Verfahrensgang
SG Koblenz (Entscheidung vom 12.10.2018; Aktenzeichen S 10 VG 36/17) |
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 16.10.2019; Aktenzeichen L 4 VG 25/18) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. Oktober 2019 Prozesskostenhilfe zu gewähren und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
I
Der Kläger begehrt in der Hauptsache die Beiordnung eines besonderen Vertreters zur Wahrnehmung seiner Interessen im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens vor dem Beklagten und während des Gerichtsverfahrens.
Seinen im Jahr 2007 beim Beklagten erfolglos gestellten Antrag auf Beschädigtenversorgung begründete der Kläger mit der Behauptung, er sei Opfer einer fahrlässigen Körperverletzung durch "psychiatrische Verhetzung und üble Nachrede" der Ärzte anlässlich einer gerichtlich angeordneten Begutachtung geworden (Bescheid vom 18.6.2007; Widerspruchsbescheid vom 21.9.2007).
Ein erster Überprüfungsantrag blieb mangels Nachweis einer Gewalttat iS des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) nach einem Vergleich vor dem LSG vom 20.4.2011 (L 4 VG 11/10) ebenfalls ohne Erfolg (Bescheide vom 20.3.2008 und 23.8.2011; Widerspruchsbescheid vom 5.4.2017).
Im April und Mai 2017 bat der Kläger "neue Argumente und Rechtshinweise" nachholen zu dürfen unter Bestellung eines besonderen Vertreters, weil seine "Handlungsfähigkeit" nicht erwiesen sei. Dieses Begehren legte der Beklagte als erneuten Überprüfungsantrag aus und lehnte diesen ab (Bescheid vom 29.5.2017; Widerspruchsbescheid vom 23.3.2018). Das LSG hat ua ausgeführt, die Frage der Prozessfähigkeit des Klägers und die Bestellung eines besonderen Vertreters könne dahinstehen, weil dessen Rechtsschutzbegehren offensichtlich haltlos sei und der zugrundeliegende Antrag auf Versorgung nach dem OEG iVm dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) bereits mehrfach Gegenstand ablehnender, bestandskräftiger Bescheide gewesen sei. Insbesondere die isolierte Beanstandung des Verwaltungsverfahrens ohne gerichtliche Überprüfung der Entscheidung in der Sache sei schon mangels Rechtsschutzinteresse unzulässig. Selbst ohne diese Beschränkung habe das Begehren auch in der Sache keinen Erfolg, da die Bescheide des Beklagten aus den Gründen des Urteils des SG vom 12.10.2018 offensichtlich nicht zu beanstanden seien (Urteil vom 16.10.2019).
Für die Einlegung einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat der Kläger Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt. Das LSG hätte zunächst seine Prozessfähigkeit prüfen müssen. Die Sache sei dort sowieso nur als Beschwerde gegen die Nichtanregung eines besonderen Vertreters erhoben worden.
II
1. Der PKH-Antrag des Klägers ist unbegründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO). An der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt es hier. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, die von dem Kläger angestrebte Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen.
Hinreichende Erfolgsaussicht hätte die Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn einer der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe mit Erfolg geltend gemacht werden könnte. Die Revision darf danach zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Nach Durchsicht der Akten fehlen - auch unter Würdigung des Vorbringens des Klägers - Anhaltspunkte dafür, dass er einen der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe darlegen könnte. Die Sache bietet keine Hinweise für eine über den Einzelfall des Klägers hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Insbesondere hat die Rechtsprechung des BSG bereits geklärt, unter welchen engen Voraussetzungen ärztliche Maßnahmen ganz ausnahmsweise einen Angriff iS von § 1 OEG darstellen können (vgl Senatsurteil vom 29.4.2010 - B 9 VG 1/09 R - BSGE 106, 91 = SozR 4-3800 § 1 Nr 17, RdNr 39 ff). Auch ist nicht ersichtlich, dass das LSG entscheidungstragend von der Rechtsprechung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abgewichen sein könnte. Vielmehr bezieht sich das LSG in seiner Entscheidung vom 16.10.2019 ausdrücklich auf Rechtsprechung des BSG und stellt keinen abweichenden Rechtssatz auf.
Schließlich fehlt auch ein ausreichender Anhalt dafür, dass ein Prozessbevollmächtigter einen die Revisionszulassung rechtfertigenden Verfahrensfehler des LSG bezeichnen könnte. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Einen bis zuletzt aufrecht erhaltenen, hinreichend konkreten Beweisantrag hat der Kläger nicht bezeichnet. Ein solcher Antrag ergibt sich auch weder aus dem angefochtenen Urteil noch aus der Berufungsakte.
