Entscheidungsstichwort (Thema)
sozialgerichtliches Verfahren. Verfahrensmangel. Besetzung des Gerichts. gesetzlicher Richter. Urteil ohne mündliche Verhandlung
Orientierungssatz
Die Regelung des § 129 SGG, wonach das Urteil nur von den Richtern gefällt werden kann, die an der dem Urteil zu Grunde liegenden Verhandlung teilgenommen haben, gilt nicht, wenn die Beteiligten auf die mündliche Verhandlung verzichtet haben (§ 124 Abs 2 SGG).
Normenkette
GG Art. 101 Abs. 1; SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3, § 124 Abs. 2, §§ 129, 33
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 23.09.2005; Aktenzeichen L 3 AL 55/05) |
SG Itzehoe (Gerichtsbescheid vom 24.02.2004; Aktenzeichen S 2 AL 55/02) |
Gründe
Dem Kläger steht Prozesskostenhilfe nicht zu, da seine Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫, § 114 Zivilprozessordnung). Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 166 Abs 2 SGG) in der Lage wäre, die von dem Kläger angestrebte Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen.
Das Bundessozialgericht (BSG) darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) nur zulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), wenn das angegriffene Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder wenn ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3 1. Halbsatz); bezogen auf § 160 Abs 2 Nr 3 SGG sind Rügen dabei nach Maßgabe des Halbsatzes 2 beschränkt. Der Vortrag des Klägers und der Inhalt der Akten bieten keine Hinweise auf das Vorliegen eines der genannten Zulassungsgründe.
Allein der Umstand, dass der Kläger das LSG-Urteil für inhaltlich unrichtig hält, kann eine Revisionszulassung nicht begründen; denn im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde könnten nur Rügen nach § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG erhoben werden. Das LSG hat bei der Anwendung des Sozialgesetzbuchs Drittes Buch - Arbeitsförderung -, betreffend die Leistungsart bzw die Höhe und Dauer der Leistung, keine Rechtsfragen aufgeworfen bzw entschieden, denen eine grundsätzliche Bedeutung zukommen könnte. Es ist auch nicht zu erkennen, dass es abstrakte Rechtssätze aufgestellt hat, die von Rechtssätzen des BSG abweichen, sodass auch der Zulassungsgrund der Divergenz nicht in Betracht kommt.
Die Zulassung der Revision kommt auch nicht wegen des Vorliegens eines wesentlichen Verfahrensmangels in Frage. Dies gilt auch im Hinblick auf den vom Kläger erhobenen Vorwurf, das LSG habe den Prozess dadurch manipuliert und das Recht gebeugt, dass es die ursprünglich verbundenen Verfahren betreffend die Säumniszeit und den Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw dessen Höhe im Mai 2005 rechtswidrig getrennt habe. Während es über den ersten Komplex sofort entschieden habe, sei über den zweiten Komplex unter "Austausch von drei Richtern" erst am 23. September 2005 entschieden worden. Hieraus kann jedoch nicht auf eine fehlerhafte Besetzung des Gerichts geschlossen werden.
Das LSG war insbesondere bei der Entscheidung am 25. September 2005 nicht vorschriftswidrig besetzt. In Bezug auf die Abtrennung des die Säumniszeit betreffenden Verfahrensteils wegen Entscheidungsreife sind auf der Grundlage des § 113 Abs 2 iVm § 153 Abs 1 SGG keine Verfahrensverstöße zu erkennen.
Dass das LSG bei der Entscheidung über den zweiten Komplex im September 2005 in anderer Besetzung - durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 SGG) - entschieden hat als beim Termin zur mündlichen Verhandlung vom 27. Mai 2005, stellt keinen Verfahrensfehler dar, insbesondere keinen Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter. Der zuständige Senat des LSG entscheidet in seiner jeweiligen Besetzung (§ 33 SGG): Bei Verhinderung des Vorsitzenden (hier am 27. Mai 2005) wird dieser durch seinen Stellvertreter vertreten (§ 202 SGG iVm § 70 Abs 1, § 21 f Abs 2 Gerichtsverfassungsgesetz); ebenso wirken die ehrenamtlichen Richter nach der vom Präsidium des Gerichts festgestellten Reihenfolge nach § 6 Nr 1 SGG mit (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl 2005, § 6 RdNr 7). Dass gegen die insoweit geltenden Regeln, insbesondere auch gegen den Geschäftsverteilungsplan des LSG, verstoßen worden ist, ist nicht ersichtlich. Es besteht kein Rechtssatz, dass das LSG auch bei Durchführung mehrerer Termine im Berufungsverfahren stets in derselben Besetzung verhandeln und entscheiden muss. Die Vorschrift des § 129 SGG, wonach das Urteil nur von den Richtern gefällt werden kann, die an der dem Urteil zu Grunde liegenden Verhandlung teilgenommen haben, gilt nicht, wenn die Beteiligten wie im vorliegenden Fall (BSG SozR Nr 4 zu § 124 SGG) auf mündliche Verhandlung verzichtet haben (§ 124 Abs 2 SGG).
Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die Ablehnungsgesuche gegen die drei Berufsrichter des zuständigen LSG-Senats einen Verfahrensfehler nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG begründen könnten.
Es ist bereits fraglich, ob nach Beendigung des Berufungsverfahrens ein Ablehnungsgesuch noch gestellt werden kann. Dementsprechend könnte auch eine Verfahrensrüge nicht auf einen derartigen Ablehnungsgrund gestützt werden. Das BSG hat dies selbst für den Fall abgelehnt, dass der Betroffene den Ablehnungsgrund erst nach Erlass der Entscheidung erfahren hat (vgl BSG, Urteil vom 27. Januar 1993, 6 RKa 2/91, mwN). Selbst wenn man dieser Auffassung nicht folgt, ist ein Ablehnungsgrund wegen Besorgnis der Befangenheit in Bezug auf die drei Berufsrichter des LSG nach dem gesamten Akteninhalt nicht erkennbar.
Die vom Kläger selbst eingelegte Beschwerde entspricht nicht der Form des § 166 SGG. Die Beschwerde war daher ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter gemäß §§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2, 169 SGG zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen