Verfahrensgang

Hessisches LSG (Beschluss vom 14.06.2017; Aktenzeichen L 8 KR 250/16)

SG Wiesbaden (Urteil vom 25.01.2016; Aktenzeichen S 22 R 327/14)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. Juni 2017 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 40 289,73 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich die klagende GmbH gegen eine Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen iHv 40 289,73 Euro. Die Nachforderung resultiert aus der Annahme von Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung der Beigeladenen zu 1. als (Fremd)Geschäftsführerin der Klägerin in der Zeit vom 1.1.2008 bis 31.12.2011.

Alleingesellschafter der klagenden GmbH ist der Ehemann der Beigeladenen zu 1. Nach einer Betriebsprüfung stellte die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung der Beigeladenen zu 1. fest und forderte von der Klägerin Beiträge in der og Höhe nach. Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (SG-Urteil vom 25.1.2016; LSG-Beschluss vom 14.6.2017). Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG.

II

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Hessischen LSG vom 14.6.2017 ist gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil/der angefochtene Beschluss von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Behauptung, die Entscheidung des Berufungsgerichts sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18 = Juris RdNr 9).

Die Klägerin beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 23.10.2017 auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und macht das Vorliegen von Verfahrensmängeln (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend.

1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 RK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Die Klägerin macht geltend, "die hier vorliegende Fallkonstellation" sei in zweierlei Hinsicht bislang vom BSG nicht entschieden worden. Gerügt werde, dass ausweislich der Darlegungen des LSG die Rechtsauffassung vertreten werde, dass ein geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH, der weder über eine mindestens 50 %ige Kapitalbeteiligung noch über eine Sperrminorität verfüge, in aller Regel abhängig beschäftigt sei, weil er der Prüfung und Überwachung durch die Gesellschafterversammlung unterliege und an deren Weisungen gebunden sei. Diese Rechtsauffassung stehe jedoch nicht im Einklang mit den Grundsätzen, wie sie für die Anwendung von § 7 Abs 1 SGB IV von der Rechtsprechung aufgestellt worden seien. Danach sei grundsätzlich das Gesamtbild der Tätigkeit nach Maßgabe der den Einzelfall bestimmenden rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse ausschlaggebend. Vorliegend sei die Beigeladene zu 1. "einer wirtschaftlichen Risikosituation" von über 300 000 Euro ausgesetzt gewesen ist, weswegen die Entscheidung des BSG vom 19.8.2015 (B 12 KR 9/14 R - Juris) nicht Platz greifen könne, weil es dort nur um ein Darlehen iHv 60 000 Euro gegangen sei. Vorliegend handele es sich um den Fall einer "Unterbeteiligung an einem Gesellschaftsanteil", wodurch die Beigeladene zu 1. als "Unterbeteiligte unmittelbar zu der GmbH in keiner Rechtsbeziehung" stehe, "woraus der Gewinnbeteiligungsanspruch und das Weisungsrecht der Beigeladenen zu 1. auch gegenüber dem Gesellschafter" begründet würde. Auch wenn die Unterbeteiligung gesetzlich nicht geregelt sei, so sei sie doch rechtlich anerkannt und würde als Gesellschaft bürgerlichen Rechts, auf die Elemente der stillen Gesellschaft anzuwenden seien, eingeordnet.

a) Die Beschwerdebegründung erfüllt die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge (vgl hierzu exemplarisch BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN) nicht, weil die Klägerin keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN) formuliert. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11 mwN).

b) Darüber hinaus genügt die Beschwerdebegründung auch deshalb nicht den Zulässigkeitsanforderungen, weil die Klägerin die Klärungsbedürftigkeit ihrer in den Raum gestellten Rechtsauffassung nicht dargelegt hat. Hierzu hätte sie konkret auf die bereits vom LSG zitierte jüngere Rechtsprechung des 12. Senats des BSG zur Frage des sozialversicherungsrechtlichen Status von Fremdgeschäftsführern (vgl BSG Urteil vom 18.12.2001 - B 12 KR 10/01 R - SozR 3-2400 § 7 Nr 20 S 79 mwN) und Gesellschafter-Geschäftsführern (BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17 <Schönwetter-Selbstständigkeit>; BSG Urteil vom 29.7.2015 - B 12 KR 23/13 R - BSGE 119, 216 = SozR 4-2400 § 7 Nr 24 <Aufgabe "Kopf und Seele"-Rechtsprechung>; BSG Urteile vom 11.11.2015 - B 12 KR 13/14 R - BSGE 120, 59 = SozR 4-2400 § 7 Nr 26 und - B 12 KR 10/14 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 28 <jeweils zu Stimmbindungsverträgen>) eingehen und darlegen müssen, inwieweit die von ihr geäußerte Rechtsauffassung Fragen aufwirft, die sich nicht bereits auf Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung des BSG beantworten lassen.

