BAG, Urteil vom 13.12.2023, 4 AZR 322/22
Leitsatz (amtlich)
Eine von der Arbeitgeberin aufgrund eines Höhergruppierungsantrags nach § 29b Abs. 1 TVÜ-VKA vorgenommene Zuordnung der Tätigkeit zu einem neuen Tätigkeitsmerkmal der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA kann nach den Grundsätzen zur korrigierenden Rückgruppierung berichtigt werden. Die auf einen solchen Antrag gestützte Zuordnung zu einer höheren Entgeltgruppe beruht nicht auf der Überprüfung und anschließenden Berichtigung einer nunmehr als fehlerhaft erkannten Zuordnung zu einer bestimmten Entgeltgruppe. Vielmehr handelt es sich um eine erstmalige Eingruppierungsentscheidung, auf die ohne das Hinzutreten besonderer Umstände die Grundsätze zur sog. wiederholten korrigierenden Rückgruppierung nicht angewendet werden können.
Sachverhalt
Die Klägerin ist seit dem Jahr 2016 in von der Beklagten betriebenen Kliniken der Neurologie und Akutgeriatrie als Ergotherapeutin, zunächst befristet, beschäftigt und ab dem 17.11.2017 unbefristet. Im Dezember 2017 stellte sie im Zuge der neuen Entgeltordnung TVöD/VKA einen Antrag auf Höhergruppierung von der EG 8 in die EG 9b.
Im Jahr danach nahm die Beklagte eine korrigierende Rückgruppierung in die EG 9a TVöD/VKA vor, da nach ihrer Auffassung die Voraussetzungen für die Eingruppierung in die EG 9b nicht vorlagen. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei weiterhin nach EG 9b TVöD/VKA zu vergüten; denn eine korrigierende Rückgruppierung sei der Beklagten aus Gründen des Vertrauensschutzes verwehrt.
Die Entscheidung
Während das ArbG die Feststellungsklage abwies, gab das LAG der Klage statt. Die Revision führte zur Zurückverweisung der Sache an das LAG.
Das BAG entschied, dass die von der Beklagten vorgenommene korrigierende Rückgruppierung nicht gegen Treu und Glauben gem. § 242 BGB verstoßen hatte.
Grundsätzlich kann, so das Gericht, ein Beschäftigter aufgrund der Mitteilung des Arbeitgebers über die vorgenommene Eingruppierung einen "begrenzten Vertrauensschutz” in Anspruch nehmen. Im Fall einer sog. korrigierenden Rückgruppierung obliege dem Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für die objektive Fehlerhaftigkeit der bisherigen vorgenommenen Eingruppierung, wenn sich eine Beschäftigte im Prozess auf die vom Arbeitgeber zuvor als maßgebend mitgeteilte Entgeltgruppe stützt. Die auf einen Antrag der Klägerin nach § 29b Abs. 1 TVÜ-VKA gestützte Höhergruppierung begründe hierbei kein über einen „begrenzten Vertrauensschutz" hinausgehendes gesteigertes Vertrauen; denn die von der Beklagten zu Beginn des Jahres 2018 auf einen Höhergruppierungsantrag der Klägerin nach § 29b Abs. 1 TVÜ-VKA gestützte Zuordnung zur höheren EG 9b TVöD/VKA beruhe nicht auf einer Überprüfung und anschließenden Korrektur einer nunmehr für rechtsfehlerhaft erachteten vormaligen Eingruppierung, sondern es lag eine erstmalige Eingruppierungsentscheidung nach einem neuen Tätigkeitsmerkmal der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA vor, von der kein erhöhtes Maß an Richtigkeitsgewähr ausgehe, welches einer korrigierenden Rückgruppierung nach den dargestellten Maßstäben entgegenstehe. Deshalb konnte – entgegen der Auffassung des LAG – die Klägerin nicht davon ausgehen, dass die Beklagte bereits zuvor die Zuordnung ihrer Tätigkeit zur EG 8 TVöD/VKA anhand der neuen Entgeltordnung überprüft und diese erst nach der Höhergruppierung in die EG 9b TVöD/VKA aufgrund einer erst danach als fehlerhaft erkannten Bewertung korrigieren wollte.
Da das BAG auf Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen konnte, ob die Klägerin eine Vergütung nach EG 9b TVöD/VKA beanspruchen konnte, war die Sache an das LAG zurückzuverweisen.
Anmerkung:
Zur korrigierenden Herabgruppierung s. auch BAG, Urteil v. 13.12.2017, 4 AZR 576/16; BAG, Urteil v. 27.4.2022, 4 AZR 463/21; BAG, Urteil v. 16.8.2023, 4 AZR 339/22.