Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 11.03.1991) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 11. März 1991 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist ein Anspruch auf vorgezogenes Altersruhegeld.
Die im Mai 1927 geborene Klägerin hat 15 Kinder zur Welt gebracht, von denen drei während des ersten Lebensjahres verstorben sind. Für 13 Kinder erkannte die Beklagte Kindererziehungszeiten (KEZ) an, die in dem Zeitraum von Mai 1949 bis Februar 1970 liegen. Ferner wurden der Klägerin im Rahmen des Versorgungsausgleichs für ihre Ehezeit von März 1951 bis März 1982 Rentenanwartschaften übertragen, die nach dem Versicherungsverlauf vom 29. Mai 1986 mit 180 Monaten für die Erfüllung von Wartezeiten anzurechnen sind.
Im September 1989 beantragte die Klägerin Altersruhegeld wegen Vollendung des 60. Lebensjahres. Den ablehnenden Bescheid vom 30. November 1989 stützte die Beklagte darauf, daß der Klägerin vorgezogenes Altersruhegeld nicht zustehe, weil sie nicht sämtliche Voraussetzungen des § 1248 Abs 1, 2 oder 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) erfülle. Mit der hiergegen beim Sozialgericht Mainz (SG) erhobenen Klage machte die Klägerin im wesentlichen einen Rentenanspruch nach § 1248 Abs 3 RVO geltend. Nicht nur die Wartezeit, sondern auch die Voraussetzung überwiegender beitragspflichtiger Beschäftigung in den letzten 20 Jahren sei durch die im Versorgungsausgleich übertragenen Anwartschaften und die KEZ erfüllt. Erstgenannte Anwartschaften stünden einer versicherungspflichtigen Beschäftigung im Sinne dieser Vorschrift gleich. Außerdem sei eine unterschiedliche Behandlung von Beitragszeiten und Zeiten der Kindererziehung oder Hausfrauenarbeit nicht zu rechtfertigen. Nach Erziehung ihrer Kinder sei es ihr sowohl wegen fehlender Arbeitsplätze als auch infolge ihrer gesundheitlichen Situation nicht möglich gewesen, eine versicherungspflichtige Tätigkeit aufzunehmen. Die Unterscheidung zwischen einer berufstätigen Frau und einer nichtberufstätigen Hausfrau und Mutter sei gerade im Hinblick auf solche Frauen willkürlich, die weit über das 40. Lebensjahr hinaus mit der Kinderbetreuung befaßt und somit in dem maßgeblichen Zeitraum an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gehindert seien. Darin liege ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1, Art 14 und 20 des Grundgesetzes (GG).
Die gegen das klageabweisende Urteil des SG vom 14. September 1990 eingelegte Berufung hatte keinen Erfolg. Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG) hat es in seinem Urteil vom 11. März 1991 – ebenso wie bereits das SG – abgelehnt,
KEZ oder im Versorgungsausgleich übertragene Rentenanwartschaften einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung iSv § 1248 Abs 3 RVO gleichzuerachten.
Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision macht die Klägerin im wesentlichen geltend: Wie sich aus den aufgrund des Versorgungsausgleichs bei ihr vorhandenen Rentenanwartschaften in Verbindung mit ihren KEZ ergebe, habe sie das die Vorversicherungszeit des § 1248 Abs 3 RVO begründende „besonders enge Verhältnis zur Solidargemeinschaft der gesetzlichen Rentenversicherung” mindestens in gleicher Weise unter Beweis gestellt wie Frauen, die einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen seien. Die Erziehung künftiger Beitragszahler sei aus der Sicht des Generationenvertrages für die Solidargemeinschaft der gesetzlichen Rentenversicherung ebenso bedeutsam wie die Beitragszahlung selbst, weshalb die Benachteiligung, die sie gegenüber nicht kindererziehenden, erwerbstätigen Frauen erfahre, im Hinblick auf Art 3 GG iVm Art 6 GG und dem Sozialstaatsprinzip willkürlich sei. Aus diesem Gesichtspunkt heraus seien ihre Versorgungsanwartschaften im Wege einer verfassungskonformen Auslegung des § 1248 Abs 3 RVO Zeiten der rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung gleichzustellen. Anderenfalls müsse der Rechtsstreit für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ausgesetzt werden. Das ursprüngliche gesetzgeberische Anliegen, Frauen, die regelmäßig durch Haushalt und Beruf doppelt belastet seien, einen Ausgleich zu gewähren, werde nämlich in sein Gegenteil verkehrt, wenn jetzt vor allem voll erwerbstätige Frauen ohne Kindererziehungsleistung priviligiert würden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 11. März 1991, das Urteil des SG Mainz vom 14. September 1990 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30. November 1989 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr vorgezogenes Altersruhegeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, daß der Klägerin kein vorgezogenes Altersruhegeld zusteht.
Da der Rentenantrag bereits im Jahre 1989 und damit vor dem 1. April 1992 gestellt worden ist, richtet sich der hier allein in Betracht kommende Anspruch auf sog Frauenaltersruhegeld abweichend vom Grundsatz des § 300 Abs 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) noch nach den durch das Rentenreformgesetz 1992 (RRG 1992) aufgehobenen Vorschriften des Vierten Buches der RVO (§ 300 Abs 2 SGB VI).
Gemäß § 1248 Abs 3 RVO erhält Altersruhegeld auf Antrag auch die Versicherte, die das 60. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit nach Abs 7 Satz 2 dieser Vorschrift erfüllt hat, wenn sie in den letzten 20 Jahren überwiegend eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt hat. Bis auf das zuletzt genannte versicherungsrechtliche Erfordernis liegen die Voraussetzungen dieser Bestimmung hier vor. Die im Mai 1927 geborene Klägerin hatte im Zeitpunkt ihres Rentenantrages (September 1989) das 60. Lebensjahr vollendet; sie war bereits 62 Jahre alt. Auch die Wartezeit des § 1248 Abs 7 Satz 2 RVO, dh eine Versicherungszeit von 180 Kalendermonaten, ist nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG erfüllt.
In den letzten 20 Jahren vor Erreichen der Altersgrenze des § 1248 Abs 3 RVO hat die Klägerin im Sinne dieser Vorschrift nicht überwiegend eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt. Das Fehlen dieser Voraussetzung kann – entgegen der Auffassung der Klägerin – nicht durch übertragene Anwartschaften ersetzt werden. Allein mit ihren KEZ kann sie dieses Tatbestandsmerkmal nicht erfüllen.
Bei der „rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit” handelt es sich um einen der grundlegenden rechtstechnischen Begriffe des deutschen Rentenversicherungsrechts (BSGE 17, 110, 113 = SozR Nr 13 zu § 1248 RVO). Er knüpft an die Ausübung einer ihrer Art nach versicherungspflichtigen Tätigkeit an und verlangt darüber hinaus nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die konkrete Entrichtung von (Pflicht-)Beiträgen (vgl BSG SozR Nrn 44, 48 zu § 1248 RVO, mit zahlreichen Nachweisen; ebenso BSGE 63, 246 = SozR 2400 § 25 Nr 1). Dementsprechend werden eben diese Anforderungen auch an das Tatbestandsmerkmal einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit in § 1248 Abs 2 RVO gestellt (vgl Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten, § 1248 RVO Anm 4c; Verbandskommentar zur RVO, 4. und 5. Buch, § 1248 RdNr 13; ebenso BSG, Vorlagebeschluß vom 27. Februar 1986 – 1 RA 47/84 –, Urteil vom 13. Oktober 1992 – 4 RA 10/92 –). Für die seit dem 1. Januar 1984 bei Berufs-und Erwerbsunfähigkeitsrenten bestehenden besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (vgl § 1246 Abs 2a Satz 1 Nr 1, § 1247 Abs 2a RVO) hat der Gesetzgeber ausdrücklich klargestellt, daß insoweit eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit mit Beitragsleistung erforderlich ist.
