Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 31.01.2018; Aktenzeichen L 5 KR 2158/17)

SG Stuttgart (Entscheidung vom 03.05.2017; Aktenzeichen S 19 KR 6815/16)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 31. Januar 2018 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich der Kläger gegen die Festsetzung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (sPV) unter Einbeziehung von Einmalzahlungen aus einer Kapitallebensversicherung.

Der ehemalige Arbeitgeber des Klägers schloss am 1.4.1985 zu dessen Gunsten einen Lebensversicherungsvertrag, der durch Gehaltsumwandlung finanziert wurde, ab. Ab 1.8.1989 war der Kläger für einen anderen Arbeitgeber tätig, der nach den Feststellungen des LSG den Lebensversicherungsvertrag übernahm und die Prämien zahlte. Am 1.1.2004 schloss der Arbeitgeber zwei weitere Lebensversicherungen als Direktversicherungen ab, die wiederum im Wege der Gehaltsumwandlung finanziert wurden. Am 1.3.2015 wurde der Kläger Versicherungsnehmer, zahlte in dieser Eigenschaft aber keine Prämien. Seit 1.5.2015 ist der Kläger als Rentner in der GKV und sPV versicherungspflichtig.

Die Beklagte erfuhr am 10.4.2015 von der Auszahlung einer ersten Kapitalleistung in Höhe von 65 065,57 Euro, später dann von weiteren Auszahlungen in Höhe von 10 488,96 Euro und 4148,44 Euro. Gegen die beitragsrechtliche Berücksichtigung der Auszahlungen wandte sich der Kläger erfolglos. Klage und Berufung des Klägers sind ebenfalls erfolglos geblieben (SG-Gerichtsbescheid vom 3.5.2017; LSG-Urteil vom 31.1.2018). Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.

II

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 31.1.2018 ist gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18 = Juris RdNr 9).

Der Kläger beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 9.4.2018 auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und behauptet das Vorliegen von Verfahrensmängeln (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).

1. Der Kläger bezeichnet keinen Verfahrensmangel in einer den Zulässigkeitsanforderungen nach § 160a Abs 2 S 3 SGG entsprechenden Weise.

Auf Seite 3 der Beschwerdebegründung macht der Kläger geltend, das LSG habe gegen § 103 SGG verstoßen, weil es ohne hinreichende Begründung einem Beweisantrag nicht gefolgt sei. Er habe "- wie mit Schreiben der SCS I. GmbH vom 11.10.1989 dargelegt - den angeforderten Betrag von seinerzeit DM 1.741,43 auf das Konto der SCS übertragen, weshalb, wie im Beweisantrag als Anlagen K 9 vorgelegten Schreiben der SCS I. GmbH vom 11.10.1989 sowie des G.-Konzerns vom 04.08.1989 angekündigt, ein Wechsel der Versicherungsnehmereigenschaft des Klägers hätte stattfinden müssen." Diesem Beweisantrag sei das Berufungsgericht nicht nachgegangen.

Einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG hat der Kläger dadurch nicht bezeichnet. Auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsprinzip) kann ein Verfahrensmangel gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Mit der Beschwerdebegründung wurde schon nicht aufgezeigt, im Verfahren vor dem LSG einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt zu haben (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN; BSG Beschluss vom 5.2.2015 - B 13 R 372/14 B - Juris RdNr 10 mwN). Erst recht hat der Kläger nicht dargelegt, dass er einen Beweisantrag im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LSG gestellt bzw aufrechterhalten hat (vgl BSG Beschluss vom 6.2.2007 - B 8 KN 16/05 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 12 RdNr 7 mwN; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 18c mwN). Tatsächlich ist dem Protokoll vom 31.1.2018 kein Beweisantrag zu entnehmen.

2. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Der Kläger wirft auf Seite 6 der Beschwerdebegründung folgende Fragen auf:

"1. ob Kapitalleistungen aus einer Direktversicherung, die allein aus Mitteln des Arbeitnehmers erwirtschaftet wurden, die selbst nicht mehr der Beitragspflicht der gesetzlichen Kranken- u. sozialen Pflegeversicherung unterlagen, gem. § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V, § 57 Abs. 1 Satz 1 SGB XI verbeitragt werden dürfen?;

2. Verletzt die Statuierung einer Beitragspflicht zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung für einmalige Kapitalleistungen aus als Direktversicherung abgeschlossenen Lebensversicherungen den allgemeinen Gleichheitssatz des Artikel 3 Abs. 1 GG, wenn die einmalige Kapitalleistung nach Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze an einen Arbeitnehmer ausgezahlt wird, jedoch allein von dem Arbeitnehmer seit 1989 durch Gehaltsverzicht finanziert wurde, weil 1989 ein Wechsel der Versicherungsnehmereigenschaft des Arbeitnehmers versäumt worden ist?"

