Entscheidungsstichwort (Thema)
Ungleiche tarifliche Vergütung
Normenkette
GG Art. 9 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 15. März 2000 – 7 (5) Sa 1330/99 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Berechtigung des Anpassungsabschlags nach dem Überleitungstarifvertrag (ÜTV) vom 30. August 1993, abgeschlossen zwischen der Beklagten und der Vereinigung der Rundfunk-, Film- und Fernsehschaffenden.
Die am 12. September 1947 geborene Klägerin war seit dem 21. Juni 1982 als Redakteurin in der Tschechoslowakischen Redaktion beim DLF beschäftigt. Die Beklagte hat auf Grund des Hörfunk-Überleitungsstaatsvertrages vom 17. Juni 1993 eine Vielzahl von Planstellen, insbesondere aus der Hauptabteilung Europa des DLF, übernommen. Demgemäß wurde die Klägerin ab dem 1. Juli 1993 von der Beklagten beschäftigt. In dem zugrunde liegenden Arbeitsvertrag vom 15. Juni 1993 ist u.a. bestimmt:
§ 1
Der Arbeitnehmer wird von der Deutschen Welle am 1. Juli 1993 als ‚Redakteurin mbA’ eingestellt.
…
§ 3
Der Arbeitnehmer erhält ein monatliches Grundgehalt in Höhe von brutto DM 8.047,00 (i.W. – achttausendsiebenundvierzig –).
Dieses Grundgehalt wurde ermittelt nach § 3 Abs. 1 u. 3 des Überleitungstarifvertrages in Verbindung mit dem Vergütungstarifvertrag der DW und setzt sich zusammen aus
Vergütungsgruppe III Stufe 8 |
= |
8.245,00 DM |
Anpassungsabschlag entspr. § 3 Abs. 3 u. 5 des Überleitungstarifvertrages |
= |
198,00 DM. |
Das Gehalt steigt gemäß § 3 Abs. 4 des Überleitungstarifvertrages erstmalig am 1. Mai 1997.
Absatz 1 gilt unter dem Vorbehalt des rechtswirksamen Abschlusses des Überleitungstarifvertrages.
Die Vergütung der Klägerin einschließlich des Anpassungsabschlags wurde in den Folgejahren den Änderungen des Vergütungstarifvertrages der Deutschen Welle (VTV) angepaßt. Etwa 50 von Anpassungsabschlägen betroffene Beschäftigte des Europa-Programms haben mit Schreiben vom 25. November 1996 an die vier bei der Beklagten vertretenen Gewerkschaften die Abschaffung des Anpassungsabschlags gefordert. Diese Initiative wurde von den Gewerkschaften aufgegriffen; dies führte zu entsprechenden Verhandlungen mit der Beklagten. Zur Unterstützung der Verhandlungen forderte die Klägerin mit Schreiben ebenso wie andere Betroffene mit Schreiben vom 18. Februar 1997 die Beklagte auf, ihr die Vergütung entsprechend der aktuellen Gehaltstabelle ohne Anpassungsabschlag zu zahlen, und zwar rückwirkend ab 1. Juli 1993. Mit Schreiben vom 21. Januar 1998 teilte die Beklagte den Beschäftigten mit, daß die Vorschläge zum Abbau der Anpassungsabschläge zur Zeit nicht realisiert werden könnten, weil über die Kompensationsmöglichkeiten für den damit verbundenen erheblichen finanziellen Aufwand zwischen den Tarifvertragsparteien keine Einigung habe erzielt werden können. Seit der Einstellung des tschechischen und slowakischen Sprachdienstes mit dem 31. Dezember 1999 ist die Klägerin seit dem 1. Januar 2000 in der Zentralredaktion Politik/Wirtschaft beschäftigt.
