Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 22.02.2017; Aktenzeichen L 5 R 5035/14) |
SG Stuttgart (Entscheidung vom 22.10.2014; Aktenzeichen S 25 R 5691/12) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Februar 2017 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit ist streitig, ob der Kläger seine Tätigkeit als Eventkoch in einer abhängigen Beschäftigung für die Beigeladene zu 1. erbringt und daher der Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.
Der Kläger ist Koch und betreibt einen Cateringservice. Hierbei wird er auch für die Beigeladene zu 1. tätig. Auf Antrag des Klägers und der Beigeladenen zu 1. prüfte die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund den sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers und stellte dessen Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung seit dem 5.5.2011 aufgrund einer abhängigen Beschäftigung für die Beigeladene zu 1. fest (Bescheid vom 31.1.2012; Widerspruchsbescheid vom 25.9.2012). Auf die Klage hob das SG die angefochtenen Bescheide auf und stellte fest, dass die streitbefangene Tätigkeit nicht im Rahmen einer Beschäftigung ausgeübt werde und keine Versicherungspflicht aus diesem Grunde bestehe (Urteil vom 22.10.2014). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide seien formell und materiell rechtmäßig. Der Kläger sei als Eventkoch durch die Beigeladene zu 1. beschäftigt gewesen und habe daher der festgestellten Versicherungspflicht unterlegen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 22.2.2017.
II
Die Beschwerde des Klägers ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BSG Beschluss vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7).
1. Der Kläger beruft sich in seiner Beschwerdebegründung vom 29.5.2017 zunächst auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Die Beschwerdebegründung genügt jedoch nicht den Anforderungen an die Darlegung dieses Zulassungsgrundes.
a) Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (stRspr, zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 5 mwN; vgl auch BVerfG Kammerbeschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7).
b) Der Kläger misst der Frage grundsätzliche Bedeutung zu,
"ob so genannte Mietköche, die Aufträge von einer Agentur bekommen, im Hinblick auf die Sozialversicherungspflicht wie Arbeitnehmer dieser Agentur zu behandeln und damit der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegen."
Hierzu erläutert er, die Frage sei klärungsbedürftig "unter der Besonderheit, dass hier die Sozialversicherungspflicht seitens des Gerichts im Hinblick auf die Beigeladene zu 1. und damit die Agentur zu klären und zu entscheiden ist und nicht im Hinblick auf den Kunden", wozu bereits Gerichtsentscheidungen vorlägen. Das BSG könne über diese Frage auch entscheiden, da sie im konkreten Rechtsstreit entscheidungserheblich sei. Verneine man entgegen dem LSG eine Beschäftigung, könne der Kläger nicht nachträglich zur Sozialversicherungspflicht herangezogen werden. Das LSG habe sich daran orientiert, inwieweit der Kläger weisungsgebunden gegenüber seinem Auftraggeber handele und in dessen Arbeitsorganisation eingebunden sei. Rechtsirrig habe es sich hierbei aber nicht an dem Verhältnis zur Beigeladenen zu 1., sondern an dem zu den Kunden der Beigeladenen zu 1. orientiert und das hierzu gewonnene Ergebnis auf das Verhältnis zur Beigeladenen zu 1. projiziert. Ebenfalls rechtsirrig stelle das LSG die Arbeitsorganisation des Kunden mit der Arbeitsorganisation der Beigeladenen zu 1. gleich, obwohl diese lediglich die Aufträge vermittle, während der Kunde gelegentlich die Küche zur Verfügung stelle, in der die Arbeiten erbracht werden. Zudem verkenne das Gericht "im Hinblick auf die Beleuchtung des unternehmerischen Risikos vollständig, dass bei Ausbleiben von Auftragsvorschlägen" er ohne Einnahmen sei, seine laufenden Kosten jedoch weiter zu tragen habe. Das LSG versuche offensichtlich bereits vorhandene Entscheidungen zu direkt im Kundenauftrag tätigen Mietköchen auf den vorliegenden Fall zu übertragen, obwohl die Beigeladene zu 1. kein Kunde sei und lediglich Aufträge vermittle.
c) Es kann unerörtert bleiben, ob der Kläger damit eine hinreichend konkrete Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht aufgeworfen und in den folgenden Ausführungen den vom Revisionsgericht erwarteten klärenden Schritt ausreichend konkret dargelegt hat. Jedenfalls hat er - die Qualität als Rechtsfrage unterstellt - die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage nicht den nach § 160a Abs 2 S 3 SGG diesbezüglich geltenden Anforderungen genügend dargelegt.
