Leitsatz (redaktionell)
(Bindung an einen Beschluß nach § 5 KSchG gemäß §§ 318, 548 ZPO)
1. Die Berufungskammer des Landesarbeitsgerichts ist im Kündigungsschutzprozeß in entsprechender Anwendung von § 318 ZPO an den Beschluß der Beschwerdekammer gebunden, mit dem die sofortige Beschwerde gemäß § 5 KSchG gegen die Zurückweisung des Antrags auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage zurückgewiesen worden ist. Die Bindungswirkung erstreckt sich auch auf die Feststellung, daß die Kündigungsschutzklage verspätet ist.
2. Da der Beschluß nach § 5 KSchG der formellen Rechtskraft fähig ist und hinsichtlich der Feststellung, daß die Klage verspätet ist, Präjudizwirkung für den zweiten Abschnitt des Kündigungsschutzprozesses hat,tritt entsprechend § 322 ZPO aufgrund der inneren Rechtskraft des Beschlusses und wegen seiner Unanfechtbarkeit (§ 548 ZPO) insoweit auch eine Bindungswirkung für das Revisionsgericht ein.
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 08.07.1981; Aktenzeichen 14 Sa 65/81) |
ArbG Paderborn (Entscheidung vom 03.12.1980; Aktenzeichen 2 Ca 784/80) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers durch eine fristgerechte Kündigung der Beklagten beendet worden ist. Der Kläger war seit dem 7. Januar 1974 als Arbeiter bei der Beklagten beschäftigt. Sein durchschnittlicher Akkordlohn betrug zuletzt 3.200,-- DM brutto im Monat.
Der Kläger trat am 16. Mai 1980 seinen bis zum 16. Juni 1980 dauernden Jahresurlaub an und reiste in seine Heimat Sizilien. Seine Ehefrau kam mit dem schulpflichtigen Sohn Pietro am 31. Mai 1980 nach. Die dortige Wohnanschrift der Familie lautet: Via C, P/Sizilien.
Der Kläger meldete sich aus dem Urlaub für die Zeit ab 26. Mai bis einschließlich 13. August 1980 arbeitsunfähig krank. Die Beklagte sprach daraufhin gegen den Widerspruch des Betriebsrats mit Schreiben vom 6. Juni 1980 die Kündigung aus. Eine Ausfertigung des Kündigungsschreibens wurde am 6. Juni 1980 in den Briefkasten der Paderborner Wohnung des Klägers eingeworfen. Eine zweite Ausfertigung sandte die Beklagte per Einschreiben an folgende Anschrift: Via O, P/Sizilien.
Diese Adresse hatte die Beklagte bei der Kreisverwaltung in Paderborn erfahren. Es handelt sich dabei um die Wohnung der Eltern des Klägers, bei denen der Kläger früher wohnte. Die Einschreibsendung nahm der Bruder des Klägers am 11. Juni 1980 entgegen. Der Kläger, dessen Wohnung zwei Kilometer entfernt von der seiner Eltern liegt, hat die Kündigung angeblich nicht erhalten. Er behauptet, erst nach seiner Rückkehr aus Sizilien am 13. August 1980 Kenntnis von seiner Kündigung durch das in seinem Briefkasten in der Paderborner Wohnung gelegene Schreiben erhalten zu haben.
Der Kläger hat unter dem 21. August 1980 Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Paderborn erhoben und gleichzeitig hilfsweise beantragt, seine Klage nachträglich zuzulassen. Er hat geltend gemacht, ein ordnungsgemäßer Zugang der Kündigung sei erst am 13. August 1980 erfolgt. Für den Fall, daß das Gericht anderer Auffassung sei, müsse wenigstens seine Klage nachträglich zugelassen werden, da die Überschreitung der gesetzlichen Klagefrist ohne sein Verschulden erfolgt sei. Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht beantragt,
1. die verspätet eingegangene Kündigungsschutzklage gegen die ordentliche Kündigung vom 6. Juni 1980 nachträglich zuzulassen, 2. festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 6. Juni 1980, zugegangen am 13. August 1980, zum 20. Juni 1980 nicht aufgelöst worden ist, sondern fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt, den Antrag auf nachträgliche Zulassung zurück- und die Klage abzuweisen.