c) Schließlich genügt die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde auch deshalb nicht den Darlegungsanforderungen, weil die Klägerin überwiegend lediglich ihre eigene Rechtsauffassung, insbesondere zu einer ihrer Meinung nach vorliegenden "Unterbeteiligung" der Beigeladenen zu 1. und zum vermeintlichen Bestehen einer GbR, zum Ausdruck bringt. Damit rügt die Klägerin im Kern lediglich eine vermeintliche materiell-rechtliche Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Hierauf kann aber - wie dargelegt - eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.

2. Die Klägerin rügt eine Verletzung von § 103 SGG, indem das LSG ohne hinreichende Begründung einem Beweisantrag der Klägerin nicht gefolgt sei. Im Rahmen der Erstellung eines Gesamtbilds sei die Einvernahme der Beteiligten, insbesondere die Einvernahme eines von der Klägerin benannten Zeugen erforderlich gewesen. Letztmalig mit Schriftsatz der Klägerin vom 16.3.2017 sei erneut der vom Gesetz geforderte Beweisantrag gestellt worden.

Hierdurch zeigt die Klägerin einen entscheidungserheblichen Verfahrensmangel nicht in einer den Zulässigkeitsanforderungen entsprechenden Weise auf. Wird - wie vorliegend - ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) gerügt, muss die Beschwerdebegründung hierzu folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu Protokoll aufrechterhaltenen oder im Urteil wiedergegebenen Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zur weiteren Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf einer angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme von seinem Standpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (stRspr, vgl zB BSG Beschluss vom 3.12.2012 - B 13 R 351/12 B - Juris RdNr 6 mwN).

a) Um den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG zu entsprechen, muss insbesondere aufgezeigt werden, dass konkrete Beweisanträge gestellt und dem Gericht nicht etwa nur bloße Beweisanregungen gegeben wurden. Solche Anträge müssen - wenn wie hier eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergeht - jedenfalls im Urteilstatbestand aufgeführt worden sein oder zumindest in der Beschwerdebegründung - mit Angabe der Fundstelle in den Akten - im Zusammenhang mit der Darlegung bezeichnet sein, dass der (echte) Beweisantrag anlässlich der Erklärung des Einverständnisses mit der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ausdrücklich gestellt und wiederholt worden ist (vgl zu § 153 Abs 4 SGG: BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 31). Das ist nicht geschehen. Die Klägerin verweist lediglich auf einen Schriftsatz vom 16.3.2017, gibt jedoch den darin vermeintlich enthaltenen (möglichen) Beweisantrag in der Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde nicht wieder. Tatsächlich ist in dem Schriftsatz lediglich die Aussage enthalten, es werde "an den gestellten Beweisanträgen" hinsichtlich der Anhörung des Ehemanns der Beigeladenen zu 1. und eines Zeugen festgehalten. So bleibt unklar, welche konkreten formellen Beweisanträge die Klägerin im Einzelnen im Berufungsverfahren gestellt hat (zum Erfordernis der Aufrechterhaltung von Anträgen vgl zB BSG Beschluss vom 29.3.2016 - B 1 KR 126/15 B - SozR 4-1500 § 10 Nr 11 mwN).

b) Darüber hinaus unterlässt die Klägerin Ausführungen dazu, inwieweit sich das LSG - ausgehend von seiner Rechtsauffassung - zu weiteren Ermittlungen bzw einer Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen, das LSG also mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können (stRspr, vgl erneut zB BSG Beschluss vom 3.12.2012 - B 13 R 351/12 B - Juris RdNr 6 mwN). Zu entsprechenden vertieften Ausführungen hätte angesichts der eindeutigen Rechtsprechung des BSG zur Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung von (Fremd-)Geschäftsführern einer GmbH, auf die sich das LSG ausdrücklich gestützt hat (siehe oben), Anlass bestanden.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.

5. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG und entspricht der von den Beteiligten nicht beanstandeten Festsetzung durch das LSG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI11760300

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