Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozessvertretung. Vollmacht. Erteilung. Nachträglichkeit. Heilung. Rückwirkung. Postulationsfähigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Die nachträgliche Erteilung einer Vollmacht zur Prozessvertretung vor dem Bundessozialgericht i.S. des § 166 Abs. 2 SGG ändert nichts an der Unwirksamkeit der von einem zunächst nicht postulationsfähigen Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlung, da § 166 Abs. 2 SGG das rechtzeitige Vorliegen einer schriftlichen Vollmacht verlangt.

 

Normenkette

SGG § 166 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Urteil vom 02.07.2002)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen – Bremen vom 2. Juli 2002 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der Kläger hat mit dem am 9. August 2002 beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangenen Schriftsatz vom 8. August 2002 Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem seiner Prozessbevollmächtigten am 14. Juli 2002 zugestellten Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen vom 2. Juli 2002 eingelegt und das Rechtsmittel mit dem am 10. September 2002 eingegangenen Schriftsatz vom 7. September 2002 begründet. Beide Schriftsätze sind von der Prozessbevollmächtigten des Klägers, der Sozialreferentin des Bundes Deutscher Kriegsopfer, Körperbehinderter und Sozialrentner e.V. (BDKK), H. … L. …, unterzeichnet worden.

Mit Verfügung vom 13. August 2002 an die Prozessbevollmächtigte wurde die Vorlage eines Zeugnisses nach § 69 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), der Satzung des BDKK und einer Vollmacht zur Vertretung des BDKK vor dem BSG erbeten.

Mit einem am 9. September 2002 eingegangenen Schriftsatz vom 17. August 2002 ist ua eine auf die Sozialreferentin H. … L. … ausgestellte Postulationsvollmacht zur Vertretung des BDKK vor dem BSG gem § 166 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vorgelegt worden. Sie ist vom ersten Bundesvorsitzenden des BDKK unterzeichnet und trägt das Datum vom 31. August 2002.

Mit Schreiben des Senats vom 18. September 2002 wurde die Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hingewiesen, dass Zweifel daran bestehen könnten, ob sie im Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde kraft Satzung bzw kraft der vorgelegten Vollmacht vom 31. August 2002 zur Prozessvertretung vor dem BSG gem § 166 Abs 2 SGG befugt war. Ihr wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, sie hat sich jedoch trotz Erinnerung nicht geäußert.

Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig; sie ist nicht formgerecht eingelegt worden. Der Kläger war bei der Einlegung der Beschwerde nicht prozessordnungsgemäß vertreten.

Vor dem BSG müssen sich die Beteiligten, soweit es sich nicht um Behörden oder Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts handelt, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen (§ 166 Abs 1 SGG). Das gilt schon für die Einlegung der Beschwerde; schon die Beschwerdeschrift muss von einem Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein (BSG SozR Nr 1 zu § 164 SGG und Nr 5 zu § 166 SGG; BSGE 1, 106, 108 ff). Dem ist hier nicht genügt, denn die Sozialreferentin des BDKK, H. … L. …, die die Beschwerdeschrift unterzeichnet hat, gehörte im Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels nicht zu den Prozessbevollmächtigten, die gem § 166 Abs 2 SGG vor dem BSG zugelassen sind.

Nach dieser Vorschrift sind ua die Mitglieder und Angestellten von Vereinigungen, die ihre Mitglieder im sozialen Entschädigungsrecht vertreten, als Prozessbevollmächtigte zugelassen, sofern sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Prozessvertretung befugt sind (§ 166 Abs 2 iVm § 14 Abs 3 Satz 2 SGG); diese Befugnis hat für die Prozessbevollmächtigte des Klägers bei Einlegung der Beschwerde nicht vorgelegen.

Das Gesetz hat nicht alle Angestellten bzw Mitglieder der in § 166 Abs 2 SGG erwähnten Verbände als Prozessbevollmächtigte zugelassen, sondern nur diejenigen, die der Verband mit der Prozessführung betraut hat. Es ist daher unabdingbar, dass der Verband klar regelt, welchem Personenkreis er diese Befugnis verleiht. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers gehört auch in ihrer Eigenschaft als Sozialreferentin des BDKK nicht zu diesem Personenkreis. Zwar steht den Mitgliedern des BDKK das Recht auf Vertretung vor den Bundesgerichten durch den BDKK zu (§ 4 Nr 4.3 der Satzung). Eine satzungsrechtliche Befugnis der Sozialreferentin zur Vertretung von Mitgliedern vor dem BSG iS des § 166 Abs 2 SGG folgt daraus jedoch nicht; denn die Bundessozialreferentin als Vorsitzende des Bundessozialrats hat lediglich die Aufgabe, den Bundesvorstand in sozialpolitischen Aufgaben zu beraten und Eingaben des BDKK an Ministerien usw vorzubereiten (§ 14 Nr 14.1 der Satzung).

Die Zulässigkeit der Beschwerde ergibt sich auch nicht aus einer Vollmacht zur Prozessvertretung gem § 166 Abs 2 SGG, für deren Vorhandensein den Rechtsmittelführer die Nachweispflicht trifft. Der Prozessbevollmächtigten des Klägers ist eine solche Vollmacht zwar von dem satzungsgemäß dazu befugten ersten Bundesvorsitzenden erteilt worden; diese Vollmacht in Schriftform hat jedoch noch nicht bei Einlegung der Beschwerde am 9. August 2002 vorgelegen.

Die mit Datum vom 31. August 2002 versehene Vollmacht verleiht zwar der in ihr genannten Person die Postulationsfähigkeit für die Zukunft mit der Folge, dass der Einwand der nicht prozessordnungsgemäßen Vertretung nicht mehr gegen die nach ihrer Einreichung rechtzeitig eingegangene Beschwerdebegründung zu erheben ist. Jedoch ändert die nachträgliche Erteilung einer solchen Vollmacht an der Unwirksamkeit der von einem zunächst nicht postulationsfähigen Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlung nichts; denn die von einem Postulationsunfähigen vorgenommene Prozesshandlung kann nicht durch eine spätere Genehmigung eines postulationsfähigen Prozessbevollmächtigten rückwirkend geheilt werden (BSG SozR Nr 5, 28, 37 zu § 166 SGG und Nr 46 zu § 164 SGG; SozR 1500 § 166 Nr 3). Die Prozesshandlung kann nur wiederholt werden. Mit der Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeeinlegung im vorliegenden Falle aber schon deshalb nicht wirksam wiederholt werden können, weil bei ihrer Vorlage am 10. September 2002 die Beschwerdefrist gem § 160a Abs 1 Satz 2 SGG schon mit dem 14. August 2002 abgelaufen war.

An dem Fehlen einer rechtzeitigen Vollmacht ändert es nichts, wenn der Prozessbevollmächtigten des Klägers etwa bereits früher vom ersten Bundesvorsitzenden des BDKK mündlich eine Postulationsvollmacht zur Vertretung der Mitglieder erteilt worden sein sollte. Der § 166 Abs 2 SGG verlangt nämlich das rechtzeitige Vorliegen einer schriftlichen Vollmacht, auch wenn dies in der Vorschrift nicht ausdrücklich gesagt ist (BSG SozR 1500 § 166 Nr 12).

Da die Beschwerde nach allem nicht in der gesetzlichen Form eingelegt worden ist, muss sie gem § 160a Abs 4 Satz 2 iVm § 169 SGG als unzulässig verworfen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1176719

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