Mit ihrer Klage macht die Klägerin vorrangig die Vergütungsdifferenz geltend, die ihr durch den Anpassungsabschlag in der Zeit vom 1. August 1996 bis zum 31. Dezember 1998 entstanden ist, d.h. bis zum 28. Februar 1997 230,53 DM brutto monatlich, ab dem 1. März 1997 237,16 DM brutto monatlich und ab dem 1. Juni 1998 233,85 DM brutto monatlich. Jedenfalls stehe ihr für diesen Zeitraum die Differenz zu der Vergütung zu, die sie nach den tarifvertraglichen Regelungen des DLF bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses dort erhalten hätte. Die Klägerin hat die Meinung vertreten, Anspruch auf eine Vergütung wie ein gleichgestellter Beschäftigter der Stammbelegschaft zu haben. Die geringere Entlohnung der ehemaligen DLF-Beschäftigten sei mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz und dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht vereinbar. Ein sachlicher Grund, die Stammbelegschaft und die Gruppe der übernommenen Beschäftigten unterschiedlich zu behandeln, sei nicht, jedenfalls nicht mehr, gegeben. Zumindest müsse sie auf Grund der im ÜTV enthaltenen Gewährleistung des materiellen Besitzstandes die Vergütung erhalten, die sie beim DLF erzielt hätte.
Die Klägerin hat beantragt
- die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6.800,06 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Oktober 1997 zu zahlen;
- hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6.793,78 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Oktober 1997 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin ab dem 1. Januar 1999 als Redakteurin mbA in der VergGr. III Stufe 8 nach der Gehaltstabelle der Beklagten ohne jedweden Anpassungsabschlag zu vergüten.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, daß die in dem ÜTV geregelte Besitzstandswahrung der übernommenen Beschäftigten durch die Eingruppierung in den VTV entsprechend den Vorschriften des ÜTV erfolgt sei. Weil die Vergütungsregelungen bei der Beklagten und dem DLF unterschiedlich seien, auch im Hinblick auf die pro Jahr gezahlten monatlichen Gehälter, habe eine Umrechnung vorgenommen werden müssen. Dabei ergebe sich neben der Vergütung entsprechend der Eingruppierung in den VTV ein Anpassungsbetrag im Sinne eines Anpassungsabschlags oder Anpassungszuschlags. Das so ermittelte Gehalt sei die Grundlage für die weiteren Tariferhöhungen. Die Regelung über die Anpassungsbeträge verstieße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil die Besitzstandswahrung für die übernommenen Beschäftigten ein sachlicher Differenzierungsgrund sei. Das gelte auch für die sich aus dem ÜTV ergebende fortdauernde zeitliche Geltung der Anpassungsbeträge. Auch der Hilfsantrag der Klägerin sei unbegründet, weil der Klägerin nicht die Vergütung zustehe, die sie bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses beim DLF erhalten hätte. Die Tarifvertragsparteien hätten in dem ÜTV den Besitzstand der übernommenen Beschäftigten vielmehr in der Weise gewährleistet, daß sie den bei der Übernahme bestehenden Stand der Vergütung zugrunde gelegt und die Weitergabe der Tariferhöhungen nach dem VTV der Beklagten vereinbart hätten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision hält die Klägerin an ihren Klageanträgen fest. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, daß die Klägerin für die streitbefangenen Zeiträume den Anpassungsabschlag nach dem ÜTV hinnehmen muß und keine höhere Vergütung verlangen kann.
I. Der Antrag zu 1, der auf die Auszahlung des in Abzug gebrachten Anpassungsabschlags für den Zeitraum vom 1. August 1996 bis zum 31. Dezember 1998 gerichtet ist, ist unbegründet.
1. Die Vorinstanzen und die Parteien haben die Frage der Geltung bzw. Anwendbarkeit des ÜTV bzw. VTV auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht behandelt, sondern stillschweigend bejaht. Hiervon ist auch in der Revision auszugehen. Weder die Klägerin noch die Beklagte stellen die stillschweigende Annahme des Landesarbeitsgerichts in Frage, wonach der ÜTV und der VTV auf das Arbeitsverhältnis anwendbar sind.
2. Ebensowenig streiten die Parteien darüber, daß die Vergütung der Klägerin nach ihrer Übernahme durch die Beklagte seit dem 1. Juli 1993 nach den einschlägigen Regelungen des VTV i.V.m. § 3 ÜTV richtig berechnet worden ist.
3. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus dem ÜTV nicht, daß der Anpassungsabschlag für die Klägerin nicht mehr gilt. Der ÜTV ist nicht durch Zeitablauf erledigt oder obsolet geworden. Das ergibt die Auslegung des ÜTV.
a) Die Auslegung des normativen Teils des Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mitzuberücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Läßt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (u.a. Senat 5. Oktober 1999 – 4 AZR 578/98 – AP TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 15 = EzA TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 8).
b) Eine ausdrückliche zeitliche Befristung der Geltung der Überleitungsregelungen und damit der Regelung über die Anpassungsbeträge enthält der ÜTV nicht. Das hat auch die Klägerin nicht behauptet.
c) Auch aus dem Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelungen ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, daß die Regelung über die Anpassungsbeträge nur zeitlich befristet gelten sollte.
aa) Gegen die Annahme einer solchen Befristung spricht die Regelung in § 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Satz 3 ÜTV, wonach der Anpassungsbetrag „bei der Berechnung von Ruhestandsbezügen berücksichtigt und entsprechend der jeweiligen Vergütungsgruppe den tarifvertraglich vereinbarten allgemeinen Vergütungssteigerungen angepaßt” wird. Daraus ergibt sich eindeutig, daß die Tarifvertragsparteien von einer andauernden Geltung der Anpassungsbeträge ausgegangen sind.
bb) Die grundsätzliche Unbefristetheit der Überleitungsregelung kommt auch in § 3 Abs. 4 ÜTV zum Ausdruck. Danach soll der Termin für die nächste Stufensteigerung für Beschäftigte, die noch nicht in die Endstufe eingruppiert sind, so berechnet werden, daß das vom Zeitpunkt der Übernahme bis zum Eintritt in die Endstufe zu erwartende Gesamteinkommen im Volumen dem entspricht, das bei dem bisherigen Arbeitgeber zu erwarten gewesen wäre. Auch daran wird deutlich, daß der ÜTV einschließlich der Regelung über die Anpassungsbeträge eine längerfristige Regelung beinhaltet.
cc) Die von der Revision für die zeitlich begrenzte Geltung der Anpassungsbeträge ins Feld geführten Gesichtspunkte treffen nicht zu.
(1) Daß der Sinn und Zweck bzw. der Gesamtzusammenhang des ÜTV dafür sprächen, daß durch den ÜTV „eine schrittweise Überleitung der übernommenen Arbeitsverhältnisse” habe erfolgen sollen, daß eine „lebenslange Ungleichbehandlung” nicht gewollt sei bzw. daß der ÜTV Sonderregelungen „nur für die erstmalige Eingliederung” enthalte, wird von der Revision nur behauptet, aber nicht mit Darlegungen zum Inhalt des ÜTV belegt.
(2) Aus der von der Klägerin angeführten Entscheidung des Senats vom 16. Juni 1999 (–4 AZR 446/98 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Rundfunk Nr. 31 = EzA TVG § 4 Rundfunk Nr. 20) ergibt sich weder unmittelbar noch mittelbar etwas anderes. In jenem Fall ging es um die Frage, ob nach einer Höhergruppierung die Regelung in § 3 Abs. 4 ÜTV über die Anpassung des Termins für die nächste Stufensteigerung gilt, was von dem Senat verneint wurde. Damit ist gerade nicht gesagt, daß die Anpassungsregelungen allein durch den Zeitablauf ihren Geltungsanspruch verlieren. Vielmehr geht auch die genannte Entscheidung davon aus, daß das Überleitungsstadium mit den Anpassungsregelungen zunächst andauert und dieses Überleitungsstadium erst durch eine Höhergruppierung beendet wird, und zwar auch im Hinblick auf die Regelung über die Stufensteigerung in § 3 Abs. 4 ÜTV. Darum geht es vorliegend nicht.
Die Klägerin ist ab dem 1. Januar 2000 in die Zentralredaktion Politik/Wirtschaft versetzt. Daß damit eine Höhergruppierung verbunden war, die zu einer Beendigung des Überleitungsstadiums und somit zu einem Wegfall des Anpassungsabschlags geführt hätte, hat die Klägerin selbst nicht behauptet bzw. vorgetragen.
