Verfahrensgang

LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 14.02.2022; Aktenzeichen L 16 R 543/21)

SG Berlin (Entscheidung vom 27.08.2021; Aktenzeichen S 19 R 13/21)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Kläger begehrt die Vormerkung des Zeitraums vom 1.2.2012 bis zum 31.1.2017 in seinem Versicherungsverlauf als Anrechnungszeit. In diesem Zeitraum übte er eine wissenschaftliche Tätigkeit zur Vorbereitung auf eine Leitungsposition aus, für die er von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ein sog Heisenberg-Stipendium in Höhe von monatlich 4450 Euro (zuzüglich eines Sachkostenzuschusses von 103 Euro) erhielt. Hierfür wurde weder ein Arbeitsverhältnis begründet noch wurden Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet. Der beklagte Rentenversicherungsträger lehnte die Feststellung des genannten Zeitraums als Anrechnungszeit oder Beitragszeit ab (Bescheid vom 16.1.2020; Widerspruchsbescheid vom 7.12.2020). Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid vom 27.8.2021; Urteil des LSG vom 14.2.2022). Das LSG hat ua ausgeführt, der Umstand, dass der streitbefangene Zeitraum unter keinem Gesichtspunkt zugunsten des Klägers als rentenrechtliche Zeit vorgemerkt werden könne, verletze nicht den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Ohne abschließend darüber zu befinden, ob und unter welchen Voraussetzungen die mit einem Heisenberg-Stipendium finanzierte Forschungstätigkeit nach beamtenrechtlichen Vorschriften als ruhegehaltsfähig anzuerkennen sei, unterschieden sich die Altersversorgungssysteme der Beamtenversorgung und der gesetzlichen Rentenversicherung in vielfältiger Weise. Ein Gleichheitsverstoß sei damit nicht verbunden.

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat der Kläger beim BSG Beschwerde eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Revisionszulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) ist nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG erforderlichen Weise dargelegt. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

Eine Rechtssache hat nur dann iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage zu revisiblem Recht (§ 162 SGG) aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung dieses Revisionszulassungsgrundes (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG) muss der Beschwerdeführer daher eine Rechtsfrage benennen und zudem deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4 mwN; s auch Fichte in Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl 2020, § 160a RdNr 32 ff; Meßling in Krasney/Udsching/Groth/Meßling, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 8. Aufl 2022, Kap IX RdNr 283 ff). Daran fehlt es hier.

Der Kläger hält folgende Frage für grundsätzlich bedeutsam:

"Führt die Möglichkeit des einseitigen Anspruchs eines Beamten auf die jederzeit durchsetzbare und bedingungslose eigene Entlassung aus dem Beamtenverhältnis gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 4 Beamtenstatusgesetz und seine daraus resultierende Nachversicherung von zuerkannten Vordienstzeiten bei der Deutschen Rentenversicherung zum Beispiel unter anderem auch für Zeiten des Bezuges von Stipendien für Forschungstätigkeiten zu einer Ungleichbehandlung gegenüber Versicherungsnehmern außerhalb des Beamtenverhältnisses, welchen die selbigen Zeiten als Anerkennung von Anrechnungszeiten oder Beitragszeiten durch die Deutsche Rentenversicherung verwehrt wird?"

Damit will er einen Hinweis in der Entscheidung des LSG auf die Dienst- und Treuepflicht der Beamten als rechtfertigenden Grund für eine unterschiedliche Behandlung in Frage stellen und letztlich eine Verletzung von Art 3 Abs 1 GG rügen, weil er - im Gegensatz zu verbeamteten Hochschulkollegen - die Zeit des Heisenberg-Stipendiums nicht als rentenrechtliche Zeit anerkannt erhalte. Leitet eine Beschwerde eine grundsätzliche Bedeutung aus einer Verletzung von Normen des GG ab, muss sie unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu den (konkret) gerügten Verfassungsnormen bzw -prinzipien in substanzieller Argumentation darstellen, welche gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (stRspr; zB BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 14; aus jüngerer Zeit zB BSG Beschluss vom 11.2.2020 - B 10 EG 14/19 B - juris RdNr 11 mwN).

Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des Klägers nicht gerecht. Er unterlässt es bereits, die einfachrechtliche Rechtslage hinsichtlich der von ihm gebildeten Vergleichsgruppen nachvollziehbar so darzustellen, dass ersichtlich wird, welche gesetzlichen Regelungen welche unterschiedlichen Auswirkungen auf die Alterssicherung dieser Gruppen haben. Dass die Zeiten des Bezugs eines Heisenberg-Stipendiums nach beamtenrechtlichen Vorschriften als ruhegehaltsfähige Vordienstzeiten anerkannt würden, behauptet er lediglich pauschal (zu der unter bestimmten Voraussetzungen vom Dienstherrn nach § 67 Abs 2 Satz 3 Halbsatz 2 BeamtVG insoweit zu treffenden Ermessensentscheidung vgl VG Berlin Urteil vom 22.11.2005 - 28 A 149.01 - juris RdNr 17 ff, 20 f). Ebenso pauschal und ohne Reflexion der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften ist seine Behauptung, im Fall einer antragsgemäßen Entlassung des beamteten Hochschullehrers werde er in der gesetzlichen Rentenversicherung "mit seinen zuerkannten Vordienstzeiten vollumfänglich nachversichert". Wie diese Behauptung mit der gesetzlichen Regelung in § 8 Abs 2 Satz 2 iVm § 181 Abs 2 Satz 1 SGB VI vereinbar sein könnte, erläutert er nicht. Nach den genannten Vorschriften werden nachversichert die beitragspflichtigen Einnahmen "aus der Beschäftigung im Nachversicherungszeitraum" bis zur Beitragsbemessungsgrenze. Nachversicherungszeitraum ist dabei die Zeit, in der alle Voraussetzungen der Versicherungspflicht nach § 1 Satz 1 Nr 1 und 4 SGB VI dem Grunde nach vorgelegen haben und nur aufgrund der Versorgungsanwartschaft Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung bestand (vgl Pietrek in jurisPK-SGB VI, 3. Aufl 2021, § 181 RdNr 33). Der Nachversicherungszeitraum erfasst mithin nicht Zeiträume, die vor der Berufung in ein Beamtenverhältnis und der damit verbundenen Zusage einer Versorgungsanwartschaft liegen. Im Übrigen bewirkt allein der Bezug eines Heisenberg-Stipendiums der DFG noch keine "Beschäftigung" im sozialversicherungsrechtlichen Sinne (vgl dazu BSG Urteil vom 28.6.2018 - B 5 AL 1/17 R - BSGE 126, 109 = SozR 4-4300 § 28a Nr 11, RdNr 20 ff, 24 ff).

Der Kläger hat aber nicht nur die von ihm zum Ausgangspunkt einer grundsätzlichen Bedeutung gemachte unterschiedliche Behandlung von Beamten und Versicherten der gesetzlichen Rentenversicherung in ihren tatsächlichen Grundlagen nicht hinreichend dargetan. Seine Beschwerdebegründung enthält auch keinerlei Auseinandersetzung mit der umfangreichen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu den Voraussetzungen einer Verletzung des Art 3 Abs 1 GG und zu möglichen Rechtfertigungen einer Ungleichbehandlung (vgl zB BSG Urteil vom 20.7.2011 - B 13 R 52/10 R - SozR 4-2600 § 48 Nr 5 RdNr 33 ff, 43; BSG Urteil vom 10.10.2018 - B 13 R 20/16 R - BSGE 127, 11 = SozR 4-2600 § 56 Nr 9, RdNr 29 ff). Damit ist ein ernstlich bestehender zusätzlicher Klärungsbedarf hinsichtlich der von ihm aufgeworfenen Frage (unabhängig davon, ob der Kläger möglicherweise inzwischen beamteter Hochschullehrer ist) nicht ausreichend aufgezeigt. Die bloße Wiedergabe der eigenen Rechtsansicht reicht hierfür nicht aus.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 iVm § 193 Abs 1 und 4 SGG.

Düring                                                          Hahn                                                   Gasser

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15285366

Dieser Inhalt ist unter anderem im TVöD Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge