Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Urteil vom 28.09.2017; Aktenzeichen L 7 R 504/15)

SG Augsburg (Entscheidung vom 22.05.2015; Aktenzeichen S 2 R 61/14)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. September 2017 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 15 000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob die Beigeladenen zu 1. bis 3. als "mitarbeitende Kommanditisten" der klagenden UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG in ihrer für die Klägerin verrichteten Tätigkeit als Schlachter aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterliegen.

Die Klägerin ist ein Zusammenschluss ungarischer Schlachter in Form einer KG zum Zwecke der Schweine- und Rinderschlachtung. Komplementär der Klägerin ist nach den Feststellungen des LSG eine GmbH. Geschäftsführer der GmbH und auch der Klägerin ist ein Dritter, der hierfür keine Vergütung erhält. Die Summe aller Kapitaleinlagen der Klägerin betrug zunächst 3000 Euro, die Komplementär-GmbH war an der Klägerin mit einer Kapitalanlage von 1500 Euro beteiligt. Als Kommanditisten waren im Dezember 2012 31 Personen am Festkapital beteiligt, wobei die gesellschaftsrechtliche Haftung der Kommanditisten ihrer jeweiligen Kommanditeinlage zwischen 62,50 Euro und 168,75 Euro entsprach. Die Berechnung der Gewinnanteile der Kommanditisten erfolgte entsprechend dem Anteil der Kommanditisten am Festkapital der Klägerin. Eine Ausschüttung der Gewinnanteile am Jahresende war die einzige Vergütung der Kommanditisten für ihre Tätigkeit als Schlachter. Monatlich erhielten die Kommanditisten im Vorgriff auf die Jahresabrechnung mit Gewinnausschüttung eine Abschlagszahlung zwischen 1500 Euro und 2700 Euro. Am Jahresende kam es entweder zu Nachzahlungen oder einem offenen Betrag, den der betroffene Kommanditist in der Folgezeit abarbeiten konnte. Urlaubszeiten und sonstige Ausfallzeiten, wie zB Krankheit, wurden dadurch aufgefangen, dass entsprechend mehr Kommanditisten in die Gesellschaft aufgenommen wurden; damit wurde sichergestellt, dass immer in etwa die zur Auftragserfüllung notwendige Anzahl an Schlachtern einsatzbereit war. Am 30.5.2011 schloss die Klägerin mit einer Fleisch-, Schlacht- und Zerlegebetriebe GmbH einen "Werkvertrag". Die Kommanditisten wurden von der Klägerin zu Teams zusammengefasst, die dann die Aufträge der Kundin der Klägerin in deren Betriebstätte gemäß den Vorgaben der Kundin der Klägerin ausführten. Ihre Vergütung erhielten die Kommanditisten entsprechend ihrem Anteil an der Kapitaleinlage bei der Klägerin, abgestellt auf die erbrachte Leistung für die Kundin der Klägerin.

Die Beigeladenen zu 1. bis 3. sind Kommanditisten der Klägerin. Sie sind ungarische Schlachter, die Aufträge der Klägerin von Dritten als Schlachter erfüllen.

Im Rahmen eines von der Klägerin initiierten Statusfeststellungsverfahrens stellte die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund durch einzelne Bescheide fest, dass die Beigeladenen zu 1. bis 3. in ihrer Tätigkeit für die Klägerin aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterliegen. Die Klagen, die das SG zu einem gemeinsamen Verfahren verbunden hat, sind erfolglos geblieben (SG-Urteil vom 22.5.2015; LSG-Urteil vom 28.9.2017). Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.

II

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen LSG vom 28.9.2017 ist gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18 = Juris RdNr 9).

1. Die Klägerin beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 17.1.2018 ausschließlich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Hierzu muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Die Klägerin wirft auf Seite 3 der Beschwerdebegründung die Fragen auf,

"ob zur Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status eines mitarbeitenden Kommanditisten die bezogen auf Kapitalgesellschaften entwickelte Rechtsprechung wegen der vergleichbaren Interessenlage auch für Kommanditisten bei Kommanditgesellschaften entsprechend heranzuziehen ist, d.h. ob der mitarbeitende Kommanditist dann nicht abhängig beschäftigt i.S.d. § 7 SGB IV ist, wenn er aufgrund seiner Stellung als Kommanditist die Rechtsmacht hat, unliebsame Weisungen in Bezug auf seine Tätigkeit zu verhindern", und

"ob der mitarbeitende Kommanditist, sollte die vorgenannte Frage zu verneinen sein, schon aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung als Kommanditist nicht abhängig beschäftigt zu der Kommanditgesellschaft, an der er gesellschaftsvertraglich beteiligt ist, sein kann."

Die Klägerin macht umfangreiche Ausführungen zur Entwicklung der Rechtsprechung des BSG zur Abgrenzung von (abhängiger) Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit, insbesondere bei GmbH-Geschäftsführern und GmbH-Gesellschaftern. Auf Seite 7 führt sie aus, falls die bisherige Rechtsprechung zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung von mitarbeitenden GmbH-Gesellschaftern nach Aufgabe der "Kopf-und-Seele-Rechtsprechung" nicht mehr auf die Mitarbeit von Kommanditisten in ihrer Kommanditgesellschaft übertragbar sei, könne entweder der Fall eintreten, dass schon die gesellschaftsrechtliche Stellung als Kommanditist ein Beschäftigungsverhältnis zur Kommanditgesellschaft ausschließe. Oder es könne der Fall eintreten, dass es dann - trotz oder wegen Kommanditistenstellung - auf die allgemeinen Grundsätze zur Unterscheidung einer abhängigen Beschäftigung von einer selbstständigen Tätigkeit ankomme, diese auch für Gesellschafter, die in der Gesellschaft mitarbeiten, gelten. In beiden Fällen könne das angefochtene Urteil keinen Bestand haben, weil die Begründung des LSG rechtsfehlerhaft sei, im ersten Fall, wegen der fehlenden Übertragbarkeit der bisherigen Rechtsprechung zu mitarbeitenden GmbH-Gesellschaftern, im zweiten Fall, weil das LSG nach den allgemeinen Grundsätzen zu Unrecht Beschäftigung festgestellt habe; insoweit würden die Argumente der Eingliederung in die Organisationsstruktur bzw das Bestehen eines Weisungsrechts und eines fehlenden Unternehmerrisikos sowie die übrigen Argumente für die Annahme von Beschäftigung nicht überzeugen. Die Klägerin verweist auf zwei sozialrechtliche Meinungen (Seewald in Kasseler Komm, 96. EL September 2017, SGB IV § 7 RdNr 30; Bauer/Baeck/Schuster, NZA 2000, 863). Nach der Letztgenannten kann einem Kommanditisten im Rahmen des Gesellschaftsvertrags von den anderen Mitgesellschaftern Geschäftsführungsbefugnis eingeräumt werden. In diesem Fall sei der aufgrund des Gesellschaftsvertrags mitarbeitende Kommanditist wegen seiner Gesellschafterstellung grundsätzlich nicht abhängig beschäftigt und kein Arbeitnehmer. Eine entsprechende Anwendung der arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Regelungen scheide mangels Gesetzeslücke aus. Eine abhängige Beschäftigung könne nur dann gegeben sein, wenn der Kommanditist auf der Grundlage eines zweiten Vertragsverhältnisses für die Gesellschaft tätig wird. In diesem Fall beurteile sich nach allgemeinen Grundsätzen, ob er diese Dienstleistungen als persönlich Abhängiger oder als Selbstständiger erbringt (so Bauer/Baeck/Schuster aaO S 867).

a) Es kann offenbleiben, ob die Beschwerdebegründung die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge (vgl hierzu exemplarisch BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN) nicht erfüllt, weil die Klägerin keine abstraktgenerelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN) formuliert. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11 mwN). Hieran bestehen Zweifel, weil die Klägerin zwar § 7 Abs 1 SGB IV erwähnt, ihre Fragen jedoch in Richtung einer Subsumtionsfrage zielen. Letztlich kann dies offenbleiben.

b) Jedenfalls legt die Klägerin die Klärungsbedürftigkeit ihrer Fragen nicht in einer den Zulässigkeitsanforderungen entsprechenden Weise dar. Die Klägerin versucht, durch die Darstellung der bisherigen Rechtsprechung potentielle Widersprüche herauszuarbeiten, die zu einer Entscheidung zwischen zwei Alternativen zwingen würden, in jedem Fall aber - ihrer Meinung nach - zum fehlenden Bestand des angefochtenen Urteils und damit zu einem Erfolg einer späteren Revision führen müssten. Dabei übersieht die Klägerin, dass eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie dargelegt - nicht auf eine vermeintliche materiell-rechtliche Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung gestützt werden kann, in ihrem Denkmodell auf Seite 7/8 also Variante b): "da das LSG rechtsfehlerhaft davon ausgegangen ist, dass auch nach den allgemeinen Grundsätzen von einer abhängigen Beschäftigung der beigeladenen Kommanditisten auszugehen sei"; Seite 9 aa): "Argument (…) überzeugt nicht"; Seite 10 bb): "Argument (…) verfängt nicht"; Seite 11 cc): "Argumente (…) vermögen … nicht zu begründen".

Hinsichtlich ihrer Entscheidungsvariante a) differenziert die Klägerin im Rahmen der Darstellung der Rechtsprechungsentwicklung nicht hinreichend zwischen Entscheidungen zu GmbH-Gesellschaftern, GmbH-Geschäftsführern und GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführern. Zudem legt sie nicht hinreichend dar, inwieweit es zu einer für die vorliegenden Fragen relevanten Änderung der Rechtsprechung in Folge der Aufgabe der Kopf-und-Seele-Rechtsprechung des Senats gekommen sein soll. Sie differenziert auch nicht hinreichend zwischen der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. bis 3. und ihrem Status als Kommanditisten (vgl insoweit zB BSG Urteil vom 29.2.2012 - B 12 KR 4/10 R - BSGE 110, 122 = SozR 4-2500 § 10 Nr 10, RdNr 14 mwN): In Betracht kommt einerseits die "aktive" Tätigkeit als Schlachter (LSG-Urteil Seite 11 unter 1.) und andererseits die Gesellschafterstellung als Kommanditist (LSG-Urteil Seite 13 unter 2.). Hinsichtlich des letztgenannten Punkts fokussiert die Klägerin ihre Begründung in erster Linie auf die Frage einer Übertragbarkeit der Rechtsprechung des BSG zu mitarbeitenden Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft, ohne der naheliegenden Frage nachzugehen, inwieweit sich - unabhängig von einer Übertragung der Rechtsprechung - bereits allein aus der Rechtslage, insbesondere § 7 Abs 1 S 2 SGB IV (Tätigkeit nach Weisung bzw Eingliederung in die Arbeitsorganisation), ausreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen (abhängiger) Beschäftigung ergeben können. Demzufolge befasst sich die Klägerin nicht hinreichend damit, dass die Beigeladenen zu 1. bis 3. gerade nicht Geschäftsführer der Klägerin waren, sie auch nicht Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Klägerin waren und sie auch sonst keine Funktion bei der Klägerin oder der Komplementär-GmbH hatten, aufgrund derer sie (bestimmenden) Einfluss auf die Geschäfte der Klägerin hätten nehmen können. Einer derartigen Annahme standen nach den Feststellungen des LSG schließlich auch ihr geringer Kommanditanteil und das Fehlen einer Sperrminorität entgegen.

2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.

4. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 und 3 GKG und entspricht der von den Beteiligten nicht beanstandeten Festsetzung durch das LSG. Nach Verbindung der Klageverfahren war ein Streitwert von 3 * 5000 Euro festzusetzen (vgl Hartmann, KostG, 47. Aufl 2016, Anh I § 48 GKG (§ 5 ZPO) RdNr 3 mwN).

 

Fundstellen

Haufe-Index 11829385

DStR 2018, 10

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