Entscheidungsstichwort (Thema)
Künstlersozialversicherung. Künstler oder Publizist iS des KSVG. selbstständige Ausübung eines Berufs. Gesellschafter-Geschäftsführer
Orientierungssatz
1. Künstler oder Publizist iS des KSVG kann auch sein, wer künstlerische oder publizistische Aufgaben zB bei der Erstellung von Werbematerial auf Mitarbeiter überträgt, dabei aber die Gesamtverantwortung bzw "geistige Oberleitung" innehat und sich ansonsten als Inhaber einer Werbeagentur auf Leitungsaufgaben beschränkt (vgl zB BSG vom 18.9.2008 - B 3 KS 1/08 R = SozR 4-5425 § 24 Nr 8 RdNr 25).
2. Notwendige Geschäftstätigkeiten, die als Annex einer selbstständigen Ausübung eines Berufs typisch sind, wie Reisen, Organisation und Verwaltung, stehen der Wertung als künstlerische Tätigkeit nicht entgegen (vgl zB BSG vom 16.4.1998 - B 3 KR 7/97 R = BSGE 82, 107, 111 = SozR 3-5425 § 25 Nr 12).
3. Bei der Gesamtwürdigung der Tätigkeit eines Gesellschafter-Geschäftsführers stellt der Zeitaufwand für einzelne Tätigkeiten regelmäßig kein geeignetes Kriterium dar (vgl BSG vom 16.4.1998 - B 3 KR 7/97 R = aaO).
Normenkette
KSVG §§ 1-2, 25 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. Februar 2012 wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 38 387,48 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die klagende GmbH wendet sich gegen die Einbeziehung des "Geschäftsführergehalts" ihrer Mitgesellschafterin und alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführerin S. C. in die Bemessung der Künstlersozialabgabe (KSA) des Jahres 2003.
Die Klägerin verantwortete als Produzentin von Fernsehsendungen in dieser Zeit ua die Talkshow "S. C.", auf die 2003 eigener Angabe zufolge 80 - 90 % ihres Jahresumsatzes von etwa 10 Millionen Euro entfielen. Mitgesellschafter neben Frau C. (Gesellschafter-Anteil von 25 %) war mit einem Anteil von 75 % der zweite Geschäftsführer der Klägerin, der im Innenverhältnis zu Frau C. an deren Weisungen gebunden und zur Vertretung der Gesellschaft nur zusammen mit ihr berechtigt war. Anders als die beklagte Künstlersozialkasse ist die Klägerin der Auffassung, dass das "Geschäftsführergehalt" Frau C. von 892 732 Euro im Jahr 2003 nicht der KSA unterliege, weil der überwiegende Teil ihrer Arbeitszeit auf Geschäftsführung, Personalführung, Finanzwesen und Marketing entfallen sei. Dem ist das LSG wie zuvor schon das SG nicht gefolgt (Urteil vom 29.2.2012): Frau C. sei selbstständige Publizistin und nicht Arbeitnehmerin der Klägerin, die wegen der Abrede mit dem Mitgesellschafter faktisch ihr gehört habe. Ihr "Geschäftsführergehalt" sei Entgelt für publizistische Leistungen, vor allem für Moderation, redaktionelle Vorbereitung und Gewährleistung der Produktion der Sendung "S. C.". Das präge das Gesamtbild so, dass ungeachtet weiterer Elemente eine einheitliche Vergütung für publizistische Leistungen vorliege (Verweis auf BSGE 82, 107, 110 f = SozR 3-5425 § 25 Nr 12 S 63 f; BSG SozR 3-5425 § 25 Nr 13 S 71). Die Produktion der gleichnamigen Sendung sei mit großem Abstand Hauptumsatzfaktor der Klägerin gewesen und Frau C. auch nach eigener Einschätzung "Dreh- und Angelpunkt" der dafür aufgewandten redaktionellen Arbeit. Dass sie sich dabei der Mithilfe einer Redaktion bedient habe, sei ebenso unerheblich (Verweis auf BSG SozR 4-5425 § 25 Nr 1 RdNr 15) wie das Zeitverhältnis von publizistischer und administrativ-kaufmännischer Tätigkeit.
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG, die sie mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) begründet.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht in der durch die § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 S 3 SGG festgelegten Form begründet worden ist. Sie ist deshalb nach § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen.
1. Zur formgerechten Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist es erforderlich, eine konkrete Rechtsfrage zu formulieren und aufzuzeigen, warum sie in dem angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sein würde (BSG SozR 1500 § 160a Nr 54), über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung hat (vgl BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 44; BSG SozR 1500 § 160a Nr 39) und klärungsbedürftig sowie klärungsfähig ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 und 65). Klärungsbedürftigkeit ist grundsätzlich nicht mehr gegeben, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage höchstrichterlich bereits entschieden ist (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8). Um eine fortbestehende Klärungsbedürftigkeit darzutun, muss unter Auswertung der bisherigen Rechtsprechung des BSG substantiiert vorgetragen werden, dass neue, bisher noch nicht berücksichtigte Argumente bestehen oder gegen die Entscheidung des BSG von dritter Stelle, etwa im Schrifttum, in nicht unerheblichem Umfang Kritik vorgebracht worden ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 65). Klärungsbedürftigkeit ist auch dann zu verneinen, wenn sich eine Rechtsfrage unmittelbar und eindeutig anhand der gesetzlichen Vorschriften beantworten lässt. Diese Erfordernisse betreffen die gesetzliche Form iS des § 169 S 1 SGG(BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 48). Deren Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
a) Grundsätzlich klärungsbedürftig ist nach Auffassung der Klägerin zunächst, ob das Gehalt eines GmbH-Geschäftsführers, "der im Gegensatz zum Einzelkaufmann nicht persönlich zur Erbringung künstlerisch-publizistischer Leistungen verpflichtet ist, allein deshalb in die Bemessungsgrundlage gem. § 25 Abs. 1 Satz 1 KSVG einzubeziehen ist, weil er - ohne selbst überwiegend künstlerisch oder publizistisch tätig zu sein - die Weisungsbefugnis über die Angestellten der GmbH hat, die das publizistische Produkt für die GmbH herstellen." Schon die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage ist nicht hinreichend dargetan. Jedenfalls ergibt sich aus dem Vorbringen nicht, inwiefern sie in dem angestrebten Revisionsverfahren zu klären sein sollte. Die Frage beruht auf Prämissen, für die sich im Tatsächlichen kein Anhalt findet. Das LSG hat das Gehalt von Frau C. bereits nicht "allein deshalb" in die Bemessungsgrundlage nach § 25 Abs 1 S 1 Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) einbezogen, weil sie, "ohne selbst überwiegend künstlerisch oder publizistisch tätig zu sein, die Weisungsbefugnis über die Angestellten der GmbH hat, die das publizistische Produkt für die GmbH herstellen". Die Qualifizierung ihres "Geschäftsführergehalts" als Gegenleistung für publizistische Tätigkeit ist vielmehr auf eine Vielzahl von Einzelumständen gestützt, aus denen das LSG seine Gesamtüberzeugung abgeleitet hat. Vor allem aber ist es nicht davon ausgegangen, dass Frau C."anders als ein Einzelkaufmann nicht persönlich" zur Erbringung der von der Klägerin geschuldeten künstlerisch-publizistischen Leistungen verpflichtet war. Die Entscheidung ist im Gegenteil von der Überzeugung getragen, dass Frau C. über den Treuhändervertrag mit dem Mehrheitsgesellschafter faktisch Alleininhaberin der Klägerin war (Urteilsumdruck S 8) und auch mit eigenen Äußerungen die "Letztverantwortung" (Urteilsumdruck S 11) für die ihren Namen tragende Sendung beansprucht hat. Inwieweit auf der Grundlage dieser unangegriffenen und deshalb in einem angestrebten Revisionsverfahren bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen anzunehmen sein sollte, dass Frau C."nicht persönlich" Verantwortung für den künstlerisch-publizistischen Verlauf der gleichnamigen und wesentlich für den Umsatz der Klägerin maßgeblichen Sendung getragen hat und deshalb Fragen zur Abgaberelevanz von Vergütungen eines mit künstlerisch-publizistischen Leistungen gerade nicht befassten Geschäftsführers einer KSA-pflichtigen GmbH zu klären sein könnten, erschließt sich aus dem Beschwerdevorbringen nicht.