Die im Versorgungsausgleich auf das Rentenkonto der Klägerin übertragenen Anwartschaften würden zwar, gemessen an der Umrechnungsvorschrift des § 1304a Abs 5 RVO möglicherweise ausreichen, um die letzten 20 Jahre vor der Vollendung des 60. Lebensjahres der Klägerin überwiegend abzudecken (zum Problem der zeitlichen Zuordnung vgl Senatsurteil vom 8. Oktober 1992 – 13 RJ 23/91 –), sie können jedoch nicht zur Erfüllung des Erfordernisses einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit herangezogen werden. Eine Gleichstellung von durch Versorgungsausgleich erworbenen Anwartschaften mit Pflichtbeitragszeiten hat das BSG im Rahmen des § 1246 Abs 2a RVO bereits wiederholt abgelehnt, da mit dem Versorgungsausgleich keine Versicherungszeiten oder gar Pflichtbeitragszeiten übertragen werden, sondern lediglich Werteinheiten, die noch nicht einmal auf Pflichtbeiträgen des Ausgleichspflichtigen beruhen müssen und nur hinsichtlich der Wartezeiterfüllung wie vom Ausgleichsberechtigten selbst zurückgelegte Versicherungszeiten behandelt werden (vgl BSGE 65, 107, 110 f; Urteile vom 19. April 1990 – 1 RA 63/89 – und vom 29. November 1990 – 5 RJ 9/90 –).
Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat auch in Bezug auf § 1248 Abs 3 RVO an. Eine andere Beurteilung würde nicht nur dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift widersprechen, gerade der besonderen Situation der berufstätigen Frau in ihrer Doppelbelastung durch Haushalt und Beruf Rechnung zu tragen (vgl dazu BSG SozR 2200 § 1248 Nr 34 RVO mwN) sowie auf biologische Unterschiede zwischen Mann und Frau zurückzuführende Nachteile der Frau im Berufsleben auszugleichen, wie Ausbildungsdefizite aufgrund der erwarteten Rolle als Hausfrau und Mutter, Beschäftigung in unteren Lohngruppen, geringe Aufstiegschancen und typische Unterbrechungen einer entgeltlichen Tätigkeit durch Zeiten der Schwangerschaft und Kindererziehung (vgl BVerfGE 74, 163, 181). Sie ergibt sich nicht aus dem Wesen des Versorgungsausgleichs. Er soll dem während der Ehezeit nicht oder nur geringer erwerbstätigen Ehegatten zugute kommen, indem gerade der durch die Haushaltsführung zum gemeinsamen Familienunterhalt beitragende Ehepartner an den in dieser Zeit erworbenen Anwartschaften des anderen partizipiert. Daß dieser Ausgleich ehebezogener Versorgungsnachteile in völliger Gleichstellung mit einer der Versicherungspflicht unterliegenden Beschäftigung erfolgen muß, läßt sich der gesetzgeberischen Zielsetzung nicht entnehmen, zumal er nicht durch Umbuchung von Versicherungszeiten, sondern durch Übertragung bloßer Werteinheiten vorgenommen wird. Im Rahmen des § 1248 Abs 3 RVO würde eine derartige Gleichstellung auch zu einer ungerechtfertigten Bevorzugung geschiedener Frauen gegenüber Frauen in intakten Ehen führen, weil letztere sachlogisch keine Anwartschaften aufgrund eines Versorgungsausgleichs vorweisen können.
Die Klägerin kann ferner die Voraussetzung einer überwiegend rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten 20 Jahren vor Erreichen des 60. Lebensjahres (also beginnend ab ihrem Geburtstag im Mai 1967) durch KEZ schon deshalb nicht erfüllen, weil es bei ihr an der erforderlichen Zahl von 121 Monaten im maßgeblichen Zeitraum fehlt. Der Klägerin sind nämlich nur KEZ bis einschließlich Februar 1970 anerkannt worden. Die in den Vorinstanzen ausführlich behandelte Frage, ob KEZ das Erfordernis einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung iS von § 1248 Abs 3 RVO erfüllen können, und die sich daran anschließende Frage, ob insoweit zwischen Pflichtbeitragszeiten nach § 1227a RVO und Erziehungszeiten für bis zum 31. Dezember 1985 geborene Kinder nach § 1251a RVO unterschieden werden muß (vgl dazu Eicher/ Haase/ Rauschenbach, aaO, § 1251a RVO Anm 2; Kasseler Komm/Funk, § 1227a RVO RdNr 47), bedürfen daher keiner Entscheidung. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 56 SGB VI iVm § 55 Satz 2 SGB VI. Nach § 56 Abs 1 Satz 1 SGB VI gelten zwar für Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren Pflichtbeiträge als gezahlt. Diese Aufstockung und Aufwertung der KEZ kommt der Klägerin jedoch nicht zugute, da es nach der Sonderregelung des § 249 Abs 1 SGB VI für vor dem 1. Januar 1992 geborene Kinder bei der bisherigen Anrechnungsweise verbleibt.
Die Tätigkeit der Klägerin als Hausfrau und Mutter kann auch nicht im Wege einer erweiternden Auslegung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit gleichgestellt werden. Ebensowenig ist es möglich, die Klägerin aufgrund ihrer besonderen Situation von der Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals des § 1248 Abs 3 RVO freizustellen. Eine derartige Rechtsanwendung würde die Grenzen richterlicher Gesetzesergänzung überschreiten. Denn durch die Aufnahme dieses Erfordernisses in die hier einschlägige Regelung hat der Gesetzgeber hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, daß nur solche Frauen in den Genuß dieses vorgezogenen Altersruhegeldes kommen sollen, die in den letzten Jahrzehnten vor Erreichen der Altersgrenze im Erwerbsleben gestanden haben und der gesetzlichen Rentenversicherung durch langjährige Entrichtung von Pflichtbeiträgen in besonderer Weise verbunden gewesen sind. Zwar weist die Klägerin zutreffend darauf hin, daß sie durch die Erziehung ihrer zahlreichen Kinder im Hinblick auf den sog Generationenvertrag einen erheblichen Beitrag zum Fortbestand der Rentenversicherung erbracht hat. Denn jede nachwachsende Generation sorgt, sobald sie zu Beitragszahlern wird, für die Finanzierung der laufenden Renten. Ohne eine ausdrückliche gesetzliche Regelung kann diese Leistung der Klägerin jedoch nicht im Rahmen des § 1248 Abs 3 RVO honoriert werden.
Ist die Klägerin damit nach dem hier anwendbaren Recht von dem Bezug des Frauenaltersruhegeldes ausgeschlossen, so sieht der erkennende Senat, nachdem sich das BVerfG erst jüngst zu diesem Fragenkomplex geäußert und die Grenzen abgesteckt hat (vgl BVerfG, Urteil vom 7. Juli 1992, NJW 1992, 2213), keinen hinreichenden Grund, das Verfahren nach Art 100 Abs 1 GG auszusetzen, um eine Entscheidung des BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit des § 1248 Abs 3 RVO einzuholen. Diese Regelung verstößt nicht gegen das GG. Insbesondere liegt die von der Klägerin gerügte Verletzung ihrer Rechte aus Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 GG und dem Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG) nicht vor.