Der Kläger macht im Kern entsprechend seinen vor dem LSG in der mündlichen Verhandlung gestellten Anträgen die fehlende Bestellung eines geeigneten Vertreters während des Verwaltungsverfahrens nach § 15 SGB X sowie eines besonderen Vertreters während des Gerichtsverfahrens nach § 72 Abs 1 SGG geltend. Verfahrensverstöße im Verwaltungsverfahren sind aber bereits nach der ausdrücklichen gesetzlichen Vorgabe in § 160 Abs 2 Nr 3 SGG keine zur Revisionszulassung führenden Verfahrensfehler der angefochtenen Entscheidung des LSG. Hinsichtlich § 72 Abs 1 SGG beruft sich der Kläger gemäß § 202 Satz 1 iVm § 547 Nr 4 ZPO auf einen absoluten Revisionsgrund wegen mangelnder ordnungsgemäßer Vertretung (vgl zB Senatsbeschluss vom 30.9.2009 - B 9 SB 10/09 B - juris RdNr 11; BSG Beschluss vom 3.7.2003 - B 7 AL 216/02 B - BSGE 91, 146 = SozR 4-1500 § 72 Nr 1, RdNr 20).
Gemäß § 72 Abs 1 SGG muss der Vorsitzende des jeweiligen Spruchkörpers während des Klageverfahrens für einen nicht prozessfähigen Beteiligten ohne gesetzlichen Vertreter bis zum Eintritt eines Vormunds, Betreuers oder Pflegers für das Verfahren einen besonderen Vertreter bestellen, dem alle Rechte, außer dem Empfang von Zahlungen, zustehen. Ausnahmsweise kann von der Bestellung eines besonderen Vertreters in diesem Sinne abgesehen werden, wenn das Rechtsmittel unter Anlegung eines strengen Maßstabs "offensichtlich haltlos" ist, was insbesondere bei absurden Klagebegehren ohne jeden Rückhalt im Gesetz oder bei offensichtlich unschlüssigem Vorbringen anzunehmen ist, etwa wenn kein konkreter Streitgegenstand erkennbar ist, der Kläger nur allgemeine Ausführungen ohne irgendeinen Bezug zum materiellen Recht macht oder wenn sein Vorbringen bereits mehrmals Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen war (vgl BSG Beschluss vom 25.9.2014 - B 8 SO 50/14 B - juris RdNr 9 mwN). Hiervon ausgehend hat das LSG in nicht zu beanstandender Weise ein berechtigtes Interesse des Klägers ausschließlich an einer isolierten Überprüfung des Verwaltungsverfahrens, nicht aber an dessen abschließender gerichtlicher Überprüfung der Entscheidung, und an weiteren Feststellungen isolierter Prüfelemente (zu Ausnahmen vgl BSG Urteil vom 16.12.2014 - B 9 V 1/13 R - BSGE 118, 63 = SozR 4-3800 § 1 Nr 21, RdNr 12 ff), verneint. Abgesehen davon bestehen mangels erkennbarer Hinweise für einen tätlichen Angriff keine Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit der wiederholt überprüften Bescheide.
Das weitere Begehren des Klägers, einen besonderen Vertreter zu bestellen, damit dieser das Bestehen "anderer Ansprüche" wie zB der Eingliederungshilfe verfolgen kann, lässt auch im Falle einer zulässigen Klageänderung in der Berufung (§ 153 Abs 1, § 99 SGG) keinen konkreten Streitgegenstand erkennen. Wie das LSG zu Recht ausführt, ist ein in der Sache offensichtlich haltloses Begehren insbesondere zu bejahen, wenn von vornherein völlig ausgeschlossen ist, dass zumindest nach Hinweisen des Vorsitzenden (§ 106 SGG) unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes ein besonderer Vertreter oder ein von diesem bestellter Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, im wohlverstandenen Interesse des Klägers sachdienliche Klageanträge mit hinreichendem Bezug zum materiellen Recht zu formulieren, um die Durchsetzung eines ihm zustehenden Anspruchs oder die Abwehr einer Rechtsverletzung zu ermöglichen (vgl BSG Beschluss vom 25.9.2014 - B 8 SO 50/14 B - juris RdNr 10; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 72 RdNr 2c). Dass ein besonderer Vertreter vorliegend entsprechende Anträge hätte stellen können, ist nicht ersichtlich.
2. Da dem Kläger keine PKH zusteht, kann er auch nicht die Beiordnung eines Rechtsanwalts beanspruchen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
Fundstellen
Dokument-Index HI13890784 |