Entscheidungsstichwort (Thema)
Fahrgelderstattung im Bewachungsgewerbe
Orientierungssatz
Fahrgelderstattung im Bewachungsgewerbe Nordrhein- Westfalens; Betriebsbegriff für Geltungsbereich und Fahrgelderstattung einheitlich nach dem Manteltarifvertrag für das Bewachungsgewerbe im Lande Nordrhein-Westfalen vom 12.4.1985.
Normenkette
TVG §§ 1, 5; BetrVG § 4
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 09.12.1987; Aktenzeichen 15 Sa 1542/87) |
ArbG Bocholt (Entscheidung vom 19.06.1987; Aktenzeichen 2 Ca 660/87) |
Tatbestand
Der Kläger ist seit dem 9. August 1976 als Wachmann/Diensthundeführer bei der Beklagten, einem Unternehmen des Bewachungsgewerbes mit Sitz in S, Niedersachsen, tätig. Seit Beginn des Arbeitsverhältnisses wird der in W wohnende Kläger in der Bewachung des Bundeswehrmunitionsdepots in O, Nordrhein-Westfalen, eingesetzt. Dieses Objekt wird seit Juni 1981 von der Beklagten bewacht. Das Wachpersonal besteht aus insgesamt 35 Arbeitnehmern, die in zwei Schichten zu je 24 Stunden arbeiten. In einer Schicht sind 12 Wachmänner tätig. Der Einsatz der Wachmänner wird durch einen Schichtführer gelenkt. Dieser trägt die Verantwortung für die ordnungsgemäße Bewachung des Bewachungsobjektes und die von dem Auftraggeber der Beklagten, der Bundeswehrverwaltung, geforderte Sollstärke der Wachmannschaft. Bleibt ein Wachmann seinem Dienst wegen Krankheit oder aus anderen Gründen fern, hat der Schichtführer für eine kurzfristige Ersatzgestellung zu sorgen. Die im Munitionsdepot O eingesetzte Wachmannschaft wird ausschließlich dort und nicht an anderen Objekten der Beklagten beschäftigt. Die zuständige AOK hat dem Bewachungsobjekt O eine Betriebsnummer zugeordnet. Bei dem Bewachungsobjekt ist auch ein dreiköpfiger Betriebsrat gebildet, dessen Vorsitzender der Kläger ist. Vom Sitz der Beklagten in S aus wird die Koordination und Verwaltung der Bewachungsobjekte vorgenommen. Von dort aus erfolgt auch die Leitung der Personal- und Einsatzplanung für die Bundeswehrobjekte, die Führung bzw. Kontrolle von Dienststundenlisten und sonstigen Personal- und Materialunterlagen, die Ausbildungstätigkeit, Akquisition und Betreuung des Kundenstammes. Von S aus werden auch die Mitarbeiter für die Bewachungsobjekte eingestellt.
Die Fahrten zwischen seiner Wohnung und dem Arbeitsplatz legt der Kläger, ohne daß dies auf Wunsch der Beklagten geschieht, mit seinem privaten Pkw zurück. Die Entfernung zwischen seiner Wohnung in W und dem Munitionsdepot O beträgt 21 km. Würde der Kläger für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz öffentliche Verkehrsmittel benutzen und eine Monatskarte lösen, müßte er monatlich an Kosten 116,-- DM aufwenden. Daran würde sich im konkreten Falle auch nichts ändern, wenn die Fahrtstrecke 5 km kürzer wäre.
Im schriftlichen Formulararbeitsvertrag vom 5. August 1986 haben die Parteien u. a. vereinbart, daß für das Arbeitsverhältnis "die Bestimmungen der Manteltarifverträge des Bundesverbandes Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen für das jeweilige Einsatzgebiet" Anwendung finden. Für den Bereich des Landes Nordrhein-Westfalen haben der Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen e.V. und die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr den "Manteltarifvertrag für das Bewachungsgewerbe im Lande Nordrhein-Westfalen" vom 12. April 1985, gültig mit Wirkung vom 1. Mai 1985, abgeschlossen. Dieser Tarifvertrag ist durch den Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen am 30. Oktober 1985 mit Wirkung vom 1. Mai 1985 für allgemeinverbindlich erklärt worden (Bundesanzeiger 1985, Nr. 218, S. 14052/14053).