b) Nicht formgerecht begründet ist die Klärungsbedürftigkeit der Frage, "ob von einer publizistischen Prägung der Tätigkeit eines einzelvertretungsbefugten GmbH-Geschäftsführers ausgegangen werden kann und damit das Geschäftsführergehalt in die Bemessungsgrundlage der Künstlersozialabgabe gem. § 25 Abs. 1 Satz 1 KSVG einzubeziehen ist, obwohl die publizistische Tätigkeit des Geschäftsführers zeitlich nicht mehr als 25 % seiner Gesamttätigkeit für das Unternehmen gegenüber einem Zeitanteil von 75 % rein administrativ-kaufmännischer Tätigkeit für die GmbH ausmacht, ober ob eine publizistische Prägung des Gesamtbildes der Tätigkeit aufgrund der deutlich überwiegenden rein administrativ-kaufmännischen Tätigkeit nicht vielmehr ausgeschlossen ist". Es ist nicht hinreichend dargetan, dass diese Frage nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG nicht zu beantworten wäre. Die Zuordnung der Tätigkeit von Frau C. als Moderatorin der gleichnamigen Sendung zu den künstlerisch-publizistischen Berufen kann jedenfalls für sich genommen nicht ernstlich zweifelhaft sein (vgl BSGE 82, 107, 111 = SozR 3-5425 § 25 Nr 12 S 64). Zudem hat das BSG bereits mehrfach entschieden, dass Künstler oder Publizist im Sinne des KSVG auch sein kann, wer künstlerische oder publizistische Aufgaben zB bei der Erstellung von Werbematerial auf Mitarbeiter überträgt, dabei aber die Gesamtverantwortung bzw "geistige Oberleitung" innehat und sich ansonsten als Inhaber einer Werbeagentur auf Leitungsaufgaben beschränkt (BSG SozR 4-5425 § 25 Nr 1 RdNr 15 ff; BSG SozR 4-5425 § 24 Nr 8 RdNr 25). Es ist ebenfalls geklärt, dass notwendige Geschäftstätigkeiten, die als Annex einer selbstständigen Ausübung eines Berufs typisch sind, wie Reisen, Organisation und Verwaltung, der Wertung als künstlerische Tätigkeit nicht entgegenstehen (BSGE 82, 107, 111 = SozR 3-5425 § 25 Nr 12 S 64; BSG SozR 3-5425 § 25 Nr 13 S 71). Schließlich hat der Senat bereits entschieden, dass bei der Gesamtwürdigung der Tätigkeit eines Gesellschafter-Geschäftsführers der Zeitaufwand für einzelne Tätigkeiten regelmäßig kein geeignetes Kriterium darstellt (BSGE 82, 107, 112 = SozR 3-5425 § 25 Nr 12 S 65), die Würdigung der Gesamtumstände also in erster Linie den Tatsacheninstanzen vorbehalten bleibt (BSG SozR 3-5425 § 25 Nr 13 S 71). Hiermit hat sich die Klägerin nicht auseinandergesetzt; die Rechtsprechung ist in diesem Zusammenhang nicht einmal angeführt. Dass insoweit dennoch (oder wieder) Fragen von allgemeinem Interesse zu beantworten sein könnten, ist dem Vorbringen nicht zu entnehmen.
c) Entsprechendes gilt letztlich auch für die Frage, ob "bei der Beurteilung des Umsatzmomentes der Gesamtumsatz mit der Produktion einer Sendung maßgeblich sein soll oder aber nur der Anteil, der auf die tatsächliche Tätigkeit des Geschäftsführers (hier: Moderation) entfallen könnte". Dies sei grundsätzlich klärungsbedürftig, weil der Umsatz der Klägerin allenfalls zu 10 % auf das Gehalt für die Moderatorentätigkeit von Frau C. zurückzuführen sei. Unabhängig von der Richtigkeit dieser Angabe wird nicht deutlich, inwieweit davon die Klärung des Rechtsstreits abhängen und deshalb insoweit eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen sein könnte. Der Umsatz der Klägerin mit der Sendung "S. C." war für das LSG nur von Bedeutung, weil sich Frau C. nach seiner Überzeugung "maßgeblich und unentbehrlich als 'Dreh- und Angelpunkt' in die redaktionelle Arbeit" dieser Sendung eingebracht habe und ihre Tätigkeit insgesamt deshalb mangels anderer maßgeblicher Umsatzträger der Klägerin als künstlerisch-publizistische anzusehen sei (Urteilsumdruck S 10). Dass diese Wertung anders hätte ausfallen können, wenn zwischen fiktiven Umsatzanteilen für die Sendung "S. C." zu differenzieren wäre, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Im Kern konzentriert sich das Überprüfungsbegehren der Klägerin vielmehr darauf, ob das LSG die Tätigkeit von Frau C. zutreffend bewertet hat. Ihr wesentlicher Vorwurf besteht darin, das LSG habe die Bedeutung der publizistischen Verantwortung von Frau C. für die gleichnamige Sendung erheblich überschätzt. Ob das zutreffend ist, mag dahinstehen. Jedenfalls betrifft dieses Vorbringen nur eine Frage der Beweiswürdigung des LSG (§ 128 Abs 1 S 1 SGG); hierauf kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nach der ausdrücklichen Regelung in § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG indes nicht gestützt werden.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 197a SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 3 und § 47 Abs 1 und 3 GKG; maßgebend ist insoweit der auf das "Geschäftsführergehalt" von Frau C. entfallende Anteil an der KSA für 2003 (Gesamtentgelt 1 183 611 Euro, davon 892 732 Euro entfallend auf S. C., Beitragssatz von 4,3 %).
Fundstellen
Haufe-Index 13855564 |
DStR 2012, 11 |