohngruppen werden im Schichtdienst von pädagogischen Fachkräften betreut und rund um die Uhr versorgt. Die Betreuungsteams der Außenwohngruppen werden in ihrer Arbeit durch gruppenübergreifende Fachkräfte, insbesondere durch einen psychologischen Dienst, unterstützt.
Die Klägerin ist als Erzieherin in der landwirtschaftlichen Außenwohngruppe (LAWG) „I.”, B. tätig. Dieser gehörten zur Zeit des Verfahrens im ersten Rechtszug zwei Kinder und vier Jugendliche mit Verhaltensstörungen an, die von – die Klägerin eingeschlossen – zwei Erzieherinnen, einem Erzieher und Landwirt und einer Anerkennungspraktikantin betreut wurden. Dieses Team hat die Aufgabe, die volle Versorgung der in der Außenwohngruppe lebenden Kinder und Jugendlichen bezüglich ihrer Körperpflege, Ernährung, Bekleidung, im Schul-, Ausbildungs- und Freizeitbereich, in der Gesundheitsfürsorge und in Verwaltungsangelegenheiten zu gewährleisten und diesen ganztägig als Gesprächspartner zur Verfügung zu stehen. Von den pädagogischen Fachkräften werden die Kinder und Jugendlichen bei der Aufarbeitung von Entwicklungsstörungen, Verhaltensproblemen und Teilleistungsschwächen unterstützt. Zudem gehört zu den Aufgaben des Teams die Unterstützung der Kinder und Jugendlichen bei der Versorgung der auf dem landwirtschaftlichen Anwesen lebenden Tiere.
Im Dezember 1990 hat die Klägerin gegenüber dem Beklagten schriftlich geltend gemacht, ihr stehe ab 1. Januar 1990 ein Anspruch auf Vergütung nach der Vergütungsgruppe IV b der Anlage 1 a AVR-Diakonie zu.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie erfülle die Voraussetzungen für den Anspruch auf die von ihr geforderte Vergütung; insbesondere sei sie in einer heilpädagogischen Gruppe tätig. Unter einer heilpädagogischen Tätigkeit verstehe man auch die Förderung und Betreuung von körperlich, seelisch oder geistig gestörten oder gefährdeten oder schwer erziehbaren Kindern unter Anwendung spezifischer heilpädagogischer Erziehungsformen. Da sie in einer heilpädagogischen Gruppe tätig sei, erfülle sie die Merkmale der Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 k des Einzelgruppenplans 22 b (a.F.), so daß ihr nach vierjähriger Berufsausübung ein Anspruch auf Vergütung nach der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 2 des Einzelgruppenplans 22 b (a.F.) zustehe.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin seit dem 1. Januar 1990 Vergütung nach der Vergütungsgruppe IV b (Berufsgruppe A) der Arbeitsvertragsrichtlinien für Einrichtungen, die dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland angeschlossen sind, nebst 4 % Zinsen aus den jeweils monatlich fällig werdenden Nettodifferenzbeträgen ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, es sei zwar zutreffend, daß ein Erzieher in einer Außenwohngruppe die ihm anvertrauten Kinder und Jugendlichen umfassend betreue, fördere und ihnen ganztägig als Gesprächspartner zur Verfügung stehe. Er sei Bezugsperson für die dort lebenden Kinder und Jugendlichen, da die Eltern aus den verschiedensten Gründen diese Aufgabe zu erfüllen nicht in der Lage seien. Wenn schwerwiegende psychologische Probleme in der Zusammenarbeit mit den Kindern und Jugendlichen zu lösen seien, sei dafür der bei ihm eingerichtete psychologische Dienst zuständig. Dieser biete Mitarbeitern, den Kindern und Jugendlichen direkt sowie auch den Eltern begleitende und unterstützende Beratungen bis hin zu verschiedenen therapeutischen Möglichkeiten an, wie z.B. Spieltherapie, Familientherapie und Bildung von Gruppen mit therapeutischem Charakter. In derartigen therapeutischen Gruppen seien die staatlich anerkannten Erzieher in Außenwohngruppen nicht tätig. Zudem beschäftige er zwei Fachkräfte im Bereich der Psychomotorik und Rhythmik, um Entwicklungsverzögerungen im psychomotorischen Bereich zu erkennen und abzubauen. All diese Tätigkeiten seien von den staatlich anerkannten Erziehern nicht zu verrichten. Ihre Aufgabe sei es, die Kinder und Jugendlichen im Tagesablauf erzieherisch zu begleiten. Darin könne eine heilpädagogische Tätigkeit nicht gesehen werden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Der Beklagte verfolgt mit seiner Revision den Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Klageabweisung. Die Klägerin kann nach ihrem Vorbringen vom Beklagten weder die Zahlung von Vergütung nach der Vergütungsgruppe V b noch nach der Vergütungsgruppe IV b AVR-Diakonie verlangen, da sie nicht in einer „heilpädagogischen Gruppe” tätig ist.
I. Die Klage ist zwar zulässig. Es handelt sich um eine Eingruppierungsfeststellungsklage, die auch außerhalb des öffentlichen Dienstes allgemein üblich ist und nach ständiger Senatsrechtsprechung keinen prozeßrechtlichen Bedenken begegnet (vgl. Senatsurteile vom 25. September 1991 – 4 AZR 87/91 – AP Nr. 7 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel = EzA § 4 TVG Großhandel Nr. 2, zu I der Gründe, m.w.N.; vom 11. November 1992 – 4 AZR 117/92 –, n.v., zu II 1 der Gründe).
Der Feststellungsantrag ist auch zulässig, soweit er Zinsforderungen zum Gegenstand hat. In Eingruppierungsstreitigkeiten ist ein Feststellungsantrag nach § 256 ZPO nämlich nicht nur für die Hauptsache, sondern ebenso für die Zinsforderung zulässig. Dies ergibt sich daraus, daß die im Verhältnis zur Hauptschuld akzessorische Zinsforderung auch in prozessualer Beziehung das rechtliche Schicksal der Hauptforderung teilen soll (BAGE 22, 247, 249 = AP Nr. 30 zu §§ 22, 23 BAT).
II. Die Klage ist aber nicht begründet. Die Klägerin ist nach der Anlage 1 a der auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren AVR-Diakonie zutreffend in die Vergütungsgruppe V c eingruppiert. Sie hat keinen Anspruch auf Vergütung nach Vergütungsgruppe V b oder IV b.
1. Auf das Arbeitsverhältnis sind, wovon übereinstimmend auch die Parteien ausgehen, die AVR-Diakonie in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden.
Zwar können die AVR nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine normative Wirkung entfalten, sondern nur kraft einzelvertraglicher Bezugnahme auf ein Arbeitsverhältnis Anwendung finden (vgl. BAG Urteil vom 6. Dezember 1990, BAGE 66, 314, 320 = AP Nr. 12 zu § 2 BeschFG 1985, zu II 2 b der Gründe, m.w.N.). Eine solche Vereinbarung liegt hier vor.
2. Nach § 12 Abs. 1 (a.F.) AVR-Diakonie wird der Mitarbeiter nach den in den Anlagen 1 a bis 1 c festgelegten Tätigkeitsmerkmalen in die Gruppe eingruppiert, die der von ihm überwiegend auszuübenden Tätigkeit entspricht. Danach kommt es, wie auch das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, für den Bereich der AVR-Diakonie nicht, wie im Bereich des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) erforderlich, auf die Bildung von Arbeitsvorgängen an. Die AVR-Diakonie haben nämlich die insoweit erfolgte Änderung des BAT im Jahre 1975 nicht nachvollzogen.
Die Klägerin wird streitlos vertragsgemäß als Erzieherin in einer Außenwohngruppe des Beklagten beschäftigt. Nach § 12 Abs. 2 (a.F.) AVR-Diakonie erfolgt ihre Eingruppierung nach der Berufsgruppeneinteilung A („für die der Rentenversicherung der Angestellten zugehörigen Mitarbeiter mit Ausnahme der im Krankenpflegedienst tätigen Mitarbeiter …”).
