Beteiligte
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. Dezember 1998 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Die Klägerin macht Unterhaltsgeld (Uhg) für die Zeit vom 24. Juni 1996 bis 15. Februar 1997 geltend.
Die 1967 geborene Klägerin war seit dem 1. Dezember 1992 bei der Deutschen Bundespost Telekom (seit 1995 Deutsche Telekom AG) als Angestellte beschäftigt. Aufgrund eines am 15. Februar 1996 geschlossenen Aufhebungsvertrages schied sie aus „betriebs-/rationalisierungsbedingten Gründen” zum 31. März 1996 aus. Sie erhielt eine Abfindung von 61.500,- DM, wie sie in dem zwischen der Deutschen Bundespost Telekom und der Deutschen Postgewerkschaft abgeschlossenen Tarifvertrag Nr. 466 vom 9./12. Dezember 1994 für den Fall der einvernehmlichen Auflösung unbefristeter Arbeitsverhältnisse aus rationalisierungs-/betriebsbedingten Gründen vorgesehen war. Die Kündigungsfrist des Arbeitgebers betrug sechs Wochen zum Schluß des Kalendervierteljahres, wie sie in § 46 Abs 2 des Tarifvertrages für Angestellte der Deutschen Bundespost nach einer Postdienstzeit von einem Jahr und weniger als fünf Jahren vorgesehen ist. Aufgrund einer im Dezember 1995 vorgenommenen Änderung sah der Tarifvertrag Nr. 466 allerdings vor, daß in der Zeit vom 1. Dezember 1995 bis 31. Dezember 1997 durch das Vorhaben „Focus 98” veranlaßte betriebsbedingte Beendigungskündigungen ausscheiden, sofern das Arbeitsverhältnis nicht weniger als zwei Jahre besteht oder der Arbeitnehmer ein zumutbares Arbeitsangebot oder eine Qualifizierungsmaßnahme ablehnt (§ 18).
Den Antrag auf Arbeitslosengeld (Alg) lehnte die Beklagte ab, ua weil eine bis zum 23. Juni 1996 laufende Sperrzeit eingetreten sei. Ab 21. Juni 1996 nahm die Klägerin an einem Lehrgang teil. Die Beklagte bewilligte der Klägerin hierfür Uhg, allerdings zunächst erst ab 1. April 1997, später schon ab 16. Februar 1997. Für die Zeit davor lehnte die Beklagte Uhg ab, da der Anspruch wegen der Abfindung gemäß § 44 Abs 5, § 117 Abs 2 und 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der Zeit bis zum 31. März 1997 bzw bis zum 15. Februar 1997 ruhe (Bescheide vom 12. September und 27. Dezember 1996, Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 1997).
Das Sozialgericht (SG) hat die angefochtenen Bescheide „wegen Ruhens des Anspruchs auf Unterhaltsgeld infolge einer Abfindungszahlung in Höhe von 61.500,- DM” aufgehoben (Urteil vom 24. Juni 1997). Es hat die Auffassung vertreten, die Klägerin sei nicht „vorzeitig” aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden, weil der Aufhebungsvertrag sechs Wochen vor Quartalsschluß geschlossen und damit die nach § 117 Abs 2 Satz 3 Nr 2 AFG maßgebende Frist eingehalten worden sei. Die Vorschrift des § 117 Abs 2 Satz 4 AFG, aus der die Beklagte eine einjährige Frist herleite, finde weder unmittelbar noch entsprechend Anwendung.
