Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufenthaltsbefugnis. Aufenthaltsberechtigung. Aufenthaltserlaubnis. Übergangsregelung. Besitzstandsregelung. Ausländer. Gleichbehandlung. Bleiberechtserlaß. Sozialstaatsprinzip. Rechtsstaatsprinzip. Vertrauensschutz. Vertrauensinvestition. Sozialhilfe
Leitsatz (amtlich)
Der Entzug laufenden Kindergeldes und Kindergeldzuschlages zum 31.12.1993 bei ausländischen Familien ohne Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung infolge der Neuregelung des §1 Abs. 3 BKGG durch das 1. SKWPG verletzt jedenfalls dann nicht den im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankerten Vertrauensschutz, wenn das entstandene Defizit des Familieneinkommens nahezu vollständig durch die ab 1.1.1994 erstmals einsetzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG ausgeglichen wird.
Normenkette
BKGG § 1 Abs. 3 (Fassung: 21.12.1993); AuslG 1990 §§ 15, 27, 30, 35; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1, 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 19. Dezember 1995 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander Kosten auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten
Tatbestand
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung des Kindergeldes mit Ablauf des Monats Dezember 1993 und macht die Verfassungswidrigkeit der Neuregelung des § 1 Abs. 3 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) idF des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1. SKWPG) vom 21. Dezember 1993 (BGBl I 2353) geltend.
Der Kläger ist Libanese. Er reiste im Oktober 1985 nach Deutschland ein und hielt sich hier auf der Grundlage einer Aufenthaltsbefugnis auf. Er bezog im Jahre 1993 keine Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG), weil die Nettoeinkünfte seiner zehnköpfigen Familie – zusammengesetzt aus Arbeitslosengeld, Kindergeld (insoweit monatlich DM 1.620,00), Kindergeldzuschlag (insoweit monatlich DM 520,00) und Wohngeld – in Höhe von monatlich DM 4.582,00 den damaligen Bedarf nach dem BSHG (DM 4.446,60 einschließlich des Wohngeldes) um monatlich DM 135,40 überschritten. Die Beklagte teilte ihm im Dezember 1993 mit, daß er aufgrund der gesetzlichen Neuregelung ab Januar 1994 keinen Anspruch auf Kindergeld mehr habe; die Bewilligung des Kindergeldes müsse daher mit Ablauf des Monats Dezember 1993 aufgehoben werden. Ab 1. Januar 1994 bezog die Familie wegen des Wegfalls von Kindergeld und Kindergeldzuschlag unter Berücksichtigung der ab 1. Januar 1994 angehobenen Regelsätze sowie des um monatlich DM 20,00 angehobenen Wohngeldes Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG in Höhe von monatlich DM 2.018,60. Das verfügbare Nettoeinkommen der Familie verminderte sich dadurch um monatlich DM 121,40.
Widerspruch, Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ≪SG≫ vom 3. Juli 1995, Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 19. Dezember 1995). Zur Begründung führt das LSG im wesentlichen aus, hinsichtlich des Kindergeldanspruchs des Klägers sei mit Wirkung ab Januar 1994 durch § 1 Abs. 3 BKGG idF des 1. SKWPG eine wesentliche Änderung eingetreten, die zur Entziehung dieser Leistung berechtige. Die Neuregelung sei nicht verfassungswidrig. Sie verstoße weder gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) noch die verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, Familien zu fördern (Art. 6 Abs. 1 GG), oder gegen den Vertrauensschutz als Ausfluß des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG). Bei Ansprüchen, die auf staatlicher Gewährung beruhten, gehe der Vertrauensschutz nicht so weit, Betroffene von jeder Enttäuschung zu bewahren. Der Gesetzgeber habe die Anspruchsberechtigung auf Kindergeld und Kindergeldzuschlag von Ausländern ohne gesicherten Aufenthaltsstatus bereits 1989 und 1990 eingeschränkt, so daß der Kläger nicht habe sicher sein können, sein Anspruch werde dauerhaft erhalten bleiben. Eine entsprechende Erwartungshaltung sei nicht so schützenswert, daß sie das Gemeinwohlinteresse an der Entlastung der öffentlichen Haushalte in den Hintergrund zu drängen vermöge.
