Verfahrensgang
SG Heilbronn (Entscheidung vom 01.04.2020; Aktenzeichen S 2 VG 663/18) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 23.07.2020; Aktenzeichen L 6 VG 1273/20) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. Juli 2020 Prozesskostenhilfe zu gewähren und Rechtsanwalt B H aus H beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
I
Der Kläger begehrt zum vierten Mal eine Beschädigtenversorgung in Form einer Beschädigtenrente nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG). Er beruft sich auf angebliche Misshandlungen und Körperverletzungen während des erfolglosen Versuchs der Bundespolizei, ihn am 22.7.2003 in seinen Herkunftsstaat Bosnien-Herzegowina abzuschieben.
Ein erster, im Jahr 2006 gestellter und durch alle Instanzen verfolgter Entschädigungsantrag des Klägers blieb nach umfangreicher Beweiserhebung ohne Erfolg. Zur Begründung führte das LSG ua aus, der Vortrag des Klägers, er sei am 22.7.2003 Opfer einer Freiheitsberaubung geworden und ihm hätten auch zwei Polizisten die Unterhose heruntergezogen, erfülle nicht die Anforderungen an einen rechtwidrigen tätlichen Angriff. Die behauptete Vorenthaltung von Trinken und Essen sei widerlegt. Ebenso wenig seien behauptete Schläge, Zwicken, Ziehen an den Haaren, Hochheben und Fallenlassen nachgewiesen (Urteil vom 17.9.2009). Die Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BSG hatte keinen Erfolg (Beschluss vom 10.6.2010 - B 9 VG 5/10 B).
Der am 21.9.2010 gestellte Überprüfungsantrag des Klägers blieb nach weiteren Ermittlungen (Stellungnahme der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums F vom 7.3.2011, Befragung der behandelnden Ärztin am 11.4.2011, Beiziehung der staatsanwaltlichen Ermittlungsakte) wiederum ohne Erfolg (Bescheid vom 2.8.2011, Widerspruchsbescheid vom 17.10.2011). Klage (Gerichtsbescheid vom 5.11.2012) und Berufung (Urteil vom 21.3.2013) sowie Nichtzulassungsbeschwerde waren erfolglos (BSG Beschluss vom 3.4.2014 - B 9 V 22/13 B).
Am 3.7.2014 beantragte der Kläger wiederum im Wege des Überprüfungsverfahrens Beschädigtenversorgung für den Vorfall vom 22.7.2003. Der Beklagte lehnte den Antrag nach weiteren Ermittlungen - ua erneuten Rückfragen bei der für die Abschiebung zuständigen Bundespolizeiinspektion - ab. Nach wie vor sei nicht feststellbar, dass die versuchte Abschiebung oder ihre Begleitumstände einen Angriff iS des § 1 OEG darstellten oder beinhalteten (Bescheid vom 28.7.2015, Widerspruchsbescheid vom 23.9.2015). Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Gerichtsbescheid vom 27.6.2016, LSG-Urteil vom 2.2.2017). Die Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BSG als unzulässig verworfen (Beschluss vom 27.11.2017 - B 9 V 55/17 B), nachdem es zuvor die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) wegen fehlender Erfolgsaussichten abgelehnt hatte (Beschluss vom 13.7.2017 - B 9 V 1/17 BH).
Am 18.12.2017 stellte der Kläger zum vierten Mal einen Überprüfungsantrag, den der Beklagte mit Bescheid vom 12.1.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.2.2018 ablehnte. Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid vom 1.4.2020, LSG-Urteil vom 23.7.2020). Das LSG hat ausgeführt: Ein Angriff iS von § 1 OEG sei nach wie vor nicht erwiesen. Der Sachverhalt sei in den vorangegangenen Verfahren ausermittelt, auch wenn der Kläger das Ermittlungsergebnis nicht akzeptiere. Der Beiziehung weiterer vom Kläger benannter Akten bedürfe es daher nicht.
Der Kläger beantragt die Gewährung von PKH und die Beiordnung von Rechtsanwalt B H aus H für die Durchführung einer Nichtzulassungsbeschwerde.
II
Der PKH-Antrag des Klägers ist unbegründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO). An der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt es hier. Es ist nach Durchsicht der Akten unter Berücksichtigung der Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 10.8.2020 nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, die von dem Kläger angestrebte Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen.
Hinreichende Erfolgsaussicht hätte die Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn einer der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe mit Erfolg geltend gemacht werden könnte. Die Revision darf danach zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Nach Durchsicht der Akten fehlen - auch unter Würdigung des Vorbringens des Klägers - Anhaltspunkte dafür, dass er einen der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe darlegen könnte. Die Sache bietet keine Hinweise für eine über den Einzelfall des Klägers hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Auch ist nicht ersichtlich, dass das LSG entscheidungstragend von Rechtsprechung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abgewichen sein könnte (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG).
Schließlich fehlt ein ausreichender Anhalt dafür, dass der Kläger einen die Revisionszulassung rechtfertigenden Verfahrensfehler des LSG bezeichnen könnte (Zulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Soweit der Kläger meint, das Berufungsgericht hätte die von ihm benannten Akten beiziehen müssen, um ihm die Stellung weiterer Beweisanträge zu ermöglichen, ist nicht ersichtlich, dass sich das LSG hierzu hätte gedrängt fühlen müssen. Der Kläger zeigt auch nicht auf, welche konkreten Punkte im Zusammenhang mit der versuchten Abschiebung im Juli 2003 in Bezug auf die von ihm behaupteten vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffe iS des § 1 OEG noch weiter aufklärungsfähig und -bedürftig sein sollen. Entsprechende substantiierte Ausführungen zu einem (weiteren) Beweisbegehren des Klägers (vgl allgemein zu den Anforderungen an einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag: Senatsbeschluss vom 2.10.2015 - B 9 V 46/15 B - juris RdNr 8) wären aber schon deshalb notwendig gewesen, weil der Beklagte, die Instanzgerichte und auch die Staatsanwaltschaft zum Hergang der gescheiterten Abschiebung bereits mehrfach äußerst umfangreich (ua durch Vernehmung bzw Befragung der beteiligten Polizisten und behandelnden Ärzte) ermittelt haben und die entsprechenden Ermittlungsergebnisse in den der Entscheidungsfindung des LSG zugrunde liegenden Akten auch dokumentiert sind. Sofern der Kläger im Kern seines Vorbringens mit der inhaltlichen Auswertung und Würdigung durch das Berufungsgericht - nach wie vor - nicht einverstanden ist, wendet er sich gegen dessen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Hierauf kann eine Nichtzulassungsbeschwerde aber gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht gestützt werden.
Schließlich könnte auch eine unzutreffende Rechtsanwendung des LSG - für die jedoch weiterhin nichts ersichtlich ist - nicht mit Erfolg als Revisionszulassungsgrund gerügt werden (vgl stRspr, zB Senatsbeschluss vom 27.5.2020 - B 9 SB 67/19 B - juris RdNr 14).
Da dem Kläger keine PKH zusteht, kann er auch nicht die Beiordnung eines Rechtsanwalts beanspruchen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
Fundstellen
Dokument-Index HI14226230 |