Verfahrensgang
SG Hamburg (Entscheidung vom 11.04.2019; Aktenzeichen S 48 KR 221/16 ZVW) |
LSG Hamburg (Urteil vom 10.07.2019; Aktenzeichen L 1 KR 67/19 NZB) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für die Verfahren vor dem Bundessozialgericht Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 11. April 2019 wird als unzulässig verworfen.
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landessozialgerichts Hamburg vom 10. Juli 2019 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte Kläger, dem diese eine Versorgung mit Zahnersatz zum doppelten Festzuschuss bewilligt hatte (7.10.2010), ist mit seinem Begehren, ihm die Kosten für eine selbstbeschaffte Laborleistung zu erstatten (zwei Camlog Kugelaufbau-Sets zur Verankerung einer Vollprothese im zahnlosen Kiefer; Rechnung vom 15.3.2011, D.; 267,65 Euro), bei der Beklagten erfolglos geblieben (Bescheid vom 22.3.2011). Das SG hat seine dagegen erhobene Klage (25.3.2011 - S 48 KR 309/11), die nur diese Kosten umfasst hat, abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 24.7.2012). Die Klage sei unzulässig. Das Klagebegehren sei bereits Gegenstand rechtskräftig entschiedener Verfahren gewesen. Im Übrigen fehle es am Vorverfahren. Das LSG hat die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen und den Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) abgelehnt (Beschluss vom 29.4.2013 - L 1 KR 77/12 NZB). Der Kläger ist mit seinem Begehren auf Erstattung der 267,65 Euro auch bei dem beigeladenen Jobcenter Hamburg erfolglos geblieben (Bescheid vom 30.3.2011, Widerspruchsbescheid vom 29.4.2011). Der Kläger hat gegen die Beklagte erneut und gegen das Jobcenter Hamburg (als damalige Beklagte zu 2.) gemeinsam Klage erhoben und zur Niederschrift des Urkundsbeamten beantragt, "den Bescheid vom 30.03.11 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.04.11 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Laborkosten für eine zahnärztliche Behandlung und die Fahrtkosten zu übernehmen" (23.5.2011 - S 48 KR 552/11). Die 48. Kammer des SG hat mit Eingangsverfügung für die Klage gegen den Beklagten zu 2. eine eigene Verfahrensakte für eine andere Kammer anlegen lassen. Das SG hat die Klage unter Zugrundelegung des vorgenannten Klageantrags abgewiesen. Die Klage gegen die Beklagte zu 1. sei mangels eines Vorverfahrens unzulässig. Die Klage gegen den Beklagten zu 2. sei unbegründet (Gerichtsbescheid vom 9.1.2014; im Rubrum nur die Beklagte zu 1. aufgeführt; Zustellung des Gerichtsbescheids nur an die Beklagte zu 1.). Hiergegen hat der Kläger gemäß der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung Berufung eingelegt und im Hinblick auf den Termin zur mündlichen Verhandlung die Aufhebung des Termins und die Abgabe des Verfahrens an das SG beantragt. Das LSG hat über die Berufung gegen die Beklagte zu 1. entschieden und diese aus den Gründen des Gerichtsbescheids zurückgewiesen (LSG Urteil vom 20.8.2014 - L 1 KR 4/14). Das BSG hat unter Gewährung von Wiedereinsetzung auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers das Urteil des LSG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG wegen des absoluten Revisionsgrundes der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts (§ 547 Nr 1 ZPO iVm § 202 Satz 1 SGG) und der dadurch bedingten Verletzung des Anspruchs des Klägers auf den gesetzlichen Richter (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) an das SG zurückverwiesen. Denn der Kläger hatte statthaft und rechtzeitig mündliche Verhandlung beim SG beantragt (§ 105 Abs 2 Satz 3 SGG). Zu einer dem Verfahren Fortgang gebenden prozessualen Handlung ist das LSG nicht befugt gewesen (BSG Beschluss vom 17.11.2015 - B 1 KR 130/14 B). Das SG hat unter Fortführung des Verfahrens (S 48 KR 221/16 ZVW) das Jobcenter Hamburg beigeladen und die Klage abgewiesen und erstmals im Verfahren darauf verwiesen, dass die Rechtskraft des denselben Streitgegenstand betreffenden Gerichtsbescheids vom 24.7.2012 (S 48 KR 309/11) einer Sachentscheidung im Verhältnis zur Beklagten entgegenstehe. Im Verhältnis zur Beigeladenen liege ein rechtskräftiger Gerichtsbescheid vom 18.12.2013 (S 35 AS 1785/11) vor (Urteil vom 11.4.2019). Das LSG hat die Bewilligung von PKH abgelehnt und die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen. Insbesondere sei ein Verfahrensmangel weder vorgetragen noch aus den Akten ersichtlich (LSG Beschlüsse vom 10.7.2019).
