Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankheitsbedingte Kündigung
Orientierungssatz
Aufzählung der wichtigsten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zur krankheitsbedingten Kündigung.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2 Fassung 1969-08-25
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 08.06.1984; Aktenzeichen 5 (6) Sa 2201/83) |
ArbG Bochum (Entscheidung vom 16.08.1983; Aktenzeichen 4 Ca 118/83) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
Der am 22. Oktober 1950 geborene Kläger ist seit dem 25. März 1974 bei der Beklagten zu einem Bruttostundenlohn von zuletzt 14,43 DM beschäftigt gewesen. Bei der Beklagten, die in ihrem Betrieb elektrotechnische Teile herstellt und dort ca. 640 Arbeitnehmer beschäftigt, besteht ein Betriebsrat mit elf Mitgliedern. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der Tarifvertrag über die Lohn- und Gehaltssicherung für Arbeitnehmer der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens vom 25. Januar 1979 Anwendung.
Der Kläger, gelernter Dreher, wurde zunächst als Dreher in der Werkzeugmacherei beschäftigt. Am 17. August 1982 erfolgte wegen Arbeitsmangels in der Werkzeugmacherei seine Umsetzung in den Schaltanlagenbau. Dort wurde er bei Schlosserarbeiten zur Montage von elektrischen Verteilerschränken eingesetzt und mußte zunächst Blechteile zuschneiden und diese zu Montageteilen zusammenfügen. Diese Teile wurden in den darauffolgenden Arbeitsgängen von anderen Arbeitnehmern mit elektrischen Bauteilen bestückt und zu kompletten Verteilerschränken zusammengesetzt.
Die Beklagte hat den Betriebsrat am 13. August 1982 um die Zustimmung zur Versetzung des Klägers zum 17. August 1982 gebeten mit dem Hinweis, die Versetzung sei zu diesem Zeitpunkt dringend erforderlich. Die Umsetzung selbst wurde auch am 17. August 1982 vorgenommen. Innerhalb der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 BetrVG nahm der Betriebsrat nicht Stellung. Erst am 27. August 1982 befaßte er sich mit der Versetzung und widersprach ihr nicht.
Seit Beginn des Jahres 1981 bis zu seiner Umsetzung war der Kläger in den nachfolgenden Zeiten infolge Krankheit arbeitsunfähig:
vom 22. Januar bis 30. Januar 1981 = 7 Tage
am 24. April 1981 = 1 Tag
am 30. April 1981 = 1 Tag
vom 5. Mai bis 22. Mai 1981 = 14 Tage
vom 29. September bis 9. Oktober 1981 = 9 Tage.
Nach seiner Umsetzung fehlte der Kläger wegen Krankheit:
vom 27. August bis 15. September 1982 = 14 Tage
vom 12. Oktober bis 31. Dezember 1982 = 56 Tage
vom 1. Januar bis 28. Januar 1983 = 20 Tage
am 7. Februar 1983 = 1 Tag
vom 15. Februar bis 4. März 1983 = 14 Tage.
Der Kläger leidet an degenerativen Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule. Aus ärztlicher Sicht kann er daher nur noch körperlich leichte Arbeiten verrichten, wobei er insbesondere schweres Heben und Tragen vermeiden muß. Bei seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit im Schaltanlagenbau mußte der Kläger Gewichte heben, die er infolge seiner krankheitsbedingten körperlichen Konstitution nicht bewältigen konnte. Aus diesem Grunde wandte er sich ca. zwei Monate nach seiner Umsetzung an den Betriebsrat mit der Bitte, wieder auf seinem alten Arbeitsplatz in der Werkzeugmacherei eingesetzt zu werden. Dabei überreichte er dem Betriebsratsvorsitzenden ein ärztliches Attest des ihn behandelnden Arztes Dr. med. H, Facharzt für Orthopädie, vom 12. Oktober 1982, aus dem die geschilderten Beschwerden und seine eingeschränkte Einsatzmöglichkeit hervorgingen. Der Kläger leidet außerdem an Magengeschwüren.