(3) Soweit die Klägerin behauptet, die Tarifvertragsparteien hätten bei Übernahme der Beschäftigten keine unterschiedlichen Vergütungssysteme gewollt, sondern hätten beabsichtigt, nach einer Reihe von Überleitungsjahren die Vergütungen der beiden Gruppen einander anzugleichen, kann das zu keinem anderen Ergebnis führen. Die unterschiedliche Vergütung für die übernommenen Beschäftigten im Vergleich zu der Stammbelegschaft der Beklagten ergibt sich, wie dargelegt, aus dem ÜTV. Ob die Tarifvertragsparteien die Absicht hatten, in einer zukünftigen Regelung eine ggf. stufenweise Angleichung vorzunehmen, ist rechtlich solange ohne Bedeutung, wie die Tarifvertragsparteien noch keine entsprechende Regelung getroffen haben.
4. Die Regelung über die Anpassungsbeträge für die übernommenen Beschäftigten verstößt entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Das hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt.
a) Auch die Tarifvertragsparteien haben die Grundrechte und somit auch den allgemeinen Gleichheitssatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG prinzipiell zu beachten. Insoweit ist noch immer umstritten, wie die mittelbare oder unmittelbare Bindung der Tarifvertragsparteien an die Grundrechte begründet werden kann und ob sich aus den verschiedenen Herleitungen unterschiedliche Maßstäbe für die richterliche Überprüfbarkeit von Tarifverträgen ergeben. Insbesondere ist noch offen, ob und inwieweit sich aus der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Auffassung vom Schutzauftrag der Grundrechte (grundlegend BVerfG 28. Mai 1993 – 2 BvF 2/90, 4/92 u. 5/92 – BVerfGE 88, 203) generell eine andere und geringere Bindung der Tarifvertragsparteien an die Grundrechte ergibt als für den Staat (vgl. dazu Dieterich FS Schaub S 117, 121; Schliemann FS Hanau S 577, 584 f.).
Der Senat hat erkannt, daß die Tarifvertragsparteien hinsichtlich der Regelungen des persönlichen Geltungsbereichs keiner unmittelbaren Bindung an den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG unterliegen, sondern wegen ihres insoweit vorrangigen Grundrechts der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG bis zur Grenze der Willkür frei sind, in eigener Selbstbestimmung den persönlichen Geltungsbereich ihrer Tarifregelungen festzulegen, und daß die Grenze der Willkür erst überschritten ist, wenn die Differenzierung im persönlichen Geltungsbereich unter keinem Gesichtspunkt, auch koalitionspolitischer Art, plausibel erklärbar ist (BAG 30. August 2000 – 4 AZR 563/99 – BAGE 95, 277; zu der abw. Auffassung anderer Senate vgl. ebenda unter I 2 f (2) der Gründe, S 287 ff.).
Vorliegend handelt es sich zwar formal um eine Regelung zum persönlichen Geltungsbereich des ÜTV, weil der ÜTV nach § 1 nur für einen bestimmten Personenkreis, u.a. für alle Arbeitnehmer/-innen, die von der Beklagten vom Deutschlandfunk übernommen worden sind, gilt. Im Ergebnis allerdings geht es um die unterschiedliche Vergütung für die Stammbelegschaft einerseits, für die der VTV uneingeschränkt gilt, und für die übernommenen Beschäftigten andererseits, für die der ÜTV den Bestandsschutz hinsichtlich der bisherigen Vergütung sichert und somit Anpassungsbeträge zu der Vergütung nach dem VTV vorsieht.
Es spricht einiges dafür, daß der Maßstab für die Überprüfung der Tarifverträge wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz bei inhaltlich differenzierenden Regelungen in demselben Tarifvertrag bzw. Tarifwerk nicht prinzipiell anders ist als bei der Regelung des persönlichen Geltungsbereichs. Diese Frage bedarf aber keiner Entscheidung, weil hier auch dann kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz vorliegt, wenn von einer unmittelbaren Bindung der Tarifvertragsparteien an Art. 3 Abs. 1 GG ausgegangen wird.
Aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Tarifautonomie nach Art. 9 Abs. 3 GG ergibt sich ohnehin eine Begrenzung der richterlichen Kontrolle von Tarifverträgen im Hinblick auf einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Insbesondere steht den Tarifvertragsparteien eine Einschätzungsprärogative zu, soweit es um die Beurteilung der tatsächlichen Regelungsprobleme und der Regelungsfolgen geht, und ein Beurteilungs- bzw. Ermessensspielraum, soweit es um die inhaltliche Gestaltung der Regelungen geht (BAG 18. Mai 1999 – 9 AZR 419/98 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Fleischerhandwerk Nr. 1 = EzA BurlG § 5 Nr. 19; ErfK/Dieterich 2. Aufl. GG Art. 3 Rn. 27). Es ist nicht Aufgabe der Gerichte zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien die gerechteste und zweckmäßigste Lösung für das zu regelnde Problem gefunden haben (u.a. BAG 23. Juni 1994 – 6 AZR 911/93 – BAGE 77, 137; bezogen auf die Gesetzgebung: BVerfG 29. November 1989 – 1 BvR 1402, 1528/87 – BVerfGE 81, 108). Auch der Kompromißcharakter von Tarifverträgen als Verhandlungsergebnis divergierender Interessen muß in dem Sinne berücksichtigt werden, daß an die Systemgerechtigkeit der tarifvertraglichen Regelungen keine hohen Anforderungen gestellt werden dürfen (ErfK/Dieterich 2. Aufl. GG Art. 3 Rn. 44 und 46 m.w.N.). Im übrigen können die Tarifvertragsparteien im Interesse praktikabler, verständlicher und übersichtlicher Regelungen typisierende Regelungen, insbesondere Stichtagsregelungen treffen (u.a. BAG 28. Juli 1992 – 9 AZR 308/90 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Seniorität Nr. 10; weitere Nachweise bei ErfK/Dieterich 2. Aufl. GG Art. 3 Rn. 47 f.). Deshalb kann bei der Prüfung eines möglichen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nicht auf die Einzelfallgerechtigkeit abgestellt werden, sondern auf die generellen Auswirkungen der Regelung (u.a. BAG 6. September 1995 – 5 AZR 174/94 – BAGE 81, 5).
b) Bei Anlegung dieser Prüfungsmaßstäbe liegt der von der Klägerin behauptete Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nicht vor. Die Differenzierung der Vergütung zwischen der Stammbelegschaft einerseits und den übernommenen Beschäftigten andererseits ist nicht sachwidrig, sondern plausibel nachvollziehbar. Sie ergibt sich als Konsequenz aus dem legitimen Regelungsziel, den übernommenen Beschäftigten den Besitzstand zu gewährleisten, indem ihnen ihre bisherige Vergütung erhalten bleibt. Dabei kann offenbleiben, ob diese vom Ansatz her berechtigte Unterscheidung zwischen der Stammbelegschaft einerseits und der übernommenen Beschäftigten andererseits bereits die Vergleichbarkeit beider Gruppen ausschließt oder ob dadurch eine sachliche Rechtfertigung für die vergütungsmäßige Ungleichbehandlung beider Gruppen begründet wird.
aa) Die Differenzierung zwischen den beiden Beschäftigtengruppen ergibt sich aus der Zielsetzung, den übernommenen Beschäftigten trotz der Eingruppierung in das Tarifwerk der Beklagten den Besitzstand im Hinblick auf die zum Zeitpunkt der Übernahme bei dem bisherigen Arbeitgeber bezogene tarifliche Vergütung zu gewährleisten. Zur Erreichung dieses Ziels enthält der ÜTV Anpassungsregelungen, durch die die Eingruppierung in die zutreffende Vergütungsgruppe des VTV der Beklagten (§ 3 Abs. 1 ÜTV) im Sinne der Besitzstandswahrung korrigiert wird, d.h. durch die Ermittlung des Anpassungsbetrages (§ 3 Abs. 2 ÜTV), durch die Ermittlung der Vergütungsstufe (§ 3 Abs. 3 ÜTV) und durch die Festlegung der nächsten Stufensteigerung (§ 3 Abs. 4 ÜTV).
bb) Die Besitzstandswahrung ist ein allgemein anerkanntes Regelungsziel im Arbeitsleben. Soweit die Übernahme von Beschäftigten auf einen Betriebs- bzw. Betriebsteilübergang beruht, prägt dieses Gestaltungsprinzip die Regelungen in § 613 a Abs. 1 BGB über die Arbeitsbedingungen und somit auch über die Vergütung der übernommenen Beschäftigten. Daß auch der ÜTV den Besitzstand der übernommenen Beschäftigten wahren will, begegnet deshalb keinen rechtlichen Bedenken.
cc) Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, daß die Besitzstandswahrung auf die Verhinderung der Schlechterstellung gerichtet sei, die Klägerin aber gegenüber der Stammbelegschaft schlechter gestellt werde. Denn der Bezugspunkt für die Verhinderung der Schlechterstellung der Besitzstandswahrung ist die bisherige Vergütung der betroffenen Beschäftigten und nicht die Vergütung der Stammbelegschaft. Die Besitzstandswahrung für die übernommenen Beschäftigten impliziert sachlogisch die Möglichkeit der unterschiedlichen Vergütung im Vergleich zu der Stammbelegschaft.
dd) Die Berechtigung dieser unterschiedlichen Behandlung der übernommenen Beschäftigten als Folge der Besitzstandswahrung entfällt nicht wegen der oben (I 4 a) beschriebenen Bindung an den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Tarifvertragsparteien sind rechtlich nicht gezwungen, die Besitzstandswahrung zugunsten der Gleichbehandlung der übernommenen Arbeitnehmer mit der Stammbelegschaft aufzugeben oder zu relativieren. Auch eine Kombination beider Gesichtspunkte in dem Sinn, daß den übernommenen Beschäftigten der Besitzstand gewährt wird, gleichzeitig aber die Gleichbehandlung herbeigeführt wird, ist nicht möglich. Denn das würde, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat, zu einer Meistbegünstigung für alle führen, weil die Gruppe mit der höchsten Vergütung auf Grund der Besitzstandswahrung diese Vergütung behält und alle anderen Gruppen im Sinne der Gleichbehandlung diese höhere Vergütung beanspruchen könnten. Ein solcher Zwang zur Angleichung nach oben ist im Hinblick auf die damit verbundenen wirtschaftlichen Belastungen rechtlich nicht begründbar.
ee) Die Berechtigung zur Differenzierung zwischen der Stammbelegschaft und der Gruppe der übernommenen Beschäftigten entspricht zudem der bisherigen Rechtsprechung, soweit es um die Bindung des Arbeitgebers an den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz geht (vgl. BAG 13. Oktober 1960 – 5 AZR 284/59 – AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 30 = EzA BGB § 133 Nr. 1; 25. August 1976 – 5 AZR 788/75 – AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 41 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 11; 30. August 1979 – 3 AZR 58/78 – AP BGB § 613 a Nr. 16 = EzA BGB § 613 a Nr. 23).
5. Auch die Geltung der Regelungen über den Anpassungsabschlag während des streitigen Zeitraums vom 1. August 1996 bis zum 31. Dezember 1998 ist wirksam. Die Tarifvertragsparteien sind rechtlich durch den allgemeinen Gleichheitssatz nicht gezwungen, innerhalb eines bestimmten Zeitraums die durch den inhaltlichen Bestandsschutz bedingte Differenzierung zwischen Stammbelegschaft und übernommenen Beschäftigten auszugleichen oder zu vermindern.
a) Das Landesarbeitsgericht hat die andauernde Geltung der Regelung über den Anpassungsabschlag hingenommen, ohne sich mit diesem Gesichtspunkt auseinanderzusetzen. Das Arbeitsgericht hat zur Rechtfertigung der anhaltenden Wirkung der Differenzierung ausgeführt, daß die Ungleichbehandlung durch Zeitablauf, zB durch das Ausscheiden von Mitarbeitern immer geringer werde, und daß es der Regelungsautonomie der Tarifvertragsparteien überlassen bleiben müsse, die „Fernwirkungen” ihrer Regelung zu klären und ggf. durch „Kompensationsregelungen” zu überwinden. Das ist im Ergebnis zutreffend.
