Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung eines Erziehers in einer landwirtschaftlichen Außenwohngruppe
Leitsatz (redaktionell)
Bestätigung der Rechtsprechung des Senats zur heilpädagogischen Gruppe für Erzieher in Außenwohngruppen (Urteile des Senats vom 25. August 1993 – 4 AZR 533/92 – und – 4 AZR 534/92 –, n.v.).
Zur heilpädagogischen Gruppe grundlegend Urteile des Senats vom 26. Mai 1993 – 4 AZR 358/92 –, – 4 AZR 382/92 – und – 4 AZR 383/92 – AP Nr. 2, 3 und 4 zu § 12 AVR Caritasverband sowie – 4 AZR 381/92 – ZTR 1993, 469.
Normenkette
AVR-Diakonie § 12; AVR-Diakonie Anlage 1 a Einzelgruppenplan (EGP) 21; AVR-Diakonie Anlage 1 a Einzelgruppenplan (EGP) 22 b
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Urteil vom 29.01.1993; Aktenzeichen 15 (3) Sa 468/92 E) |
ArbG Lingen (Urteil vom 06.02.1992; Aktenzeichen 1 Ca 547/91 E) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 29. Januar 1993 – 15 (3) Sa 468/92 E – aufgehoben.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen (Ems) vom 6. Februar 1992 – 1 Ca 547/91 E – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Anschlußberufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger in einer „heilpädagogischen Gruppe” tätig ist und dementsprechend Vergütung aus der Vergütungsgruppe IV b der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR-Diakonie) Anlage 1 a Einzelgruppenplan (EGP) 22 b Fallgruppe 2 (a.F.) zu erhalten hat.
Der Kläger ist staatlich anerkannter Erzieher; ob er über eine Zusatzausbildung zum Landwirt und zum Krankenpfleger verfügt, ist zwischen den Parteien streitig. Er steht seit 1980 in den Diensten des Beklagten, einer diakonischen Einrichtung der Evangelischen Kirche, die in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins betrieben wird. Seit August 1984 war er als Erzieher in einer Außenwohngruppe auf einem Bauernhof tätig. Seit dem 1. Februar 1987 übte er die Tätigkeit eines Erziehers und Landwirts in der landwirtschaftlichen Außenwohngruppe (LAWG) „I.” in B. aus. wo er auch mit seiner Familie lebt. Seit diesem Zeitpunkt richtet sich das Arbeitsverhältnis der Parteien nach dem schriftlichen „Dienstvertrag (Anschlußvertrag)” vom 27. Januar 1987. Nach dessen § 2 gelten für das Dienstverhältnis die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR-Diakonie) in der jeweils gültigen Fassung. In § 3 Buchst. a des Dienstvertrages ist bestimmt, daß der Kläger in die Berufsgruppe A Vergütungsgruppe V c eingestuft wird.
Das vom Beklagten betriebene Kinder- und Jugenddorf „E.” ist eine Einrichtung der stationären Jugendhilfe mit insgesamt 105 Plätzen für Kinder und Jugendliche. Es besteht aus der E.-Schule (Sonderschule für Verhaltensgestörte/Schule für Erziehungshilfe), in der etwa 75 Kinder und Jugendliche in den Jahrgängen 1–9 in kleinen Gruppen unterrichtet werden. Außerdem verfügt der Beklagte über verschiedene Einrichtungen für differenzierte dezentrale Wohnformen, unter anderem für sechs Außenwohngruppen in geeigneten größeren Einfamilienhäusern in Wohngebieten, zwei Außenwohngruppen auf Bauernhöfen, drei weitgehend verselbständigte Wohngruppen sowie über ein Mädchenwohnhaus. Zielgruppe sind Kinder und Jugendliche aus Familien in Krisen, mit Erziehungsproblemen. Verhaltensauffälligkeiten bis hin zu kinder- und jugendpsychiatrischen Störungsbildern, unter anderem nach sexuellem Mißbrauch, und mit Schulproblemen. Ausschließende Merkmale für die Aufnahme in den Einrichtungen des Beklagten sind starke geistige oder körperliche Behinderung sowie Drogenabhängigkeit.