Der Kläger hat mit am 11.6.2019 beim BSG eingegangenem Schreiben vom 7.6.2019 sinngemäß Beschwerde gegen das SG-Urteil vom 11.4.2019 eingelegt. Mit weiterem Schreiben vom 1.8.2019, eingegangen am 5.8.2019, hat er auch Beschwerde gegen den die Nichtzulassungsbeschwerde zurückweisenden LSG-Beschluss vom 10.7.2019 eingelegt und unter Einreichung einer Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (5.7.2019) einen Antrag auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts gestellt.
II
Der Antrag auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts für die Durchführung die Beschwerdeverfahrens ist abzulehnen, die Beschwerden des Klägers sind als unzulässig zu verwerfen.
1. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 114 und 121 ZPO kann einem Beteiligten für ein Beschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Hieran fehlt es.
a) Die von dem Kläger selbst eingelegte sinngemäße Beschwerde gegen das SG-Urteil hat voraussichtlich keinen Erfolg, weil sie nicht statthaft und daher als unzulässig zu verwerfen ist. Das Erstattungsbegehren des Klägers übersteigt nicht die Wertgrenze von 750 Euro für die Zulässigkeit der Berufung (vgl § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG) und ist auch nicht auf wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr gerichtet (vgl § 144 Abs 1 Satz 2 SGG). Gegen das Urteil des SG findet daher allein die Nichtzulassungsbeschwerde an das LSG statt (§ 145 SGG), nachdem das SG weder die Berufung (§ 144 Abs 1 Satz 1 SGG) noch die Sprungrevision zugelassen hat (§ 161 Abs 1 Satz 1 SGG). Über die vom Kläger ebenfalls eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat das LSG mittlerweile entschieden (dazu b).
b) Auch die vom Kläger eingelegte Beschwerde gegen den LSG-Beschluss hat ungeachtet weiterer erst durch das Urteil des SG vom 11.4.2019 dem erkennenden Senat zur Kenntnis gelangter Verfahrensverstöße voraussichtlich keinen Erfolg.
Das SG hat in seinem Urteil vom 11.4.2019 nicht beachtet, dass der von ihm angeführte Gerichtsbescheid vom 24.7.2012 (S 48 KR 309/11) bereits nicht die Fahrkosten erfasste. Zudem hat dieser Gerichtsbescheid keine Sachentscheidung getroffen, sondern ohne Angabe von Aktenzeichen und Entscheidungsdaten darauf verwiesen, das Klagebegehren sei bereits Gegenstand rechtskräftig entschiedener Verfahren gewesen, die Klage sei daher unzulässig. Solche rechtskräftigen Entscheidungen sind angesichts des Ablaufs des Verfahrens ausgeschlossen (Rechnung des D. über 267,65 Euro vom 15.3.2011; Bescheid der Beklagten vom 22.3.2011; Klageerhebung am 25.3.2011 - S 48 KR 309/11). Das SG hat dort zudem selbst auf das noch nicht durchgeführte Vorverfahren hingewiesen, gleichwohl aber nicht den Rechtsstreit entsprechend § 114 SGG zur Nachholung des Widerspruchsverfahrens ausgesetzt (zur Pflicht des Gerichts den Rechtsstreit auszusetzen vgl nur BSG Beschluss vom 1.7.2014 - B 1 KR 99/13 B - juris RdNr 12 mwN, stRspr; Hauck in Zeihe/Hauck, SGG, Stand März 2019, § 114 Anm 17a Doppelbuchst dd). Ob der Bescheid vom 22.3.2011 mittlerweile bestandskräftig oder aufgrund anderer Verfahrenshandlungen des Klägers weiterhin Gegenstand eines - faktisch nicht betriebenen - Widerspruchsverfahrens ist, vermag der Senat nach den ihm vorliegenden Akten nicht abschließend zu beurteilen. Selbst wenn das SG nicht nur über die Fahrkosten, sondern auch über die Laborkosten in der Sache hätte entscheiden müssen (vgl auch BSG Beschluss vom 17.11.2015 - B 1 KR 130/14 B - juris RdNr 19), begründet dies für die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des LSG vom 10.7.2019, mit dem das LSG dessen Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung zurückgewiesen hat, keine Erfolgsaussicht. Unerheblich ist insoweit, ob das LSG dem Kläger PKH zu Unrecht versagt, ihm damit die Möglichkeit der sachkundigen Rüge der aufgezeigten (möglichen) Verfahrensfehler verwehrt und deshalb die Beschwerde zurückgewiesen hat. Denn die Beschwerde eines Klägers gegen einen ablehnenden Beschluss des LSG nach § 145 Abs 4 SGG ist nicht statthaft und daher als unzulässig zu verwerfen. Gemäß § 177 SGG können Entscheidungen des LSG - von hier nicht einschlägigen Ausnahmen nach § 160a Abs 1 SGG, § 17a Abs 4 Satz 4 GVG und § 202 Satz 3 SGG iVm § 74 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen abgesehen - nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden. Zudem bestimmt § 145 Abs 4 Satz 4 SGG ausdrücklich: Mit der Ablehnung der Beschwerde wird das Urteil rechtskräftig.
2. Die Beschwerden sind aus den zu 1. genannten Gründen unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13597961 |