Art 3 Abs 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Der Gleichheitsgrundsatz will vielmehr ausschließen, daß eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl – auch zum folgenden – BVerfG, NJW 1992, 2213, 2214). Die rechtliche Unterscheidung muß also in sachlichen Unterschieden eine ausreichende Stütze finden. Die Anwendung dieses Grundsatzes verlangt den Vergleich von Lebenssachverhalten, die einander nie in allen, sondern stets nur in einzelnen Merkmalen gleichen. Unter diesen Umständen ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche von diesen Merkmalen er als maßgebend für eine Gleich- oder Ungleichbehandlung ansieht. Art 3 Abs 1 GG verbietet es ihm nur, dabei Art und Gewicht der tatsächlichen Unterschiede sachwidrig außer acht zu lassen. Innerhalb dieser Grenzen ist er in seiner Entscheidung frei. Allerdings kann sich eine weitergehende Einschränkung aus anderen Verfassungsnormen ergeben. Differenziert der Gesetzgeber zum Nachteil der Familie, so ist der besondere Schutz zu beachten, den der Staat nach Art 6 Abs 1 GG der Familie schuldet. Ebenso hat der Gesetzgeber dabei seinen sich aus dem Sozialstaatsgebot (vgl Art 20 Abs 1 GG) ergebenden Pflichten Rechnung zu tragen.
Soweit die Benachteiligung der Klägerin bei der Gewährung von Frauenaltersruhegeld auf eine unzureichende Berücksichtigung ihrer Kindererziehungsleistung in der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgeführt werden kann, rechtfertigt dies auf der Grundlage der neuesten Rechtsprechung des BVerfG noch nicht eine verfassungsrechtliche Beanstandung. Allerdings ist der Gesetzgeber, wie das BVerfG in seinem Urteil vom 7. Juli 1992 (aaO) ausgesprochen hat, verpflichtet, die Benachteiligung von kinderreichen Eltern in der Alterssicherung im weiteren Umfang als bisher schrittweise abzubauen. Dabei ist er nicht nur in der Ausgestaltung eines sachgerechten Familienlastenausgleichs weitgehend frei. Ihm gebührt dafür auch eine ausreichende Anpassungszeit (vgl BVerfG aaO, S 2215). Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen hat der Gesetzgeber durch das RRG 1992 Rechnung getragen, indem er die Anrechung von KEZ für nach dem 31. Dezember 1991 geborene Kinder auf drei Jahre erweitert hat (vgl § 56 Abs 1 Satz 1 SGB VI) und derartige Pflichtbeitragszeiten (vgl § 55 Satz 2 SGB VI) nunmehr für die Erfüllung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des Frauenaltersruhegeldes ausreichen läßt (vgl § 39 SGB VI). Die Wahl des Zeitpunktes der Einführung dieser Verbesserungen orientierte sich erkennbar an Sachgesichtspunkten, nämlich dem Inkrafttreten des SGB VI und den finanziellen Möglichkeiten des Staates (vgl allgemein BVerfGE 75, 108, 157). Jedenfalls war der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht gehalten, diese Regelungen auch für in der Vergangenheit erbrachte Kindererziehungsleistungen vorzusehen.