Sie hat zur Begründung dargelegt, der Kläger habe das nach Sizilien übersandte Kündigungsschreiben dort von seinem Bruder sofort erhalten. Dafür spreche auch der Umstand, daß eine weitere Einschreibsendung mit einer Lohnabrechnung und den Arbeitspapieren des Klägers im Juli 1980 wegen Annahmeverweigerung zurückgekommen sei. Die verspätete Klageerhebung sei auch keineswegs unverschuldet, da dem Kläger eine frühzeitigere Rückkehr aus Sizilien ohne weiteres möglich gewesen sei. Selbst wenn jedoch Reiseunfähigkeit vorgelegen haben sollte, was bestritten werde, wäre es ihm möglich gewesen, notfalls schriftlich mit seiner Gewerkschaft in Paderborn Kontakt aufzunehmen.
Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 3. Dezember 1980 die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Kündigungsschutzklage sei verspätet erhoben worden. Sie sei nämlich dem Kläger bereits am 6. Juni 1980 unter seiner Wohnanschrift in Paderborn wirksam zugegangen. Pflichtwidrig habe er es unterlassen, der Beklagten seine Heimatanschrift bekanntzugeben. Diese habe noch nicht einmal der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 26. Mai 1980 entnommen werden können. Selbst die Rückfrage beim Ausländeramt habe nicht das richtige Ergebnis gebracht. Eine nachträgliche Zulassung der Klage hat das Arbeitsgericht in den Entscheidungsgründen des Urteils abgelehnt, weil der Antrag des Klägers die Mittel zur Glaubhaftmachung der die Zulassung begründenden Tatsachen nicht enthalten habe. Auch sei die Frist des § 5 Abs. 3 KSchG nicht gewahrt worden.
Gegen das Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Im Berufungsverfahren hat er sich in erster Linie gegen die Auffassung des Arbeitsgerichts gewandt, ihm sei die Kündigung bereits am 6. Juni 1980 zugegangen. In zweiter Linie hat er gerügt, der Vorderrichter habe seinen Antrag auf nachträgliche Zulassung der Klage ohne das gesetzlich vorgesehene Verfahren einzuhalten zurückgewiesen. Dem Arbeitsgericht müsse daher Gelegenheit gegeben werden, eine korrekte Entscheidung über den Zulassungsantrag nachzuholen. Hierbei biete sich eine Aussetzung des Kündigungsschutzrechtsstreits in analoger Anwendung des § 148 ZPO an.
Diese Ausführungen in der Berufungsbegründung hat das Landesarbeitsgericht als sofortige Beschwerde gegen die vom Arbeitsgericht versagte nachträgliche Klagezulassung gewertet. In dem insoweit abgetrennten Verfahren hat die Beschwerdekammer durch Beschluß vom 21. April 1981 - 8 Ta 29/81 - die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
In den Gründen des Beschlusses ist ausgeführt, der Kläger habe seine Kündigungsschutzklage verspätet erhoben, weil er den Zugang des Kündigungsschreibens am 6. Juni 1980 unter seiner Paderborner Wohnanschrift trotz seiner damaligen Abwesenheit gegen sich gelten lassen müsse. Die Beklagte sei nicht gehalten gewesen, das Kündigungsschreiben in Sizilien zuzustellen, da der Kläger die Heimatanschrift nicht mitgeteilt habe. Eine nachträgliche Zulassung der verspäteten Klage scheitere bereits daran, daß der Kläger innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist keinen Sachverhalt dargelegt habe, der eine nachträgliche Zulassung rechtfertige. Auch seien Mittel zur Glaubhaftmachung nicht innerhalb der Antragsfrist ausreichend bezeichnet worden.