Mit seiner Revision trägt der Kläger vor, die Neuregelung des § 1 Abs. 3 BKGG durch das 1. SKWPG sei verfassungswidrig. Sie behandele gleiche Fälle ungleich. Wenn, wie hier, die Aufenthaltsbefugnis auf einem Bleiberechtserlaß aus der Zeit vor Inkrafttreten des Ausländergesetzes (AuslG) 1990 (Art. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990, BGBl I 1354) beruhe, könnten die hiervon betroffenen Ausländer von einem verfestigten Aufenthaltsrecht ausgehen. Er habe wegen der langjährigen Zahlung von Kindergeld darauf vertrauen können, weiterhin wie vergleichbare Ausländer mit Daueraufenthalt Kindergeld zu beziehen. Faktisch werde ihm durch die Gesetzesänderung die Möglichkeit genommen, eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach § 35 AuslG 1990 zu erlangen. Diese werde bei Inanspruchnahme von Sozialhilfe, die durch den Kindergeldbezug vermieden werden könnte, nicht erteilt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 19. Dezember 1995 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 3. Juli 1995 und die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufzuheben.
Die Beklagte beantragt – unter näherer Begründung –,
die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 19. Dezember 1995 zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist zulässig.
Der mit dem Revisionsschriftsatz vom 8. Januar 1995 gestellte „erstinstanzliche Antrag” ist nicht korrekt sach- und instanzentsprechend formuliert; gleichwohl ist dem Erfordernis des § 164 Abs. 2 Satz 3 SGG, wonach bereits die – fristgebundene – Revisionsbegründung „einen bestimmten Antrag” enthalten muß, hier noch in gerade ausreichender Weise Rechnung getragen. Der Kläger hat in hinreichender Deutlichkeit in der Revisionsbegründungsschrift dargetan, daß er die Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile und der angefochtenen Bescheide erstrebt. Er widerspricht nämlich in seiner Revisionsbegründung dem Ergebnis und der Begründung des Berufungsurteils. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) genügt es, wenn die schriftliche Revisionsbegründung erkennen läßt, welches prozessuale Ziel der Revisionskläger erreichen will (s. ua BSG vom 2. September 1977, SozR 1500 § 164 Nr. 10 mwN).
Die Revision ist jedoch unbegründet.
Aufgrund der Neuregelung des § 1 Abs. 3 BKGG durch das 1. SKWPG steht dem Kläger für den Zeitraum ab 1. Januar 1994 kein Kindergeld mehr zu. Diese Neuregelung trifft den Kläger nicht in verfassungswidriger Weise.
Zu Recht sind bereits die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß dem Kläger aufgrund der Neufassung des § 1 Abs. 3 BKGG idF des 1. SKWPG mit Wirkung ab Januar 1994 kein Anspruch auf Kindergeld mehr zusteht (§ 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch), da er sich – lediglich – auf der Grundlage einer Aufenthaltsbefugnis (§ 30 AuslG 1990) in Deutschland aufhält, wohingegen nach der zitierten Neufassung der Kindergeldanspruch eines Ausländers voraussetzt, daß dieser im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung (§ 27 AuslG 1990) oder Aufenthaltserlaubnis (§ 15 AuslG 1990) ist.
Eine Übergangsvorschrift zugunsten des Klägers, der bis zum 31. Dezember 1993 noch Anspruch auf Kindergeld hatte, enthält das 1. SKWPG nicht. Anders als für bestimmte Neuregelungen im Recht des Erziehungsgeldes (hierzu BSG vom 22. Februar 1995, SozR 3-7833 Nr. 15 sowie vom 6. September 1995, SozR 3-7833 Nr. 16) kann daraus nicht gefolgert werden, die Gesetzesänderung erfasse nur Kinder, die nach dem Inkrafttreten einer den Kreis der Anspruchsberechtigten einschränkenden Neuregelung geboren wurden. Insoweit wird auf das Urteil des Senats vom 31. Oktober 1995, SozR 3-5870 § 1 Nr. 6, Bezug genommen.
Diese Neuregelung erweist sich auch im Falle des Klägers als verfassungsgemäß. Ein Anlaß, das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen, um die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) einzuholen, besteht damit nicht. Denn nur dann, wenn der Senat § 1 Abs. 3 BKGG insoweit für verfassungswidrig hielte, als diese Vorschrift im vorliegenden Fall anzuwenden ist, hätte der Senat entsprechend zu verfahren. Voraussetzung für eine derartige Richtervorlage ist, daß es auf die Gültigkeit des vom entscheidenden Gericht für verfassungswidrig gehaltenen Gesetzes bei der Entscheidung ankommt (Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG). Dies ist aber dann nicht der Fall, wenn die streitige Vorschrift in ihrer Anwendung auf den jeweiligen Kläger nicht verfassungswidrig ist, sondern lediglich nicht ausgeschlossen werden kann, daß der Gesetzgeber bei Änderung der Vorschrift, soweit sie für andere Betroffene verfassungswidrig ist, auch den Kläger begünstigt. Nur dann, wenn auch der Kläger selbst aus verfassungsrechtlichen Gründen Anspruch auf Kindergeld für den fraglichen Zeitraum hätte, käme eine Aussetzung des vorliegenden Rechtsstreits zur Vorlage an das BVerfG in Betracht (s. hierzu im einzelnen das Urteil des Senats vom 9. Mai 1995, SozR 3-5870 § 10 Nr. 6). An dieser Voraussetzung fehlt es. Die fragliche Neufassung des § 1 Abs. 3 Satz 1 BKGG ist als solche in ihrer Anwendung auf den Kläger nicht verfassungswidrig (1), auch nicht aus dem Gesichtspunkt, daß der Gesetzgeber keine Besitzstandsregelung (2) zugunsten des Klägers getroffen hat.
(zu 1) Die Regelung des § 1 Abs. 3 BKGG idF des 1. SKWPG verstößt jedenfalls insoweit nicht gegen das GG, als der Kläger hiervon betroffen ist.
Entgegen der Meinung der Revision war der Gesetzgeber nicht nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet, dem Kläger ebenso Kindergeld zu gewähren wie jenen Ausländern, die über eine Aufenthaltsberechtigung oder -erlaubnis verfügen. Mit der Neuregelung bezweckte der Gesetzgeber, den Kindergeldanspruch auf solche Ausländer zu begrenzen, von denen zu erwarten ist, daß sie auf Dauer in Deutschland bleiben werden; dies sei allein bei denjenigen der Fall, die im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder -erlaubnis sind (BT-Drucks 12/5502 S 44 zu Art. 5, zu Nr. 1).
Das vom Gesetzgeber gewählte Unterscheidungsmerkmal und seine Zielrichtung sind mit dem Gleichheitssatz zu vereinbaren. Die Neuregelung ist auch geeignet, jenes Ziel zu erreichen. Unerheblich ist insoweit, ob der Kläger, wie vorgetragen, als Inhaber einer Aufenthaltsbefugnis aufgrund eines Bleiberechtserlasses ebenfalls über ein verfestigtes Aufenthaltsrecht verfügt (auch dazu vgl. Urteil des Senats vom 31. Oktober 1995, aaO).
Ebensowenig verstößt die neue Regelung gegen Art. 6 Abs. 1 GG. Aus dieser Vorschrift läßt sich – auch in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) – kein konkreter verfassungsrechtlicher Anspruch auf bestimmte staatliche Leistungen herleiten (s. BVerfG vom 29. Mai 1990, BVerfGE 82, 60, 79 ff), solange die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein der Bürger gewährleistet sind. Diese Aufgabe aber kommt der Sozialhilfe, nicht jedoch dem Kindergeld zu.
Das Recht auf Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG) erstreckt sich nicht auf den Anspruch auf Kindergeld, da diese Sozialleistung in keinerlei Hinsicht aufgrund von Eigenleistungen (Beiträgen) gewährt wird (s. hierzu BVerfG vom 16. Juli 1985 und 12. Februar 1986, BVerfGE 69, 272, 301 f; 72, 9, 18 f).
Im vorliegenden Fall kann ungeprüft bleiben, ob – entgegen § 1 Abs. 3 BKGG nF – auch Ausländern ohne Aufenthaltserlaubnis oder -berechtigung von Verfassungs wegen Kindergeld zwar nicht in seiner Funktion als allgemeine Sozialleistung zustehen müßte, wohl aber in seiner steuerlichen Entlastungsfunktion (hierzu BVerfG vom 29. Mai 1990, BVerfGE 82, 60, 78 f). Denn der Kläger ist nicht einkommensteuerpflichtig (hierzu BVerfG vom 25. September 1992, BVerfGE 87, 153, 169 f), so daß bei ihm kein Raum für eine (weitere) steuerliche Entlastung bleibt.
Ebenso unerheblich ist im vorliegenden Fall die Frage, ob der Gesetzgeber insoweit verfassungsrechtliche Grenzen überschritten hat, als er mit der Einschränkung des Kindergeldanspruchs für Ausländer die entsprechenden Kosten auf die kommunalen Sozialhilfeträger verlagert hat (auch dazu vgl. Urteil des Senats vom 31. Oktober 1995, aaO).
(zu 2) Die Einschränkung des anspruchsberechtigten Personenkreises durch die Neuregelung des § 1 Abs. 3 BKGG begegnet auch insoweit keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, als hierdurch laufende Ansprüche auf Kindergeld entzogen wurden.
Als Prüfungsmaßstab kommt insoweit nur der im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankerte Vertrauensschutz in Betracht, auf den sich auch Ausländer berufen können (BVerfG vom 23. März 1971, BVerfGE 30, 367, 386).
Die Neufassung des § 1 Abs. 3 BKGG durch das 1. SKWPG hat mit Wirkung für die Zukunft den betroffenen Ausländern den bis 31. Dezember 1993 bestehenden Anspruch auf Kindergeld und Kindergeldzuschlag kurzfristig und übergangslos entzogen. Während rückwirkende belastende Gesetze, von Ausnahmen abgesehen, grundsätzlich verfassungswidrig sind (st Rspr des BVerfG, zB BVerfG vom 17. Januar 1967, BVerfGE 21, 117, 131 f), gilt dies nicht für Gesetze mit sog unechter Rückwirkung (dh wenn sich das für die Zukunft geltende Gesetz auf gegenwärtige noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft auswirkt und damit zugleich die betroffenen Rechtspositionen nachträglich entwertet). Jedoch kann dabei der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes je nach Lage des Einzelfalles der Regelungsbefugnis des Gesetzgebers Schranken setzen (vgl. BVerfG vom 23. März 1971, BVerfGE 30, 392, 402 mwN). Zur Bestimmung der verfassungsrechtlichen Grenze für ein Gesetz mit unechter Rückwirkung ist das Vertrauen des einzelnen auf den Fortbestand einer bestimmten Regelung mit der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit abzuwägen. Dabei sind ua die Schwere des Eingriffs und das Ausmaß des Vertrauensschadens zu berücksichtigen (st Rspr, zB BVerfG vom 21. Januar 1969 und vom 23. März 1971, BVerfGE 25, 142, 154; 30, 392, 402 mwN).
Schutzwürdig ist in diesem Zusammenhang immer nur das betätigte Vertrauen, also die „Vertrauensinvestition” (vgl. BVerfG vom 5. Mai 1987, BVerfGE 75, 246, 280), mit Blick auf den Fortbestand der laufenden Leistungen. Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz der betroffenen Ausländer geht jedoch nicht so weit, sie vor jeder Enttäuschung zu bewahren (vgl. BVerfG vom 16. Oktober 1968, BVerfGE 24, 220, 230, und vom 5. Mai 1987, aaO mwN). Vielmehr umfaßt ein denkbarer Vertrauensschutz der von der Regelung des § 1 Abs. 3 BKGG Betroffenen allenfalls vorübergehend den Schutz jener Vermögensdispositionen, die sie im Vertrauen auf den Fortbestand der laufenden Kindergeldleistungen getroffen hatten und die sie nicht von heute auf morgen und zeitgleich mit den Veränderungen des verfügbaren Familieneinkommens rückgängig machen können (zB Mietvertrag für eine größere Wohnung, Unterrichtsverträge mit Privatlehrern, Ratenverpflichtungen aus Anschaffungskrediten usw).
Im Falle des Klägers kann dahingestellt bleiben, ob der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nach den rechtsstaatlichen Grundsätzen des Vertrauensschutzes oder der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs verpflichtet gewesen wäre, wenigstens eine angemessene Übergangsregelung zu treffen, um diese möglichen Schäden zu vermeiden oder abzumildern (vgl. BVerfG vom 8. Februar 1977, BVerfGE 43, 242, 288 mwN). Bedenkenswert ist dies bei jenen Familien, deren verfügbares Einkommen zum Jahreswechsel 1993/1994 in erheblichem Umfange gemindert wurde, ohne daß dies durch anderweitige Sozialleistungen aufgefangen wurde. Dazu bietet der Fall des Klägers aber keine Veranlassung.
Der Senat hat bereits entschieden (Urteil vom 31. Oktober 1995, aaO), daß der Grundsatz des Vertrauensschutzes den Gesetzgeber nicht hindert, die Kindergeldleistungen zu entziehen, wenn deren Ausfall vollständig durch eine entsprechende Erhöhung der laufenden Sozialhilfe ausgeglichen wird. Die gleichen Überlegungen gelten aber auch, wenn, wie im Falle des Klägers, die Sozialhilfe ab 1. Januar 1994 (wieder) einsetzt und, bis auf eine verbleibende Minderung des verfügbaren Familieneinkommens um monatlich DM 121,40, den Verlust von Kindergeld und Kindergeldzuschlag nahezu vollständig ausgleicht. In Relation zum bisherigen Gesamteinkommen von monatlich DM 4.582,00 fällt der Fehlbetrag nicht erheblich ins Gewicht. Selbst wenn deswegen der Kläger „Vertrauensinvestitionen” der oben beschriebenen Art. getroffen haben sollte, die ihn bis zur notwendigen Reduzierung der Familienausgaben noch eine Zeitlang belasteten, weil sie nicht sofort zurückgefahren werden konnten, würde sich diese Belastung innerhalb der Zumutbarkeitsgrenze bewegen. Dies verdeutlicht folgende Überlegung: Hätte der Gesetzgeber in einer denkbar großzügigen Übergangsregelung angeordnet, laufendes Kindergeld und Kindergeldzuschlag stufenweise in 10%-Schritten zu entziehen, wäre der Kläger bereits im Januar 1994 ebenfalls sozialhilfeberechtigt geworden und hätte die jetzige Minderung des Familieneinkommens hinnehmen müssen. Der Senat ist deshalb nicht davon überzeugt, daß die Neufassung des § 1 Abs. 3 BKGG im Falle des Klägers wegen einer fehlenden Übergangsregelung verfassungswidrig ist. Eine Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG scheidet deshalb aus.
Nichts anderes folgt für den Senat aus der Entscheidung des BVerfG vom 14. November 1969 (BVerfGE 27, 220), die den früheren § 29 Wohngeldgesetz (idF vom 1. April 1965, BGBl I 177) für verfassungswidrig erklärte. Diese Vorschrift schloß Empfänger von Leistungen nach dem BSHG für den Mietaufwand vom Bezug des Wohngeldes aus. Die Entscheidung erging jedoch nicht zu der im vorliegenden Fall erheblichen Frage, ob – allein unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes – eine für einen bestimmten Personenkreis weggefallene Sozialleistung für den bisherigen Empfänger durch einen Sozialhilfeanspruch ersetzt werden kann. Das BVerfG entschied lediglich, daß Personen nicht bereits durch das Leistungsgesetz vom Anspruch auf eine andere Sozialleistung ausgeschlossen werden dürfen, weil sie Sozialhilfe – gleich welcher Höhe – beziehen (BVerfGE 27, 220, 225).
Soweit der Kläger meint, die Verfassungswidrigkeit der Neuregelung des § 1 Abs. 3 BKGG ergebe sich wegen § 35 AuslG 1990 gerade aus dem Wechsel vom Kindergeld- zum Sozialhilfeanspruch, so vermag der Senat dem ebenfalls nicht zu folgen. Die Regelung ist ohne weiteres einer verfassungskonformen Interpretation dahingehend zugänglich, daß es insoweit nur auf die Sicherung des Lebensunterhalts nach Erteilung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis ankommt. Dann aber besteht auch nach § 1 Abs. 3 BKGG nF ein Anspruch auf Kindergeld (s. hierzu Urteil des Senats vom 31. Oktober 1995, aaO).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen