LAG Niedersachsen, Urteil v. 11.4.2018, 2 Sa 1072/17
Ein Arbeitnehmer, der seinen während der Teilzeitbeschäftigung erworbenen Jahresurlaub in dem Zeitraum der Vollzeitbeschäftigung in Anspruch nimmt, steht Urlaubsentgelt auf Basis der Vollzeitbeschäftigung zu.
Sachverhalt
Der Kläger ist seit dem 1.7.2000 als Berater für akademische Berufe bei der Beklagten in B-Stadt beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit Anwendung. Die Regelungen zum Urlaub und Urlaubsentgelt in diesem Tarifvertrag entsprechen der Regelung im TVöD/TV-L.
Der Kläger war in der Zeit vom 1.2.2016 bis zum 30.6.2016 in Teilzeit mit einer Arbeitszeit von 33 Stunden pro Woche an 5 Arbeitstagen beschäftigt. Anschließend war er vom 1.7.2016 bis 31.12.2016 in Vollzeit (39 Wochenstunden) an 5 Arbeitstagen pro Woche beschäftigt. Seit dem 1.1.2017 befindet er sich wieder in Teilzeit. Im Rahmen seiner Vollzeitbeschäftigung nahm der Kläger am 5.8.2016, vom 4.10. bis zum 14.10.2016 sowie am 14., 22. und 23.12.2016 Urlaub. Das Urlaubsentgelt für diese Urlaubstage zahlte die Beklagte zunächst auf der Grundlage einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden an den Kläger aus. Aufgrund der Rechtsprechung des EuGH zur abschnittsweisen Betrachtung des Urlaubs kam die Beklagte zur Auffassung, der in Teilzeit erworbene Anteil des Urlaubsanspruchs sei auch mit dem entsprechenden Teilzeitentgelt zu vergüten, unabhängig davon, dass der Urlaubsanspruch in einem Zeitabschnitt mit Vollzeit genommen wurde. Daher zog sie in der Abrechnung für den Monat März 2017 das nach ihrer Auffassung überzahlte Urlaubsentgelt für die 12,5 Urlaubstage in Höhe von 227,49 EUR netto vom Arbeitsentgelt des Klägers für diesen Monat ab.
Die Entscheidung
Die hiergegen erhobene Klage hatte vor dem LAG Niedersachsen Erfolg.
Nach Auffassung des LAG Niedersachsen kann es offenbleiben, ob aus den Entscheidungen des EuGH zur abschnittsbezogenen Betrachtung des Urlaubsanspruchs sich eine Überzahlung im konkreten Fall ergäbe. Jedenfalls enthielten die Regelungen des BUrlG und der auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbare TV-BA für den Kläger günstigere Regelungen, die hier maßgebend seien.
Die §§ 23ff. TV-BA können nicht dahingehend europarechtskonform einschränkend ausgelegt werden, dass bei der Bemessung der Gehaltsfortzahlung während des Urlaubs nach einer Arbeitszeitänderung der kalenderjährlich bestimmte Urlaubsanspruch nach dem Zeitabschnitt fragmentiert und damit als Summe mehrerer (Teil-)Urlaubsansprüche zu berechnen sei. Eine derart einschränkende Auslegung finde weder im Wortlaut noch in der Systematik des Tarifvertrags einen Niederschlag. § 29 Abs. 1 TV-BA bestimme, dass der "Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr" 30 Arbeitstage beträgt. Tariflicher Referenzzeitraum ist damit das gesamte Kalenderjahr und nicht – wie die Berechnung pro rata temporis voraussetzt – ein Teil desselben.
Des Weiteren sei der für die Berechnung des Urlaubsentgelts maßgebliche Zeitpunkt derjenige, zu dem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Urlaub gewährt.
Anmerkung:
Das LAG hat Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung entscheidungserheblicher Rechtsfragen zugelassen. Die Revision ist beim BAG anhängig.