Der Kläger hat sich dann im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens auf den Standpunkt gestellt, die Beschwerdekammer des Landesarbeitsgerichts habe über die Verspätung der Kündigungsschutzklage nicht bindend entschieden. Nach wie vor sei vielmehr davon auszugehen, daß der ordnungsgemäße Zugang der Kündigungserklärung erst bei seiner Rückkehr nach Deutschland, also am 12./13. August 1980, erfolgt sei. Hieraus folge die Rechtzeitigkeit seiner Kündigungsschutzklage. Der Kläger hat sich in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 17. Dezember 1980 - 7 AZR 1148/78 - (AP Nr. 11 zu § 130 BGB) berufen.
Der Kläger hat beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigungen der Beklagten aus dem Schreiben vom 6. Juni 1980 aufgelöst wurde, sondern fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, durch den Beschluß des Landesarbeitsgerichts vom 21. April 1981 stehe unanfechtbar die Verspätung der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage fest. Damit sei die Klage endgültig abweisungsreif.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung mit der Begründung zurückgewiesen, die Berufungskammer sei in entsprechender Anwendung von § 318 ZPO an den Beschluß vom 21. April 1980 gebunden, in dem festgestellt worden sei, daß die Kündigungsschutzklage verspätet sei.
Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Feststellungsantrag weiter, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, es sei an die im Beschluß vom 21. April 1981 erfolgte Feststellung, die Kündigungsschutzklage sei verspätet erhoben worden, in entsprechender Anwendung des § 318 ZPO gebunden.
Es hat ausgeführt, die Beschwerdeentscheidung des Landesarbeitsgerichts sei in einem besonderen Verfahrensabschnitt des Kündigungsschutzprozesses, nämlich dem Zulassungsverfahren gemäß § 5 KSchG, getroffen worden. Dieses der eigentlichen Kündigungsschutzklage vorgeschaltete Verfahren entscheide nur über die materielle Frage, ob zu dem eingereichten Kündigungsschutzantrag gemäß § 4 KSchG noch sachlich verhandelt werden könne. Über die Begründetheit der Kündigungsschutzklage werde daher, sobald ein Zulassungsantrag im Sinne von § 5 KSchG vorliege, in zwei Stationen entschieden. Diese Aufspaltung des Kündigungsschutzverfahrens in zwei Verfahrensabschnitte mit jeweils eigenen Rechtsmitteln, nämlich der sofortigen Beschwerde und der Berufung, ähnele der der ZPO geläufigen Aufspaltung in Grund- und Betragsverfahren. Der erste Verfahrensabschnitt ende im Kündigungsschutzverfahren mit einem Beschluß gemäß § 5 Abs. 4 KSchG bzw. der Entscheidung über die sofortige Beschwerde. Im Grundverfahren der ZPO ergehe hingegen ein Zwischenurteil gemäß § 304 ZPO bzw. ein entsprechendes Rechtsmittelurteil. Beiden Verfahren sei gemeinsam, daß über bestimmte Vorfragen einer Endentscheidung Feststellungen mit bindender Wirkung getroffen würden. Die Bindungswirkung eines Beschlusses nach § 5 Abs. 4 KSchG beziehe sich nicht nur auf den reinen Zulassungsausspruch, sondern auch auf die Frage der Verspätung. Diese gehöre zu den wesentlichen Elementen des Zulassungsausspruchs. Sinngemäß wäre daher ein Beschluß im Zulassungsverfahren wie folgt zu tenorieren:
Die v e r s p ä t e t erhobene Kündigungsschutzklage vom ... wird zugelassen/wird nicht zugelassen.
Mit Recht habe die Beschwerdekammer in dem Beschluß vom 21. April 1981 ausgeführt, in jedem Zulassungsverfahren sei die verspätete Klageerhebung Verfahrensvoraussetzung, daher sei diese Frage vorab zu prüfen. Entscheide das Beschwerdegericht über die Rechtzeitigkeit einer Klageerhebung verbindlich, so sei seine Entscheidung über die Nichtrechtzeitigkeit der Klageerhebung ebenso verbindlich. Dementsprechend sei bei einer rechtskräftigen Verweigerung der nachträglichen Zulassung die anhängige Kündigungsschutzklage zwar noch zulässig, aber wegen Versäumung der Dreiwochenfrist als unbegründet abzuweisen.
B. Den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist im Ergebnis und im wesentlichen auch in der Begründung zuzustimmen.
I. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, die Klagefrist von drei Wochen nach § 4 KSchG sei eine materielle Ausschlußfrist und keine Prozeßvoraussetzung für die Feststellungsklage. Mit Ablauf der Frist wird die Kündigung gemäß § 7 KSchG bezüglich der Sozialwidrigkeit unanfechtbar. Dagegen kann eine verspätete Klage aus anderen Gründen noch Erfolg haben (herrschende Meinung: BAG vom 20. September 1955 - 2 AZR 317/55 - AP Nr. 7 zu § 3 KSchG 1951; Neumann, Nachträgliche Zulassung von Kündigungsschutzklagen, AR-Blattei D, Kündigungsschutz III A; unter A III und KR-Friedrich, § 4 KSchG Rz 136, beide mit zahlreichen Nachweisen aus Literatur und Rechtsprechung).
Ist die Dreiwochenfrist des § 4 KSchG eine materiell-rechtliche Ausschlußfrist, so folgt daraus, daß es sich bei der nachträglichen Zulassung der Kündigungsschutzklage um einen materiell-rechtlichen Verfahrensteil handelt (KR-Rost, § 7 KSchG Rz 7 und Neumann, aaO, m.w.N.). Wird der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage rechtskräftig zurückgewiesen, so ist die Kündigungsschutzklage daher wegen fehlender Einhaltung der Dreiwochenfrist als unbegründet und nicht als unzulässig abzuweisen.
II. 1. Vorliegend hatte das Arbeitsgericht entgegen § 5 Abs. 4 KSchG den Antrag auf nachträgliche Zulassung durch Urteil statt durch Beschluß zurückgewiesen und in demselben Urteil die Klage insgesamt abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend die Berufung gegen dieses Urteil zugleich als sofortige Beschwerde behandelt, diese von dem Berufungsverfahren abgetrennt und hierüber zunächst entschieden. Diese Verfahrensweise war schon deshalb erforderlich, weil dem Kläger durch die verfahrensrechtlich fehlerhafte Entscheidung des Arbeitsgerichts kein Nachteil entstehen darf (Neumann, aaO, unter D I; KR-Friedrich, § 5 KSchG Rz 153 und das zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmte Urteil des Senates vom 14. Oktober 1982 - 2 AZR 570/80 -).
2. Zutreffend ist auch die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, nach Zurückweisung der sofortigen Beschwerde durch die Beschwerdekammer habe es ohne nochmalige rechtliche Würdigung des unveränderten Sachverhalts die Berufung als unbegründet zurückweisen müssen. Auch seiner Auffassung, es sei an die Feststellung im Beschluß vom 21. April 1981, die Kündigungsschutzklage sei verspätet erhoben worden, in entsprechender Anwendung des § 318 ZPO gebunden, ist zuzustimmen. Die dagegen erhobenen Rügen der Revision sind unbegründet.
a) § 329 ZPO enthält nach allgemeiner Meinung - auch nach Auffassung der Revision - nur eine unvollständige Regelung der Beschlüsse und Verfügungen, indem er z.B. auf § 318 und § 322 ZPO nicht verweist. Das schließt eine entsprechende Anwendung ergänzender Vorschriften nicht aus.
b) Nach § 318 ZPO ist das Gericht an die Entscheidung, die in den von ihm erlassenen End- und Zwischenurteilen enthalten ist, gebunden. Gericht ist hier diejenige Stelle, die in der Instanz entschieden hat, wenn auch in anderer Besetzung (Baumbach/Hartmann, ZPO, 41. Aufl., § 318 Anm. 1). Insofern sind Beschwerde- und Berufungskammer des Landesarbeitsgerichts dasselbe Gericht.
§ 318 ZPO ist auf Beschlüsse entsprechend anwendbar, die unabänderbar sind (BAG 23, 276, 279 = AP Nr. 7 zu § 519 b ZPO; BAG vom 18. Mai 1972 - 3 AZR 27/72 - AP Nr. 1 zu § 238 ZPO, beide mit zust. Anm. von Grunsky und BAG vom 4. März 1980 - 5 AZN 102/79 - AP Nr. 2 zu § 329 ZPO). Unabänderbar sind Beschlüsse, die der formellen Rechtskraft fähig sind (BAG AP Nr. 1 zu § 238 ZPO). Den die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ablehnenden Beschluß hält Grunsky mit dem Bundesarbeitsgericht (aaO) deshalb für rechtskraftfähig, weil anderenfalls die Rechtskraft des Beschlusses nach § 519 b und § 554 a ZPO nachträglich beseitigt würde.
c) Das Verfahren über die nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage unterscheidet sich von dem für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zwar dadurch, daß es sich um einen von zwei materiellen Verfahrensabschnitten in ein und demselben Kündigungsschutzverfahren handelt, dennoch ist auch hier § 318 ZPO entsprechend anwendbar (ebenso Neumann, aaO, unter B). Auch bei der Entscheidung über die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage handelt es sich nämlich um eine unabänderbare Entscheidung. Wird die sofortige Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrags auf nachträgliche Zulassung zurückgewiesen, ist der Beschluß endgültig.
d) Aus der entsprechenden Anwendung von § 318 ZPO ergibt sich, daß die Berufungskammer an den Inhalt der Beschwerdeentscheidung gebunden ist. Die Bindung beruht nicht auf der Rechtskraft, zu der z.B. ein Zwischenurteil nach § 303 ZPO auch gar nicht fähig ist (vgl. u.a. Baumbach/Hartmann, ZPO, 41. Aufl., § 318 Anm. 1). Sie führt aber zur gleichen Wirkung wie die innere Rechtskraft (Tiedtke, ZZP 1976, Bd. 89, 64, 69), wobei die Gründe zur Ermittlung der Tragweite der Urteils- bzw. Beschlußformel herangezogen werden können (BGHZ 60, 392, 396; BGH LM § 304 ZPO, Nr. 29). Vorliegend ergeben die Gründe der Beschwerdekammer, daß diese festgestellt hat, die Klage sei verspätet und der Antrag auf nachträgliche Zulassung werde endgültig zurückgewiesen. Dementsprechend hat die Berufungskammer die Klage abweisen müssen, ohne noch einmal prüfen zu dürfen, ob die Klage verspätet war oder nicht.
III. Auch das Bundesarbeitsgericht als Rechtsmittelgericht ist an den Inhalt der Beschwerdeentscheidung gebunden. Das ergibt sich aus § 548 in Verbindung mit § 322 ZPO.
1. Nach § 548 ZPO unterliegen der Beurteilung des Revisionsgerichts von den Entscheidungen, die dem Endurteil vorausgegangen sind, nur diejenigen, die nicht nach den Vorschriften der ZPO unanfechtbar sind. Nicht überprüfbar sind u.a. die Beschlüsse, die selbständig angefochten werden können (Grunsky, ArbGG, 4. Aufl., § 64 Rz 30; Baumbach/Albers, ZPO, 41. Aufl., § 548 Anm. 1B). Dazu gehört nach § 5 Abs. 4 KSchG auch der Beschluß über die Zulassung verspäteter Klagen.
2. Die Entscheidung über die sofortige Beschwerde gegen einen Beschluß, der die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage zurückgewiesen hat, ist auch der formellen Rechtskraft fähig (KR-Friedrich, § 5 KSchG Rz 154, 155 und Rohlfing/Rewolle/Bader, KSchG, § 5 Anm. 6 am Ende). Der Umfang der Bindung des Rechtsmittelgerichts ergibt sich aus dem Umfang der inneren Rechtskraft und wird durch die Präklusionswirkung ergänzt (vgl. BAG 27, 113).
a) Vorliegend wirkt die materielle Rechtskraft zwar nicht als negative Prozeßvoraussetzung, weil der Streitgegenstand der beiden Verfahrensabschnitte nicht identisch ist (vgl. dazu Stein/Jonas/Schumann/Leipold, ZPO, 19. Aufl., § 322 Anm. IX I a bis b m.w.N. in der Fußn. 149). Das schließt aber eine Bindungswirkung der rechtskräftigen Entscheidung im Beschwerdeverfahren über den Antrag auf nachträgliche Zulassung gegenüber dem Revisionsgericht nicht aus. Durch die rechtskräftige Zurückweisung des Antrags auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage wird vielmehr die für den Kündigungsschutzprozeß präjudizielle Feststellung getroffen, daß die Kündigungsschutzklage verspätet ist und keine Gründe für eine nachträgliche Zulassung vorliegen. Die Klage kann wegen dieser Bindungswirkung nur noch als unbegründet abgewiesen werden. Dies ergibt sich aus Wortlaut sowie Sinn und Zweck von § 5 KSchG, nach dem unter bestimmten Voraussetzungen bei Versäumung der Frist des § 4 KSchG die Fiktion des § 7 KSchG nicht eintreten soll. Voraussetzung für das Verfahren ist stets die Versäumung der Frist, nicht etwa, wie die Revision meint, die m ö g l i c h e r w e i s e verspätete Klageerhebung. Daher darf ein Beschluß über die nachträgliche Zulassung bzw. Nichtzulassung auch nur ergehen, wenn nach Auffassung des Gerichts die Klage verspätet ist. Dementsprechend ist der Antrag auf nachträgliche Zulassung auch stets nur ein Hilfsantrag für den Fall, daß das Gericht die Klage für verspätet hält (KR- Friedrich, § 5 KSchG Rz 158; Neumann, Kündigungsschutz, aaO, unter D III; Herschel/Steinmann, KSchG, 5. Aufl., 1961, § 4 a.F. Rz 6).
Da die rechtliche Qualifikation der im Verfahren nach § 5 KSchG abgelehnten Rechtsfolge (für v e r s p ä t e t e Klage keine Gründe für eine nachträgliche Zulassung) im Kündigungsschutzprozeß als Vorfrage erheblich ist, hat die Entscheidung im Verfahren nach § 5 KSchG präjudizielle Wirkung für den Kündigungsschutzprozeß. Das Arbeitsgericht darf nach rechtskräftiger Zurückweisung des Antrags auf nachträgliche Zulassung nicht noch einmal prüfen, ob die Klage überhaupt verspätet ist. Es ist vielmehr, wie das Revisionsgericht, an die entsprechende Feststellung des Landesarbeitsgerichts gebunden.
b) Die abweichende Auffassung der Revision würde auch zu prozeßökonomisch untragbaren und vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnissen führen. Selbst wenn das Arbeitsgericht und im Beschwerdeverfahren das Landesarbeitsgericht festgestellt hätten, die Kündigungsschutzklage sei nachträglich nicht zuzulassen, könnte das Arbeitsgericht dennoch die Klageerhebung als rechtzeitig ansehen und die Sozialwidrigkeit der Kündigung überprüfen. Die Entscheidungen des Arbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts im Zulassungsverfahren wären dann insoweit unerheblich. Das Arbeitsgericht wäre nur insoweit gebunden, als es nicht noch einmal überprüfen dürfte, ob eine m ö g l i c h e Verspätung entschuldbar wäre. Dies hätte zur weiteren Konsequenz, worauf die Revisionserwiderung zu Recht hinweist, daß sich die Arbeitsgerichte im Zulassungsverfahren lediglich mit dem hypothetischen Fall beschäftigen würden, wie zu entscheiden wäre, wenn die Kündigungsschutzklage verspätet erhoben worden wäre. Ein solches Ergebnis widerspräche Wortlaut sowie Sinn und Zweck der §§ 4 und 5 KSchG.
C. Dementsprechend war die Revision des Klägers mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Hillebrecht Dr. Röhsler Dr. Weller
Dr. Peppler Wellhausen
Fundstellen
BAGE 42, 294-303 (LT1-2) |
BAGE, 294 |
DB 1984, 1628-1629 (LT1) |
JR 1985, 88 |
AP § 5 KSchG 1969 (LT1-2), Nr 4 |
EzA § 5 KSchG, Nr 20 (LT1-2) |
MDR 1984, 83-83 (LT1-2) |