3. Für die Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch kommt es somit auf folgende Bestimmungen der AVR-Diakonie in der am 1. Januar 1990 geltenden Fassung, auf die die Klägerin ihre Forderung stützt, an:
Einzelgruppenplan 21
Erzieher(innen), Kindergärtnerinnen/Hortnerinnen, Kinderpflegerinnen sowie Mitarbeiter(innen) in entsprechenden Tätigkeiten
Vergütungsgruppe VI b
…
13. Erzieher(innen), Kindergärtnerinnen/Hortnerinnen
…
e) in Gruppen von körperlich, seelisch oder geistig gestörten oder gefährdeten oder schwer erziehbaren Kindern oder Jugendlichen (Anm. 1, 4, 5)
Vergütungsgruppe V c
…
15. Erzieher(innen), Kindergärtnerinnen/Hortnerinnen
…
e) in Gruppen von körperlich, seelisch oder geistig gestörten oder gefährdeten oder schwer erziehbaren Kindern oder Jugendlichen (Anm. 1, 4, 5)
nach einjähriger Berufsausübung in einer Tätigkeit wie zu 13. oder nach mindestens zweijähriger Berufsausübung in einer Tätigkeit wie zu 12.
…
Anmerkungen zu Einzelgruppenplan 21
…
4. In Gruppen oder Heimen (einschließlich Kindertagesstätten) von körperlich, seelisch oder geistig gestörten oder gefährdeten oder schwer erziehbaren Kindern oder Jugendlichen im Sinne dieses Tätigkeitsmerkmals brauchen sich nicht ausschließlich Kinder oder Jugendliche der genannten Art zu befinden; diese müssen jedoch im Durchschnitt überwiegen.
5. Unter dieses Tätigkeitsmerkmal fallen auch Mitarbeiter(innen) im Erziehungsdienst in heilpädagogischen Heimen.
…
Einzelgruppenplan 22 b
Sozialpädagogen/Sozialarbeiter im Erziehungsdienst
Vergütungsgruppe V b
1. Sozialpädagogen/Sozialarbeiter (Anm. 1, 2)
…
k) in geschlossenen (gesicherten) Gruppen oder in Aufnahme- (Beobachtungs-) Gruppen oder in heilpädagogischen Gruppen (Anm. 7, 14)
…
Vergütungsgruppe IV b
…
2. Mitarbeiter nach vierjähriger Berufsausübung in einer Tätigkeit der Vergütungsgruppe V b (Anm. wie zu Fallgr. 1).
…
Anmerkungen zu den Einzelgruppenplänen 22 a und 22 b
1. …
2. Erzieher(innen), Kindergärtnerinnen/Hortnerinnen mit staatlicher Anerkennung als Erzieher oder Kindergärtnerin
oder
…
sowie
Mitarbeiter(innen), in der Tätigkeit von Erziehern (Erzieherinnen) oder Kindergärtnerinnen/Hortnerinnen mit abgeschlossener mindestens gleichwertiger Fachausbildung werden nach diesem Tätigkeitsmerkmal eingruppiert, wenn sie am 1. April 1970 die in dem Tätigkeitsmerkmal geforderte Tätigkeit ausüben oder ihnen bis zum 31. Dezember 1990 diese Tätigkeit übertragen wird.
…
Die Klägerin ist unstreitig keine Sozialpädagogin/Sozialarbeiterin. Nach den nicht angefochtenen Feststellungen der Vorinstanzen ist ihr jedoch die von ihr ausgeübte Tätigkeit vor dem 31. Dezember 1990 übertragen worden, so daß sie die subjektiven Voraussetzungen der Anmerkung 2 zum EGP 22 a/22 b erfüllt.
4 Die Klägerin ist jedoch nicht in einer „heilpädagogischen Gruppe” tätig. Mit diesem Begriff hat sich die Rechtsprechung des Senats, die nachfolgend dargestellt wird, bereits mehrfach befaßt. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten.
a) Der Begriff „heilpädagogische Gruppe” ist in den AVR-Diakonie nicht definiert. Zu seiner Bestimmung ist deshalb in erster Linie auf den Wortlaut der Vorschrift zurückzugreifen. Dieser richtet sich nach dem Begriff der Heilpädagogik, wie er sich aus dem Sprachgebrauch der beteiligten Fachkreise ergibt. Danach ist, wie der Senat mit eingehender Begründung zur gleichlautenden Bestimmung der Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 k des Teils II Abschn. G Unterabschn. II der Anlage 1 a zum Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) a.F. ausgeführt hat, unter einer heilpädagogischen Tätigkeit eine Tätigkeit zu verstehen, die mit besonderen, spezifischen Erziehungsformen die Förderung und Betreuung behinderter Menschen umfaßt (BAG Beschluß vom 3. Dezember 1985, BAGE 50, 241 = AP Nr. 31 zu § 99 BetrVG 1972; BAG Urteil vom 6. Dezember 1989 – 4 AZR 450/89 – AP Nr. 148 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG Urteil vom 4. April 1990 – 4 AZR 20/90 – ZTR 1990, 380, 381). Dabei kann sich die heilpädagogische Förderung nicht auf einzelne Lebensbereiche des Betreuten beschränken, sondern muß in einem umfassenden Sinn seine gesamte Persönlichkeit zum Gegenstand haben (vgl. Senatsurteil vom 4. April 1990, ZTR, a.a.O.).
b) Auch aus dem Regelungszusammenhang der AVR-Diakonie folgt, daß für eine heilpädagogische Tätigkeit nicht die übliche erzieherische Tätigkeit ausreicht, sondern die Anwendung spezifischer Erziehungsformen erforderlich ist. Die AVR-Diakonie enthalten nämlich mehrere Bestimmungen, in denen ausdrücklich die Eingruppierung von Mitarbeitern, die als Erzieher in einer Gruppe von körperlich, seelisch oder geistig gestörten oder gefährdeten oder schwer erziehbaren Kindern oder Jugendlichen arbeiten, in die Vergütungsgruppe VI b/V c vorgesehen ist. Eine solche Eingruppierung enthalten u.a. der EGP 21 Fallgruppe 13 e/15 e. Diesen Tätigkeiten ist gemeinsam, daß sie von pädagogisch qualifizierten Personen in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen ausgeübt werden und pädagogischen Charakter haben. Die in den genannten Fallgruppen zu den Vergütungsgruppen VI b/V c enthaltenen, auf genau umschriebene Einzeltätigkeiten bezogenen Eingruppierungsbestimmungen wären gegenstandslos, wenn die von den dort angeführten Personen ausgeübte pädagogische – und damit fördernde – Betreuung Jugendlicher ohne weiteres zugleich als heilpädagogische Tätigkeit zu qualifizieren wäre. Wenn die Tätigkeit der Betreuer nämlich eine heilpädagogische ist, handelt es sich bei der betreuten Gruppe um eine heilpädagogische Gruppe mit der Folge, daß Betreuer mit den genannten Qualifikationen entgegen den dort enthaltenen ausdrücklichen Vorgaben nicht in die Vergütungsgruppe VI b/V c, sondern in die Vergütungsgruppe V b oder IV b einzugruppieren wären.
c) Demnach erfordert die zu einer höheren Eingruppierung führende Tätigkeit in einer heilpädagogischen Gruppe mehr als die mit der Arbeit von Erziehern in Gruppen von Kindern und Jugendlichen der genannten Art zwangsläufig verbundene pädagogische Einwirkung. Es genügt hierfür nicht, daß diese pädagogische Arbeit in Formen erfolgt, die auf die besonderen Belange der Kinder und Jugendlichen zugeschnitten sind, denn dies ist schon Grundvoraussetzung jeder in Vergütungsgruppe VI b/V c eingestuften pädagogischen Arbeit in solchen Gruppen von Kindern und Jugendlichen. Hinzukommen muß vielmehr, daß die individuelle und umfassende Förderung eines jeden Jugendlichen mit über Erziehungsmaßnahmen hinausgehenden Mitteln je nach seiner spezifischen Persönlichkeit im Vordergrund der Betreuungsarbeit in der Gruppe steht.
Unter einer heilpädagogischen Tätigkeit ist damit nur eine solche Tätigkeit zu verstehen, die in irgendeiner Weise den irregulären Zustand (= Krankheit) der Betreuten verbessern soll. Der Senat hat dementsprechend eine heilpädagogische Tätigkeit und damit eine heilpädagogische Gruppe bei Betreuung von Behinderten oder sonst kranken Menschen gleich welcher Altersgruppe nur bei bestimmten spezifischen Erziehungsformen angenommen (BAG Urteile vom 26. Mai 1993 – 4 AZR 358/92 –, – 4 AZR 382/92 – und – 4 AZR 383/92 – AP Nr. 2, 3 und 4 zu § 12 AVR Caritasverband sowie – 4 AZR 381/92 – ZTR 1993, 469). An dieser Auffassung hat der Senat in seinen Urteilen vom 23. Februar 1994 – 4 AZR 202/93 – und – 4 AZR 203/93 –, jeweils nicht zur Veröffentlichung vorgesehen, festgehalten.
Für die heilpädagogische Tätigkeit mit Kindern und Jugendlichen gilt das gleiche (BAG Urteile vom 23. Februar 1994, a.a.O.).
d) Der Senat hat sich auch bereits in mehreren Fällen mit der Frage befaßt, ob ein Erzieher, der Kinder und Jugendliche aus zerrütteten Familienverhältnissen in einer Außenwohngruppe (Urteile vom 25. August 1993 – 4 AZR 533/92 – und – 4 AZR 534/92 –, n.v.) oder in einer Wohngruppe (Urteile vom 23. Februar 1994, a.a.O.) betreut, eine heilpädagogische Tätigkeit entfaltet. In den genannten Fällen waren die jeweiligen Klägerinnen und Kläger nach ihrem eigenen Vortrag zumindest weitaus überwiegend mit erzieherischen Aufgaben beschäftigt und hatten allenfalls zu einem geringen Teil Aufgaben zu leisten, die als heilpädagogisch zu qualifizieren waren. Der Senat hat daher entschieden, daß diese Erzieher nicht in heilpädagogischen Gruppen tätig sind. Daran hält der Senat fest.
e) Auch von der Klägerin wird nicht dargetan, daß sie eine heilpädagogische Tätigkeit entfaltet; ihre Tätigkeit entspricht im wesentlichen derjenigen der Erzieher in Wohngruppen und Außenwohngruppen in den entschiedenen Fällen. Nach ihrem eigenen Vortrag zum normalen Tagesablauf in der landwirtschaftlichen Außenwohngruppe sowie der konkreten Beschreibung ihrer Tätigkeit in Einzelsituationen ist sie vielmehr mit erzieherischen Tätigkeiten, die normalerweise in einer Familie geleistet werden, beschäftigt. Ihre Arbeit ist geprägt durch die Aufgabe, für die der Gruppe angehörenden Kinder und Jugendlichen mit allen daraus resultierenden Betreuungspflichten ein familienähnliches Umfeld zu schaffen und diesen bei der Bewältigung der im Lebensalltag regelmäßig anfallenden Aufgaben beizustehen. Daß – im Unterschied zu einer intakten Familie – ihre Erziehungsarbeit in einer Gruppe „von körperlich, seelisch oder geistig gestörten oder gefährdeten oder schwer erziehbaren Kindern oder Jugendlichen” zu leisten ist, wird in den Vergütungsgruppen VI b Fallgruppe 13 e und V c Fallgruppe 15 e (a.F.) vorausgesetzt. Zwar kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, daß sie bei ihrer Tätigkeit auch Maßnahmen zu ergreifen hat, die als heilpädagogisch zu qualifizieren wären. Solche Maßnahmen können aber nach der Tätigkeitsbeschreibung der Klägerin allenfalls einen geringen Teil der von ihr in der Außenwohngruppe geleisteten Betreuungsarbeit ausmachen und ihr daher nicht das Gepräge geben. Hinzu kommt, daß die Fallgruppen 13 e und 15 e nach der für diese geltenden Anmerkung 5 zu EGP 21 auch für die Mitarbeiter im Erziehungsdienst in heilpädagogischen Heimen gelten.
f) Die Klägerin ist nach alledem nicht in einer heilpädagogischen Gruppe im Sinne des Einzelgruppenplans 22 b (a.F.) Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 k tätig. Sie kann daher auch nicht nach vierjähriger Berufsausübung daraus in die Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 2 aufgestiegen sein. Auf die Eingruppierungsregelung in der ab 1. Januar 1991 geltenden Fassung stützt die Klägerin ihren Anspruch nicht.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr.h.c. Schaub, Dr. Friedrich, Bott, Fieberg, Kamm
Fundstellen