Mit seiner am 7. April 1987 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger, nachdem er seinen Anspruch mit Schreiben vom 12. März 1987 gegenüber der Beklagten vergeblich geltend gemacht hatte, Zahlung eines tariflichen Fahrgeldes für den Zeitraum Januar bis März 1987 in Höhe von 116,-- DM pro Monat, insgesamt 348,-- DM, sowie Zinsen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, Ziff. 5.0 des MTV-Bewachungsgewerbe verpflichte die Beklagte, Mitarbeitern, die ihre Arbeitsstätte außerhalb des Betriebes des Arbeitgebers hätten, nach näherer tariflicher Maßgabe pro geleisteter Arbeitsschicht einen Fahrgeldzuschuß zu zahlen. Arbeitsstätte im Sinne der tariflichen Regelung sei der Ort, an dem der Arbeitnehmer die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen habe. Dies sei im Bewachungsgewerbe in der Regel der Betrieb eines Kunden, da dort die Dienstleistung "Bewachung" zu erbringen sei. Der tarifliche Begriff des Betriebes sei nicht identisch mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff. Vielmehr verstünden die Tarifvertragsparteien des MTV-Bewachungsgewerbe unter Betrieb den Teil eines Unternehmens, von dem aus die Abläufe sowohl in arbeitstechnischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht organisiert würden. Dies sei bei der Beklagten ihr Sitz in S. Es sei auch sinnvoll, daß die tarifliche Fahrgeldregelung an den Sitz des Arbeitgebers anknüpfe, da ein Arbeitnehmer aufgrund seiner vertraglichen Bindung zu seinem Arbeitgeber zu unterschiedlichen Bewachungsobjekten abgeordnet werden könne, so daß es ihm bei Vertragsschluß nicht möglich sei abzuschätzen, welche Fahrtkosten auf ihn zukämen, wenn er seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nachkommen wolle. Dies gelte insbesondere für die Beklagte, die in einem wohl riesig zu nennenden Bereich Bewachungsaufgaben wahrnehme. Arbeitnehmer, die beim Betriebssitz des Arbeitgebers tätig seien, hätten hingegen nicht damit zu rechnen, durch Versetzungen zusätzlich mit Fahrtkosten belastet zu sein. Entgegen der Auffassung der Beklagten stehe die Höhe des Fahrtkostenzuschusses nicht in der Dispositionsbefugnis des Arbeitgebers, sondern nach der insoweit eindeutigen tariflichen Regelung sei der jeweils günstigste Tarif eines öffentlichen Verkehrsmittels (Hin- und Rückfahrt) zu erstatten.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 348,-- DM
zu zahlen nebst 4 % Verzugszinsen aus
116,-- DM seit dem 10. Februar 1987 und aus
116,-- DM seit dem 10. März 1987 und aus 116,-- DM
seit dem 10. April 1987.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und vorgetragen, ihre jeweiligen Bewachungsobjekte und damit das Munitionsdepot O bildeten zusammen mit der Zentrale in S einen einheitlichen Betrieb. Könne aber nicht angenommen werden, daß ihre Zentrale und alle Bewachungsobjekte einen einheitlichen Betrieb bildeten, müsse das Bewachungsobjekt "Munitionsdepot O" zumindest als Nebenbetrieb angesehen werden. Die Arbeitsstätte des Klägers befände sich damit innerhalb ihres Betriebes. Zudem führe die Ansicht des Klägers, Bewachungsobjekte seien außerhalb des Betriebes gelegene Arbeitsstätten, dazu, daß die tarifliche Formulierung "außerhalb des Betriebes" völlig überflüssig sei. Denn dem Bereich des Bewachungsgewerbes sei immanent, daß die Bewachungsobjekte außerhalb der Verwaltung des jeweiligen Bewachungsunternehmens gelegen seien. Die von dem Kläger vertretene Auffassung als richtig unterstellt, würde somit bedeuten, daß nur die Mitarbeiter des Bewachungsunternehmens keinen Fahrgeldzuschuß erhalten würden, welche die Verwaltung des Bewachungsunternehmens selbst bewachen würden. Eine derartige Auslegung könne ernsthaft nicht vertreten werden.
Der Anspruch des Klägers sei auch der Höhe nach nicht begründet. Nach Ziff. 5.1 MTV-Bewachungsgewerbe diene der jeweils günstigste Tarif öffentlicher Verkehrsmittel lediglich als Berechnungsgrundlage für den Fahrgeldzuschuß. Die Höhe des Zuschusses sei somit tariflich nicht festgelegt und stehe deshalb in ihrer Dispositionsbefugnis.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision war zurückzuweisen. Zutreffend haben die Vorinstanzen die Klage abgewiesen. Dem Kläger steht der begehrte Anspruch auf Fahrgelderstattung nicht zu.
Auszugehen ist mit den Vorinstanzen von den tariflichen Bestimmungen des Manteltarifvertrages für das Bewachungsgewerbe im Lande Nordrhein-Westfalen vom 12. April 1985, gültig ab 1. Mai 1985 (MTV). Dieser Tarifvertrag ist mit Wirkung vom 1. Mai 1985 für allgemeinverbindlich erklärt worden (Bundesanzeiger Nr. 218 S. 14052). Dieser Tarifvertrag gilt nach seinem Geltungsbereich in Ziffer 1 fachlich für alle Betriebe des Bewachungs- und Sicherheitsgewerbes sowie für alle Betriebe, die Kontroll- und Ordnungsdienste betreiben, sowie persönlich für sämtliche in diesem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer.
In Ziffer 5 dieses Tarifvertrages wird zur Fahrgelderstattung bestimmt:
5.0 Die Arbeitnehmer, die ihre Arbeitsstätte außer-
halb des Betriebes des Arbeitgebers haben, erhal-
ten pro geleistete Arbeitsschicht einen Fahrgeld-
zuschuß bis zu einer Entfernung von max. 40 km
zwischen Arbeitsstätte und Wohnung. Die Kosten
der ersten 5 km im Umkreis um die Arbeitsstätte
trägt der Arbeitnehmer selbst.
5.1 Berechnungsgrundlage ist der jeweils günstigste
Tarif öffentlicher Verkehrsmittel (Hin- und Rück-
fahrt).
5.2 Sofern der Arbeitnehmer auf Wunsch des Arbeit-
gebers seinen privaten Pkw zwischen Wohnung und
Arbeitsstätte einsetzt, erhält er je Entfernungs-
kilometer (einfache Entfernung) 0,36 DM erstattet.
5.3 Sofern der Arbeitnehmer auf Wunsch des Arbeitgebers
seinen privaten Pkw zur Erledigung von Dienstfahr-
ten einsetzt, werden ihm pro gefahrenen km 0,36 DM
erstattet.
5.4 Sofern Arbeitnehmer auf Wunsch des Arbeitgebers
Mitfahrgemeinschaften bilden, werden dem Fahrer je
Mitfahrer 0,03 DM in den Fällen 5.2 und 5.3 je
Kilometer vergütet.
Mitfahrer haben keinen Fahrgelderstattungsanspruch
gem. Ziff. 5.0 des Manteltarifvertrages.
5.5 Benutzt ein Wachmann auf Wunsch des Arbeitgebers
im Dienst sein eigenes Fahrrad, so erhält er hier-
für monatlich eine Entschädigung von 12,-- DM
mindestens jedoch 0,45 DM je Arbeitsschicht.
5.6 Die Bestimmungen aus 5.0 bis 5.4 sind bei allen
Neuverträgen nach in Kraft treten dieses Mantel-
tarifvertrages zu erfüllen."
Die Voraussetzungen der Ziffer 5.6 sind dabei im vorliegenden Fall erfüllt, da nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts der zwischen der Beklagten und der Bundesrepublik Deutschland bestehende Vertrag über die Bewachung des Munitionsdepots O am 1. Januar 1987 neu abgeschlossen worden ist und damit nach Inkrafttreten des Tarifvertrages am 1. Mai 1985 wirksam wurde.
Der Kläger hat aber nur dann Anspruch auf Fahrgelderstattung, wenn er seine Arbeitsstätte außerhalb des Betriebes des Arbeitgebers hat. Diese Voraussetzungen sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts für den Kläger nicht erfüllt. Bereits das Arbeitsgericht geht davon aus, daß die Arbeitsstätte des Klägers im Munitionsdepot O innerhalb des Betriebes der Beklagten liege, da das Bewachungsobjekt mit dem Verwaltungssitz der Beklagten in S einen einheitlichen Betrieb bilde. Dazu geht es von dem allgemein anerkannten Begriff des Betriebes als organisatorischer Einheit von persönlichen, sachlichen und immateriellen Mitteln zur Erreichung eines bestimmten arbeitstechnischen Zweckes aus. Zu demselben Ergebnis kommt auch das Landesarbeitsgericht, das dazu allerdings ausführt, der allgemeine Betriebsbegriff werde durch die Vorschrift des § 4 Satz 1 BetrVG modifiziert. Danach aber handele es sich bei dem Munitionsdepot O sogar um einen selbständigen Betrieb der Beklagten.
Hiergegen erhebt der Kläger in der Revisionsinstanz zutreffend Bedenken. Die Tarifvertragsparteien haben nämlich den Begriff des Betriebes für ihren Tarifvertrag nicht näher erläutert und insbesondere nicht bestimmt, daß er etwa wie nach dem SchwbG sich nach dem betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff richte. Unter diesen Umständen kann ein spezieller Betriebsbegriff für die Auslegung des Tarifvertrages nicht herangezogen werden. Maßgeblich ist deshalb vielmehr der allgemeine Betriebsbegriff, wie er sich nach dem hier vorliegenden Tarifvertrag gemäß dessen Sinn und Zweck darstellt. Danach muß aber nach Ziffer 5 MTV davon ausgegangen werden, daß die Tarifvertragsparteien auf der einen Seite die Arbeitsstätte und auf der anderen Seite den Betrieb in dieser Vorschrift ausdrücklich erwähnen und der Betriebsbegriff auch für den Geltungsbereich des Tarifvertrages herangezogen wird.
Mangels einer eigenen besonderen Definition ist dazu zunächst der allgemeine Begriff der Arbeitsstätte nach dem Sprachgebrauch heranzuziehen (vgl. BAG Urteil vom 28. Mai 1986 - 4 AZR 458/84 - AP Nr. 12 zu § 611 BGB Musiker). Danach hat der Begriff zwei Bedeutungen: Einmal steht er als Synonym für den Begriff des Arbeitsplatzes, soweit unter diesem der Platz verstanden wird, an dem man arbeitet (vgl. das vom Landesarbeitsgericht herangezogene Senatsurteil vom 28. Mai 1982 - 4 AZR 642/79 - AP Nr. 39 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Band I, Stichwort "Arbeitsstätte"). Desweiteren hat der Begriff eine räumlich-gegenständliche Bedeutung. Danach ist Arbeitsstätte die "örtliche Einheit, in der ständig eine oder mehrere Personen beruflich tätig sind" (Brockhaus/Wahrig, aaO). In diesem Sinne definiert ihn § 2 der "Verordnung über Arbeitsstätten" vom 20. März 1975 (BGBl. I S. 729). Sinn und Zweck der tariflichen Fahrgeldregelung ist, dem Arbeitnehmer die Kosten für das Erreichen des Platzes, an dem er jeweils arbeitet, zu erstatten. Daraus folgt, daß die Tarifvertragsparteien den Begriff der "Arbeitsstätte" im Sinne von "Arbeitsplatz", also des Platzes, an dem der Arbeitnehmer arbeitet, gebrauchen. Entgegen der Revision ergibt sich dies nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Ziff. 5 MTV. In dem MTV verwenden die Tarifvertragsparteien durchweg in Ziff. 5 den Begriff "Arbeitsstätte". Der Begriff "Arbeitsplatz" kommt entgegen den Darstellungen der Revision so nicht vor. Ein synonymer Gebrauch beider Begriffe durch die Tarifvertragsparteien ist also nicht feststellbar.
Diesen Begriffsinhalt hat auch das Landesarbeitsgericht seiner Subsumtion zugrunde gelegt. Es hat weiter ausgeführt, der Kläger leiste seine Tätigkeit als Wachmann/Diensthundeführer im Munitionsdepot O. Somit habe er dort seinen Arbeitsplatz. Das stellt die Revision auch nicht in Abrede. "Arbeitsstätte" des Klägers ist somit das Munitionsdepot O.
Diese Arbeitsstätte befindet sich aber auch nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts im Betrieb der Beklagten. Den Begriff des Betriebes haben die Tarifvertragsparteien zwar ebenfalls nicht definiert. Sie verwenden ihn aber einheitlich sowohl für den Geltungsbereich als auch in den Vorschriften über die Fahrgelderstattung. Entgegen der Auffassung des Klägers kann insoweit auch kein Unterschied darin gesehen werden, daß für den Geltungsbereich auf Betriebe des Bewachungsgewerbes, in der Fahrgelderstattung aber auf den Betrieb des Arbeitgebers abgestellt wird. In beiden Fällen handelt es sich nämlich um denselben Betriebsbegriff, denn einmal muß es sich um einen Betrieb eines Arbeitgebers und zum anderen um einen Betrieb des Bewachungsgewerbes handeln. Zwar besteht keine gesetzliche Begriffsbestimmung des Betriebes. Auch wird der Begriff in den verschiedenen Rechtsdisziplinen mit unterschiedlicher Bedeutung gebraucht (Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 6. Aufl., S. 65). Gleichwohl besteht in der arbeitsrechtlichen Terminologie ein allgemeines Verständnis des Begriffs "Betrieb". Deshalb kann auch vorliegend auf den allgemeinen Auslegungsgrundsatz zurückgegriffen werden, wonach dann, wenn die Tarifvertragsparteien im Tarifvertrag einen Begriff verwenden, der in der Rechtsterminologie eine bestimmte vorgegebene Bedeutung hat, davon auszugehen ist, daß der betreffende Rechtsbegriff von ihnen in seiner allgemeinen rechtlichen Bedeutung verstanden und angewendet wird (vgl. die Urteile des Senats BAGE 42, 272, 277 = AP Nr. 61 zu § 616 BGB; BAGE 50, 147, 151 = AP Nr. 35 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie; vom 12. März 1986 - 4 AZR 547/84 - AP Nr. 3 zu § 1 TVG Tarifverträge: Seeschiffahrt; vom 1. April 1987 - 4 AZR 397/86 - AP Nr. 136 zu §§ 22, 23 BAT 1975 - auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt - und vom 20. April 1988 - 4 AZR 646/87 -, zur Veröffentlichung bestimmt).
Üblicherweise wird danach aber der Betrieb angesehen als
"eine organisatorische Einheit von Betriebsmitteln, mit
deren Hilfe der Unternehmer allein oder in Gemeinschaft
mit seinen Mitarbeitern einen bestimmten arbeitstechnischen
Zweck, der sich nicht in der Befriedigung von Eigenbedarf
erschöpft, fortgesetzt verfolgt."
(Neumann-Duesberg, Der Betrieb, in AR-Blattei (D) Betrieb I, (B) I 1; vgl. auch BAG Beschluß vom 1. Februar 1963 - 1 ABR 1/62 - AP Nr. 5 zu § 3 BetrVG; BAG Beschluß vom 24. Februar 1976 - 1 ABR 62/75 - AP Nr. 2 zu § 4 BetrVG 1972; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 15. Aufl., § 1 Rz 31; Kraft in GK-BetrVG, 4. Aufl., § 4 Rz 5; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 1 Rz 58; Schaub, aaO, S. 65; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl., Bd. I, S. 93). Nur dieser allgemeine Begriff kann hier zugrundegelegt werden, da entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts der Betriebsbegriff des MTV nicht mit dem Betriebsbegriff des BetrVG gleichgesetzt werden kann, weil eine entsprechende Vorschrift hier fehlt und auch die tariflichen Bestimmungen dazu keinen Anlaß geben.
Zu Unrecht meint die Revision, die Tarifvertragsparteien hätten ihren Regelungen nicht den allgemeinen arbeitsrechtlichen Betriebsbegriff zugrunde gelegt, sondern den Begriff eingeschränkt und unter Betrieb nur die Einrichtung verstanden, in der die wesentliche Arbeitgeberfunktion wahrgenommen werde, also die einheitliche Leitung, die die Verfolgung des arbeitstechnischen Zweckes zum Ziele habe, erfolge. Dies sei regelmäßig der Verwaltungssitz des Arbeitgebers, bei der Beklagten also deren Betriebssitz in S. Diese Einschränkung des allgemeinen Betriebsbegriffs im MTV folge aus der verwendeten Formulierung "außerhalb des Betriebes des Arbeitgebers". Dabei stützt sich die Revision zunächst auf die "Niederschrift vom 1. Dezember 1987 über die Sitzung des Schiedsgerichtes gemäß Ziffer 10.2 des MTV für das Bewachungsgewerbe im Lande Nordrhein-Westfalen (...) am 16. November 1987 (...)". Darin heißt es:
"Von allen Beteiligten wurde dann das Thema Fahrgelder-
stattung (5.0. - 5.6.) ausführlich diskutiert. Beide Ta-
rifparteien legten dann nochmals eindeutig den Willen
der Tarifparteien dar. Übereinstimmend wurde dann fest-
gestellt, daß mit dem Begriff Arbeitsstätte (5.0.) das
jeweilige Bewachungsobjekt gemeint ist. Während der Be-
griff "Betrieb" (5.0.) so aufzufassen ist, daß nicht
eine deklarierte Niederlassung im Wachobjekt oder in
der Nähe eines Wachobjektes im Sinne des Tarifvertrages
als Betrieb gilt, sondern der echte Hauptsitz, an wel-
chem auch die eigentlichen betrieblichen Geschäfte
durchgeführt werden. Am Beispiel der schon vorgenannten
Firma "W ", mit Hauptsitz in
S , wurde übereinstimmend von beiden Vertragsparteien
erklärt, daß die beschäftigten Wachleute in den Wach-
objekten, die durch das "W " im
Geltungsbereich (1) unseres Manteltarifvertrages bewacht
werden, einwandfrei Anspruch auf Fahrgelderstattung ent-
sprechend den Bestimmungen (5.0. - 5.6.) haben."
Aus dieser Sitzungsniederschrift kann der Kläger aber keine Ansprüche herleiten. Ihr kommt keine rechtserhebliche Bedeutung zu. Es handelt sich insoweit nicht um einen Tarifvertrag. Die an der Besprechung Beteiligten haben die Niederschrift nämlich nicht mit tariflichem Charakter ausgestattet. Zwar sieht Ziff. 10.2 MTV vor, daß "Streitigkeiten über die Auslegung dieses Tarifvertrages zwischen den Tarifvertragsparteien zu regeln sind". Auf welche Weise eine solche Regelung herbeizuführen ist, ist aber tariflich nicht vorgeschrieben und damit den Tarifvertragsparteien im Einzelfall überlassen. Daher können die Tarifvertragsparteien zwar zur Erledigung von Streitfällen normative Regelungen zur Ergänzung oder Erläuterung des Tarifvertrages vereinbaren, die dann auch mit unmittelbarer und zwingender Wirkung auf die tarifunterworfenen Arbeitsverhältnisse Anwendung finden (vgl. dazu BAG Urteil vom 3. Februar 1988 - 4 AZR 528/87 -, nicht veröffentlicht). Ein solcher normativer Charakter läßt sich der Niederschrift vom 1. Dezember 1987 aber nicht entnehmen. Ihr mangelt es schon an der für tarifliche Regelungen nach § 1 Abs. 2 TVG, § 126 Abs. 1 BGB notwendigen Schriftform. Die Niederschrift ist nämlich nicht von Bevollmächtigten beider Tarifvertragsparteien eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet.
Selbst wenn aber damit die Tarifvertragsparteien eine Änderung des MTV im Sinne dieser Sitzungsniederschrift gewollt hätten, könnte sie deshalb im vorliegenden Falle keine Anwendung finden, weil es dann an einer entsprechenden Allgemeinverbindlicherklärung fehlt und die Beklagte nicht Mitglied des betreffenden Arbeitgeberverbandes ist. Eine Änderung des MTV hätte nur dann gegenüber der Beklagten Bedeutung, wenn sie auch ihrerseits für allgemeinverbindlich erklärt worden wäre. Das ist nicht der Fall.
Der tarifliche Begriff des Betriebes kann aber im vorliegenden Falle nicht unterschiedlich in Ziffer 1 und Ziffer 5 ausgelegt werden. Wäre die Auslegung der Revision richtig, müßte der fachliche Geltungsbereich des MTV auf den Verwaltungssitz des jeweiligen Bewachungs- und Sicherheitsgewerbes beschränkt werden. Eine solche Beschränkung des fachlichen Geltungsbereiches des Tarifvertrages kann nicht gewollt sein und ist im Tarifvertrag auch nicht zum Ausdruck gekommen. Die Tarifvertragsparteien wollten vielmehr ersichtlich mit der Beschränkung des fachlichen Geltungsbereiches des Tarifvertrages auf Betriebe des Bewachungsgewerbes erreichen, daß nur diejenigen Betriebe erfaßt werden, die tatsächlich in Nordrhein-Westfalen angesiedelt sind. Wäre daher der Betriebsbegriff nicht auf das Munitionsdepot O zutreffend, würde der fachliche Geltungsbereich des Tarifvertrages auf den Betrieb der Beklagten, der dann nur in S läge, nicht zutreffen. Auf der anderen Seite sollte mit dieser Beschränkung auf die Betriebe jegliche bloße betriebliche Ausstrahlung nach Nordrhein-Westfalen nicht von diesem Tarifvertrag erfaßt werden. Ebenso wie Reisende, Kraftfahrer oder Monteure nur am Sitz des entsendenden Betriebes von einem betrieblichen Geltungsbereich erfaßt werden, sollten solche Bewacher, die nur von außen entsandt nach Nordrhein-Westfalen - etwa bei der Durchreise einen Transport dort bewachen -, nicht vom Geltungsbereich des Tarifvertrages erfaßt werden.
Daraus folgt aber, daß nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts das Munitionsdepot O als Teil des Betriebes des Bewachungsgewerbes der Beklagten in S anzusehen ist. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts beschäftigt die Beklagte als Wachpersonal des Munitionsdepots O 35 Arbeitnehmer. Diese werden ausschließlich dort eingesetzt. Arbeitskräfte und sächliche Mittel müssen zur Erreichung des arbeitstechnischen Zweckes einheitlich organisatorisch zusammengefaßt sein. Dazu ist ein einheitlicher Leitungsapparat erforderlich (vgl. Dietz/Richardi, aaO, § 1 Rz 71; Kraft in GK-BetrVG, aaO, § 4 Rz 13; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, § 1 Rz 39; Neumann-Duesberg, aaO, unter B II 4). Nach den tatbestandlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts arbeiten die 35 Arbeitnehmer in zwei Schichten zu 24 Stunden. In einer Schicht sind 12 Arbeitnehmer tätig. Die sich daraus ergebende Lenkung des Einsatzes der zur Verfügung stehenden Wachmänner erfolgt vor Ort durch einen Schichtführer. Dieser trägt die Verantwortung für die ordnungsgemäße Bewachung und die Einhaltung der vorgegebenen Sollstärke der Bewachungsmannschaft. Andererseits steht auch zwischen den Parteien außer Streit, daß Koordination und Verwaltung der Bewachungsobjekte am Sitz der Beklagten in S erfolgen. Dort werden die "wesentlichen" Aufgaben wie Personal- und Einsatzplanung, Führung und Kontrolle der Dienststundenlisten, Ausbildung und Akquisition und Beratung des Kundenstammes erledigt. Damit wird vor Ort in O der unmittelbare Arbeitsablauf selbständig organisiert. Das genügt, um von der Organisation her zumindest einen (unselbständigen) Betriebsteil anzunehmen.
Die so geschaffene betriebliche Organisation muß auf die Verwirklichung eines arbeitstechnischen Zweckes gerichtet sein. Arbeitstechnischer Zweck kann auch eine Dienstleistung sein (Fitting/Auffahrt/Kaiser/Heither, aaO, § 1 Rz 32). Arbeitstechnischer Zweck der Organisation O der Beklagten ist die Bewachung des Munitionsdepots O. Er besteht in der Erbringung einer Dienstleistung. Dieser arbeitstechnische Zweck muß mit einer gewissen Dauer verfolgt werden (Kraft in GK-BetrVG, aaO, § 4 Rz 18; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, § 1 Rz 43; Dietz/Richardi, aaO, § 1 Rz 69). Hierin liegt vorliegend ein entscheidendes Abgrenzungskriterium zur "Arbeitsstätte". Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts bewacht die Beklagte seit Juni 1981 das Munitionsdepot O. Am 1. Januar 1987 ist der entsprechende Vertrag neu abgeschlossen worden, so daß davon ausgegangen werden kann, daß auch in nächster Zukunft die Beklagte dieses Depot betreut. Die Bewachung des Depots ist damit auf Dauer angelegt.
Die hiergegen erhobenen Rügen des Klägers nach § 286 ZPO greifen nicht durch. Die maßgeblichen Umstände, auf die das Landesarbeitsgericht seine Auffassung stützt, werden auch vom Kläger in der Revisionsbegründungsschrift nicht bestritten. Insbesondere führt der Kläger selbst aus, daß jeweils ein Schichtführer das Direktionsrecht ausübt und für ordnungsgemäße Bewachung und die Stärke der Bewachungsmannschaft die Verantwortung trägt. Er rügt zwar, daß der Vortrag der Beklagten nicht beachtet worden sei, der einheitliche Leitungsapparat befinde sich am Sitz der Beklagten in S, das wird aber auch vom Landesarbeitsgericht so angenommen. Die Ausübung des Direktionsrechts durch die Einsatzlenkung und die Ausübung der Vorgesetztenstellung sind aber bereits wesentliche Arbeitgeberfunktionen.
Aus alledem folgt, daß das Bewachungsobjekt O der Beklagten ein Betriebsteil ihres Gesamtbetriebes ist.
Diese Regelung ist auch sinnvoll. Mit ihr wird vermieden, daß Ausstrahlungen eines außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches gelegenen Betriebes vom Tarifvertrag zeitweise erfaßt werden. Auf der anderen Seite wird damit erreicht, daß alle auf Dauer im Lande Nordrhein-Westfalen durchgeführten Bewachungen auch diesem Tarifvertrag unterfallen. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts werden wesentliche Arbeitgeberfunktionen in O durchgeführt, so daß es nicht darauf ankommt, daß ein anderer Teil dieser Funktionen in S ausgeführt wird. Nachdem auch der Kläger für O eingestellt worden ist und trotz der arbeitsvertraglichen Möglichkeit, auch anderweit eingesetzt zu werden, immer nur in O beschäftigt worden ist, konnte sich auch der Kläger von vornherein darauf einrichten, daß er auf dieser Arbeitsstätte im Betrieb der Beklagten über lange Zeit hin tätig wird. Er hätte mithin Anspruch auf Fahrgelderstattung nur dann, wenn er von dort aus - etwa zeitweilig an einen anderen Ort - zur Bewachung entsandt würde. Wie auch sonst Arbeitnehmer die Wahl ihrer Wohnung und den Weg zur Arbeitsstätte im Betrieb selbst bestimmen können und für die Wege selbst aufzukommen haben, gilt das auch im vorliegenden Falle der ständigen Beschäftigung des Klägers in O.
Haben aber damit die Vorinstanzen zutreffend die Klage nach dem tariflichen Begriff des Betriebes abgewiesen, mußte die Revision mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen werden.
Dr. Neumann Dr. Feller Dr. Freitag
Lehmann Wax
Fundstellen