Ziel der Betreuungsarbeit des Beklagten ist die Rückführung der Kinder und Jugendlichen in die Herkunfts- oder Pflegefamilie bzw. ihre Verselbständigung. Das Konzept des Beklagten ist darauf ausgerichtet, kleine pädagogische Lebensräume mit möglichst wenig „klassischem Heimcharakter” zu schaffen. Grundsatz seiner Erziehungsarbeit ist eine individuelle Erziehungsplanung unter Einbeziehung gruppenpädagogischer Ansätze. Der Grundsatz „soviel Normalität und Realität wie möglich” bildet die Basis für seinen gruppenpädagogischen Ansatz.
Die Außenwohngruppen werden im Schichtdienst von pädagogischen Fachkräften betreut und rund um die Uhr versorgt. Die Betreuungsteams der Außenwohngruppen werden in ihrer Arbeit durch gruppenübergreifende Fachkräfte, insbesondere durch einen psychologischen Dienst, unterstützt.
Der landwirtschaftlichen Außenwohngruppe (LAWG) „I.” gehörten zur Zeit des Verfahrens im ersten Rechtszug zwei Kinder und vier Jugendliche mit Verhaltensstörungen an, die von zwei Erzieherinnen, einem Erzieher und Landwirt – dem Kläger – und einer Anerkennungspraktikantin betreut wurden. Dieses Team hat die Aufgabe, die volle Versorgung der in der Außenwohngruppe lebenden Kinder und Jugendlichen bezüglich ihrer Körperpflege. Ernährung, Bekleidung, im Schul-, Ausbildungs- und Freizeitbereich, in der Gesundheitsfürsorge und in Verwaltungsangelegenheiten zu gewährleisten und diesen ganztägig als Gesprächspartner zur Verfügung zu stehen. Von den pädagogischen Fachkräften werden die Kinder und Jugendlichen bei der Aufarbeitung von Entwicklungsstörungen, Verhaltensproblemen und Teilleistungsschwächen unterstützt. Zudem gehört zu den Aufgaben des Teams die Unterstützung der Kinder und Jugendlichen bei der Versorgung der auf dem landwirtschaftlichen Anwesen lebenden Tiere.
Mit Schreiben vom 16. Dezember 1990 hat der Kläger gegenüber dem Beklagten geltend gemacht, ihm stehe ein Anspruch auf Vergütung nach der Vergütungsgruppe V b der Anlage 1 a AVR-Diakonie zu.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er erfülle die Voraussetzungen für den Anspruch auf die von ihm geforderte Vergütung; insbesondere sei er in einer heilpädagogischen Gruppe tätig. Ziel der Heilpädagogik sei gerade die individuelle Förderung besonders Auffälliger nach ihren speziellen Förderungsbedürfnissen und ihrer Persönlichkeit. Da er in einer heilpädagogischen Gruppe tätig sei, erfülle er die Merkmale der Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 k des Einzelgruppenplans 22 b (a.F.).
Weiter hat er behauptet, die im Tagesheim beschäftigten Mitarbeiter des Beklagten würden alle nach den Vergütungsgruppen für Heilpädagogen bezahlt, weil anerkannt sei, daß sie heilpädagogische Arbeiten verichteten, obwohl einige von ihnen auch nur staatlich anerkannte Erzieher seien.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die Zeit ab 1. Januar 1990 Vergütung nach der Vergütungsgruppe V b der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Ev. Kirche in Deutschland zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, der Kläger betreue keine heilpädagogische Gruppe. Seine Aufgabe sei es, die Kinder und Jugendlichen in der Außenwohngruppe im Tagesablauf erzieherisch zu begleiten. Darin könne eine heilpädagogische Tätigkeit nicht gesehen werden. Von dieser könne erst gesprochen werden, wenn spezielle zielgerichtete heilpädagogische Übungsbehandlungen durchgeführt würden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat unter Zurückweisung der Berufung des Beklagten auf die – unselbständige – Anschlußberufung des Klägers antragsgemäß festgestellt, daß diesem ab 1. Januar 1990 ein Anspruch auf Vergütung nach der Vergütungsgruppe IV b gegenüber der Beklagten zusteht. Der Beklagte verfolgt mit seiner Revision den Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.
