Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache. Elterngeldrecht. Verschiebung des Bemessungszeitraums. schwangerschaftsbedingte Erkrankung nach früherer Fehlgeburt. Kausalität zwischen Erkrankung und Einkommensausfall. Theorie der wesentlichen Bedingung. Verneinung des erkrankungsbedingten Einkommenswegfalls bei Erkrankung während der Elternzeit für ein älteres Kind. Rechtsanwendungsrüge
Orientierungssatz
1. Die Theorie der wesentlichen Bedingung gilt auch im Elterngeldrecht. Deren rechtliche Vorgaben sind im Rahmen des § 2b Abs 1 S 2 Nr 3 BEEG nicht nur auf den Kausalzusammenhang zwischen Schwangerschaft und Erkrankung anzuwenden (vgl insoweit BSG vom 16.3.2017 - B 10 EG 9/15 R = BSGE 123, 1 = SozR 4-7837 § 2b Nr 4), sondern auch auf den Kausalzusammenhang zwischen Erkrankung und Einkommensausfall, der in § 2b Abs 1 S 2 aE BEEG für die Verschiebung des Bemessungszeitraums vorausgesetzt wird.
2. Meint die Beschwerdeführerin, eine durch die Fehlgeburt ausgelöste Arbeitsunfähigkeit müsse zwingend als wesentliche Ursache für einen Einkommensverlust zu bewerten sein - selbst dann, wenn noch andere Faktoren kausal geworden sind -, geht dies im Ergebnis über die Rüge eines bloßen Rechtsanwendungsfehlers nicht hinaus.
Normenkette
SGG § 160a Abs. 2 S. 3, § 160 Abs. 2 Nr. 1; BEEG § 2b Abs. 1 S. 2 Nr. 3, S. 2 Hs. 2, § 15
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. Oktober 2020 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt in der Hauptsache höheres Elterngeld durch Verschiebung des Bemessungszeitraums wegen einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung.
Im Mai 2019 beantragte die Klägerin Elterngeld für ihren geborenen zweiten Sohn. Sie machte geltend, sie habe ursprünglich geplant, nach der Geburt ihres ersten Sohnes im Dezember 2016 und der anschließenden Elternzeit ab dem 1.5.2018 wieder zu arbeiten. Nach zwei Fehlgeburten im Dezember 2017 und Februar 2018 sei sie aber bis einschließlich 31.1.2019 arbeitsunfähig gewesen. Diese Monate der nachgewiesenen schwangerschaftsbedingten Erkrankung müssten aus dem Bemessungszeitraum ausgeklammert werden. Dieser sei entsprechend zu verschieben.
Die Beklagte legte der Elterngeldberechnung gleichwohl als Bemessungszeitraum die Zeitspanne von März 2018 bis Februar 2019 zugrunde. Die Klägerin habe zwar seit dem 30.9.2017 an einer Krankheit gelitten, die maßgeblich durch eine Schwangerschaft bedingt gewesen sei. Ihr Einkommen sei aber nicht durch diese Krankheit, sondern durch die Inanspruchnahme der Elternzeit für ihr erstes Kind weggefallen (Bescheid vom 28.5.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.9.2019).
Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat den Anspruch der Klägerin auf höheres Elterngeld durch Verschiebung des Bemessungszeitraums verneint. Nach der maßgeblichen Theorie der wesentlichen Bedingung lasse sich kein Einkommensverlust feststellen, den eine schwangerschaftsbedingte Erkrankung verursacht habe. Die Klägerin habe sich bis Dezember 2018 in Elternzeit befunden, die sie auch nicht verkürzt habe. Ihre zunächst getroffenen Vorkehrungen für eine frühere Wiederaufnahme der Beschäftigung - insbesondere die Anmeldung für einen Krippenplatz - habe sie bereits im November 2017 rückgängig gemacht. Das habe nach ihren eigenen Angaben eine Beschäftigung zum 1.5.2018 ausgeschlossen (Beschluss vom 14.10.2020).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt, mit der sie eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil die allein behauptete grundsätzliche Bedeutung nicht ordnungsgemäß dargelegt worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
1. Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist, und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 27.8.2020 - B 9 V 5/20 B - juris RdNr 6 mwN).
Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn sie höchstrichterlich weder tragend entschieden noch präjudiziert ist und die Antwort nicht von vornherein praktisch außer Zweifel steht, so gut wie unbestritten ist oder sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Um die Klärungsbedürftigkeit ordnungsgemäß darzulegen, muss sich der Beschwerdeführer daher ua mit der einschlägigen Rechtsprechung auseinandersetzen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 21.8.2017 - B 9 SB 11/17 B - juris RdNr 8 mwN).
Diese Anforderungen verfehlt die Beschwerdebegründung.
Die Klägerin hält es sinngemäß für klärungsbedürftig,
ob eine durch eine Fehlgeburt verursachte Arbeitsunfähigkeit wesentliche Ursache des Einkommensausfalls iS von § 2b Abs 1 Satz 2 Nr 3 iVm Satz 2 Halbsatz 2 BEEG ist, wenn dieser auch durch andere Gründe kausal verursacht worden sein kann.
Indes legt sie nicht substantiiert dar, warum sich diese Frage nicht bereits auf der Grundlage der Rechtsprechung des BSG, insbesondere des vom Berufungsgericht herangezogenen Senatsurteils vom 16.3.2017 (B 10 EG 9/15 R - BSGE 123, 1 - SozR 4-7837 § 2b Nr 4), beantworten lässt. Wie dieses Urteil ausführt, sind im Elterngeldrecht für die Beurteilung des Ursachenzusammenhangs allgemeine sozialrechtliche Grundsätze heranzuziehen. Als kausal und rechtserheblich werden danach nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolges bzw Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Eine Ursache, die als rechtlich allein wesentliche Ursache anzusehen ist, drängt die sonstigen Umstände in den Hintergrund; diese müssen in wertender Betrachtung als rechtlich unwesentliche Mitursachen für die Frage der Verursachung unberücksichtigt bleiben (Senatsurteil vom 16.3.2017 - B 10 EG 9/15 R - BSGE 123, 1 - SozR 4-7837 § 2b Nr 4, RdNr 22 mwN). Diese sogenannte Theorie der wesentlichen Bedingung dient dazu, den im Rechtssinne maßgeblichen Kausalzusammenhang von sonstigen Ursachen zu unterscheiden, die nach dem Normzweck der Zurechnungsnorm außer Betracht zu bleiben haben. Die vom Senat in der vorgenannten Entscheidung auf den Kausalzusammenhang zwischen Schwangerschaft und Erkrankung angewandten rechtlichen Vorgaben hat das Berufungsgericht auf denjenigen zwischen Erkrankung und Einkommensausfall übertragen, wie ihn § 2b Abs 1 Satz 2 Nr 3 iVm Satz 2 Halbsatz 2 BEEG für die Verschiebung des Bemessungszeitraums voraussetzt. Diese Übertragung zweifelt die Klägerin nicht grundsätzlich an. Angesichts dessen hätte sie aber darlegen müssen, warum sich damit nicht auch die von ihr thematisierte Auswahl der rechtlich wesentlichen unter mehreren möglichen Ursachen eines Einkommensausfalls treffen lässt. Letztlich stimmt die Klägerin dem allgemeinen rechtlichen Ansatzpunkt des Berufungsgerichts zu. Sie wendet sich aber gegen die darauf gestützte Verneinung des Kausalzusammenhangs zwischen Erkrankung und Einkommensverlust gerade in ihrem Fall. Sie meint, eine durch eine Fehlgeburt ausgelöste Arbeitsunfähigkeit müsse zwingend als wesentliche Ursache für einen Einkommensverlust zu bewerten sein, selbst dann, wenn noch andere Faktoren kausal geworden sind. Dieser Vortrag geht im Ergebnis über die Rüge eines bloßen Rechtsanwendungsfehlers nicht hinaus, der indes im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde unbeachtlich ist (vgl stRspr; zB Senatsbeschluss vom 7.6.2019 - B 10 EG 17/18 B - juris RdNr 8 mwN).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
2. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14470783 |