Soweit sich die Klägerin speziell mit kinderlosen oder kinderarmen Frauen vergleicht, die in den letzten 20 Jahren vor Vollendung des 60. Lebensjahres überwiegend versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sind, hält nach den vom BVerfG (vgl NJW 1992, 2213) aufgezeigten Grundlinien § 1248 Abs 3 RVO ebenfalls einer verfassungsrechtlichen Überprüfung stand. Allerdings ist es nachvollziehbar, daß sich die Klägerin diesem Personenkreis gegenüber benachteiligt fühlt. Während sie gehindert war, das Erfordernis einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit im Sinne des § 1248 Abs 3 RVO zu erfüllen, weil sie zahlreiche Kinder großgezogen hat und im vorgerückten Alter aus Arbeitsmarkt- und Gesundheitsgründen nicht mehr in das Erwerbsleben eintreten konnte, ist es insbesondere einer alleinstehenden Frau ohne Kinder leicht möglich, in den Genuß von Frauenaltersruhegeld zu gelangen. Auch wenn die bestandssichernde Bedeutung der Kindererziehung für das System der Altersversorgung nicht zu verkennen ist, ergibt sich nach der Rechtsprechung des BVerfG (NJW 1992, 2213, 2215) aus Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG keine Pflicht des Gesetzgebers, hinsichtlich der Begründung von Rentenanwartschaften die Kindererziehung der Beitragszahlung gleichzustellen. Angesichts des in der Rentenversicherung seit 1957 geübten Umlageverfahrens, das verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, sind Kindererziehung und Beitragszahlung nicht gleichartig. Der Beitrag zur Aufrechterhaltung der Rentenversicherung, der in Form von Kindererziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den monetären Beiträgen der Erwerbstätigen nicht sogleich wieder in Form von Rentenzahlungen an die ältere Generation ausgeschüttet werden (vgl BVerfG aaO). Insofern stellt auch die vom BSG in ständiger Rechtsprechung zu § 1248 Abs 3 RVO geforderte konkrete Beitragsentrichtung in den letzten 20 Jahren vor Erreichen der Altersgrenze ein sachbezogenes Differenzierungsmerkmal für die Feststellung des Versicherungsfalls dar (vgl dazu auch BVerfGE 75, 78, 103, 106).
Auch wenn die Regelung des § 1248 Abs 3 RVO ihre ursprüngliche Funktion, bei rentenversicherten Frauen die früher typische Doppelbelastung in Haushalt und Beruf sowie weitere berufsbezogene Nachteile mit Auswirkungen auf die Rentenbiographie auszugleichen (vgl BVerfGE 74, 163, 181 f), gerade bei alleinstehenden, voll berufstätigen Frauen ohne Kinder im Laufe der Zeit immer mehr verloren haben dürfte, hat diese Entwicklung noch nicht zu einer Verletzung von Grundrechten der Klägerin geführt. Denn dem Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen ein gewisser zeitlicher Spielraum einzuräumen, um bei Beachtung des Gebots des Art 3 Abs 1 GG notwendig werdende Gesetzesänderungen vorzubereiten (vgl BVerfGE 46, 55, 66). Dies gilt sowohl im Hinblick auf den seit Inkrafttreten des § 1248 Abs 3 RVO (also seit 1957) erfolgten Wandel der tatsächlichen Verhältnisse, als auch unter Berücksichtigung der neuen rechtlichen Situation, die seit 1986 durch die erstmalige rentenbegründende und rentensteigernde Anerkennung von KEZ aufgrund des Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetzes (HEZG) eingetreten ist. Diesen zeitlichen Vorgaben hat der Gesetzgeber Genüge getan, indem er durch das RRG 1992 nicht nur die bereits erwähnte Erleichterung bei den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des Frauenaltersruhegeldes vorgenommen (vgl § 39 SGB VI), sondern auch eine stufenweise Anhebung der Altersgrenzen vorgesehen hat, die mit der Zeit die sich aus der jetzigen Regelung des Frauenaltersruhegeldes ergebenden Ungleichbehandlungen beseitigen wird (vgl § 41 SGB VI). Dabei war zum einen ein gewachsener Vertrauensschutz der bislang Begünstigten zu beachten, zum anderen konnte davon ausgegangen werden, daß sich Änderungen in den Erwerbsverhältnissen der Frauen immer erst mit erheblicher Verzögerung – nämlich bei Eintritt des Versicherungsfalles – auf die Berechnung des zu gewährenden Altersruhegeldes auswirken. Was schließlich die verstärkte Berücksichtigung der Kindererziehung bei der Altersversorgung betrifft, so hat das BVerfG bereits entschieden, daß der Gesetzgeber eine derartig komplexe Reform in mehreren Stufen verwirklichen kann (vgl BVerfG, NJW 1992, 2213, 2215).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen