Verfahrensgang
SG München (Entscheidung vom 30.06.2022; Aktenzeichen S 48 SO 115/20) |
Bayerisches LSG (Urteil vom 14.12.2022; Aktenzeichen L 8 SO 199/22) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14. Dezember 2022 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
I
Der Kläger wendet sich gegen einen Versagungsbescheid und begehrt Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).
Nach der bestandskräftigen Ablehnung eines 2005 gestellten Antrags auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII beantragte der Kläger im Dezember 2015 erneut Grundsicherungsleistungen beim Beklagten. Dieser forderte von ihm unter Hinweis auf Mitwirkungspflichten mehrfach, zuletzt unter Hinweis auf die möglichen Folgen unterlassener Mitwirkung und Fristsetzung bis Anfang Mai 2017, Nachweise über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse, ua Vorlage eines Grundbuchauszugs sowie aktuelle Rentenbescheide und versagte nach Ablauf der Frist die Leistungen wegen fehlender Mitwirkung(Bescheid vom 16.5.2017; Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 7.2.2020) . Die Klage hat keinen Erfolg gehabt(Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ≪SG≫ München vom 30.6.2022). Nach Nachholung der Mitwirkung hat der Beklagte die nachträgliche Erbringung der versagten Grundsicherungsleistungen ab 1.12.2015 abgelehnt(Bescheid vom 5.12.2022) . Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Berufungsverfahren abgelehnt, weil der Kläger keine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgegeben habe(Beschluss vom 13.12.2022) , und die Berufung als unbegründet zurückgewiesen(Urteil vom 14.12.2022) . Zur Begründung hat das LSG ua ausgeführt, die in der mündlichen Verhandlung gestellten Ablehnungsgesuche gegen den Vorsitzenden des Senats und eine Beisitzerin seien rechtsmissbräuchlich und offensichtlich unzulässig. Die beantragte Akteneinsicht sei dem Kläger auf der Geschäftsstelle des LSG gewährt worden. Streitgegenstand sei allein die Versagungsentscheidung. Zutreffend habe das SG die Leistungsklage als unzulässig und die Klage gegen die Versagungsentscheidung als unbegründet angesehen, weil hinsichtlich der Hilfebedürftigkeit des Klägers die Eigentumsverhältnisse an dem von ihm bewohnten Hausgrundstück ebenso zu klären gewesen seien wie die Höhe seiner Einkünfte aus verschiedenen deutschen und ausländischen Renten. Der Bescheid vom 5.12.2022 sei nicht Gegenstand des Verfahrens geworden.
Gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil des LSG wendet sich der Kläger und beantragt die Bewilligung von PKH unter Beiordnung eines Rechtsanwalts.
II
Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint( § 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫ iVm § 114 Zivilprozessordnung ≪ZPO≫) ; daran fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg wäre nur zu bejahen, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten(§ 73 Abs 4 SGG ) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu(§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) . Klärungsbedürftige Rechtsfragen zur Rechtmäßigkeit von Versagungsbescheiden oder zur Verletzung von Mitwirkungspflichten stellen sich nicht(vgl dazu Bundessozialgericht ≪BSG≫ vom 16.8.2022 - B 8 SO 61/21 B - RdNr 5;BSG vom 14.6.2022 - B 8 SO 21/22 BH , jeweils mwN) . Aus den vorstehenden Gründen ist auch eine Divergenz(§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) nicht ersichtlich.
Es ist auch nicht erkennbar, dass ein zugelassener Rechtsanwalt mit Erfolg einen Verfahrensmangel(§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) geltend machen könnte. Es ist nicht erkennbar, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter mit Erfolg einen Verstoß gegen das Verfahrensgrundrecht auf den gesetzlichen Richter( Art 101 Abs 1 Satz 2 Grundgesetz ≪GG≫) geltend machen kann, weil das Gericht unter Mitwirkung der in der mündlichen Verhandlung wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnten Richter entschieden hat. Erfolgt die Ablehnung eines Befangenheitsantrags nicht durch Zwischenentscheidung(dazu etwaBSG vom 5.8.2003 - B 3 P 8/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 1 RdNr 8 f) , sondern - wie hier - in den Urteilsgründen unter Mitwirkung der abgelehnten Richter, kann damit zwar ein Verfahrensfehler vorliegen, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Das LSG durfte vorliegend aber ohne Verstoß gegen § 60 SGG iVm § 45 Abs 1 ZPO in dem angegriffenen Urteil das Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung der abgelehnten Richter als unbeachtlich werten, weil es in nicht zu beanstandender Weise einen Rechtsmissbrauch angenommen hat(vgl hierzuBSG vom 23.10.2017 - B 8 SO 28/17 BH - RdNr 6 ;BSG vom 13.8.2009 - B 8 SO 13/09 B - RdNr 10 mwN) . Ein Ablehnungsgesuch, das - wie hier - keine Begründung oder lediglich Ausführungen enthält, die zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeignet sind, ist unzulässig. Bei offensichtlicher Unzulässigkeit bedarf es keiner dienstlichen Stellungnahme des abgelehnten Richters; dieser ist auch bei der Entscheidung über das offensichtlich unzulässige Ablehnungsgesuch nicht ausgeschlossen(vgl Bundesverfassungsgericht ≪BVerfG≫ ≪Kammer≫ vom 2.5.2006 - 1 BvR 698/06 - BVerfGK 8, 59, 60 ) .
Es ist ebenfalls nicht ersichtlich, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter eine Verletzung des Anspruchs des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs(§ 62 SGG ;Art 103 GG ) erfolgreich geltend machen könnte.
Zutreffend ist das LSG zunächst davon ausgegangen, dass der Kläger mit seinem Schriftsatz vom 25.7.2022 nicht lediglich einen isolierten Antrag auf Bewilligung von PKH für ein angestrebtes Berufungsverfahren gestellt hat, sondern zugleich mit dem PKH-Antrag auch schon Berufung eingelegt hat. Dies entspricht erkennbar auch der Sichtweise des Klägers, der selbst darauf hingewiesen hat, dass dieser Schriftsatz (auch) bereits ein Rechtsmittel enthalte(Schreiben vom 18.9.2022) . Zwar hat das LSG über den PKH-Antrag erst einen Tag vor der mündlichen Verhandlung entschieden und diese Entscheidung erst nach der mündlichen Verhandlung zugestellt. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör würde aus einem solchen Vorgehen aber nur dann folgen, wenn dem Beteiligten, der PKH begehrt, bei zeitgerechter Entscheidung über seinen Antrag PKH zugestanden hätte(vgl nurBSG vom 22.7.2020 - B 13 R 17/19 BH - RdNr 8 ;BSG vom 3.4.2020 - B 8 SO 58/19 B - RdNr 6 ;BSG vom 4.12.2007 - B 2 U 165/06 B - SozR 4-1500 § 62 Nr 9) . Es ist nicht erkennbar, dass hier ein solcher Fall vorlag; denn der Kläger hatte trotz mehrfacher Erinnerungen und einer abschließenden Fristsetzung durch das LSG(Schreiben vom 26.11.2022) keine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt, wie dies Voraussetzung für die Bewilligung von PKH ist. Soweit er auf eine im Frühjahr 2021 gegenüber dem SG abgegebene Erklärung Bezug genommen hat, ist nicht zu beanstanden, wenn das LSG diese Ende 2022 nicht als ausreichend aktuell angesehen hat. Die Ablehnung von PKH erweist sich damit als rechtsfehlerfrei.
Soweit das LSG dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Vertagungsantrag des Klägers nicht entsprochen hat, ist ebenfalls nicht ersichtlich, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter deshalb erfolgreich einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör geltend machen könnte. Der Kläger ist im Termin zur mündlichen Verhandlung anwesend gewesen und gehört worden. Es ist nicht erkennbar, dass in der mündlichen Verhandlung erstmals rechtliche Gesichtspunkte eingeführt worden sind, die möglicherweise für die Sachentscheidung erheblich waren. Wegen der engen Verknüpfung mit dem verfassungsrechtlichen Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör verdichtet sich die in das Ermessen des Gerichts gestellte Vertagung(vgl § 202 SGG iVm§ 227 Abs 1 Satz 1 ZPO : "kann") zwar zu einer entsprechenden Pflicht, wenn anderenfalls eine Gehörsverletzung unvermeidbar ist, weil einem Beteiligten die Möglichkeit zu einem erschöpfenden und sachgerechten Vortrag genommen wird(vglBVerfG vom 18.8.2010 - 1 BvR 3268/07 - BVerfGK 17, 479 , 486mwN) . Solche Umstände sind hier aber nicht ersichtlich.
Soweit der Kläger als Grund für eine Vertagung die fehlende Bescheidung des PKH-Antrags vorbringt, hat das LSG ihn vor der Verhandlung darauf hingewiesen, dass nach Ablauf der Frist zur Vorlage der Erklärung (am 9.12.2022) nur die Ablehnung von PKH in Betracht kommt. Somit handelt es sich einerseits nicht um einen Gesichtspunkt, der erst in der mündlichen Verhandlung eingeführt worden ist, und andererseits hat der Kläger - wie oben ausgeführt - nichts vorgebracht, was erkennbar werden lässt, weshalb er die erbetene Erklärung nicht zeitgerecht vorgelegt hat. Auch der wiederholte Antrag auf Akteneinsicht stellt keinen Grund für eine Vertagung dar, weil dem Kläger am 16.11.2022 Akteneinsicht(vgl§ 120 SGG ) in die Verwaltungsvorgänge, die Gerichtsakte und die Geschäftsverteilungspläne (auch in den internen Geschäftsverteilungsplan) auf der Geschäftsstelle des LSG ermöglicht worden ist. Der Kläger ist zu diesem Termin auch erschienen, hat die Möglichkeit der Einsichtnahme aber abgebrochen. Ein nachvollziehbarer Grund hierfür ist nicht erkennbar geworden. Gleiches gilt für den Antrag auf Aussetzung(vgl§ 114 SGG ) , der ersichtlich nur gestellt worden ist, um eine Vertagung zu erzwingen.
Zutreffend haben SG und LSG schließlich die Leistungsklage als unzulässig angesehen und insoweit zu Recht ein Prozessurteil statt eines Sachurteils erlassen. Gegen einen Versagensbescheid ist regelmäßig nur die Anfechtungsklage eröffnet(vglBSG vom 21.10.2020 - B 8 SO 28/20 B ;BSG vom 1.7.2009 - B 4 AS 78/08 R - BSGE 104, 26 = SozR 4-1200 § 66 Nr 5, RdNr 12 mwN) . Eine zusätzliche Klage auf Gewährung von Leistungen ist nach der Rechtsprechung ausnahmsweise nur dann zulässig, wenn die anderweitige Klärung der Leistungsvoraussetzungen zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Dies war hier nicht der Fall. Auch der Fall, dass die Behörde bei einer Aufhebung der Entscheidung über die Versagung voraussichtlich lediglich das bisherige Verwaltungsverfahren wiederholen würde und im Ergebnis die Leistung in der Sache mit der gleichen Begründung ablehnen würde(vgl dazuBSG vom 1.7.2009 - B 4 AS 78/08 R - BSGE 104, 26 = SozR 4-1200 § 66 Nr 5, RdNr 16) , liegt nicht vor. Schließlich ist der Bescheid vom 5.12.2022, der eine Entscheidung über die (nachträgliche) Gewährung von Leistungen trifft, nicht Gegenstand des Verfahrens geworden, denn er hat den Versagungsbescheid nicht abgeändert oder ersetzt(vgl§ 96 Abs 1 SGG ) ; ein Versagungsbescheid ist nach Nachholung der Mitwirkung vielmehr gesondert aufzuheben(vglBSG vom 22.2.1995 - 4 RA 44/94 - BSGE 76, 16 = SozR 3-1200 § 66 Nr 3; BeckOGK/Spellbrink, 1.8.2019, SGB I § 67 RdNr 14). Eine solche Regelung trifft der Bescheid vom 5.12.2022 aber nicht.
Mit der Ablehnung von PKH entfällt die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH(§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG ,§ 121 Abs 1 ZPO ) .
Vorsitzende Richterin am BSG Krauß ist wegen … an der Signatur gehindert Bieresborn |
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Bieresborn |
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Luik |
Fundstellen
Dokument-Index HI16612048 |