Als höchstrichterlich geklärt muss eine Rechtsfrage auch dann angesehen werden, wenn das Revisionsgericht sie zwar für einzelne Berufsgruppen oder bestimmte Tätigkeitsfelder noch nicht ausdrücklich entschieden hat, zur Auslegung der anzuwendenden gesetzlichen Vorschrift jedoch schon viele höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben. Hier kommt es dann in der Regel (lediglich) auf die Anwendung der von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze auf einen bestimmten Sachverhalt - eine bestimmte Berufsgruppe oder ein bestimmtes Tätigkeitsfeld - an (vgl BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22). Ergeben sich hinsichtlich der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage Zweifel, muss die Beschwerde diese ausräumen. Hierzu gehört auch, die bereits vorliegende - und vom LSG auch umfänglich zitierte - höchstrichterliche Rechtsprechung (grundlegend zu § 7 Abs 1 SGB IV zB BSG Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25; zur Vermittlung von Endkunden an eine hauswirtschaftliche Familienbetreuerin vgl BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125) auf (gemeinsame) Beurteilungsgesichtspunkte hin zu untersuchen oder in der gebotenen Weise Widersprüche und damit Klärungsbedarf herauszuarbeiten. Dies versäumt der Kläger, indem er in seiner Beschwerdebegründung eben von den vom LSG im Anschluss an die Rechtsprechung des BSG der Beurteilung des konkreten Sachverhalts zugrunde gelegten Rechtssätzen ausgeht und rügt, das LSG habe "rechtsirrig" nicht auf das Verhältnis zur Beigeladenen zu 1., sondern zu den Kunden abgestellt und den Begriff des unternehmerischen Risikos verkannt. Damit legt der Kläger keinen Klärungsbedarf hinsichtlich der Auslegung oder zum Anwendungsbereich einer konkreten revisiblen Norm dar - der vorliegend maßstabsbildende § 7 Abs 1 SGB IV wird von ihm nicht einmal erwähnt. Vielmehr rügt er allein die Anwendung dieser Norm durch das LSG auf den konkreten Sachverhalt, also die inhaltliche Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils. Hierauf aber kann die Nichtzulassungsbeschwerde - wie oben bereits ausgeführt - nicht zulässig gestützt werden.
d) Darüber hinaus legt der Kläger auch die Klärungsfähigkeit der formulierten Frage nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG genügend dar. Hierfür genügt nicht die Behauptung, die Beantwortung der Frage nach zugelassener Revision durch das BSG sei entscheidungserheblich. Vielmehr ist vor dem Hintergrund der Bindung des BSG an die im mit der Revision angefochtenen Urteil festgestellten Tatsachen (§ 163 SGG) insbesondere darzulegen, dass das BSG im Rahmen der angestrebten Revision auf dieser Grundlage in der Lage wäre, über die formulierte Frage zu entscheiden (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 9 ff, insbes RdNr 9f). Entgegen diesen Anforderungen unterlässt der Kläger jedoch jeden Vortrag zu den im LSG-Urteil festgestellten Tatsachen und zu der Frage, ob diese im Rahmen der angestrebten Revision eine Entscheidung über die von ihm formulierte Frage ermöglichen.
2. Neben der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits beruft sich der Kläger auch auf einen Verfahrensmangel (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG), hier in Form der Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) durch das LSG. Die Beschwerdebegründung genügt jedoch auch nicht den Anforderungen an die Darlegung dieses Verfahrensmangels. Denn nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann die Geltendmachung eines Verfahrensmangels auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) nur gestützt werden, wenn sich der Verfahrensmangel auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu § 162 SGG; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33).
Entgegen diesen Anforderungen bezieht sich der Kläger in seiner Beschwerdebegründung nicht auf einen (förmlichen) Beweisantrag, den er vor dem LSG gestellt hat und dem das LSG nicht gefolgt ist. Vielmehr macht er geltend, das LSG habe der Amtsermittlungspflicht nicht genügt, da es sich nicht hinreichend mit seinen Beweisangeboten auseinandergesetzt und auch die tatsächlichen Verhältnisse des vom ihm (dem LSG) behaupteten abhängigen Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere die konkreten Arbeitsabläufe, nicht hinreichend beleuchtet habe. Damit genügt die Beschwerdebegründung des Klägers nicht den genannten Anforderungen an eine formgerechte Rüge der Verletzung der Amtsermittlungspflicht durch das LSG.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI11281629 |