Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Nichtzulassungsbeschwerde. Verfahrensmangel. Verwerfung der Berufung als unzulässig. Überprüfung der Vollmacht eines Rechtsanwalts von Amts wegen. ernstliche Zweifel an der Bevollmächtigung
Orientierungssatz
1. Bei einer fehlenden Rüge durch den Prozessgegner darf das Berufungsgericht den Prozessbevollmächtigten zur Vorlage einer konkret auf das Berufungsverfahren bezogenen Prozessvollmacht nur auffordern, wenn im Sinne von § 73 Abs 6 S 5 SGG von Amts wegen ernstliche Zweifel an der Bevollmächtigung bestehen (vgl nur BSG vom 20.1.2016 - B 14 AS 180/15 B = SozR 4-1500 § 73 Nr 10 RdNr 9 und B 14 AS 188/15 B = juris RdNr 9, vom 17.3.2016 - B 4 AS 684/15 B = juris RdNr 8 sowie vom 12.5.2021 - B 4 AS 76/21 B = juris RdNr 5).
2. Ernstliche Zweifel an der Bevollmächtigung bestehen, wenn in einer Gesamtwürdigung aller Umstände konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Person nicht oder nicht mehr bevollmächtigt ist. Solche Anhaltspunkte können sich zwar auch aus dem Verhalten des auftretenden Prozessbevollmächtigten in früheren Verfahren ergeben; sie verlangen gleichwohl die Berücksichtigung der Umstände im konkreten Einzelfall.
Normenkette
SGG § 160a Abs. 1 S. 1, § 160 Abs. 2 Nr. 3, § 73 Abs. 6 Sätze 1, 4-5
Verfahrensgang
SG Bremen (Gerichtsbescheid vom 16.06.2020; Aktenzeichen S 6 AS 278/17) |
LSG Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 15.07.2021; Aktenzeichen L 15 AS 163/20) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 15. Juli 2021 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I. Im Streit sind Leistungen nach dem SGB II ab Juli 2016 bis 28.2.2018.
Die 1979 geborene Klägerin ist bulgarische Staatsangehörige und lebt seit 2013 in B. Den Antrag auf Leistungen nach dem SGB II lehnte das beklagte Jobcenter mit der Begründung ab, auch wenn ein Arbeitsvertrag mit einer vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit von 14,55 h und einem Vergütungsanspruch iHv 500 Euro monatlich vorgelegt worden sei, bestünden erhebliche Zweifel an der Arbeitnehmereigenschaft. Die Tätigkeit für den Arbeitgeber sei völlig untergeordnet und unwesentlich (Bescheid vom 20.10.2016). Dagegen führte Rechtsanwalt B mit Vollmacht der Klägerin erfolglos ein Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 16.1.2017).
Am 7.2.2017 hat der auch das vorliegende Beschwerdeverfahren führende Prozessbevollmächtigte vor dem SG Klage erhoben und eine von der Klägerin unterschriebene Vollmacht vom 23.1.2017 vorgelegt; mit Schriftsatz vom 17.8.2017 hat er die Klage begründet. Auf eine Verfügung des SG vom 8.11.2017 hat er unter dem 5.12.2017 vom SG angeforderte Unterlagen vorgelegt, zB den Einkommensteuerbescheid der Klägerin für das Jahr 2014, eine Bescheinigung des Finanzamts vom 31.5.2016, gerichtet an die Klägerin, eine Meldebescheinigung zur Sozialversicherung für Arbeitnehmer, einen Arbeitsvertrag, den Versicherungsverlauf der Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung, Kontoauszüge etc. Unter dem 5.12.2017 hat der Prozessbevollmächtigte beantragt, der Klägerin PKH unter seiner Beiordnung zu gewähren. Beigefügt war die PKH-Erklärung vom 3.12.2017, von der Klägerin unterschrieben.
Mit Verfügung vom 6.9.2018 hat das SG dem Prozessbevollmächtigten aufgegeben, weitere Unterlagen (Arbeitsverträge, Mitteilung ladungsfähiger Anschriften des Arbeitgebers) vorzulegen. Dem kam er unter dem 13.5.2019 nach. Am 28.6.2019 forderte das SG weitere Unterlagen an. An die Erledigung wurde unter dem 29.10.2019 erinnert und gemäß § 106a SGG Frist zur Vorlage binnen drei Wochen gesetzt. Daraufhin hat der Prozessbevollmächtigte mitgeteilt (Schriftsatz vom 27.11.2019), die vom Gericht angeforderten Unterlagen lägen der Klägerin nicht vor; das Gericht möge sich insoweit an die Meldebehörde der Stadt B, den Arbeitgeber und die Rentenversicherung wenden. Ggf notwendige Zustimmungen würden erteilt. Ermittlungen hat das SG daraufhin nach Aktenlage nicht aufgenommen.