Das BSG habe noch nicht entschieden, wie sich die Rechtslage darstelle, wenn ein Arbeitgeber 1989 den angekündigten und erforderlichen Wechsel der Versicherungsnehmereigenschaft nicht vollzogen habe und der Arbeitnehmer rechtsirrig weiterhin als Versicherter geführt worden sei. Vorliegend bestehe keine Beitragspflicht, da die Kapitalleistungen auf eingezahlten Prämien beruhen würden, für die der Kläger als Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Prämienzahlung (seit 1983) als Versicherungsnehmer zu gelten habe, weil sein Einrücken in die Stellung des Versicherungsnehmers vom Arbeitgeber vergessen worden sei.

a) Es kann offenbleiben, ob die Beschwerdebegründung die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge (vgl hierzu exemplarisch BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN) nicht erfüllt, weil der Kläger keine abstraktgenerelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN) formuliert. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11 mwN).

b) Der Kläger legt die Klärungsbedürftigkeit der von ihm in den Raum gestellten Fragen nicht hinreichend dar. Er setzt sich nicht mit der umfangreichen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zur Beitragspflicht von Kapitalleistungen aus Direktversicherungen (vgl BVerfG SozR 4-2500 § 229 Nr 5; BSG Urteil vom 25.4.2007 - B 12 KR 25/05 R - Juris; BSG Urteil vom 12.12.2007 - B 12 KR 6/06 R - Juris; BSG Urteil vom 25.4.2012 - B 12 KR 26/10 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 16) auseinander. Insbesondere berücksichtigt er nicht, dass das BSG bereits konkret zur Heranziehung von Lebensversicherungsverträgen, die vor 2004 abgeschlossen wurden, mehrere Entscheidungen getroffen hat (vgl zB BSG Urteil vom 13.9.2006 - B 12 KR 5/06 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 4 RdNr 14; BSG Urteil vom 12.11.2008 - B 12 KR 10/08 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 6 RdNr 18 mwN). Auch setzt sich der Kläger nicht damit auseinander, dass das BVerfG die in der Rechtsprechung des BSG entwickelte institutionelle Unterscheidung grundsätzlich gebilligt hat und nur für Kapitalleistungen, die auf Beiträgen beruhen, die ein Arbeitnehmer nach Beendigung seiner Erwerbstätigkeit auf den Lebensversicherungsvertrag unter Einrücken in die Stellung des Versicherungsnehmers eingezahlt hat, eine Ausnahme gemacht hat (BVerfG SozR 4-2500 § 229 Nr 11 RdNr 15; aktuell: BVerfG Beschluss vom 27.6.2018 - 1 BvR 100/15 - und - 1 BvR 249/15 -; BVerfG Beschluss vom 9.7.2018 - 1 BvL 2/18 -). Die Beschwerdebegründung zeigt nicht auf, inwieweit der vorliegende, vom LSG festgestellte Sachverhalt (erneut) klärungsbedürftige Rechtsfragen aufwirft. Jenseits der tatsächlichen Feststellungen des LSG beruhen seine Fragen nur auf der Behauptung, dass er eigentlich in die Stellung des Versicherungsnehmers hätte einrücken müssen, dieser Wechsel aber vom Arbeitgeber vergessen worden sei. Das LSG hat jedoch ausdrücklich festgestellt, dass es sich bei den Auszahlungen um "rein betriebliche Kapitalleistungen" gehandelt habe (Seite 3 des LSG-Urteils). Verfahrensfehler hat der Kläger in diesem Zusammenhang nicht in zulässiger Weise bezeichnet (siehe oben). In einem späteren Revisionsverfahren wären die Feststellungen des LSG daher bindend (§ 163 SGG).

c) Schließlich legt der Kläger aus den oben genannten Gründen auch die Klärungsfähigkeit der von ihm aufgeworfenen Fragen nicht dar. Der Beschwerdebegründung kann nicht entnommen werden, wie sich seine Fragen in einem von ihm angestrebten Revisionsverfahren angesichts der tatsächlichen Feststellungen des LSG überhaupt stellen und vom BSG im Hinblick auf § 163 SGG beantwortet werden können.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI12112336

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