Nach Zustimmung des Betriebsrats kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis am 18. Februar zum 4. März 1983.
Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam. Er ist der Auffassung, der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß zur Kündigung gehört worden, da er nicht auf die mangelnde gesundheitliche Eignung für seinen letzten Arbeitsplatz hingewiesen worden sei und die Beklagte nichts zur betrieblichen Auswirkung der Fehltage dem Betriebsrat mitgeteilt habe. Außerdem ist der Kläger der Ansicht, seine Umsetzung in den Schaltanlagenbau sei unwirksam. Er hat behauptet, die Tätigkeit im Schaltanlagenbau sei im Vergleich zur vorherigen nur noch eine Hilfsarbeitertätigkeit gewesen, die darin bestanden habe, Bleche zuzuschneiden und zu stanzen. Das lasse sich auch aus der Differenz der für diese Tätigkeit ü b l i c h e n Vergütung von 10,22 DM pro Stunde zu seinem früheren Facharbeiterlohn von 14,43 DM ersehen. Die Versetzung sei auch unwirksam, weil sie erfolgt sei, bevor die Äußerungsfrist für den Betriebsrat abgelaufen gewesen sei. Der Kläger hat weiter vorgetragen, seine Arbeitsunfähigkeitszeiten nach der Umsetzung seien durch die höheren Belastungen an dem neuen Arbeitsplatz entstanden. Er hätte ebenso weiter als Werkzeugmacher wie auch in der Lackiererei oder Galvanik eingesetzt werden können. Zumindest sei das im Wege des Ringtausches möglich gewesen, wozu seiner Ansicht nach die Beklagte auch im Rahmen der Interessenabwägung unter Beachtung der neunjährigen Beschäftigungszeit des Klägers verpflichtet gewesen sei.
Zumindest habe die Beklagte die Kündigungsfrist nicht eingehalten. Zur Begründung verweist er auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Dezember 1982 (DB 1983, 450) und des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 23. April 1982 (3 Sa 10/82) zu § 622 BGB, aus denen sich ergebe, daß die Beklagte eine bis zum 30. Juni 1983 laufende Kündigungsfrist hätte einhalten müssen.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis
durch die Kündigung der Beklagten vom
18. Februar 1983 zum 30. Juni 1983 nicht
aufgelöst ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie vorgetragen, bei den krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers handele es sich um ein weit überdurchschnittliches Maß, das auch wegen der Art der Erkrankungen nur eine negative Prognose zulasse. Negative betriebliche Auswirkungen seien bei derartigen Fehlzeiten indiziert. Die Kündigung sei auch deshalb gerechtfertigt, weil der Kläger die geschuldete Arbeitsleistung wegen seiner Krankheit auf Dauer nicht mehr erbringen könne. Die Umsetzung des Klägers sei zulässig gewesen. Er sei entgegen seinem Vortrag nicht nur mit dem Zuschneiden von Blechen befaßt gewesen, sondern zusätzlich mit dem Lesen von Fertigungszeichnungen, der Übertragung der aus diesen Zeichnungen entnommenen Maße auf Bleche (sogenanntes Anreißen) und der Einrichtung der Nibbel- und Abkantmaschine, einschließlich der Abrufung der richtigen Werkzeuge und deren Einbau. Die Tätigkeit trage die Berufsbezeichnung "Blechschlosser" und sei Facharbeitertätigkeit der Tariflohngruppe 7 des entsprechenden Lohntarifvertrages. Der Kläger habe auch gemäß § 8 des Tarifvertrages über die Lohn- und Gehaltssicherung vom 25. Januar 1979 (TVLGS) auf diesen ihm zumutbaren Arbeitsplatz versetzt werden können. Die Arbeitsunfähigkeitszeiten nach der Umsetzung seien nicht durch die Tätigkeit des Klägers im Schaltanlagenbau ausgelöst worden, vielmehr sei die körperliche Belastung des Klägers an diesem Arbeitsplatz nicht höher gewesen als bei seiner Tätigkeit in der Werkzeugmacherei. Im übrigen sei der Kläger mit der Umsetzung einverstanden gewesen. Ein anderweitiger Arbeitsplatz habe nicht zur Verfügung gestanden. Als Werkzeugmacher habe der Kläger nicht beschäftigt werden können, da er hierfür die erforderliche Qualifikation nicht besitze. Ein Tausch mit einem Arbeitnehmer aus der Lackiererei oder Galvanik sei nicht möglich gewesen. Ein Lackierer könne keine Schlosserarbeiten ausführen, Arbeitnehmer aus dem Bereich der Galvanik seien überhaupt keine Facharbeiter. Im übrigen sei sie nicht verpflichtet, Arbeitnehmer aus verschiedenen Abteilungen auszutauschen, um eine Kündigung zu vermeiden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein bisheriges Klagebegehren weiter, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Der Hauptantrag der Revision des Klägers ist nicht begründet.
A. I. Bei der Umsetzung des Klägers aus der Werkzeugmacherei, in der er als Dreher beschäftigt wurde, in den Schaltanlagenbau, wo er zur Montage von elektrischen Verteilerschränken Blechteile zuschneiden und zu Bauteilen montieren mußte, handelt es sich um eine Versetzung im Sinne von § 95 Abs. 3 BetrVG.
1. Eine Versetzung im Sinne von § 95 Abs. 3 BetrVG "ist die (tatsächliche) Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet o d e r die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist".
Der "Arbeitsbereich" ist nach herrschender Meinung der konkrete Arbeitsplatz und seine Beziehung zur betrieblichen Umgebung in räumlicher, technischer und organisatorischer Hinsicht (Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 14. Aufl., § 99 Rz 22; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 99 Rz 73, 74; Kraft, GK-BetrVG, § 99 Rz 46 ff., 50; Meisel, BB 1974, 559, 562). Eine Versetzung liegt danach dann vor, wenn eine Ortsveränderung entweder mit einer Änderung der Tätigkeit oder einer Änderung der Stellung in der betrieblichen Organisation, etwa der Abteilung, verbunden ist (vgl. Kraft, aaO, Rz 50 m.w.N.). Dem entspricht es, wenn der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts im Beschluß vom 10. April 1984 (- 1 ABR 67/82 - AP Nr. 4 zu § 95 BetrVG 1972) die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereiches dann annimmt, wenn dem Arbeitnehmer ein neuer Tätigkeitsbereich zugewiesen wird, so daß der Gegenstand der geschuldeten Arbeitsleistung, der Inhalt der Arbeitsaufgabe ein anderer wird und sich das Gesamtbild der Tätigkeit des Arbeitnehmers ändert und der Senat für die zweite Alternative einer Versetzung verlangt, daß der Arbeitnehmer aus einer betrieblichen Einheit herausgenommen und einer anderen Einheit zugewiesen wird (mit zahlreichen Nachweisen aus der Literatur). Nach § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG gilt die Bestimmung des jeweiligen Arbeitsplatzes jedoch nicht als Versetzung, wenn Arbeitnehmer nach der Eigenart ihres Arbeitsverhältnisses üblicherweise nicht ständig an einem bestimmten Arbeitsplatz beschäftigt werden.
2. a) Vorliegend ist das Berufungsgericht zu Recht vom Gegenteil ausgegangen. Die Beklagte hat dem Kläger nämlich im Zwischenzeugnis vom 27. August 1982 bestätigt, er sei "seit dem 25. März 1974 als Werkzeugdreher in unserer Abteilung Werkzeug- und Vorrichtungsbau beschäftigt...". Daß der Kläger vor der Umsetzung als Dreher gearbeitet hat, hat sie in der Klageerwiderung und im Schriftsatz vom 1. Juni 1984 wiederholt. Der einzige Satz, der dahin mißverstanden werden könnte, die Beklagte wolle behaupten, der Kläger sei früher bereits im Schaltanlagenbau beschäftigt gewesen, ergibt im Zusammenhang mit den vorhergehenden und nachfolgenden Sätzen, daß die Beklagte nur behauptet hat, der Kläger habe n a c h der Umsetzung gelegentlich im Schaltanlagenbau gearbeitet. Die entsprechende Passage lautet:
"Der Kläger verschweigt im übrigen, daß er
mit der Umsetzung in den Schaltanlagenbau
durchaus einverstanden war. Tatsächlich hat
er dort ja auch - wenngleich unregelmäßig -
gearbeitet, ohne gegen die - nunmehr aus
vordergründigen Motiven als unzulässig dar-
gestellte - Umsetzung arbeitsrechtliche oder
gar arbeitsgerichtliche Schritte unternommen
zu haben."
b) Selbst wenn aber der Kläger gelegentlich schon vor der Umsetzung im Schaltanlagenbau gearbeitet hätte, wären die Voraussetzungen des § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG nicht erfüllt. Eine Versetzung soll danach nämlich nur dann ausgeschlossen sein, wenn der Arbeitnehmer nach der E i g e n a r t des Arbeitsverhältnisses ü b l i c h e r w e i s e nicht ständig an einem bestimmten Arbeitsplatz beschäftigt wird. Damit sind Arbeitnehmer gemeint, deren Beschäftigungsort typischerweise wechselt, wie dies z. B. bei Außendienstmitarbeitern sowie bei Monteuren und Arbeitern des Baugewerbes bei Fertigstellung der Arbeiten an einer Baustelle der Fall ist (Fitting/Auffarth/Kaiser, aaO, Rz 28). Dagegen wird der Dreher, der einer bestimmten Abteilung zugeordnet ist, gerade an einem bestimmten Arbeitsplatz beschäftigt. Dies hat die Beklagte nicht nur in ihrem Zwischenzeugnis bestätigt, sie hat den Kläger deshalb auch umsetzen müssen.
3. Vorliegend liegt die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs vor, nämlich die Zuweisung eines neuen Tätigkeitsbereichs, so daß der Gegenstand der geschuldeten Arbeitsleistung, der Inhalt der Arbeitsaufgabe ein anderer wird. Daß die Tätigkeit des Klägers als Dreher eine andere Aufgabe darstellt als die ihm zugewiesenen Schlosserarbeiten für die Montage von elektrischen Verteilerschränken, ist zwischen den Parteien nie streitig gewesen. Streit besteht nur darüber, welche Einzeltätigkeiten über das Zuschneiden von Blechen und deren Zusammenfügen zu Montageteilen hinaus vom Kläger am neuen Arbeitsplatz verlangt wurden, ob die Tätigkeit die eines Facharbeiters ist und ob sie größere körperliche Belastungen mit sich bringt als die des Drehers. Die Herausnahme des Klägers aus der Abteilung Werkzeug- und Vorrichtungsbau und Zuordnung zum Schaltanlagenbau bedeutet auch eine Änderung der Stellung des Klägers in der betrieblichen Organisation.
II. Die Beklagte hat die Umsetzung auch selbst als Versetzung angesehen und deshalb den Betriebsrat nach § 99 BetrVG beteiligt. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Versetzung aber nicht deshalb unwirksam, weil die Beklagte die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 BetrVG nicht eingehalten hat. Insoweit war vorliegend die Beantwortung der Streitfrage, ob der Verstoß des Beteiligungsrechts des Betriebsrats nach §§ 99 ff. BetrVG bei der Versetzung individualrechtliche Rechtsfolgen auslöst (vgl. zum Diskussionsstand Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 99 Rz 238 und Vorbem. vor § 74 Rz 37; Kraft, GK-BetrVG, § 99 Rz 95, 99; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 99 Rz 119; Boewer, RdA 1974, 72, 74; Hanau, RdA 1973, 281, 289 und Matthes, DB 1975, 1651) nicht entscheidungserheblich. Nach § 100 Abs. 1 BetrVG kann nämlich der Arbeitgeber, wenn dies aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, die personelle Maßnahme i.S. des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vorläufig durchführen, bevor der Betriebsrat sich geäußert hat. Nach § 100 Abs. 2 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat unverzüglich von der vorläufigen personellen Maßnahme zu unterrichten. Der Betriebsrat hat seinerseits dann unverzüglich dem Arbeitgeber mitzuteilen, wenn er bestreitet, daß die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist.
Vorliegend hat die Beklagte in ihrem Mitteilungsschreiben vom 13. August 1982 den Betriebsrat zugleich davon unterrichtet, daß die Versetzung zum 17. August 1982 dringend erforderlich sei. Da der Betriebsrat dies nicht unverzüglich bestritten hat (vielmehr laut Protokoll der Betriebsratssitzung vom 27. August 1982 nach Ablauf der Wochenfrist die Erforderlichkeit bestätigt hat), hat die Beklagte die Versetzung am 17. August 1982 als vorläufige Maßnahme durchführen und mangels eines Widerspruchs auch aufrechterhalten dürfen.
III. Dem Berufungsgericht ist im Ergebnis auch darin zu folgen, daß die Versetzung für den Kläger zumutbar gewesen ist.
Der Senat hat im Urteil vom 31. März 1983 (- 2 AZR 398/81 - n. v.) entschieden, § 8 TVLGS gelte für die Zuweisung jeder anderweitigen dem Arbeitnehmer z u m u t b a r e n Arbeit zumindest dann, wenn sie auf dringenden betrieblichen Gründen im Sinne des § 2 TVLGS beruhe. Der Kläger hat nicht bestritten, daß in der Werkzeugmacherei die Arbeit für einen Dreher entfiel. Dementsprechend räumt der Tarifvertrag vorliegend der Beklagten ein erweitertes Direktionsrecht für den Fall ein, daß die Versetzung zumutbar ist. Dazu gehört entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht nur, daß es sich um Arbeiten handelt, die eine gleiche Qualifikation erfordern, sondern auch, daß die neu zugewiesene Arbeit den Arbeitnehmer gesundheitlich und körperlich nicht überfordert. Entscheidend sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Versetzung. Zu diesem Zeitpunkt ist der Kläger aber nach eigenen Angaben gesund gewesen. Demgemäß hat er sich auch nicht gegen die Versetzung gewehrt, sondern die Arbeit ohne Vorbehalt aufgenommen. Ein gesunder Arbeiter wird aber nicht damit überfordert, wenn er im Rahmen seiner neuen Tätigkeit statt Werkstücke von 5 kg nunmehr solche bis zu 25 kg bewegen muß. Dies gilt wenigstens dann, wenn - wie vorliegend - der Arbeiter seinem Vorgesetzten nicht mitteilt, der körperlichen Belastung halte er nicht stand. Denn daraus ergibt sich, daß der Kläger die neue Tätigkeit selber nicht für unzumutbar hielt. Nur wenn er selber mitgeteilt hätte, welche Belastung ihn überforderte, hätte die Beklagte Gelegenheit gehabt, den Arbeitsplatz so einzurichten, daß die Belastungen unschädlich gewesen wären.
IV. War die Versetzung wirksam, war die Revision zurückzuweisen, weil die Kündigung dann auch sozial gerechtfertigt war.
1. Bei der Sozialwidrigkeit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der durch das Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden kann, ob das Landesarbeitsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob es in sich widerspruchsfrei ist (vgl. u. a. BAG 1, 99, 102 = AP Nr. 5 zu § 1 KSchG und BAG Urteil vom 10. November 1983 - 2 AZR 291/82 - AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit, unter B I der Gründe). Nach diesem eingeschränkten Überprüfungsmaßstab ist bezüglich der Sozialwidrigkeit das Urteil des Landesarbeitsgerichts im Ergebnis nicht zu beanstanden.
2. Die Revision hat gerügt, die Beklagte habe nicht dargelegt, inwiefern durch die dauernde krankheitsbedingte Unfähigkeit des Klägers, im Schaltanlagenbau zu arbeiten, eine unzumutbare Betriebsbeeinträchtigung eingetreten sein soll. Sie ist der Auffassung, eine Betriebsbeeinträchtigung sei nur dann unzumutbar, wenn der Arbeitgeber noch nicht einmal in der Lage sei, den Arbeitnehmer bis zum Ende der Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen.
a) Der erkennende Senat hat bereits im Urteil vom 25. November 1982 (BAG 40, 361, 370) ausgeführt, daß die Kündigungsgründe von solchem Gewicht sein müssen, daß sie einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung veranlassen würden. Er hat damit klargestellt, daß von einer unzumutbaren Betriebsbeeinträchtigung nicht erst dann gesprochen werden kann, wenn dem Arbeitgeber nicht mehr zugemutet werden kann, auch nur die ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten. Mit dem - vom Siebten Senat eingeführten - Begriff der Unzumutbarkeit bei der krankheitsbedingten Kündigung sollte nur klargestellt werden, daß hier der Arbeitgeber darauf Rücksicht zu nehmen hat, daß der Arbeitnehmer - anders als bei der verhaltensbedingten Kündigung - seinen Arbeitsplatz nicht dadurch gefährdet, daß er sich vertragswidrig verhält, sondern daß er seiner Arbeitspflicht - meist vorübergehend - nicht nachkommen kann, weil ihn der Schicksalsschlag einer Krankheit getroffen hat.
b) Der Senat hat im Urteil vom 7. November 1985 (- 2 AZR 657/84 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt) inzwischen auch geklärt, daß zum Kündigungsgrund bei der krankheitsbedingten Kündigung nur die Frage gehört, daß eine erhebliche Betriebsbeeinträchtigung oder wirtschaftliche Belastung vorliegt und die Unzumutbarkeit sich aus der Interessenabwägung ergibt.
c) Ebenfalls hat inzwischen der Senat im Urteil vom 21. Februar 1985 (- 2 AZR 72/84 - n. v.) entschieden, daß bei der dauernden Unfähigkeit, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, der Arbeitgeber eine darüber hinausgehende erhebliche Betriebsbeeinträchtigung nicht darlegen muß. Hierbei geht es nämlich nicht um eine Kündigung wegen Leistungsminderung infolge Krankheit, sondern um eine Kündigung wegen dauernder U n m ö g l i c h k e i t, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Für die Lösung dieser Fallgestaltung hat bereits das Senatsurteil vom 15. Februar 1984 (- 2 AZR 573/82 - EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 15) den Lösungsansatz gezeigt. In jener Entscheidung hat der Senat darauf hingewiesen, das Arbeitsverhältnis sei ein Austauschverhältnis. Sei dieses Austauschverhältnis auf Dauer erheblich gestört, weil mit immer neuen beträchtlichen Fehlzeiten und entsprechenden Lohnfortzahlungen zu rechnen sei, könne eine Kündigung sozial gerechtfertigt sein, weil dann die wirtschaftlichen Belastungen unter dem Gesichtspunkt einer ganz erheblichen Störung des Austauschverhältnisses von nicht absehbarer Dauer die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar erscheinen lassen könnten. Ein Arbeitsverhältnis, bei dem feststeht, daß der Arbeitnehmer in Zukunft die geschuldete Arbeitsleistung überhaupt nicht mehr erbringen kann, ist schon aus diesem Grunde auf Dauer ganz erheblich gestört. Die auf das jeweilige Arbeitsverhältnis bezogene unzumutbare betriebliche Beeinträchtigung besteht darin, daß der Arbeitgeber damit rechnen muß, der Arbeitnehmer sei auf Dauer außerstande, die von ihm geschuldete Leistung zu erbringen. Vom Fehlen einer betrieblichen Beeinträchtigung könnte nur ausgegangen werden, wenn die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers überhaupt keinen Wert hätte. Einen solch ungewöhnlichen Ausnahmetatbestand, der voraussetzen würde, der Arbeitgeber beschäftige überflüssige Arbeitnehmer, muß der Arbeitnehmer vortragen. Das hat der Kläger vorliegend nicht getan.
d) Der Senat hat im Urteil vom 22. Juli 1982 - 2 AZR 30/81 - (AP Nr. 5 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung) auch bereits entschieden, daß der Arbeitgeber nur verpflichtet ist, den Arbeitnehmer an einem anderen f r e i e n Arbeitsplatz zu beschäftigen. Daraus ergibt sich, daß eine Verpflichtung des Arbeitgebers zu einem Austausch von Arbeitnehmern oder gar einem Ringtausch nicht besteht. Eine solche Verpflichtung ist § 1 KSchG, der Konkretisierung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, nicht zu entnehmen. Eine solche Maßnahme des Arbeitgebers würde auch Rechtspositionen anderer Arbeitnehmer berühren.
Die Beklagte hat aber substantiiert vorgetragen, in den Abteilungen, in denen der Kläger seiner Auffassung nach trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung arbeiten könnte, sei kein Arbeitsplatz frei. Dem hat der Kläger nicht widersprochen. Aus diesem Grunde hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zu Recht angenommen, der Kläger könne an seinem Arbeitsplatz im Schaltanlagenbau aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung nicht mehr arbeiten, in anderen Abteilungen scheide mangels eines freien Arbeitsplatzes eine Tätigkeit aus, so daß sich die Beschäftigungsmöglichkeit auf den Schaltanlagenbau beschränke. Die dort von dem Kläger auszuübenden Tätigkeiten könne dieser aber aus krankheitsbedingten Gründen auf Dauer nicht ausführen.
e) Der Revision ist zuzugeben, daß die Entscheidungsgründe des Urteils des Landesarbeitsgerichts nicht erkennen lassen, ob bei der Entscheidung eine umfassende Interessenabwägung vorgenommen worden ist, ob also auch die neunjährige Betriebszugehörigkeit und die Angewiesenheit des Klägers auf seinen Arbeitsplatz bei der Entscheidung Berücksichtigung gefunden haben. Der Senat hat aber auch insoweit abschließend entscheiden können, daß die Kündigung auch einer umfassenden Interessenabwägung standhält. Dann, wenn ein Arbeitnehmer auf Dauer die von ihm geschuldete Arbeitsleistung nicht erbringen kann, kann die Interessenabwägung nur in extremen Ausnahmefällen (vom Arbeitgeber verschuldeter Arbeitsunfall) zur Sozialwidrigkeit der Kündigung führen. Vorliegend ergibt sich für eine solche Ausnahmesituation aber kein Anhaltspunkt.
