Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadenersatz - Rückstufung in der Haftpflichtversicherung
Leitsatz (redaktionell)
Benutzt ein Arbeitnehmer zur Erledigung arbeitsvertraglicher Verrichtungen seinen privaten Pkw und zahlt der Arbeitgeber ihm die nach Steuerrecht anerkannte Kilometerpauschale, so hat der Arbeitgeber für die Kosten der Rückstufung in der Haftpflichtversicherung, die durch einen bei der Arbeitsverrichtung eingetretenen Unfall verursacht worden sind, nur einzutreten, wenn dies zwischen den Arbeitsvertragsparteien vereinbart ist.
Haben die Parteien eine Kilometerpauschale vereinbart und war der Arbeitnehmer in der Auswahl seines Pkw's und der Versicherungsgesellschaft frei, so ist im Zweifel anzunehmen, daß mit Zahlung der Kilometerpauschale auch Rückstufungserhöhungen in der Haftpflichtversicherung abgegolten sind.
Normenkette
BGB §§ 611, 670, 823 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin ist beim Beklagten als Aushilfskraft mit einer monatlichen Vergütung von 450,-- DM beschäftigt. Für ihre Dienstgeschäfte benutzt sie mit Billigung des Beklagten ihren privaten Pkw. Sie trägt die notwendigen, für diesen Pkw anfallenden Kosten (Versicherung, Steuern, Treibstoff) selbst. Der Beklagte hat für das Fahrzeug eine Dienstrahmenversicherung abgeschlossen. Diese deckt etwaige Unfallschäden am Fahrzeug der Klägerin ab. Für jeden dienstlich gefahrenen Kilometer zahlt der Beklagte an die Klägerin eine Kilometerpauschale von 0,42 DM. Eine nähere Vereinbarung darüber, wie sich dieser Betrag im einzelnen zusammensetzt, haben die Parteien nicht getroffen.
Am 17. März 1990 beschädigte die Klägerin beim Zurücksetzen zum Einparken ein fremdes Fahrzeug. An diesem entstand ein Schaden in Höhe von 804,50 DM, den die Haftpflichtversicherung der Klägerin regulierte. Am Fahrzeug der Klägerin entstand kein Schaden. Die Haftpflichtversicherung der Klägerin stufte aufgrund der Schadensregulierung die Klägerin von der Schadensfreiheitsklasse 5 mit einem Beitragssatz von 60 % zurück in Klasse 3 mit einem Beitragssatz von 70 %. Nach einer Differenzberechnung der Versicherung hat die Rückstufung bis zum Jahre 2003 Mehrbeträge der Klägerin in Höhe von 798,50 DM zur Folge.
Die Klägerin begehrt vom Beklagten Ersatz des ihr entstandenen und weiter entstehenden Prämienmehraufwandes.
Sie hat vorgetragen, der Beklagte habe als Arbeitgeber das Risiko eines Unfallschadens bei einer Dienstfahrt zu tragen. Hierzu gehöre auch ein Rückstufungsschaden. Da sie den Schaden nur leicht fahrlässig verursacht habe, müsse der Beklagte den entstandenen Vermögensschaden in voller Höhe ersetzen. Durch die Zahlung der Kilometerpauschale in Höhe von 0,42 DM seien allenfalls die Benzin- und Versicherungskosten abgegolten. Das Risiko eines Unfallschadens sei damit nicht abgedeckt.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet sei,
sämtliche zukünftigen nachteiligen Folgen aus dem
Prämienmehraufwand für die Kfz-Haftpflichtversi-
cherung aus dem Schadensereignis mit dem Pkw der
Klägerin, Type Toyota Carina, Farbe braun-metal-
lic, derzeitiges amtliches Kennzeichen HS-C 430,
55 kw, vom 17. März 1990 zu ersetzen.
Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt. Der Beklagte hat geltend gemacht, der Rückstufungsschaden sei ein reiner Vermögensschaden. Dieser beruhe allenfalls mittelbar auf dem Unfall und sei nicht ersatzfähig. Im übrigen sei ein etwaiger Schaden durch die gezahlte Kilometerpauschale abgegolten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin der Klage teilweise stattgegeben.
Mit der Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das arbeitsgerichtliche Urteil zurückzuweisen. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Sie kann daher nicht mit Erfolg Feststellung begehren, der Beklagte sei verpflichtet, den in voller Höhe noch nicht bezifferbaren Rückstufungsschaden zu ersetzen.
I. Ein Sachschaden, für den der Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen nach § 670 BGB aufzukommen hat (vgl. BAGE GS 12, 15 = AP Nr. 2 zu § 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers; BAGE 31, 147 = AP Nr. 5 zu § 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers; BAGE 33, 108 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers), ist der Klägerin nicht entstanden. Der Verlust des Schadensfreiheitsrabattes in der Haftpflichtversicherung ist kein Schaden, den die Klägerin infolge eines Verlustes der in § 823 Abs. 1 BGB genannten absoluten Rechte erlitten hat. Er hat seine Ursache darin, daß die Klägerin ein fremdes Kraftfahrzeug beschädigt hat und hierfür haftpflichtig gemacht wird (BGH Urteil vom 14. Juni 1976 - III ZR 35/74 - BGHZ 66, 398).
II. Soweit die Klägerin in ihrem Vermögen dadurch geschädigt ist, daß sie über einen gewissen Zeitraum eine höhere Haftpflichtprämie zahlen muß und insoweit einen Eigenschaden erlitten hat (vgl. dazu BAGE 9, 243 = AP Nr. 19 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; BAGE 59, 203 = AP Nr. 7 zu § 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers), hat sie mit diesem Klagebegehren schon deshalb keinen Erfolg, weil dieses Risiko durch die von dem Beklagten an die Klägerin gezahlte Kilometerpauschale abgegolten ist.
1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, bei dem Prämienmehraufwand handele es sich um Aufwendungen, die auf dem Unfallereignis beruhten und daher "außergewöhnliche" Kosten im Sinne der Lohnsteuerrichtlinien darstellten. Dieser Mehraufwand sei zu unterscheiden von den der Pauschalierungsabrede zugrunde liegenden "gewöhnlichen" Kosten der Versicherung und insofern eine "außergewöhnliche" Aufwendung.
2. Dem kann nicht gefolgt werden. a)Die Parteien haben im konkreten Fall durch die Vereinbarung einer Kilometerpauschale in Höhe von 0,42 DM pro gefahrenen Kilometer pauschal die laufenden Betriebskosten des der Klägerin gehörenden Kraftwagens abgegolten. Zu diesen Kosten gehört, soweit keine besondere Abrede getroffen worden ist, neben den Betriebsmitteln auch die Räume für die Haftpflichtversicherung.
Entscheidend für diese Auslegung ist, daß der Beklagte der Klägerin weder die Art des von ihr zu benutzenden Kraftfahrzeuges vorgegeben noch Einfluß darauf genommen hat, wie die Klägerin sich im Hinblick auf die Haltung ihres Fahrzeugs zu versichern hat. Es stand der Klägerin frei, sich bei einer besonders preiswerten oder bei einer besonders teuren Versicherung zu versichern. Des weiteren hat der der Klägerin gerade zustehende Schadensfreiheitsrabatt keinen Einfluß auf die Höhe ihres Kostenersatzanspruchs. Das Kilometergeld sollte sich nicht ermäßigen, wenn der Schadensfreiheitsrabatt sich erhöht. Daraus folgt, daß auch das Kilometergeld nicht zu erhöhen war, sofern der Arbeitnehmer in der Rabattklasse zurückgestuft wird.
b) Für diese Auslegung spricht weiterhin, daß die Parteien die Möglichkeit des Unfalles mit dem bei der Arbeit eingesetzten Personenkraftwagen zwar gesehen, die Unfallfolgen, soweit es sich um Sachschäden handelt, jedoch abweichend geregelt haben. Dadurch daß der Beklagte für den Pkw der Klägerin eine Dienstrahmenversicherung abgeschlossen hatte, brauchte die Klägerin während der Dienstfahrten das Risiko eines Sachschadens nicht selbst zu tragen.
c) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts führt die Heranziehung steuerrechtlicher Bestimmungen zu keinem anderen Ergebnis. Im Ansatzpunkt zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, mit der Vereinbarung über die Zahlung der dem Steuerrecht entnommenen Kilometerpauschale hätten auch (pauschalierte) Kosten der Klägerin für die Beiträge zur gesetzlichen Haftpflichtversicherung ersetzt werden sollen. Haben die Parteien sich aber bei der Höhe der Kilometerpauschale an steuerrechtlichen Bestimmungen orientiert, so ist gerade davon auszugehen, daß der Beklagte der Klägerin die Aufwendungen für die Dienstfahrten nur insoweit erstatten wollte, als dies nach steuerrechtlichen Bestimmungen steuerfrei möglich ist. Nach § 3 Nr. 16 EStG sind steuerfrei die Vergütungen, die Arbeitnehmer außerhalb des öffentlichen Dienstes von ihrem Arbeitgeber zur Erstattung von Reisekosten erhalten. Reisekosten sind Kosten für beruflich veranlaßte Tätigkeit außerhalb der Wohnung und der regelmäßigen Arbeitsstätte, also für Dienstreisen und Dienstgänge (Schmidt/ Heinicke, EStG, 10. Aufl., § 3 Reisekostenvergütungen). Je gefahrenen Kilometer durfte der Arbeitgeber den Fahrtkostenaufwand einer Dienstreise ohne Einzelnachweis bis zu einem Pauschalbetrag in Höhe von 0,42 DM für den Kilometer ersetzen. Ersetzt der Arbeitgeber die Fahrtkosten mit höheren Beträgen als den vorstehen den Kilometersätzen, so ist der die Kilometersätze übersteigende Betrag nur steuerfrei, wenn entweder sämtliche Aufwendungen für das benutzte Fahrzeug im einzelnen nachgewiesen werden oder aber das Finanzamt einen aufgrund eines für einen bestimmten Zeitraum nachgewiesenen Aufwandes ermittelten individuellen Kilometersatz für eine Zeitlang zugelassen hat (Horowski/Altehoefer, Lohnsteuer-Recht, § 3 Nr. 16 EStG Anm. 3 a). Vorliegend haben die Parteien sich zumindest konkludent dahingehend geeinigt, daß der Klägerin die Kosten für die Benutzung des eigenen Pkw's nicht in tatsächlicher Höhe, sondern in Höhe der Kilometerpauschsätze steuerfrei ersetzt werden. Im Streitfall handelt es sich bei dem Prämienmehraufwand zwar um Aufwendungen, die mit der Dienstfahrt der Klägerin im Zusammenhang stehen. Der Beklagte hat der Klägerin die Kosten der Dienstfahrt jedoch bereits mit der Kilometerpauschale von 0,42 DM gemäß Abschnitt 38 Abs. 2 LStR 1990 steuerfrei ersetzt. Damit sind sämtliche mit dem Betrieb des Fahrzeugs verbundenen Aufwendungen abgegolten; lediglich außergewöhnliche Kosten (wie Unfallkosten) könnten neben dem Pauschbetrag berücksichtigt werden (vgl. BFH, Urteil vom 21. Juni 1991 - VI R 178/88 - BB 1991, 2137; BFH, Urteil vom 27. Juni 1991 - VI R 3/87 - BB 1991, 2137). Zu den mit dem Betrieb des Fahrzeugs verbundenen Aufwendungen gehören auch die Beiträge zur Haftpflichtversicherung. Dabei macht es keinen Unterschied, nach welchem Beitragssatz (welcher Schadensfreiheitsklasse) sich der Versicherungsbeitrag im einzelnen berechnet. Vielmehr sind Versicherungsbeiträge, gleichgültig, ob es sich um ein erstmals versichertes, ein in der höchsten Schadensfreiheitsklasse befindliches oder ein - nach privat oder beruflich veranlaßten - Unfällen zurückgestuftes Fahrzeug handelt, stets durch die Kilometerpauschale abgegolten (vgl. BFH, Urteil vom 11. Juli 1986 - VI R 39/83 - BStBl 1986, S. 866).
Dr. Ascheid Schneider Dr. Müller-Glöge
Dr. Meyer Hannig
Fundstellen
BAGE 70, 197-201 (LT1) |
BAGE, 197 |
BB 1992, 2363 |
BB 1992, 2363-2364 (LT1) |
DB 1992, 2555 (LT1) |
DStR 1993, 290 (T) |
NJW 1993, 1028 |
NJW 1993, 1028-1029 (LT1) |
EBE/BAG 1992, 182-183 (LT1) |
BetrR 1993, 22-23 (LT1) |
ARST 1993, 56-57 (LT1) |
NZA 1993, 262 |
NZA 1993, 262-263 (LT1) |
RdA 1992, 400 |
SAE 1993, 140-142 (LT1) |
ZAP, EN-Nr 1115/92 (S) |
ZTR 1993, 36 (LT1) |
AP § 611 BGB, Nr 11 |
AR-Blattei, ES 860 Nr 66 (LT1) |
Archiv PT 1993, 386-388 (ST) |
AuA 1993, 222 (LT1) |
DAR 1993, 27-28 (LT1) |
EzA § 670 BGB, Nr 23 (LT1) |
EzBAT § 8 BAT Schadenersatzpflicht des Arbeitgebers, Nr 13 (LT1) |
GdS-Zeitung 1994, Nr 10, 14 (KT) |
MDR 1993, 550-551 (LT1) |
NZV 1993, 148-149 (LT) |
VersR 1993, 374 (S) |
ZfPR 1993, 94 (L) |
ZfSch 1993, 78-79 (ST) |