Unter dem 7.1.2020 hat das SG den Prozessbevollmächtigten zur Vorlage einer aktuellen Vollmacht aufgefordert, ohne dies zu begründen, und ihn mit Verfügung vom 10.2.2020 zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. Mit Gerichtsbescheid vom 16.6.2020 hat es die Klage als unzulässig abgewiesen und zur Begründung ua ausgeführt, es bestünden ernstliche Zweifel an der Bevollmächtigung. Die Vollmacht vom 23.1.2017 sei mit einer nicht leserlichen Unterschrift versehen; der Rechtsanwalt habe in zwei Fällen an die geforderte Stellungnahme erinnert werden müssen und auf die letzte Aufforderung mitgeteilt, der Klägerin lägen die geforderten Unterlagen nicht vor. Schließlich werde die Klägerin in einem am 12.6.2019 anhängig gemachten weiteren Klageverfahren von einem anderen Rechtsanwalt vertreten und habe dort zumindest in Teilen die im vorliegenden Verfahren ebenfalls angeforderten Unterlagen vorgelegt. Der hier auftretende Prozessbevollmächtigte sei gerichtsbekannt dafür, dass er in einer Vielzahl von Verfahren Klage erhoben oder fortgeführt habe, obwohl er nicht mehr bevollmächtigt gewesen sei.
Dagegen ist am 15.7.2020 Berufung eingelegt worden; das LSG hat den Prozessbevollmächtigten am 18.8.2020 aufgefordert, eine aktuelle Prozessvollmacht vorzulegen. Das Gericht habe aufgrund von Erfahrungen in anderen Verfahren Zweifel daran, dass er aktuell zur Verfahrensführung ermächtigt sei. Der Prozessbevollmächtigte übersandte daraufhin nochmals die Vollmacht vom 23.1.2017 und wandte sich in der Sache gegen die ihm gegenüber erhobenen Vorwürfe. In einer weiteren Verfügung vom 1.10.2020 hat das LSG an seinen Zweifeln festgehalten. Der Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 6.11.2020 der Auffassung des LSG angeschlossen und unter dem 14.7.2021 weitere Verfahren angeführt, die Bedenken an der ordnungsgemäßen Vertretung der Klägerin rechtfertigten. Das LSG hat die Berufung als unzulässig verworfen (Urteil vom 15.7.2021). Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde. Soweit im Klageverfahren auch ein Leistungsanspruch ihrer Tochter im Streit stand, deren Berufung vom LSG wegen der fehlenden Vollmacht des Vaters zur Führung eines gerichtlichen Verfahrens als unzulässig verworfen worden ist, ist die Klage in der Revisionsinstanz zurückgenommen worden.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist zulässig und im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung der Sache begründet (§ 160a Abs 5 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Der von der Klägerin geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) eines Verstoßes gegen § 73 Abs 6 Satz 5 SGG liegt vor.
Der Zulässigkeit der Beschwerde der Klägerin stehen die vom LSG geäußerten Zweifel an einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung des Prozessbevollmächtigten für das Berufungsverfahren nicht entgegen. Denn auch das LSG zieht nicht in Zweifel, dass die Klägerin den Rechtsanwalt mit Vollmacht vom 23.1.2017 wirksam bevollmächtigt hat, und diese ua auch das gerichtliche Verfahren in allen Instanzen sowie sämtliche Neben- und Folgeverfahren umfasst (sog Generalvollmacht; vgl dazu BSG vom 20.1.2016 - B 14 AS 180/15 B - SozR 4-1500 § 73 Nr 10 RdNr 6; BSG vom 20.1.2016 - B 14 AS 188/15 B; BSG vom 17.3.2016 - B 4 AS 684/15 B). Da von der Beantwortung der Frage, ob die Vollmacht vom 23.1.2017 als Nachweis für die Bevollmächtigung genügt, zugleich die Zulässigkeit der Beschwerde abhängt, ist bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens eine wirksame Bevollmächtigung zu unterstellen (so auch zur Frage der Wirksamkeit der Prozessvollmacht in einem Verfahren, in dem sich ein Beteiligter auf seine Prozessunfähigkeit beruft, BSG vom 28.11.2019 - B 8 SO 55/17 B - SozR 4-1500 § 71 Nr 3 RdNr 5 mwN).
Anlass dafür, diese Vollmacht ausnahmsweise nicht als beachtlich anzusehen und von dem Prozessbevollmächtigten daher zusätzlich die Vorlage einer weiteren, auf das Berufungs- oder das vorliegende Beschwerdeverfahren bezogenen Vollmacht zu verlangen, besteht nicht.
Nach § 73 Abs 6 Satz 1 SGG ist die Vollmacht schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden (§ 73 Abs 6 Satz 4 SGG). Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt (§ 73 Abs 6 Satz 5 SGG). Daraus folgt, dass bei einer fehlenden Rüge durch den Prozessgegner das Berufungsgericht den Prozessbevollmächtigten zur Vorlage einer konkret auf das Berufungsverfahren bezogenen Prozessvollmacht nur auffordern darf, wenn iS von § 73 Abs 6 Satz 5 SGG von Amts wegen ernstliche Zweifel an der Bevollmächtigung bestehen (vgl nur BSG vom 20.1.2016 - B 14 AS 180/15 B - SozR 4-1500 § 73 Nr 10 RdNr 9; BSG vom 20.1.2016 - B 14 AS 188/15 B - RdNr 9; BSG vom 17.3.2016 - B 4 AS 684/15 B - RdNr 8; BSG vom 12.5.2021 - B 4 AS 76/21 B - RdNr 5). Ob ernstliche Zweifel an der Bevollmächtigung bestehen, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls (Hauck, jurisPR-SozR 18/2008 Anm 4).
Nicht entschieden werden muss, ob und wenn ja welche Anforderungen an eine zeitlich nachfolgende "Rüge" mangelnder Vollmacht durch den Beklagten zu stellen sind (vgl dazu Arndt in Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl 2020, § 73 RdNr 61 "substantiierte Rüge"; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 13. Aufl 2020, § 73 RdNr 68 "ausdrückliche Rüge"; BSG vom 17.3.2016 - B 4 AS 684/15 B - RdNr 7 "substantiiert dargetan"). Denn das LSG hat unter dem 18.8.2020 und erneut am 1.10.2020 den auftretenden Prozessbevollmächtigten zur Vorlage einer aktuellen Vollmacht für das Berufungsverfahren unter Verweis auf bei ihm bestehende ernstliche Zweifel aufgefordert. Es hat mithin die Anforderung der Vollmacht nicht auf eine eventuelle Rüge des Beklagten gestützt. Dahinstehen kann daher auch, ob das Schreiben des Beklagten vom 6.11.2020 überhaupt eine Rüge beinhaltet oder es sich insoweit lediglich um eine Reaktion auf die zweite Anforderung des LSG vom 1.10.2020 handelt. Das weitere Schreiben des Beklagten vom 14.7.2021 ist dem Prozessbevollmächtigten schon nicht vor der Entscheidung des LSG am 15.7.2021 zugegangen. Ausweislich der Niederschrift der mündlichen Verhandlung hat das LSG es auch nicht zu deren Gegenstand gemacht. Soweit sich das LSG in seiner Entscheidung vom 15.7.2021 auch auf diese Rüge des Beklagten stützt, war diese weder Ausgangspunkt der Prüfung der Bevollmächtigung durch das Berufungsgericht, noch tragende Erwägung.
Ernstliche Zweifel an der Bevollmächtigung bestehen, wenn in einer Gesamtwürdigung aller Umstände konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Person nicht oder nicht mehr bevollmächtigt ist. Solche Anhaltspunkte können sich zwar auch aus dem Verhalten des auftretenden Prozessbevollmächtigten in früheren Verfahren ergeben; sie verlangen gleichwohl die Berücksichtigung der Umstände im konkreten Einzelfall (Hauck, jurisPR-SozR 18/2004 Anm 4; zuletzt BSG vom 12.5.2021 - B 4 AS 76/21 B - RdNr 6 mwN). Im vorliegenden Verfahren fehlt es an derartigen Anhaltspunkten.
Offenbleiben kann daher, ob beim Vorliegen ernstlicher Zweifel das Gericht im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens (so BSG vom 12.5.2021 - B 4 AS 76/21 B - unter Verweis ua auf Straßfeld in Roos/Wahrendorf/Müller, BeckOGK SGG, § 73 RdNr 136, Stand 1.1.2021) tätig wird, oder ob beim Vorliegen ernstlicher Zweifel nur das Verlangen nach einer aktuellen Vollmacht rechtsfehlerfrei sein kann, also von einer gebundenen Entscheidung auszugehen ist (so zB B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 73 RdNr 65: "soweit [das Gericht] zur Berücksichtigung des Mangels der Vollmacht von Amts wegen verpflichtet ist, muss es das tun"). Denn selbst wenn im Rahmen des § 73 Abs 6 Satz 5 SGG die revisionsrechtliche Überprüfung (nur) auf die Einhaltung der Grenzen des Ermessens durch das LSG beschränkt wäre, also darauf, ob das LSG den Rechtsbegriff der "ernstlichen Zweifel" verkannt und damit die Grenzen seines - hier unterstellten - Ermessens überschritten hat (zum vergleichbaren Prüfungsmaßstab bei der Prüfung der Sachdienlichkeit iS des § 99 Abs 1 SGGBSG vom 7.9.1999 - B 2 U 190/99 B ; zum Ermessen im Rahmen des § 153 Abs 4 SGGBSG vom 14.3.2019 - B 5 R 22/18 B - RdNr 45), läge ein solcher Fall hier vor. Denn das LSG hat den auf den konkreten Einzelfall bezogenen Prüfungsmaßstab der "ernstlichen Zweifel" vorliegend verkannt und daher zu Unrecht vom Bevollmächtigten eine aktuelle Vollmacht zur Führung des Berufungsverfahrens verlangt.
Das LSG stützt seine Zweifel an der ordnungsgemäßen Bevollmächtigung auf Erkenntnisse aus mehreren früheren Verfahren. Die dortigen Kläger hatten weder Kenntnis von den durch den auch hier betroffenen Prozessbevollmächtigten geführten Berufungsverfahren noch von weiteren, beim SG in ihrem Namen erhobenen Klagen (L 15 AS 233/19 und 234/19; L 15 AS 253/19). Ein Kläger war bereits im Zeitpunkt der Klageerhebung unbekannt verzogen (L 15 AS 322/18). Im konkreten Fall stützt das LSG seine Zweifel darauf, ein anderer Prozessbevollmächtigter habe das Widerspruchsverfahren geführt und im Juni 2019 sei die Klägerin in einem beim SG anhängig gemachten Klageverfahren durch einen anderen Rechtsanwalt vertreten worden. Diese Gesichtspunkte allein rechtfertigen die vom LSG angebrachten Zweifel an der Bevollmächtigung durch die Klägerin jedoch nicht. Es mangelt an konkreten Anhaltspunkten hierfür bezogen auf das vorliegende Berufungsverfahren.
So hat die Klägerin die Vollmacht für den Prozessbevollmächtigten zeitlich zwischen Abschluss des Widerspruchsverfahrens und vor Klageerhebung ausgestellt. Es steht einem Mandanten frei, den Prozessbevollmächtigten zu wechseln. Zumindest kann daraus nicht geschlossen werden, der andere (neue) Rechtsanwalt sei nicht bevollmächtigt worden. Auch kann aus dem Verhalten des Prozessbevollmächtigten nicht auf dessen Nichtbevollmächtigung geschlossen werden. Im Gegenteil, er hat im Klageverfahren auf Anforderung des SG mehrfach zahlreiche Unterlagen und Belege vorgelegt, die nur von der Klägerin stammen können.
Soweit das LSG weiter ausführt, dass der Prozessbevollmächtigte einen Umzug der Klägerin nicht mitgeteilt habe und daher zweifelhaft sei, ob noch Kontakt zur Klägerin bestehe, trägt auch dieser Umstand den Schluss auf ernstliche Zweifel im vorliegenden Einzelfall nicht. Aktenkundig ist als Anschrift der Klägerin bis zum Zeitpunkt der Anforderung einer Behördenauskunft nach dem Bundesmeldegesetz durch das LSG im September 2020 die Anschrift A Straße 26, auch in den aktenkundigen Bescheiden des Beklagten und weiteren Unterlagen, die zur Gerichtsakte gelangt sind. In der Meldebestätigung ist lediglich ausgeführt, die Klägerin wohne in der A Straße 30. Seit wann die Klägerin in einer anderen Wohnung in derselben Straße wohnt, ist der Bescheinigung nicht zu entnehmen. Ein Vorwurf gegenüber dem Bevollmächtigten, den Adresswechsel nicht angezeigt zu haben, kann darauf also nicht ohne weitere Nachforschungen gestützt werden.
Der Umstand, dass ein Rechtsanwalt auf eine gerichtliche Verfügung nicht sofort, sondern erst nach Erinnerung reagiert, mag zwar ggf Zweifel an seiner Arbeitsweise oder Zuverlässigkeit wecken können, hat aber keinen inhaltlichen Bezug zur Frage der wirksamen Bevollmächtigung, jedenfalls dann nicht, wenn - wie hier - die verlangten Unterlagen - verzögert - vorgelegt werden.
Den geforderten Bezug zum konkreten Verfahren kann das LSG auch nicht dadurch umgehen, dass es den tatsächlichen Verfahrensverlauf vor dem SG unberücksichtigt lässt und unmittelbar mit Einlegung der Berufung - wie hier - Zweifel an der Bevollmächtigung (nur) für das Berufungsverfahren unter Bezug auf Verhaltensweisen des Prozessbevollmächtigten in anderen Verfahren mitteilt. Dies gilt umso mehr, als das LSG selbst in seiner Entscheidung Bedenken äußert, ob das SG die Klage zurecht als unzulässig abgewiesen hat. Diese punktuelle Betrachtung lässt die gebotene Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls außer Betracht.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten.
Fundstellen
NJW 2022, 1640 |
info-also 2022, 187 |