V. Dem Landesarbeitsgericht war auch darin zu folgen, daß die Anhörung des Betriebsrats ordnungsgemäß gewesen ist.
Der Senat hat im Urteil vom 24. November 1983 (BAG 44, 249 ff.) entschieden, im Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG habe der Arbeitgeber dem Betriebsrat bei einer Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen nicht nur die bisherigen Fehlzeiten und die Art der Erkrankungen mitzuteilen, sondern auch die wirtschaftlichen Belastungen und Betriebsbeeinträchtigungen, die infolge der Fehlzeiten entstanden sind und mit denen noch gerechnet werden muß. Vorliegend handelt es sich um eine krankheitsbedingte Kündigung wegen dauernder Unmöglichkeit der geschuldeten Arbeitsleistung. Bei ihr ergibt sich aus der dauernden Unmöglichkeit, die geschuldete Leistung zu erbringen, bereits die Betriebsbeeinträchtigung, wie bereits oben eingehend dargelegt wurde. Entsprechend muß der Arbeitgeber auch keine darüber hinausgehenden Betriebsbeeinträchtigungen dem Betriebsrat mitteilen. Deshalb kommt es vorliegend auch nicht darauf an, ob es grundsätzlich ausreicht, wenn der Betriebsratsvorsitzende als Zeuge aussagt, ihm seien die Betriebsbeeinträchtigungen mitgeteilt worden, aber offenbleibt, was ihm gesagt worden ist. Aus den gleichen Gründen können die im Zusammenhang mit der Betriebsratsanhörung erhobenen formellen Rügen der Revision aus §§ 255, 139 und 286 ZPO keinen Erfolg haben, die sich alle auf die Feststellung beziehen, der Betriebsrat sei auch über die Betriebsbeeinträchtigungen, die aus der Nichtbesetzung des Arbeitsplatzes folgen, informiert worden. Ergibt sich im vorliegenden Sonderfall einer krankheitsbedingten Kündigung wegen dauernder Unmöglichkeit bereits aus der dauernden Unfähigkeit, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, die erhebliche Betriebsbeeinträchtigung und muß der Arbeitgeber aus diesem Grunde im Kündigungsschutzprozeß nichts weiteres für die Betriebsbeeinträchtigung vortragen, hat er auch seiner Mitteilungspflicht nach § 102 BetrVG genügt, wenn er den Betriebsrat über die dauernde Unmöglichkeit der Arbeitsleistung unterrichtet hat. Kommt es aber nicht darauf an, ob der Arbeitgeber dem Betriebsrat besondere Betriebsbeeinträchtigungen mitgeteilt hat, können mögliche Verfahrensverstöße bei der Feststellung, daß der Arbeitgeber die Betriebsbeeinträchtigungen mitgeteilt hat, nicht ursächlich sein für das angefochtene Urteil, weil auf diesen Verfahrensverstößen das Urteil nicht beruhen kann.
B. Die Entscheidung über die mit der Revision verfolgten Hilfsanträge war bis zur gesetzlichen Neuregelung der für Arbeiter bei der Berechnung der verlängerten Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BGB zu berücksichtigenden Betriebszugehörigkeit auszusetzen. Der am 22. Oktober 1950 geborene Kläger war seit 25. März 1974 bei der Beklagten beschäftigt. Welche Kündigungsfrist einzuhalten ist, hängt von den Fragen ab, welche Zeiten der Betriebszugehörigkeit bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer nach § 622 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BGB zu berücksichtigen und welche Kündigungsfrist zugrunde zu legen ist. Hierauf kann zur Zeit keine Antwort gegeben werden, da nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 16. November 1982 (BVerfGE 62, 256 = AP Nr. 16 zu § 622 BGB) § 622 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BGB für verfassungswidrig erklärt worden und dem Gesetzgeber zugleich ein Spielraum für die Neuregelung eingeräumt worden ist. Demgemäß hat der Senat durch Beschluß vom 28. Februar 1985 (- 2 AZR 403/83 - zur Veröffentlichung bestimmt) entschieden, daß der Teil des Rechtsstreits, der die Dauer der Kündigungsfrist betrifft, bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung des § 622 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BGB auszusetzen ist. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf diesen Beschluß Bezug genommen.
Hillebrecht Dr. Röhsler Dr. Weller
Nipperdey Brenne
Fundstellen
NZA 1987, 555-557 (T) |
RzK, III 1b 5 (ST1) |
ZIP 1987, 938 |
ZIP 1987, 938-942 (T) |