Verfahrensgang
SG Stuttgart (Entscheidung vom 22.02.2021; Aktenzeichen S 9 BA 3250/20) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 16.11.2023; Aktenzeichen L 7 BA 1096/21) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. November 2023 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob der Kläger in seiner Tätigkeit für die Beigeladene im Bereich der IT-Beratung und Systemprogrammierung aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht ab dem 1.10.2019 in den Zweigen der Sozialversicherung und ab dem 1.1.2020 in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
Unternehmensgegenstand der beigeladenen GmbH ist die Beratung von Unternehmen in allen Fragen der elektronischen Datenverarbeitung, die Projektierung und Entwicklung von Software, die Beratung und Unterstützung der Anwender und der Fachbereiche in der elektronischen Kommunikation sowie beim Errichten und Betrieb von komplexen IT-Landschaften. Weiter betreibt sie die Beratung und Betreuung von Unternehmen bei wirtschaftlichen Aktivitäten weltweit. Der Kläger beschreibt sich als "IT Consultant". An der Beigeladenen ist er als Gesellschafter beteiligt. Sein Anteil am Stammkapital lag zuletzt bei 6,7848 vH. Im Statusfeststellungsverfahren stellte die Beklagte fest, dass der Kläger aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung unterlegen habe(Bescheide vom 30.3.2020; Widerspruchsbescheid vom 15.7.2020) .
Das SG hat die Klage abgewiesen(Urteil vom 22.2.2022) . Im Berufungsverfahren hat die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung durch vom Kläger angenommenes Teilanerkenntnis die angefochtenen Bescheide insoweit zurückgenommen, als für die Zeit ab dem 1.1.2020 Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung festgestellt worden ist. Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger sei mitarbeitender Gesellschafter der Beigeladenen, ohne auf die Geschicke der Gesellschaft maßgeblichen Einfluss nehmen zu können(Urteil vom 16.11.2023) . Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. In der Begründung des Rechtsmittels ist entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG kein Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat(vglBSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 undBSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN) .
Der Kläger zitiert zwei Passagen aus dem Urteil des Senats vom 14.3.2018( B 12 KR 12/17 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 34 RdNr 23, 34) . Das LSG habe die dort genannten Grundsätze ignoriert. Es lasse sich nicht erkennen, dass es die vom BSG geforderte Zuordnung nach dem Gesamtbild der Tätigkeit vorgenommen habe. Ein vollständiger Verzicht auf Weisungen bei Diensten höherer Art sei den Rechtssätzen des BSG nicht zu entnehmen. Das LSG berücksichtige die vertraglichen Regelungen bei der Abwägung der für und gegen eine Beschäftigung sprechenden Umstände nicht. Indem es sich ausschließlich auf die angebliche Weisungsgebundenheit des Klägers und dessen Eingliederung in den Betrieb der Beigeladenen stütze, weiche es von der Rechtsprechung des BSG ab, dass zunächst aufgrund der bestehenden vertraglichen Regelungen eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen sei.
Hierdurch bezeichnet der Kläger keine entscheidungserhebliche Divergenz. Anders als erforderlich legt er einen Widerspruch im Grundsätzlichen nicht dar. Er führt vielmehr aus, warum aus seiner Sicht das LSG bei der konkreten Rechtsanwendung aus seiner Sicht von der Rechtsprechung des BSG abgewichen ist. Die Behauptung, die Entscheidung des Berufungsgerichts sei inhaltlich unrichtig, kann aber im sozialgerichtlichen Verfahren auch unter dem Aspekt einer behaupteten Divergenz nicht zur Zulassung der Revision führen(vglBSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18) .
2. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist(stRspr; vgl nurBSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17;BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN) .
Der Kläger formuliert folgende Frage:
"Kann bei der Projektarbeit insbesondere im IT-Bereich die Weisungsgebundenheit des Auftragnehmers hinsichtlich Zeit, Ort und Inhalt der Arbeitsleistung so weit zurückstehen, dass bei vollständigem Fehlen einer Weisungsgebundenheit allein durch die Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers dennoch eine Beschäftigung angenommen werden kann?"
Trotz vergleichbarer Sachverhalte seien der 7. und der 8. Senat des LSG Baden-Württemberg in verschiedenen Verfahren zu gegensätzlichen Entscheidungen gekommen.
a) Die Beschwerdebegründung erfüllt die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge(vgl hierzu exemplarischBSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN) nicht, weil darin keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts(§ 162 SGG ) mit höherrangigem Recht(BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) formuliert wird. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann(BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN) .
b) Unabhängig davon legt der Kläger die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage nicht hinreichend dar. Eine Rechtsfrage ist dann höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben(BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN) . Daher muss substantiiert aufgezeigt werden, dass und warum sich früheren Entscheidungen keine solchen Anhaltspunkte entnehmen lassen. Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger befasst sich nicht hinreichend mit der umfangreichen Rechtsprechung des Senats zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit. Hinsichtlich der aufgeworfenen Frage hat der Senat bereits entschieden, dass Weisungsgebundenheit und Eingliederung in den Betrieb nicht stets kumulativ vorliegen müssen. Die in§ 7 Abs 1 Satz 2 SGB IV genannten Merkmale sind danach schon nach dem Wortlaut der Vorschrift nur "Anhaltspunkte" für eine persönliche Abhängigkeit, also im Regelfall typische Merkmale einer Beschäftigung und keine abschließenden Bewertungskriterien(BSG Urteil vom 28.6.2022 - B 12 R 4/20 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 66 RdNr 27 mwN) . Die in§ 7 Abs 1 Satz 2 SGB IV genannten Anhaltspunkte der Weisungsgebundenheit und der Eingliederung stehen weder in einem Rangverhältnis zueinander noch müssen sie stets kumulativ vorliegen(vglBSG Urteil vom 13.12.2022 - B 12 KR 16/20 R - juris RdNr 21 mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) . Vor diesem Hintergrund zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf, inwieweit eine erneute Klärungsbedürftigkeit vorliegen soll. Soweit der Kläger vorträgt, zwei Senate des LSG Baden-Württemberg seien bei vermeintlich vergleichbaren Sachverhalten zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen, wird hierdurch eine (erneute) Klärungsbedürftigkeit im Rahmen einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nicht hinreichend dargelegt.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen(§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von§ 193 SGG .
Fundstellen
Dokument-Index HI16574423 |