b) Der Zielkonflikt zwischen inhaltlichem Bestandsschutz und Gleichbehandlung, der die Differenzierung zum Zeitpunkt der Übernahme der anderen Beschäftigten rechtfertigte, bleibt in der Folgezeit prinzipiell bestehen. Dabei kann es tarifpolitisch durchaus zweckmäßig und sinnvoll sein, mit zunehmendem Zeitablauf dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung mehr Gewicht einzuräumen (vgl. dazu BAG 25. August 1976 – 5 AZR 788/75 – AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 41 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 11, zu 2 b der Gründe). Die Entscheidung, ob, wann und wie die Differenzierung abgebaut werden soll, liegt aber in der Regelungskompetenz der Tarifvertragsparteien und kann rechtlich nicht vorgegeben werden.
c) Dafür spricht zum einen die Einschätzungs- und Bewertungsprärogative der Tarifvertragsparteien. Es liegt in ihrem Verantwortungsbereich, zu klären, welchen Umfang und welche Bedeutung die Differenzierung jeweils hat, zB in welchem Umfang die Differenzierung durch Höhergruppierungen bzw. durch Ausscheiden aus dem Betrieb weggefallen ist und wie sich die Akzeptanz der unterschiedlichen Vergütung bei den betroffenen Arbeitnehmergruppen entwickelt hat.
d) Für die rechtliche Tolerierung der fortbestehenden Ungleichbehandlung spricht auch, daß andernfalls in die Gestaltungsautonomie der Tarifvertragsparteien eingegriffen wird. Bei der Überwindung des Zielkonflikts zwischen Bestandsschutz und Gleichbehandlung gibt es mehrere Alternativen. U.a. muß entschieden werden, ab wann das Ziel der Gleichbehandlung vorrangig verfolgt werden soll, ob es stufenweise und ggf. in welchem Zeitraum umgesetzt werden soll, auf welchem Vergütungsniveau die Gleichbehandlung erreicht werden soll und wie die sich daraus ggf. ergebenden wirtschaftlichen Belastungen verteilt bzw. kompensiert werden sollen. Es ist nicht Aufgabe der Arbeitsgerichte, diesen Entscheidungsrahmen durch ein anderes Konzept auszufüllen. Erst Recht kommt es nicht in Betracht, entsprechend dem Begehren der Klägerin, die Gleichbehandlung im Sinne der Anpassung an das höhere Vergütungsniveau der Stammbelegschaft rückwirkend als rechtlich geboten festzustellen. Die Regelungskompetenz der zuständigen Tarifvertragsparteien muß vielmehr respektiert werden. Das zeigt sich vorliegend besonders deutlich daran, daß die Tarifvertragsparteien über den Abbau der Anpassungsabschläge verhandelt und keine gemeinsame Lösung gefunden haben u.a. deshalb, weil keine Einigung über die Kompensation der durch den Abbau der Anpassungsabschläge entstehenden wirtschaftlichen Belastungen erzielt werden konnte. Diese fehlende Kompromißlösung kann nicht durch die richterlich verordnete Gleichstellung im Sinne des ggf. rückwirkenden Wegfalls des Anpassungszuschlages ersetzt werden.
II. Hinsichtlich des Hilfsantrags, mit dem die Klägerin die Differenz zu der Vergütung begehrt, die sie bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses beim DLF erhalten hätte, ist die Revision unzulässig. Es fehlt an der erforderlichen Revisionsbegründung. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, daß es angesichts der Vergütungsregelung im Arbeitsvertrag und der der Klägerin gewährten Tariferhöhungen nicht darauf ankomme, ob die Klägerin beim DLF mehr verdient hätte. Die Revision setzt sich hiermit nicht auseinander.
III. Der Antrag zu 3, der auf Vergütungszahlungen ohne Anpassungsabschläge ab dem 1. Januar 1999 gerichtet ist, ist ebenfalls unbegründet. Entsprechend den obigen Darlegungen (unter I 5 der Gründe) sind die Regelungen über die Anpassungsabschläge auch nach dem 1. Januar 1999 nicht unwirksam geworden.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Unterschriften
Schliemann, Friedrich, Wolter, Für den wegen längerer Ortsabwesenheit verhinderten ehrenamtlichen Richter Hubert Schmalz Schliemann, Weßelkock
Fundstellen