Verfahrensgang
SG Halle (Saale) (Entscheidung vom 28.12.2021; Aktenzeichen S 8 R 336/21) |
LSG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 18.01.2024; Aktenzeichen L 3 R 38/22) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für ein Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 18. Januar 2024 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
I
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1962 geborene Kläger beantragte im März 2019 eine Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten. Mit Bescheid vom 24.7.2020 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung sei bereits am 25.4.2007 eingetreten. Im maßgebenden Zeitraum vom 25.4.2002 bis zum 24.4.2007 seien lediglich 26 Monate anstelle der erforderlichen 36 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit sei auch nicht aufgrund eines Tatbestandes eingetreten, bei dem die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt sei. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos(Widerspruchsbescheid vom 11.8.2021) . Das SG hat die Klage abgewiesen(Gerichtsbescheid vom 28.12.2021) . Das LSG hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 18.1.2024 zurückgewiesen. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht zu. Soweit er der Auffassung sei, seit 1982 erwerbsgemindert zu sein, weil er seitdem unter einer Erkrankung des schizophrenen Formenkreises leide, stehe einer Rentengewährung die fehlende allgemeine Wartezeiterfüllung entgegen. Der Tatbestand einer vorzeitigen Wartezeiterfüllung sei ebenfalls nicht erfüllt. Die Voraussetzungen für eine vom Kläger beantragte Aussetzung des Verfahrens bis zum Abschluss des vor dem SG Halle anhängigen Verfahrens - S 8 R 346/23 - sowie eines Akteneinsichtsverfahrens vor dem AG Merseburg seien nicht gegeben.
Mit am 26.2.2024 beim BSG eingegangenen Schreiben vom 22.2.2024 hat der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG beantragt und eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse übermittelt.
II
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen. Einem Beteiligten kann für das Verfahren vor dem BSG nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Nach Prüfung des Streitstoffs anhand der beigezogenen Gerichtsakten ist auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers nicht zu erkennen, dass ein nach § 73 Abs 4 SGG zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen.
Die Revision kann nach ordnungsgemäß begründeter Beschwerde nur zugelassen werden, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat(§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) ,
- die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht(§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann(§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) .
Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG sind nicht zu erkennen. Es stellt sich keine Rechtsfrage, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer weiteren Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Durch eine umfangreiche höchstrichterliche Rechtsprechung sind die Voraussetzungen einer teilweisen bzw vollen Erwerbsminderung iS des § 43 Abs 1 Satz 1 Nr 1 iVm Satz 2 bzw Abs 2 Satz 1 Nr 1 iVm Satz 2 SGB VI geklärt(vgl zB ausführlichBSG Urteil vom 11.12.2019 - B 13 R 7/18 R - BSGE 129, 27 = SozR 4-2600 § 43 Nr 22, RdNr 14 ff mwN) . Auch ist nicht ersichtlich, dass das LSG einen abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem solchen des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat(§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ).
Schließlich ist auch kein rügefähiger Verfahrensmangel erkennbar, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könnte. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dass ein solcher entscheidungserheblicher Verfahrensmangel aufgezeigt werden und vorliegen könnte, ist nicht ersichtlich.
Das gilt zunächst, soweit der Kläger vor dem LSG beanstandet hat, das LSG hätte dieses Verfahren mit seinem weiteren Verfahren hinsichtlich der Vormerkung rentenrechtlicher Zeiten( L 3 R 40/22 , nachfolgend B 5 R 12/24 BH ) verbinden müssen. Die Entscheidung über eine Verfahrensverbindung nach § 113 Abs 1 SGG ist einer Überprüfung durch das BSG grundsätzlich entzogen (vgl§ 172 Abs 2 SGG ) . Das Unterlassen einer Verbindung begründet zudem regelmäßig keinen Verfahrensmangel, auf dem die Sachentscheidung beruhen kann(vglBSG Beschluss vom 13.1.2022 - B 9 BL 1/21 B - juris RdNr 6 ;BSG Beschluss vom 17.6.2009 - B 6 KA 36/08 B - juris RdNr 13 ) . Etwas anderes gilt allenfalls dann, wenn als Folge der unterlassenen Verbindung dem angefochtenen Urteil selbst ein Mangel anhaftet. Dies mag der Fall sein, wenn sie willkürlich nicht erfolgt, ohne sachlich vernünftigen Grund nicht beschlossen worden oder wenn ein Beteiligter hierdurch in der Wahrung seiner Rechte beeinträchtigt worden ist(vglBSG Beschluss vom 13.1.2022 - B 9 BL 1/21 B - juris RdNr 6 mwN;BVerwG Beschluss vom 31.1.2011 - 8 B 32/10 - juris RdNr 19 ; Leopold in BeckOGK, SGG, Stand 1.8.2024, § 113 RdNr 37, jeweils mwN) . Solche Mängel sind hier nicht ersichtlich.
Auch soweit das LSG den Rechtsstreit entgegen des Antrags des Klägers nicht bis zur Entscheidung des SG im Verfahren S 8 R 346/23 und bis zum Abschluss des Verfahren auf Akteneinsicht vor dem AG ausgesetzt hat, begründet dies keinen Verfahrensmangel. Es ist nicht ersichtlich, dass das grundsätzlich im Rahmen von § 114 Abs 2 Satz 1 SGG eingeräumte Ermessen auf Null reduziert und das LSG zu einer Aussetzung verpflichtet gewesen ist, weil ihm anders eine Sachentscheidung nicht möglich gewesen ist(vgl zu den VoraussetzungenBSG Beschluss vom 13.12.2022 - B 12 R 6/22 B - juris RdNr 15 ;BSG Beschluss vom 8.6.2021 - B 13 R 249/20 B - juris RdNr 6 f mwN) . Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens vor dem SG, in dem der Kläger eine Dienstbeschädigungsausgleichsrente wegen einer nach seiner Auffassung während der Offiziersausbildung in der NVA im Jahr 1982 eingetretenen Erkrankung begehrt, erfüllte er damals nicht die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente. Es ist auch nicht ersichtlich ist, welche Erkenntnisse sich aus der Akteneinsicht beim AG zu einem Betreuungsverfahren aus 2001/2002 für diesen Rechtsstreit ergeben sollten. Der Zeitraum vom 1.1.1992 bis zum 1.3.2005 ist nicht mit rentenrechtlichen Zeiten belegt. Zudem hat der Kläger vor dem SG und LSG die Weitergabe von jeglichen medizinischen Unterlagen an die Beklagte stets verweigert.
Es ist auch nicht erkennbar, dass das LSG den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör(Art 103 Abs 1 GG ,§ 62 SGG ) verletzt haben könnte. Soweit der Kläger rügt, "richterliche Erörterungen der Sach- und Rechtslagen" seien entgegen den Darstellungen im Sitzungsprotokoll nicht erfolgt, verkennt er, dass das Prozessgericht grundsätzlich nicht verpflichtet ist, die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gesichtspunkte zuvor mit den Beteiligten zu erörtern(stRspr; zBBSG Beschluss vom 13.3.2024 - B 5 R 135/23 B - RdNr 10 mwN) . Der Anspruch auf rechtliches Gehör garantiert grundsätzlich auch kein Rechtsgespräch oder einen Hinweis des Gerichts auf seine Rechtsauffassung(vglBVerfG vom 31.3.2016 - 2 BvR 1576/13 - juris RdNr 69 ;BSG Beschluss vom 13.8.2024 - B 7 AS 33/24 BH - juris RdNr 5 mwN). Im Übrigen ist bereits aufgrund der Dauer der mündlichen Verhandlung von 45 Minuten davon auszugehen, dass der Senat - wie in dem vom Kläger nicht mit einem Berichtigungsantrag angegriffenen Protokoll festgehalten - den Sach- und Streitstand mit den Beteiligten erörtert hat.
Auch soweit der Kläger anführt, er sei "in seinen Beweisführungen durch die Vorsitzende durch Wortentzug in den mündlichen Verhandlungsterminen 'abgewürgt'" worden, ist eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör und des Rechts auf ein faires Verfahren(Art 2 Abs 1 GG iVmArt 20 Abs 3 GG ) nicht festzustellen. Sie käme nur dann in Betracht, wenn dem Kläger vom LSG keine Möglichkeit gegeben worden wäre, seinen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente (auch) in der mündlichen Verhandlung geltend zu machen. Anhaltspunkte hierfür bestehen in Anbetracht der Dauer der mündlichen Verhandlung, in der neben dem Sachantrag auch die Aussetzungsanträge des Klägers zu Protokoll genommen und von diesem genehmigt wurden, nicht. Auch nach Durchsicht der Gerichtsakten wird zudem nicht deutlich, welches konkrete Vorbringen des prozesserfahrenden Klägers, das nicht bereits schriftsätzlich Gegenstand des Verfahrens geworden ist, verhindert worden sein sollte.
In Bezug auf den vom Kläger vorgebrachten Einwand, das LSG sei seinen Pflichten zur vollumfänglichen Ermittlung nicht nachgekommen und habe mithin seine Amtsermittlungspflicht gemäß § 103 SGG verletzt, ist schon nicht ersichtlich, dass er einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt hat. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Zwar sind, wenn ein Kläger in der Berufungsinstanz - wie hier - durch keinen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten vertreten war, an Form, Inhalt, Formulierung und Präzisierung eines Beweisantrags verminderte Anforderungen zu stellen. Auch ein unvertretener Beteiligter muss jedoch einen konkreten Beweisantrag sinngemäß gestellt haben, dh angeben, welche konkreten Punkte er am Ende des Verfahrens noch für aufklärungsbedürftig gehalten hat und auf welche Beweismittel das Gericht hätte zurückgreifen sollen, um diese aufzuklären(stRspr; vgl zBBSG Beschluss vom 1.8.2017 - B 13 R 214/16 B - juris RdNr 14 mwN) . Daran fehlt es hier. Dem Protokoll über die öffentliche Sitzung des LSG am 18.1.2024, in der der Kläger persönlich anwesend war, ist ein hinreichend konkreter Beweisantrag nicht zu entnehmen.
Sofern der Kläger auch die Verfahrensführung des SG rügt, ist dies nicht geeignet, eine erfolgreiche Nichtzulassungsbeschwerde zu begründen. Ein Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug(vgl zBBSG Beschluss vom 8.9.2023 - B 5 R 19/23 BH - juris RdNr 9 mwN) . Nur ausnahmsweise kann auch ein Verfahrensmangel die Zulassung rechtfertigen, wenn dieser fortwirkt und insofern ebenfalls als Mangel des LSG anzusehen ist(vgl zBBSG Beschluss vom 27.11.2023 - B 9 V 11/23 B - juris RdNr 14 ) . Anhaltspunkte dafür sind hier nicht ersichtlich. Im Übrigen bedurfte es keiner Zustimmung des Klägers zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid. Ausreichend ist allein die - hier erfolgte - Anhörung der Beteiligten vor Erlass des Gerichtsbescheids(vgl§ 105 Abs 1 Satz 2 SGG ) .
Dass der Kläger das Berufungsurteil inhaltlich für unrichtig hält, kann ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen(vgl zBBSG Beschluss vom 11.7.2024 - B 5 R 32/24 B - juris RdNr 10 ) .
Da dem Kläger mithin PKH nicht zusteht, entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH( § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm§ 121 Abs 1 ZPO ) .
Fundstellen
Dokument-Index HI16651171 |