Beteiligte
Landesversicherungsanstalt Oberbayern |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 16. September 1998 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die 1919 geborene Klägerin heiratete im Jahre 1958. Aus Anlaß der Eheschließung wurden ihr im Jahre 1959 Beiträge aus der Rentenversicherung erstattet. Anschließend entrichtete sie keine Beiträge mehr. Im Dezember 1995 stellte sie bei der Beklagten einen Antrag auf Nachzahlung von Beiträgen nach § 282 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI). Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil gemäß Abs 1 Satz 2 dieser Vorschrift nach Vollendung des 65. Lebensjahres eine Nachzahlung nicht mehr zulässig sei. Klage und Berufung blieben erfolglos (Urteil des Sozialgerichts München vom 9. Oktober 1997, Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 16. September 1998).
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG wendet sich die Klägerin mit der Beschwerde. Sie macht geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Es müsse geklärt werden, ob die Beschränkung des Nachzahlungsrechts auf Frauen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres verfassungsmäßig sei. Dieses sei zu verneinen. Es sei nicht gerechtfertigt, das Nachzahlungsrecht nach Erreichen der Altersgrenze auszuschließen. Sie verfüge über keinerlei Einnahmen und sei zu ihrer Sicherung auf die Nachzahlung angewiesen.
II
1. Der Senat läßt offen, ob die Beschwerde zulässig ist. Jedenfalls ist sie unbegründet. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Der Senat hat keinen Zweifel daran, daß der Ausschluß der Klägerin von der Nachzahlung nach Vollendung des 65. Lebensjahres (§ 282 Abs 1 Satz 2 SGB VI) mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar ist. Der weiteren Prüfung in einem Revisionsverfahren bedarf dieses nicht.
2. Die Regelung des § 282 SGB VI zur Nachzahlung von Beiträgen bei Heiratserstattung ist durch Art 1 des Rentenreformgesetzes 1992 (RRG 1992) vom 18. Dezember 1989 (BGBl I 2261) eingeführt worden und am 1. Januar 1992 in Kraft getreten. Ihre Entwicklung hat der Senat in seinem Urteil vom 12. September 1995 (BSGE 76, 250 = SozR 3-2600 § 282 Nr 2) dargestellt. Nach Maßgabe des Abs 1 Satz 1 der Vorschrift können Frauen, denen anläßlich der Eheschließung Beiträge erstattet worden sind, Beiträge nachzahlen. Satz 2 bestimmt, daß nach bindender Bewilligung einer Vollrente wegen Alters, nach Vollendung des 65. Lebensjahres oder bei Bezug einer Versorgung nach Erreichen einer Altersgrenze, die zur Versicherungsfreiheit führt, eine Nachzahlung nicht zulässig ist. Der Antrag konnte nach Abs 2 Satz 1 der Vorschrift nur bis zum 31. Dezember 1995 gestellt werden, was durch die Klägerin geschehen ist. § 282 SGB VI ist inzwischen durch Art 1 Nr 107, Art 33 Abs 10 des Rentenreformgesetzes 1999 (RRG 1999) vom 16. Dezember 1997 (BGBl I 2998) mit Wirkung vom 1. Januar 1998 aufgehoben worden. Dennoch ist die Vorschrift auf anhängige Nachzahlungsverfahren wie das vorliegende noch anzuwenden.
3. Nach § 274 Abs 1 Satz 2 SGB VI idF des Gesetzentwurfs zum RRG 1992, der dem späteren § 282 Abs 1 Satz 2 SGB VI entspricht, sollte das Nachzahlungsrecht nur durch die bindende Bewilligung einer Vollrente wegen Alters ausgeschlossen werden (BT-Drucks 11/4124 S 79). Aufgrund der Beschlußempfehlung des Bundestags-Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung wurden jedoch die Ausschlußgründe „nach Vollendung des 65. Lebensjahres” oder „bei Bezug einer Versorgung nach Erreichen einer Altersgrenze, die zur Versicherungsfreiheit führt” hinzugefügt (BT-Drucks 11/5490 S 169). Im Bericht dazu heißt es (BT-Drucks 11/5530 S 57 zu § 274): Schon nach der bisherigen Fassung des Satzes 2 stehe die Nachzahlungsmöglichkeit für wegen der Eheschließung erstatteter Beiträge bereits all den Frauen nicht mehr offen, denen eine Vollrente wegen Alters bindend bewilligt worden sei. Es wäre jedoch nicht gerechtfertigt, wenn Frauen, die das 65. Lebensjahr vollendet und keinen Rentenanspruch hätten, und Ruhestandsbeamtinnen oder ähnliche Personen noch solche Beiträge nachzahlen könnten. Die vorgesehene Ergänzung stelle sicher, daß diese Personen mit den Bezieherinnen einer Altersrente gleichbehandelt würden.
4. Hiernach beruht der Ausschluß von Personen wie der Klägerin, die keine Rente bezieht und die Nachzahlung erst im Alter von 76 Jahren beantragt hat, auf sachlichen Erwägungen. Rentnerinnen, denen eine Vollrente wegen Alters bindend bewilligt worden ist, sind von der Nachzahlung wegen Heiratserstattung ausgeschlossen, auch wenn sie das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Der Grund für ihren Ausschluß von der Nachzahlung liegt darin, daß mit der bindenden Bewilligung der Vollrente wegen Alters die Zeit des Erwerbs von Rentenanwartschaften beendet und in den Leistungsbezug übergegangen ist. Im Vergleich zu diesen Rentnerinnen wäre es nicht zu rechtfertigen, das günstige Nachzahlungsrecht Frauen wie der Klägerin, die keine Rente beziehen, weil sie keine Beitragszeiten aufzuweisen haben, noch nach Vollendung des 65. Lebensjahres einzuräumen. Entgegen der Ansicht der Beschwerde kann dieses nicht allein mit einem für diesen Personenkreis noch bestehenden Sicherungsbedarf gefordert werden. Der Gesetzgeber durfte vielmehr berücksichtigen, daß das günstige Nachzahlungsrecht Personen, die keine Rente beziehen, weil sie keine Beiträge aufzuweisen haben, nicht unbegrenzt eingeräumt werden sollte. Dieses hätte sie gegenüber den genannten Rentnerinnen ungerechtfertigt begünstigt, die ohnehin günstige Ausgestaltung des Nachzahlungsrechts weiter verstärkt und auch diejenigen Frauen weiter benachteiligt, die von der Heiratserstattung keinen Gebrauch gemacht hatten und ihre niedrigen in der Rentenversicherung belassenen Beiträge nicht aufstocken durften (BSGE 80, 241 = SozR 3-2600 § 282 Nr 6; vgl dazu Kammerbeschluß des Bundesverfassungsgerichts ≪BVerfG≫ in NZS 1998, 287).
5. Der Ausschluß des Nachzahlungsrechts nach § 282 Abs 1 Satz 2 SGB VI durch die bindende Bewilligung einer Vollrente wegen Alters oder durch die Vollendung des 65. Lebensjahres entspricht der Regelung des Zugangs zur laufenden freiwilligen Versicherung. Wer eine Vollrente wegen Alters bezieht, ist nach § 5 Abs 4 Nr 1 SGB VI versicherungsfrei und nach Maßgabe des § 7 Abs 3 SGB VI von der freiwilligen Versicherung ausgeschlossen. Ebenfalls versicherungsfrei nach § 5 Abs 4 Nr 3 und daher nach § 7 Abs 2 Satz 1 SGB VI von der freiwilligen Versicherung ausgeschlossen sind Personen, die wie die Klägerin bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres nicht versichert waren. Auf diese Parallelen zwischen dem Ausschluß von der laufenden freiwilligen Versicherung nach § 7 Abs 2 Satz 1, Abs 3 SGB VI iVm § 5 Abs 4 Nrn 1 und 3 SGB VI einerseits und dem Ausschluß des Nachzahlungsrechts in § 282 Abs 1 Satz 2 hat schon das LSG in seinem Urteil hingewiesen. Zu § 5 Abs 4 SGB VI heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucks 11/4124 S 151): Die Regelung betreffe Fälle, in denen ein Sicherungsbedürfnis in der Rentenversicherung wegen Erreichung des Sicherungsziels oder wegen der Unwahrscheinlichkeit, dieses Ziel in der Rentenversicherung noch zu erreichen, nicht mehr gegeben sei. Die Regelung des Abs 4 Nr 3 gehe davon aus, daß sich die betreffenden Personen bis zum 65. Lebensjahr eine andere Alterssicherung aufgebaut hätten. Eine Vorversicherung liege nicht vor, soweit die die Versicherung begründenden Beiträge erstattet worden seien. – Auch diese Begründung für die Versicherungsfreiheit und damit den Ausschluß von der laufenden freiwilligen Versicherung ist sachgerecht. Inwiefern die gleiche Regelung für den Ausschluß vom Nachzahlungsrecht als Sonderform der freiwilligen Versicherung gegen Art 3 Abs 1 GG verstoßen soll, vermag der Senat nicht zu erkennen. Dabei geht der Gesetzgeber in der Regelung des § 5 Abs 4 Nr 3 SGB VI in einer verallgemeinernden Betrachtungsweise davon aus, daß Personen, die bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres nicht versichert waren, eine andere Alterssicherung aufgebaut haben. Die Regelung gilt jedoch auch, wenn das im Einzelfall wie möglicherweise bei der Klägerin nicht zutrifft.
6. Eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes läßt sich nicht mit dem Hinweis der Beschwerde darauf begründen, daß erst eine Vollrente wegen Alters zum Ausschluß der Nachzahlung führe, wie das auch in § 5 Abs 4 Nr 1 und § 7 Abs 3 SGB VI der Fall ist. Dabei kann offenbleiben, ob es in nennenswerter Zahl Frauen gibt, die in der Zeit seit dem Inkrafttreten des § 282 SGB VI am 1. Januar 1992 bis zum Ablauf der Antragsfrist am 31. Dezember 1995 das 65. Lebensjahr vollendet haben, einen Rentenanspruch hatten, Vollrente wegen Alters nicht in Anspruch genommen und einen Antrag auf Nachzahlung bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres nicht gestellt haben. Sollte es solche Frauen gegeben haben, spräche vieles dafür, daß auch sie von dem selbständigen Ausschlußgrund der Vollendung des 65. Lebensjahres erfaßt worden wären. Aber auch wenn das verneint würde und dem genannten Kreis von Frauen die Nachzahlung noch für eine kurze Zeit nach Vollendung des 65. Lebensjahres offengestanden hätte, würde sich die Klägerin von diesem Personenkreis erheblich unterscheiden. Sie war der Rentenversicherung bei Vollendung des 65. Lebensjahres im Jahre 1984 nicht verbunden und hat die Nachzahlung erst Ende 1995 im Alter von 76 Jahren beantragt.
7. Die Begrenzung des Nachzahlungsrechts durch die Bewilligung einer Vollrente wegen Alters oder die Vollendung des 65. Lebensjahres fand sich ebenso wie in § 282 Abs 1 Satz 2 SGB VI auch in dem inzwischen gleichfalls aufgehobenen § 283 Abs 1 Satz 2 SGB VI (Nachzahlung bei Heiratsabfindung früherer Beamtinnen). Das BVerfG hat auf eine Vorlage des Senats entschieden, daß frühere Beamtinnen, die wegen Vollendung des 65. Lebensjahres nicht zur Beitragsnachzahlung nach dieser Vorschrift berechtigt waren, Beiträge noch entsprechend der vor 1992 für Arbeitnehmerinnen geltenden Regelung nachentrichten durften (BVerfGE 98, 1 = SozR 3-5755 Art 2 § 27 Nr 1). In dieser Entscheidung ist das BVerfG anscheinend davon ausgegangen, daß die Altersgrenze von 65 Jahren keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt.
8. Hiernach erwies sich die Beschwerde als jedenfalls unbegründet und war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 542756 |
NZS 2000, 146 |
SozSi 1999, 378 |
www.judicialis.de 1999 |