In der Revisionsverhandlung haben die Parteien unstreitig gestellt, daß der Kläger seit (dem zweiten Halbjahr 1992) als Springer in allen Wohngruppen des Beklagten tätig ist.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Klageabweisung und Zurückweisung der Anschlußberufung des Klägers. Der Kläger kann nach seinem Vorbringen vom Beklagten weder die Zahlung von Vergütung nach der Vergütungsgruppe V b noch nach der Vergütungsgruppe IV b AVR-Diakonie verlangen, da er nicht in einer „heilpädagogischen Gruppe” tätig ist.
I. Die Klage ist zwar zulässig. Es handelt sich um eine Eingruppierungsfeststellungsklage, die auch außerhalb des öffentlichen Dienstes allgemein üblich ist und nach ständiger Senatsrechtsprechung keinen prozeßrechtlichen Bedenken begegnet (vgl. Senatsurteile vom 25. September 1991 – 4 AZR 87/91 – AP Nr. 7 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel = EzA § 4 TVG Großhandel Nr. 2, zu I der Gründe, m.w.N.; vom 11. November 1992 – 4 AZR 117/92 –, n.v., zu II 1 der Gründe).
II. Die Klage ist aber nicht begründet. Der Kläger ist nach der Anlage 1 a der auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren AVR-Diakonie zutreffend in die Vergütungsgruppe V c eingruppiert. Er hat keinen Anspruch auf Vergütung nach Vergütungsgruppe V b oder IV b.
1. Auf das Arbeitsverhältnis sind nach § 2 des Dienstvertrages der Parteien vom 27. Januar 1987 die AVR-Diakonie in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden.
Zwar können die AVR nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine normative Wirkung entfalten, sondern nur kraft einzelvertraglicher Bezugnahme auf ein Arbeitsverhältnis Anwendung finden (vgl. BAG Urteil vom 6. Dezember 1990, BAGE 66, 314, 320 = AP Nr. 12 zu § 2 BeschFG 1985, zu II 2 b der Gründe. m.w.N.). Eine solche Vereinbarung liegt hier vor.
2. Der Eingruppierung in die Vergütungsgruppe IV b steht nicht bereits der Umstand entgegen, daß im Arbeitsvertrag des Klägers seine Eingruppierung in die Vergütungsgruppe V c vereinbart ist, denn die Angabe der Vergütungsgruppe im Arbeitsvertrag hat nicht rechtsbegründende (konstitutive), sondern nur erläuternde (deklaratorische) Bedeutung.
Dem Arbeitsvertrag der Parteien liegt ein von dem Beklagten verwandtes Muster zugrunde, so daß er als üblicher Vertrag vom Revisionsgericht frei ausgelegt werden kann (BAGE 24, 198, 202 = AP Nr. 2 zu § 111 BBiG). In § 2 des Arbeitsvertrags haben die Parteien ohne jede Einschränkung vereinbart, daß die AVR-Diakonie in der jeweils gültigen Fassung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Damit haben sie erkennbar zum Ausdruck gebracht, daß sämtliche Bestimmungen der Arbeitsvertragsrichtlinien für ihr Arbeitsverhältnis maßgebend sein sollen und hierbei stets die aktuelle Fassung gelten soll. Dies entspricht Vereinbarungen in zahlreichen Arbeitsverträgen – vor allem des öffentlichen Dienstes –, in denen die Parteien des Arbeitsvertrags die Anwendung eines bestimmten Tarifvertrags in seiner jeweiligen Fassung auf ihr Arbeitsverhältnis vereinbaren. Damit wollen die Parteien ihr Arbeitsverhältnis so regeln, als seien sie tarifgebunden. Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf den Tarifvertrag soll widerspiegeln, was tarifrechtlich gilt (vgl. BAG Urteil vom 7. Dezember 1977 – 4 AZR 474/76 – AP Nr. 9 zu § 4 TVG Nachwirkung).
Ebenso ist davon auszugehen, daß die Parteien eines Arbeitsvertrags, die die Arbeitsvertragsrichtlinien in ihrer jeweiligen Fassung vereinbaren, damit nur widerspiegeln wollen, was nach den Arbeitsvertragsrichtlinien rechtens ist. Wenn dann im Anschluß an eine solche Vereinbarung die Vergütung nach einer bestimmten Vergütungsgruppe des Tarifvertrags bzw. der Arbeitsvertragsrichtlinien festgesetzt wird, ist mangels anderweitiger Anhaltspunkte davon auszugehen, daß die Arbeitsvertragsparteien nur die tariflichen Bestimmungen bzw. die Bestimmungen der Arbeitsvertragsrichtlinien widerspiegeln wollen, d.h. nur zum Ausdruck bringen wollen, welche Vergütungsgruppe nach ihrer Auffassung aufgrund der getroffenen Vereinbarung über die Anwendung des Tarifvertrags bzw. der Arbeitsvertragsrichtlinien zutreffend ist.
Diese Auslegung entspricht auch dem System der AVR. Danach wird die Vergütung der Mitarbeiter nicht frei vereinbart, sondern der Mitarbeiter wird nach den Tätigkeitsmerkmalen in die Gruppe eingruppiert, die der von ihm überwiegend auszuübenden Tätigkeit entspricht. Dies entspricht den übrigen Regelungen in Tarifverträgen, in denen die Vergütung nicht von einem Eingruppierungsakt des Arbeitgebers abhängt, sondern sich automatisch nach der von dem Arbeitnehmer auszuübenden Tätigkeit und entsprechenden Tätigkeitsmerkmalen richtet (vgl. BAG Urteil vom 14. Februar 1979 – 4 AZR 414/77 – AP Nr. 15 zu §§22, 23 BAT 1975 mit weiteren Nachweisen). Daher ist die in § 2 des Arbeitsvertrags der Parteien getroffene Vereinbarung, daß auf das Arbeitsverhältnis die AVR in der jeweils gültigen Fassung Anwendung finden, dahin auszulegen, daß sich damit auch die Eingruppierung des Klägers nach der rechtlich zutreffenden Vergütungsgruppe richten soll. Der Festsetzung der Vergütung in § 3 des Arbeitsvertrags kommt nur deklaratorische Bedeutung zu (Urteil des Senats vom 12. Dezember 1990 – 4 AZR 306/90 – EzA § 3 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 4).
3. Nach § 12 Abs. 1 (a.F.) AVR-Diakonie wird der Mitarbeiter nach den in den Anlagen 1 a bis 1 c festgelegten Tätigkeitsmerkmalen in die Gruppe eingruppiert, die der von ihm überwiegend auszuübenden Tätigkeit entspricht. Danach kommt es, wie auch das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, für den Bereich der AVR-Diakonie nicht, wie im Bereich des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) erforderlich, auf die Bildung von Arbeitsvorgängen an. Die AVR-Diakonie haben nämlich die insoweit erfolgte Änderung des BAT im Jahre 1975 nicht nachvollzogen.
Der Kläger ist streitlos bis Mitte 1992 vertragsgemäß als Erzieher in einer Außenwohngruppe des Beklagten beschäftigt gewesen. Nach § 12 Abs. 2 (a. P.) AVR-Diakonie erfolgt seine Eingruppierung nach der Berufsgruppeneinteilung A („für die der Rentenversicherung der Angestellten zugehörigen Mitarbeiter mit Ausnahme der im Krankenpflegedienst tätigen Mitarbeiter, …”).
4. Für die Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch kommt es somit auf folgende Bestimmungen der AVR-Diakonie in der am 1. Januar 1990 geltenden Fassung, auf die der Kläger seine Forderung stützt, an:
Einzelgruppenplan 21
Erzieher(innen), Kindergärtnerinnen/Hortnerinnen, Kinderpflegerinnen sowie Mitarbeiter(innen) in entsprechenden Tätigkeiten
Vergütungsgruppe VI b
…
13. Erzieher(innen), Kindergärtnerinnen/Hortnerinnen
…
e) in Gruppen von körperlich, seelisch oder geistig gestörten oder gefährdeten oder schwer erziehbaren Kindern oder Jugendlichen (Anm. 1, 4, 5)
Vergütungsgruppe V c
…
15. Erzieher(innen), Kindergärtnerinnen/Hortnerinnen
…
e) in Gruppen von körperlich, seelisch oder geistig gestörten oder gefährdeten oder schwer erziehbaren Kindern oder Jugendlichen (Anm. 1, 4, 5)
nach einjähriger Berufsausübung in einer Tätigkeit wie zu 13. oder nach mindestens zweijähriger Berufsausübung in einer Tätigkeit wie zu 12.
…
Anmerkungen zu Einzelgruppenplan 21
…
4. In Gruppen oder Heimen (einschließlich Kindertagesstätten) von körperlich, seelisch oder geistig gestörten oder gefährdeten oder schwer erziehbaren Kindern oder Jugendlichen im Sinne dieses Tätigkeitsmerkmals brauchen sich nicht ausschließlich Kinder oder Jugendliche der genannten Art zu befinden; diese müssen jedoch im Durchschnitt überwiegen.
5. Unter dieses Tätigkeitsmerkmal fallen auch Mitarbeiter(innen) im Erziehungsdienst in heilpädagogischen Heimen.
…
Einzelgruppenplan 22 b
Sozialpädagogen/Sozialarbeiter im Erziehungsdienst
Vergütungsgruppe V b
1. Sozialpädagogen/Sozialarbeiter (Anm. 1, 2)
…
k) in geschlossenen (gesicherten) Gruppen oder in Aufnahme- (Beobachtungs-)Gruppen oder in heilpädagogischen Gruppen (Anm. 7, 14)
…
Vergütungsgruppe IV b
…
2. Mitarbeiter nach vierjähriger Berufsausübung in einer Tätigkeit der Vergütungsgruppe V b (Anm. wie zu Fallgr. 1).
…
Anmerkungen zu den Einzelgruppenplänen 22 a und 22 b
1. …
2. Erzieher(innen), Kindergärtnerinnen/Hortnerinnen mit staatlicher Anerkennung als Erzieher oder Kindergärtnerin
oder
…
sowie
Mitarbeiter(innen), in der Tätigkeit von Erziehern (Erzieherinnen) oder Kindergärtnerinnen/Hortnerinnen mit abgeschlossener mindestens gleichwertiger Fachausbildung werden nach diesem Tätigkeitsmerkmal eingruppiert, wenn sie am 1. April 1970 die in dem Tätigkeitsmerkmal geforderte Tätigkeit ausüben oder ihnen bis zum 31. Dezember 1990 diese Tätigkeit übertragen wird.
…
Der Kläger ist unstreitig kein Sozialpädagoge/Sozialarbeiter. Nach den nicht angefochtenen Feststellungen der Vorinstanzen ist ihm jedoch die von ihm ausgeübte Tätigkeit vor dem 31. Dezember 1990 übertragen worden, so daß er die subjektiven Voraussetzungen der Anmerkung 2 zum EGP 22 a/22 b erfüllt.
5. Der Kläger ist jedoch nicht in einer „heilpädagogischen Gruppe” tätig. Mit diesem Begriff hat sich die Rechtsprechung des Senats, die nachfolgend dargestellt wird, bereits mehrfach befaßt. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten.
a) Der Begriff „heilpädagogische Gruppe” ist in den AVR-Diakonie nicht definiert. Zu seiner Bestimmung ist deshalb in erster Linie auf den Wortlaut der Vorschrift zurückzugreifen. Dieser richtet sich nach dem Begriff der Heilpädagogik, wie er sich aus dem Sprachgebrauch der beteiligten Fachkreise ergibt. Danach ist, wie der Senat mit eingehender Begründung zur gleichlautenden Bestimmung der Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 k des Teils II Abschn. G Unterabschn. II der Anlage 1 a zum Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) a.F. ausgeführt hat, unter einer heilpädagogischen Tätigkeit eine Tätigkeit zu verstehen, die mit besonderen, spezifischen Erziehungsformen die Förderung und Betreuung behinderter Menschen umfaßt (BAG Beschluß vom 3. Dezember 1985, BAGE 50, 241 = AP Nr. 31 zu § 99 BetrVG 1972; BAG Urteil vom 6. Dezember 1989 – 4 AZR 450/89 – AP Nr. 148 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG Urteil vom 4. April 1990 – 4 AZR 20/90 – ZTR 1990, 380, 381). Dabei kann sich die heilpädagogische Förderung nicht auf einzelne Lebensbereiche des Betreuten beschränken, sondern muß in einem umfassenden Sinn seine gesamte Persönlichkeit zum Gegenstand haben (vgl. Senatsurteil vom 4. April 1990, ZTR, a.a.O.).
b) Auch aus dem Regelungszusammenhang der AVR-Diakonie folgt, daß für eine heilpädagogische Tätigkeit nicht die übliche erzieherische Tätigkeit ausreicht, sondern die Anwendung spezifischer Erziehungsformen erforderlich ist. Die AVR-Diakonie enthalten nämlich mehrere Bestimmungen, in denen ausdrücklich die Eingruppierung von Mitarbeitern, die als Erzieher in einer Gruppe von körperlich, seelisch oder geistig gestörten oder gefährdeten oder schwer erziehbaren Kindern oder Jugendlichen arbeiten, in die Vergütungsgruppe VI b/V c vorgesehen ist. Eine solche Eingruppierung enthalten u.a. der EGP 21 Fallgruppe 13 e/15 e. Diesen Tätigkeiten ist gemeinsam, daß sie von pädagogisch qualifizierten Personen in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen ausgeübt werden und pädagogischen Charakter haben. Die in den genannten Fallgruppen zu den Vergütungsgruppen VI b/V c enthaltenen, auf genau umschriebene Einzeltätigkeiten bezogenen Eingruppierungsbestimmungen wären gegenstandslos, wenn die von den dort angeführten Personen ausgeübte pädagogische – und damit fördernde – Betreuung Jugendlicher ohne weiteres zugleich als heilpädagogische Tätigkeit zu qualifizieren wäre. Wenn die Tätigkeit der Betreuer nämlich eine heilpädagogische ist, handelt es sich bei der betreuten Gruppe um eine heilpädagogische Gruppe mit der Folge, daß Betreuer mit den genannten Qualifikationen entgegen den dort enthaltenen ausdrücklichen Vorgaben nicht in die Vergütungsgruppe VI b/V c, sondern in die Vergütungsgruppe V b oder IV b einzugruppieren wären.
c) Demnach erfordert die zu einer höheren Eingruppierung führende Tätigkeit in einer heilpädagogischen Gruppe mehr als die mit der Arbeit von Erziehern in Gruppen von Kindern und Jugendlichen der genannten Art zwangsläufig verbundene pädagogische Einwirkung. Es genügt hierfür nicht, daß diese pädagogische Arbeit in Formen erfolgt, die auf die besonderen Belange der Kinder und Jugendlichen zugeschnitten sind, denn dies ist schon Grundvoraussetzung jeder in Vergütungsgruppe VI b/V c eingestuften pädagogischen Arbeit in solchen Gruppen von Kindern und Jugendlichen. Hinzukommen muß vielmehr, daß die individuelle und umfassende Förderung eines jeden Jugendlichen mit über Erziehungsmaßnahmen hinausgehenden Mitteln je nach seiner spezifischen Persönlichkeit im Vordergrund der Betreuungsarbeit in der Gruppe steht.
Unter einer heilpädagogischen Tätigkeit ist damit nur eine solche Tätigkeit zu verstehen, die in irgendeiner Weise den irregulären Zustand (= Krankheit) der Betreuten verbessern soll. Der Senat hat dementsprechend eine heilpädagogische Tätigkeit und damit eine heilpädagogische Gruppe bei Betreuung von Behinderten oder sonst kranken Menschen gleich welcher Altersgruppe nur bei bestimmten spezifischen Erziehungsformen angenommen (BAG Urteile vom 26. Mai 1993 – 4 AZR 358/92 –, – 4 AZR 382/92 – und – 4 AZR 383/92-AP Nr. 2, 3 und 4 zu § 12 AVR Caritasverband sowie – 4 AZR 381/92 – ZTR 93, 469). An dieser Auffassung hat der Senat in seinen Urteilen vom 23. Februar 1994 – 4 AZR 202/93 – und – 4 AZR 203/93 –, jeweils nicht zur Veröffentlichung vorgesehen, festgehalten.
Für die heilpädagogische Tätigkeit mit Kindern und Jugendlichen gilt das gleiche (BAG Urteil vom 23. Februar 1994, a.a.O.).
d) Der Senat hat sich auch bereits in mehreren Fällen mit der Frage befaßt, ob ein Erzieher, der Kinder und Jugendliche aus zerrütteten Familienverhältnissen in einer Außenwohngruppe (Urteile vom 25. August 1993 – 4 AZR 533/92 – und – 4 AZR 534/92 –, n.v.) oder in einer Wohngruppe (Urteile vom 23. Februar 1994, a.a.O.) betreut, eine heilpädagogische Tätigkeit entfaltet. In den genannten Fällen waren die jeweiligen Klägerinnen und Kläger nach ihrem eigenen Vortrag zumindest weitaus überwiegend mit erzieherischen Aufgaben beschäftigt und hatten allenfalls zu einem geringen Teil Aufgaben zu leisten, die als heilpädagogisch zu qualifizieren waren. Der Senat hat daher entschieden, daß diese Erzieher nicht in heilpädagogischen Gruppen tätig sind. Daran hält der Senat fest.
e) Auch von dem Kläger wird nicht dargetan, daß er eine heilpädagogische Tätigkeit entfaltet; seine Tätigkeit entspricht im wesentlichen derjenigen der Erzieher in Wohngruppen und Außenwohngruppen in den entschiedenen Fällen. Nach seinem eigenen Vortrag zum normalen Tagesablauf in der landwirtschaftlichen Außenwohngruppe sowie der konkreten Beschreibung seiner Tätigkeit in Einzelsituationen ist er vielmehr mit erzieherischen Tätigkeiten, die normalerweise in einer Familie geleistet werden, beschäftigt. Seine Arbeit ist geprägt durch die Aufgabe, für die der Gruppe angehörenden Kinder und Jugendlichen mit allen daraus resultierenden Betreuungspflichten ein familienähnliches Umfeld zu schaffen und diesen bei der Bewältigung der im Lebensalltag regelmäßig anfallenden Aufgaben beizustehen. Daß – im Unterschied zu einer intakten Familie – seine Erziehungsarbeit in einer Gruppe „von körperlich, seelisch oder geistig gestörten oder gefährdeten oder schwer erziehbaren Kindern oder Jugendlichen” zu leisten ist, wird in den Vergütungsgruppen VI b Fallgruppe 13 e und V c Fallgruppe 15 e (a.F.) vorausgesetzt. Zwar kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, daß er bei seiner Tätigkeit auch Maßnahmen zu ergreifen hat, die als heilpädagogisch zu qualifizieren wären. Solche Maßnahmen können aber nach der Tätigkeitsbeschreibung des Klägers allenfalls einen geringen Teil der von ihm in der Außenwohngruppe geleisteten Betreuungsarbeit ausmachen und ihr daher nicht das Gepräge geben. Hinzu kommt, daß die Fallgruppen 13 e und 15 e nach der für diese geltenden Anmerkung 5 auch für die Mitarbeiter im Erziehungsdienst in heilpädagogischen Heimen gelten.
f) Der Umstand, daß der Kläger nunmehr als Springer in allen Wohngruppen beim Beklagten tätig ist, ändert nichts daran, daß er keinen Anspruch auf die von ihm begehrte Vergütung hat. Auch als Springer ist der Kläger nicht in einer „heilpädagogischen Gruppe” tätig. Seine Tätigkeit entspricht der derjenigen Erzieher, die auf Dauer in ihrer Außenwohngruppe eingesetzt sind, mit dem Unterschied, daß der Kläger sich als Springer kaum noch um allgemeine Verwaltungstätigkeiten kümmern muß.
6. Soweit der Kläger geltend macht, die im Tagesheim des Beklagten beschäftigten Mitarbeiter würden nach den Fallgruppen für Heilpädagogen bezahlt, obwohl einige von ihnen nur staatlich anerkannte Erzieher seien, ist damit eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Vergleich zu anderen Erziehern von ihm nicht substantiiert dargelegt. Hinsichtlich der in Außenwohngruppen beschäftigten Erzieher rügt der Kläger keine Ungleichbehandlung. Die Bezahlung der im Tagesheim beschäftigten Erzieher nach den Fallgruppen für Heilpädagogen durch den Beklagten kann darauf beruhen, daß deren Tätigkeit anders geartet ist als die eines Erziehers in einer Außenwohngruppe und den Merkmalen der Fallgruppen für Heilpädagogen entspricht.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr.h.c. Schaub, Dr. Friedrich, Bott, Fieberg, Kamm
Fundstellen