Die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) entsprechend dem Berufungsantrag der Klägerin mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte verurteilt wird, der Klägerin für die Zeit vom 24. Juni 1996 bis zum 15. Februar 1997 Uhg zu zahlen (Urteil vom 15. Dezember 1998). Das LSG hat seine Entscheidung damit begründet, daß das Ruhen des Uhg nach § 117 Abs 2 AFG eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist oder, wenn die Kündigung eingeschränkt sei, anderer Fristen voraussetze. Der Tarifvertrag Nr. 466 habe Kündigungen des Arbeitgebers nicht gänzlich, sondern nur betriebsbedingte Beendigungskündigungen aus Anlaß des Vorhabens „Focus 98” und diese auch nur zeitweise ausgeschlossen. Eine lediglich segmentartige zeitliche Unkündbarkeit, die eine ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber im übrigen ohne Einschränkung zulasse, erfasse § 117 AFG vom Wortlaut nicht. Halte man dennoch § 117 Abs 2 AFG für anwendbar, liege ein zeitlich begrenzter Ausschluß der ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber vor, der nach § 117 Abs 2 Satz 3 Nr 2 AFG zu der Kündigungsfrist führe, die ohne den Ausschluß der ordentlichen Kündigung maßgebend gewesen wäre. Die Vorschrift finde in allen Fällen des zeitlich begrenzten Ausschlusses der ordentlichen Kündigung Anwendung und nicht nur dann, wenn die Kündigung aufgrund persönlicher Umstände des Arbeitnehmers zeitlich begrenzt ausgeschlossen sei. Dem entspreche der Zweck der Regelung. Der Gesetzgeber habe zwischen dem dauerhaften, auf das gesamte Arbeitsleben bezogenen Kündigungsschutz und dem nur zeitlich begrenzten Schutz vor ordentlicher Kündigung unterscheiden wollen. Es sei nicht unbillig, die Klägerin wie einen Arbeitnehmer zu behandeln, der aus persönlichen Umständen vorübergehend vor ordentlicher Kündigung geschützt sei; denn der Schutz beziehe sich auf einen zeitlich kurzfristigen Abschnitt und außerdem auf eine spezielle Rationalisierungsmaßnahme. Demgegenüber habe § 117 Abs 2 Satz 4 AFG Fälle erfassen sollen, bei denen bei unkündbaren Arbeitnehmern durch Tarifvertrag eine ordentliche Kündigung bei gleichzeitiger Abfindung eröffnet worden sei. Hier liege der Fall genau umgekehrt. Deshalb habe die Berufung zurückgewiesen werden müssen, im Hinblick auf die unzureichende Sachentscheidung des SG allerdings mit der Maßgabe, daß die Beklagte der Klägerin Uhg zu gewähren habe; insoweit seien die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, wie zwischen den Beteiligten auch unstreitig sei.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht die Beklagte eine Verletzung des § 117 Abs 2 AFG geltend. Sie räumt ein, daß § 117 Abs 2 Satz 3 Nr 2 AFG auch auf Fälle anwendbar sei, bei denen die ordentliche Kündigung zeitlich begrenzt aus anderen als in der Person des Arbeitnehmers liegenden Umständen ausgeschlossen sei. Von einem zeitlich begrenzten Ausschluß der ordentlichen Kündigung sei daher auszugehen, wenn die ordentliche betriebsbedingte Kündigung vorher kündbarer Arbeitnehmer für einen begrenzten Zeitraum ausgeschlossen sei, ohne daß eine Öffnungsklausel diese Kündigung während dieser Zeit wieder ermögliche. Nach § 117 Abs 2 Satz 4 AFG gelte aber eine Kündigungsfrist von einem Jahr, wenn dem Arbeitnehmer nur bei Zahlung einer Abfindung, Entschädigung oder ähnlichen Leistung gekündigt werden könne. Die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses sei entsprechend tarifvertraglichen Regelungen vom Arbeitgeber mit der Zahlung einer Abfindung honoriert worden. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei somit nur bei Zahlung einer Abfindung möglich gewesen; insofern finde § 117 Abs 2 Satz 4 AFG Anwendung. Denn der Arbeitgeber werde sich die Zustimmung in aller Regel durch die Zahlung einer Abfindung „erkaufen”; die Abfindungszahlung sei hier sogar tarifvertraglich gewährleistet. Es sei sachlich nicht gerechtfertigt, lediglich die maßgebende ordentliche arbeitgeberseitige Kündigungsfrist auch bei Arbeitnehmern zugrunde zu legen, denen nur gegen Abfindung ordentlich gekündigt werden könne; denn dieser Personenkreis genieße einen stärkeren Kündigungsschutz als Arbeitnehmer, die auch ohne Abfindung ordentlich kündbar seien. § 117 Abs 2 Satz 3 Nr 2 AFG werde insofern von § 117 Abs 2 Satz 4 AFG überlagert. Das habe das LSG übersehen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG und das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Gründe des LSG und trägt ergänzend vor: Der Ausschluß der ordentlichen Kündigung durch den Tarifvertrag Nr. 466 sei nicht nur in zeitlicher, sondern auch in sachlicher Hinsicht beschränkt gewesen. Es seien nur betriebsbedingte Kündigungen aus einem bestimmten Anlaß ausgeschlossen gewesen, nicht dagegen personen- und verhaltensbedingte Kündigungen. Demgegenüber sei § 117 Abs 2 Satz 4 AFG nach Wortlaut, der geschichtlichen Entwicklung und ihrem Sinn ausschließlich anzuwenden, wenn altersgesicherten Arbeitnehmern, die ordentlich unkündbar seien, aufgrund tariflicher Vorschriften ausnahmsweise betriebsbedingt gekündigt werden könne, falls eine Abfindung gezahlt werde. Das folge letztlich auch aus den abgestuften Fristen, die § 117 Abs 2 Satz 3 und 4 AFG als „Kündigungsfristen” vorsehe. Die Auffassung der Beklagten führe dazu, daß bei einem zeitlich begrenzten Kündigungsausschluß, wenn eine Kündigungsmöglichkeit bei Zahlung einer Abfindung vorgesehen sei, ein längerer Ruhenszeitraum in Betracht komme als sonst. Wertungswidersprüche ließen sich nur vermeiden, wenn § 117 Abs 2 Satz 4 AFG ausschließlich auf Fälle eines unbegrenzten Kündigungsausschlusses mit einer inhaltlich beschränkten Kündigungsmöglichkeit bei Zahlung einer Abfindung angewendet werde. Im vorliegenden Falle komme hinzu, daß eine Kündigung mit Abfindung im Tarifvertrag nicht vorgesehen sei. Die Kopplung von Kündigungsausschluß und ausnahmsweiser Zulassung einer Kündigungsmöglichkeit unter Zahlung einer Abfindung bestehe hier gerade nicht. Die Anwendung dieser Vorschrift auf Fälle wie den vorliegenden gehe über Wortlaut, Geschichte und Sinn der Vorschrift so weit hinaus, daß es sich nicht mehr um Auslegung, sondern um eine Erstreckung der Vorschrift auf Aufhebungsverträge handele, die die für richterliche Rechtsfortbildung entwickelten Grenzen überschreite.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt.
II
Die Revision der Beklagten ist iS der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet.
Verfahrensmängel der Vorinstanzen, die einer Entscheidung des Senats in der Sache entgegenstehen, liegen nicht vor. Zutreffend hat das LSG erkannt, daß nach dem richtig verstandenen Klagbegehren über eine (mit der Anfechtung des sogenannten Ruhensbescheids verbundene) Leistungsklage gemäß § 54 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entscheiden ist, nachdem die Beklagte mit den „Ruhensbescheiden” den Uhg-Antrag der Klägerin für die Ruhenszeit abgelehnt hat (vgl BSG SozR 4100 § 117 Nr 21; ferner BSGE 61, 158, 160 = SozR 4100 § 119 Nr 30; BSGE 66, 94, 95 f = SozR 4100 § 119 Nr 36). Hätte sich die Klägerin auf die Anfechtung der ergangenen Bescheide beschränkt, könnte sie ihr Prozeßziel, die Zahlung von Uhg, nicht erreichen; die Klage wäre unzulässig (BSG aaO; ferner ua BSGE 36, 181, 183 = SozR Nr 4 zu § 1613 RVO). Zutreffend hat sich die Klägerin daher vor dem LSG nicht darauf beschränkt, schlicht die Zurückweisung der Berufung der Beklagten gegen das die angefochtenen Bescheide lediglich aufhebende Urteil des SG zu beantragen, sondern im Wege der Anschlußberufung zusätzlich geltend gemacht, die Beklagte auch zur Zahlung von Uhg für die Zeit vom 24. Juni 1996 bis 15. Februar 1997 zu verurteilen.
Ob der Klägerin für diese Zeit Uhg zusteht, wie das LSG angenommen hat, kann aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen nicht entschieden werden. Zutreffend hat das LSG allerdings erkannt, daß ein Anspruch auf Uhg, sollte er gegeben sein, in dieser Zeit nicht ruht. Die Rüge der Revision, das LSG habe § 117 Abs 2 Satz 4 AFG verletzt, geht fehl.
Nach § 44 Abs 5 AFG, der die Anrechnung bestimmter Leistungen auf das Uhg regelt, gilt ua § 117 Abs 2 und 3 AFG entsprechend (Satz 3). Wie der Anspruch auf Alg ruht hiernach ein Anspruch auf Uhg entsprechend § 117 Abs 2 und 3 AFG, wenn der Teilnehmer an einer Bildungsmaßnahme wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung erhalten oder zu beanspruchen hat und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden ist (vgl § 117 Abs 2 Satz 1 AFG). Die Klägerin hat zwar wegen der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses eine Abfindung von 61.500,- DM erhalten. Das Arbeitsverhältnis, das mit dem 31. März 1996 endete, ist indes nicht ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist der Deutschen Telekom AG entsprechenden Frist beendet worden.
Die ordentliche Kündigungsfrist des Arbeitgebers betrug sechs Wochen zum Schluß des Kalendervierteljahres, da die Klägerin mehr als ein Jahr, aber weniger als fünf Jahre Postdienst zurückgelegt hatte. Diese Frist, die nach § 117 Abs 2 Satz 2 AFG mit der Kündigung oder mit dem Tage der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses beginnt, ist eingehalten; denn nach den nicht angegriffenen und den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist der Aufhebungsvertrag am 15. Februar 1996, also wenige Tage mehr als sechs Wochen vor dem 31. März 1996, dem Schluß des ersten Kalendervierteljahres, geschlossen worden. Eine zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führende ordentliche Kündigung der Klägerin aus den betriebsbedingten Rationalisierungsgründen, die tatsächlich zur einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt haben, war aufgrund des Tarifvertrages Nr. 466 vom 1. Dezember 1995 bis 31. Dezember 1997 und damit auch im Februar 1996 zum 31. März 1996 ausgeschlossen. Das ändert indes nichts an der Maßgeblichkeit dieser eingehaltenen Frist von sechs Wochen zum Kalendervierteljahresschluß. Denn ist die ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber ausgeschlossen, so gilt zu Zwecken des Ruhens nach § 117 Abs 2 Satz 3 Nr 2 AFG bei zeitlich begrenztem Ausschluß die Kündigungsfrist, die ohne den Ausschluß der ordentlichen Kündigungsfrist maßgebend gewesen wäre. Diese vornehmlich im Hinblick auf den Kündigungsschutz von Betriebsratsmitgliedern (§ 15 Kündigungsschutzgesetz) und Müttern (§ 9 Mutterschutzgesetz) geschaffene Vorschrift gilt nicht nur bei in der Person des Arbeitnehmers begründeten vorübergehenden Kündigungsausschlüssen, sondern nach Wortlaut und Regelungsabsicht, wie die Revision einräumt, grundsätzlich bei allen zeitlich begrenzten Ausschlüssen der ordentlichen Kündigung, also auch bei dem zeitlich begrenzten Ausschluß einer betriebsbedingten Beendigungskündigung zu Zwecken des Vorhabens „Focus 98” nach dem Tarifvertrag Nr. 466.
Zu Unrecht leitet die Beklagte aus § 117 Abs 2 Satz 4 AFG eine (Kündigungs-)Frist von einem Jahr ab. Die Revision übersieht, daß für die Kündigungsfrist von einem Jahr nach dieser Vorschrift nicht genügt, daß das Arbeitsverhältnis nur bei Zahlung einer Abfindung beendigt werden kann, worauf schon das SG zutreffend aufmerksam gemacht hat, sondern erforderlich ist, daß dem Arbeitnehmer nur bei Zahlung einer Abfindung, Entschädigung oder ähnlichen Leistung gekündigt werden kann. Letzteres aber war nicht der Fall: Auch bei Zahlung der im Tarifvertrag Nr. 466 für den Fall der Beendigung von Arbeitsverhältnissen vorgesehenen Abfindungen blieben durch das Vorhaben „Focus 98” veranlaßte Beendigungskündigungen durch die Deutsche Telekom AG in der Zeit vom 1. Dezember 1995 bis 31. Dezember 1997 ausgeschlossen. Die Deutsche Telekom AG bedurfte deshalb des Einverständnisses des Arbeitnehmers, den sie gegen Zahlung der vorgesehenen Abfindung freisetzen wollte.
Es ist auch kein Grund ersichtlich noch ein solcher von der Beklagten im Rechtsstreit dafür angeführt worden, die Jahresfrist des § 117 Abs 4 Satz 2 AFG ungeachtet dessen Wortlauts anzuwenden, wenn das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber zwar nicht gekündigt werden kann, jede Beendigung des Arbeitsverhältnisses aber, damit insbesondere die durch Aufhebungsvertrag, eine Abfindung zur Folge hat. Eine entsprechende Anwendung des § 117 Abs 2 Satz 4 AFG wäre nur zulässig, wenn insoweit eine Gesetzeslücke bestünde, die ergänzungsbedürftig wäre. Eine derartige Lücke ist nicht bereits dann gegeben, wenn eine gesetzliche Regelung aus sozial- oder rechtspolitischen Erwägungen als unbefriedigend empfunden wird (vgl BVerfGE 65, 182, 194; BVerfG NJW 1992, 1219). Eine ergänzungsbedürftige Lücke liegt vielmehr nur vor, wenn nach dem Plan des Gesetzgebers das Gesetz ungewollt unvollständig ist, die Unvollständigkeit also planwidrig ist (BSGE 43, 128, 129 = SozR 4100 § 100 Nr 1; BSGE 63, 120, 131 = SozR 4100 § 138 Nr 17; BSG SozR 4100 § 107 Nr 4). Davon kann hier keine Rede sein. § 117 Abs 2 Satz 3 Nr 2 AFG regelt ausdrücklich, daß bei zeitlich begrenztem Ausschluß der ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber die Kündigungsfrist gilt, die ohne den Ausschluß der ordentlichen Kündigung maßgebend gewesen wäre. Weshalb diese Frist dem Plan des Gesetzes widersprechen soll, wenn es während des zeitlich begrenzten Ausschlusses der ordentlichen Kündigung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Abfindung kommt, ist nicht ersichtlich; denn gerade für solche Fälle bestimmt das Gesetz, daß die Kündigungsfrist anzuwenden ist, die ohne den Ausschluß der ordentlichen Kündigung maßgebend gewesen wäre. Überdies entspräche es nicht dem Plan des Gesetzes, die anzuwendende „Kündigungsfrist” daran zu knüpfen, ob für das freiwillige Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis Abfindungen vorgesehen sind. Denn ob eine Abfindung zum Ruhen eines Leistungsanspruchs führt, beurteilt § 117 Abs 2 AFG niemals nach den Gründen, die zur Zahlung der Abfindung geführt haben, sondern in allen Fällen nach der Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist oder, wenn die ordentliche Kündigung ausgeschlossen oder eingeschränkt war, nach besonderen Fristen, die das Gesetz diesen Fällen der Einschränkung der ordentlichen Kündigung entsprechend zuordnet. So wie – zum Nachteil der Arbeitslosen – § 117 Abs 2 Satz 4 AFG nicht an Stelle von § 117 Abs 2 Satz 3 Nr 1 AFG entsprechend anzuwenden ist, wenn der Arbeitgeber auch bei Zahlung einer Abfindung ordentlich nicht kündigen kann, eine Kündigung mit Abfindung aber tatsächlich erfolgt ist (BSG Urteil vom 8. Dezember 1987 - 7 RAr 42/86 – DBlR 3331 AFG § 117), kommt § 117 Abs 2 Satz 4 AFG – hier zugunsten der Arbeitslosen – auch nicht anstelle von § 117 Abs 2 Satz 3 Nr 2 AFG entsprechend zur Anwendung.
Angesichts dessen bedarf es keiner Stellungnahme zu der von der Revision behandelten Frage, ob § 117 Abs 2 Satz 3 Nr 2 AFG von § 117 Abs 2 Satz 4 AFG überlagert wird oder, anders gewendet, ob die Einjahresfrist des § 117 Abs 2 Satz 4 AFG an die Stelle einer kürzeren Frist nach § 117 Abs 2 Satz 3 Nr 2 AFG tritt, wenn dem Arbeitnehmer zeitlich begrenzt nur bei Zahlung einer Abfindung, Entschädigung oder ähnlichen Leistung ordentlich gekündigt werden kann (zur Funktion des § 117 Abs 2 Satz 4 AFG vgl Hennig ua, AFG, Stand Juli 1998, § 117 RdZiff 14; BT-Drucks 9/846 S 44; BSG Urteil vom 11. Januar 1990 - 7 RAr 130/88 – DBlR Nr 3644 AFG § 117; BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 15).
Das LSG hat hiernach zu Recht das Ruhen eines Anspruchs auf Uhg verneint. Daß der Klägerin, wie das LSG angenommen hat, für die Zeit vom 24. Juni 1996 bis 15. Februar 1997 Uhg zusteht, vermag der Senat allerdings nicht zu bestätigen. Das LSG hat festgestellt, daß die Klägerin seit dem 21. Juni 1996 an einer beruflichen Bildungsmaßnahme teilnahm, die sie am 19. Juni 1996 beantragt hatte und bis 16. Mai 1997 dauern sollte. Weitere Feststellungen zu der Bildungsmaßnahme fehlen. Ohne jegliche Kenntnisse über die Vorbildung der Klägerin, den Inhalt der Maßnahme und das Maßnahmeziel kann indes nicht beurteilt werden, ob die Maßnahme für die Klägerin förderungsfähig war und der Klägerin für die Teilnahme Uhg zu gewähren ist, zumal Uhg nach § 44 AFG nur noch gewährt werden kann und nicht muß. Angesichts des das Verfahren vor den Sozialgerichten beherrschenden Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 SGG) lassen sich die erforderlichen Feststellungen nicht dadurch ersetzen, daß die Anspruchsvoraussetzungen zwischen den Beteiligten unstreitig sind. Die Revision der Beklagten führt daher gemäß § 170 Abs 2 Satz 2 SGG zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LSG, das bei seiner erneuten Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben wird.
Fundstellen
DB 2000, 1467 |
NWB 2000, 1273 |
ZAP 2000, 463 |