Entscheidungsstichwort (Thema)
Künstlersozialabgabe. Abgabepflicht. Laienchor. Gesangverein. Konzertdirektion. Folgebescheid. Verfahrensgegenstand. Anfechtungsklage. Feststellungsklage
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Künstlersozialabgabepflicht von Laienchören und Gesangvereinen.
2. Bescheide, die während eines gerichtlichen Verfahrens über die Künstlersozialabgabepflicht eines Unternehmens ergehen und die Abgabeschuld des Unternehmens für bestimmte Abrechnungszeiträume regeln, werden nicht in das Verfahren einbezogen. Gleiches gilt, wenn während eines laufenden Abgabestreitverfahrens weitere Bescheide zu späteren Abrechnungszeiträumen erteilt werden (Änderung der bisherigen Rechtsprechung des Senats; Anschluß an BSG vom 20.3.1996 – 6 RKa 51/95 = BSGE 78, 98 = SozR 3-2500 § 87 Nr 12).
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
KSVG § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Fassung: 1988-12-20; SGG § 55 Abs. 1 Nr. 1, § 96 Abs. 1, § 54 Abs. 1; KSVG § 24 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1981-07-27, Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Fassung: 1996-09-25, Nr. 3 Fassung: 1996-09-25
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 6. März 1997 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Es ist streitig, ob der Kläger ein kunstvermarktendes Unternehmen betreibt und damit zur Abführung der Künstlersozialabgabe verpflichtet ist.
Der Kläger ist ein 1951 gegründeter eingetragener Gesangverein, dessen Gemeinnützigkeit anerkannt ist. Der Verein unterhält einen aus rund 30 Mitgliedern bestehenden gemischten Laienchor. Der Satzungszweck des Vereins wird verwirklicht durch die „Pflege und Förderung des Liedgutes und des Chorgesangs”. Der Chor tritt regelmäßig zweimal im Jahr in vom Kläger organisierten Veranstaltungen öffentlich auf, und zwar bei einem „offenen Singen” (mit Publikumsbeteiligung) und bei einem „Sängerwettstreit” mit befreundeten Chören. Chorfremde Vokal- oder Instrumentalkünstler sind nicht beteiligt. Die Chorleiterin ist Vereinsmitglied. Sie erhält ein monatliches Honorar von 120 DM. Die Mitglieder des Chores wirken an den Veranstaltungen stets unentgeltlich mit. Chorproben finden, mit Ausnahme der Schulferien, einmal wöchentlich statt. In einigen Jahren, aber nicht regelmäßig und zuletzt 1992, veranstaltete der Kläger außerdem einen öffentlichen Sängerball. Hierzu wurden Tanzmusiker engagiert und – geringfügig – bezahlt.
Die Beklagte stellte die Künstlersozialabgabepflicht des Klägers ab 1983 dem Grunde nach fest und führte zur Begründung aus, der Verein betreibe als Unternehmer eine Theater-, Konzert- und Gastspieldirektion (Bescheid vom 28. November 1990, Widerspruchsbescheid vom 15. April 1991). Das Sozialgericht (SG) hat den Erfassungsbescheid aufgehoben und festgestellt, daß der Kläger nicht der Abgabepflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) unterliegt. Es hat ferner die Abgabenbescheide der Beklagten vom 25. Mai 1991 und 22. August 1991 über die Künstlersozialabgabe für die Zeit von Januar 1983 bis Juli 1991 aufgehoben (Urteil vom 23. März 1994); den Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 1994 hat es dabei nicht erfaßt. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 6. März 1997).
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 24 KSVG. Sie hält den Kläger als Betreiber einer Konzertdirektion, aber auch als Betreiber eines „Unternehmens, dessen Zweck darauf gerichtet ist, künstlerische Werke aufzuführen oder künstlerische Leistungen darzubieten” und als Betreiber einer „Ausbildungseinrichtung für künstlerische Tätigkeiten” für abgabepflichtig. Seit der ausdrücklichen gesetzlichen Einbeziehung von Chören in den Kreis der kunstvermarktenden Unternehmen zum 1. Januar 1997 sei der Kläger in seiner Eigenschaft als Betreiber eines Chores abgabepflichtig.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 6. März 1997 und des Sozialgerichts München vom 23. März 1994 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Der Kläger betrieb (Zeitraum 1. Januar 1983 bis 31. Dezember 1996) und betreibt (Zeit ab 1. Januar 1997) kein zur Abführung der Künstlersozialabgabe verpflichtetes Unternehmen.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur der Erfassungsbescheid. Nicht zum Streitgegenstand gehören die bis zum Abschluß des Berufungsverfahrens ergangenen Abgabenbescheide. Dies gilt auch für die Bescheide vom 25. Mai 1991 und 22. August 1991, die das SG in entsprechender Anwendung des § 96 SGG noch als weiteren Gegenstand der Anfechtungsklage angesehen hatte. Maßgebend für die Einbeziehung neuer Verwaltungsakte in ein laufendes Klageverfahren ist allein § 96 SGG. Danach werden neue Verwaltungsakte nur dann Gegenstand des Verfahrens, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Klageerhebung durch einen neuen abgeändert oder ersetzt wird. Der Erfassungsbescheid beschränkt sich auf die Feststellung, daß ein bestimmtes Unternehmen von der Art seiner Geschäftstätigkeit her zu dem Kreis der Vermarkter künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen gehört und daher dem Grunde nach zur Abführung der Künstlersozialabgabe verpflichtet ist (zur Zulässigkeit solcher Feststellungen durch gesonderte Erfassungsbescheide vgl BSGE 64, 221 = SozR 5425 § 24 Nr 2 und BSG SozR 3-5424 § 24 Nr 1). Die Abgabenbescheide setzen hingegen die jährlichen Abgabenschulden der erfaßten Unternehmen fest, enthalten aber in der Regel keinen eigenständigen (erneuernden) Verfügungssatz über die grundsätzliche Heranziehung des Unternehmens zur Künstlersozialabgabe, sondern bestätigen wiederholend die im Erfassungsbescheid getroffene Regelung über die Künstlersozialabgabepflicht des Unternehmens und übernehmen sie unverändert. Auch im vorliegenden Fall haben die Abgabenbescheide den Erfassungsbescheid weder abgeändert noch ersetzt. Sie enthalten von den rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen her einen gesonderten Regelungsgegenstand, der es auch nicht rechtfertigt, sie in entsprechender Anwendung des § 96 SGG, aus prozeßökonomischen Gründen, in das Verfahren über die Anfechtungsklage gegen den Erfassungsbescheid einzubeziehen. Die vom SG ausgesprochene Aufhebung der Abgabenbescheide ist nur deshalb im Ergebnis nicht zu beanstanden, weil mit der zutreffenden Aufhebung des Erfassungsbescheides die weiteren Bescheide gegenstandslos geworden sind.
Der Senat ändert insoweit seine bisherige Rechtsprechung zur entsprechenden Anwendbarkeit des § 96 SGG auf Abgabenbescheide nach dem KSVG. In der Vergangenheit ist der Senat davon ausgegangen, daß bei Streitigkeiten über die Feststellung der Beklagten zur Künstlersozialabgabepflicht eines bestimmten Unternehmens nach § 24 KSVG im Wege einer weiten Auslegung des § 96 Abs 1 SGG auch die bis zum Abschluß der jeweiligen Tatsacheninstanz ergangenen Bescheide über die Höhe der im Abrechnungszeitraum (in der Regel das abgelaufene Kalenderjahr) entstandenen Abgabenschuld (§§ 25, 27 KSVG) Verfahrensgegenstand geworden sind (BSGE 74, 117 = SozR 3-5425 § 24 Nr 4; BSGE 77, 21 = SozR 3-5425 § 24 Nr 12; BSG SozR 3-5425 § 24 Nrn 11 und 15). Ebenso verfuhr der Senat bei Streitigkeiten über die Höhe der Abgabenschuld in einem bestimmten Abrechnungszeitraum, wenn während des laufenden Verfahrens weitere Abgabenbescheide über nachfolgende Abrechnungszeiträume erteilt wurden und die gleichen Einwände wie gegen den angefochtenen Verwaltungsakt erhoben worden sind (BSGE 74, 117 = SozR 3-5425 § 24 Nr 4; BSG SozR 3-5425 § 24 Nr 15). Der Senat befand sich hier in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu anderen Rechtsgebieten, nach der im Wege einer weiten Auslegung des § 96 Abs 1 SGG auch solche Bescheide in den Prozeß einzubeziehen sind, die zwar den ursprünglich angefochtenen Bescheid weder ändern noch ersetzen, die darin getroffene Regelung aber für spätere Entscheidungen, insbesondere für spätere Abrechnungszeiträume, unverändert übernehmen und deshalb mit derselben Begründung angefochten werden (BSGE 18, 93, 94 = SozR Nr 16 zu § 96 SGG; BSGE 27, 146, 148 = SozR Nr 21 zu § 96 SGG; BSG SozR 1500 § 96 Nr 14; BSG SozR 5557 Anl 1 Nr 1). Wie bereits der 6. Senat für den Bereich der vertragsärztlichen Honorarstreitigkeiten (BSGE 78, 98, 100 = SozR 3-2500 § 87 Nr 12; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 10) hält auch der erkennende Senat für den Bereich des Künstlersozialversicherungsrechts an dieser Rechtsprechung nach erneuter Prüfung nicht fest.
Der Anwendungsbereich des § 96 Abs 1 SGG wird wesentlich durch den Zweck dieser Regelung bestimmt. Durch die Einbeziehung weiterer, denselben Streitgegenstand betreffender Bescheide soll in erster Linie ein schnelles und zweckmäßiges Verfahren ermöglicht und damit die Prozeßökonomie gewahrt werden. Darüber hinaus soll die Gefahr divergierender Entscheidungen vermieden und der Betroffene vor Rechtsnachteilen geschützt werden, die ihm dadurch erwachsen, daß er im Vertrauen auf den eingelegten Rechtsbehelf weitere Schritte unterläßt (BSG SozR Nr 14 zu § 96 SGG; BSG SozR 1500 § 96 Nr 24). Diese in der bisherigen Rechtsprechung für eine weite Auslegung des § 96 Abs 1 SGG angeführten Gesichtspunkte vermögen jedoch, wie sich in der Praxis erwiesen hat, bei Streitigkeiten über die Künstlersozialabgabepflicht die Einbeziehung von Bescheiden über die Höhe der zu zahlenden Künstlersozialabgabe nicht überzeugend zu rechtfertigen. Gleiches gilt für die Einbeziehung von Folgebescheiden über spätere Abrechnungszeiträume bei einer Streitigkeit über die Höhe der Abgabenschuld in einem früheren Abrechnungszeitraum. Der erkennende Senat teilt die Rechtsauffassung des 6. Senats, daß für eine entsprechende Anwendung des § 96 Abs 1 SGG jedenfalls dann kein Raum sein kann, wenn zwar die späteren Entscheidungen auf derselben Rechtsgrundlage ergangen sind und es auch um dieselbe Rechtsfrage geht, die rechtlich relevanten Sachverhaltsumstände und Tatsachengrundlagen aber, wie es bei Abrechnungsstreitigkeiten häufig der Fall ist, in den verschiedenen Abrechnungszeiträumen nicht oder nur teilweise deckungsgleich sind (BSGE 78, 98 100 = SozR 3-2500 § 87 Nr 12; BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 10). Maßgeblich hierfür ist die Erwägung, daß nur so dem bei der Handhabung der Vorschrift im Vordergrund stehenden Gesichtspunkt der Prozeßökonomie angemessen Rechnung getragen werden kann. Das Ziel, im Interesse der Prozeßwirtschaftlichkeit ein schnelles und zweckmäßiges Verfahren zu ermöglichen, würde verfehlt, wenn die Gerichte gezwungen wären, im Rahmen des Prozesses auch solche nachgehenden Verwaltungsentscheidungen zu überprüfen, denen ein anderer, bisher nicht berücksichtigter Sachverhalt zugrunde liegt.
Die durch die rasche zeitliche Aufeinanderfolge der von der Beklagten erteilten Abgabenbescheide (jährliche Abrechnungsbescheide nebst häufig zu beobachtenden Änderungsbescheiden, Ergänzungsbescheiden, Betriebsprüfungsbescheiden und Vorauszahlungsbescheiden) bewirkte Unübersichtlichkeit des Verfahrens erhöht den Bearbeitungsaufwand, verzögert die Erledigung und begünstigt die Entstehung von Verfahrensfehlern. Den Interessen der Beteiligten und des Gerichts wie auch dem Gebot der Prozeßökonomie ist angesichts dieser Auswirkungen besser gedient, wenn die Abgabenbescheide für die jeweiligen Abrechnungszeiträume gesondert angefochten werden und die Entscheidung hierüber ggf. bis zum rechtskräftigen Abschluß des schon anhängigen gerichtlichen Verfahrens zurückgestellt wird. Der Senat sieht sich deshalb veranlaßt, seine bisherige Rechtsprechung zur entsprechenden Anwendung des § 96 Abs 1 SGG auf Abgabenbescheide im Künstlersozialversicherungsrecht aufzugeben. Von Entscheidungen anderer Senate des BSG wird dadurch nicht abgewichen. Ob und unter welchen Voraussetzungen der Anwendungsbereich des § 96 Abs 1 SGG über den Wortlaut der Vorschrift hinaus auf Verwaltungsakte zu erstrecken ist, die das streitige Rechtsverhältnis hinsichtlich der Höhe einer Abgabe und/oder für einen späteren Zeitraum regeln, hängt von der Art und den Besonderheiten des jeweiligen Regelungsgegenstandes ab und kann für Fallgestaltungen aus dem Künstlersozialversicherungsrecht und dem Kassenarztrecht anders zu beurteilen sein als für andere Bereiche des Sozialrechts.
2. Die neben der Anfechtungsklage erhobene weitere Feststellungsklage ist unzulässig. Zulässige Klageart ist allein die Anfechtungsklage. Da es sich bei den Bescheiden der Beklagten über die Heranziehung eines Unternehmens zur Künstlersozialabgabe nach § 24 KSVG um Verwaltungsakte handelt, die eine auf Dauer bestehende Rechtspflicht feststellen, und sich die Prüfung der Rechtmäßigkeit solcher Verwaltungsakte mit Dauerwirkung nicht nur auf den Zeitpunkt ihres Erlasses, sondern auch auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in einer Tatsacheninstanz bezieht und zwischenzeitliche Änderungen der Sach- oder Rechtslage berücksichtigt (BSGE 61, 203 = SozR 4100 § 186a Nr 21; BSG SozR 3-3870 § 4 Nr 5; Meyer-Ladewig, Komm zum SGG, 6. Aufl 1998, § 54 RdNr 32-33), beseitigt die vorliegende Anfechtungsklage im Erfolgsfall die streitige Feststellung über das grundsätzliche Bestehen der Künstlersozialabgabepflicht sowohl für die Vergangenheit als auch für die Gegenwart und entzieht so den ergangenen Abgabenbescheiden die rechtliche Grundlage. Für die zusätzlich erhobene (negative) Feststellungsklage fehlt es an dem nach § 55 Abs 1 Nr 1, 2. Alternative SGG erforderlichen Rechtsschutzinteresse, weil sich die Prüfung hier ebenfalls nur auf die Vergangenheit und Gegenwart bezieht und dem Urteil zur Feststellungsklage deshalb keine eigenständige, über den Ausspruch zur Anfechtungsklage hinausreichende Wirkung zukommt. Einer Aufhebung des Feststellungsausspruchs durch das SG und der Abweisung der Feststellungsklage bedurfte es nur im Hinblick auf die bloß deklaratorische Wirkung und das zutreffende Ergebnis nicht.
3. Die Vorinstanzen haben dem Antrag auf Aufhebung des Erfassungsbescheids zu Recht stattgegeben. Der Kläger unterlag und unterliegt nicht der Künstlersozialabgabepflicht.
a) Zeitraum 1. Januar 1983 bis 31. Dezember 1988
Für die Abgabepflicht maßgebend ist § 24 KSVG in der hier noch anzuwendenden Fassung vom 27. Juli 1981 (BGBl I S 705), im Folgenden: KSVG 1981. Diese Vorschrift erfaßt jene Unternehmen, die typischerweise und entsprechend dem Zweck der Unternehmen künstlerische oder publizistische Leistungen verwerten (vgl BT-Drucks 11/2984 S 18). In Betracht kommt lediglich § 24 Abs 1 Nr 2 KSVG 1981. Danach ist ein Unternehmer zur Künstlersozialabgabe verpflichtet, der eine Theater- oder Konzertdirektion betreibt, sofern diese nicht ausschließlich eine vermittelnde Tätigkeit ausübt. Der Kläger betrieb und betreibt keine Konzertdirektion. Betreiber von Theater- oder Konzertdirektionen sind nach dem Wortsinn Unternehmen, die dafür sorgen, daß Theater gespielt oder ein Konzert veranstaltet wird, ohne selbst Träger von Theatern oder Orchestern zu sein (Nordhausen in Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 2. Aufl 1992, § 24 RdNr 74 unter Berufung auf den Musik-Brockhaus, 1982). Die Rechtsprechung des BSG ist dem gefolgt (BSGE 74, 117, 119 f = SozR 3-5425 § 24 Nr 4; BSG SozR 3-5425 § 24 Nr 10; st Rspr). Dementsprechend kommt bei der Veranstaltung eines Chorkonzertes nur ein solches Unternehmen als abgabepflichtige Konzertdirektion in Frage, das nicht selbst Träger des auftretenden Chores ist. Dies ist hier jedoch der Fall. Der Kläger unterhält einen Laienchor. Zwischen dem Verein und dem Chor besteht weitgehende personelle und sachliche Identität. Soweit der Kläger das Auftreten fremder Chöre organisiert hat, hat er möglicherweise wie eine Konzertdirektion gehandelt. Dies reichte aber nach der Ursprungsfassung des KSVG für eine Abgabepflicht nicht aus.
b) Zeitraum 1. Januar 1989 bis 31. Dezember 1996
Maßgebend für die Abgabepflicht ist § 24 KSVG idF des Gesetzes vom 20. Dezember 1988 (BGBl I S 2606), im Folgenden: KSVG 1989. Die bis dahin gültige Regelung des § 24 Abs 1 Nr 2 KSVG 1981 ist dadurch wesentlich erweitert worden. Nach § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 3 KSVG 1989 ist ein Unternehmer zur Künstlersozialabgabe verpflichtet, der eine Theater-, Konzert- oder Gastspieldirektion oder ein sonstiges Unternehmen betreibt, dessen Zweck darauf gerichtet ist, künstlerische Werke aufzuführen oder künstlerische Leistungen darzubieten. Der vom Kläger betriebene Chor zählt aber auch nicht zu diesen erstmals erfaßten „sonstigen Unternehmen”. Aus der gesetzlichen Gleichstellung dieser unbenannten Art von Unternehmen mit Theater-, Konzert- und Gastspieldirektionen folgt, daß von dieser Alternative des § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 3 KSVG 1989 nunmehr auch Unternehmen erfaßt werden, deren überwiegender oder wesentlicher Geschäftszweck auf anderem, im Einzelfall auch nichtkünstlerischem Gebiet liegt, die aber am Markt punktuell wie eine Theater-, Konzert- oder Gastspieldirektion fungieren, also als Vermittler oder Veranstalter auftreten und dabei die Werke oder Leistungen selbständiger Künstler vermarkten (vgl BSG SozR 3-5425 Nr 10 zu von einer Stadt im Rahmen der Jugendarbeit veranstalteten Rockkonzerten; BSG SozR 3-5425 § 24 Nr 15 zu von einem Land im Rahmen der sozialen Künstlerförderung verschafften Auftrittsmöglichkeiten für Künstler mit geringem Einkommen). Dabei ist es unerheblich, ob mit der Verwertung solcher Leistungen eine Gewinnerzielungsabsicht verbunden ist (BSG SozR 3-5425 § 24 Nrn 2, 3, 5 und 16) und ob es sich um ein Unternehmen handelt, das zu den typischen professionellen Vermarktern zählt oder in sonstiger Form an der Kunstvermarktung beteiligt ist. Das Betreiben einer der in § 24 Abs 1 Satz 1 KSVG aufgeführten Tätigkeiten als Unternehmen gilt kraft Gesetzes als „professionelle” Kunstvermarktung (BSGE 80, 141 = SozR 3-5425 § 24 Nr 16). Die Regelung des § 24 KSVG erfaßt daher auch gemeinnützige Vereine (so bereits BSG SozR 3-5425 § 24 Nr 5 und 16). Auch Chöre können zu dieser Art von Unternehmen gehören, soweit sie oder ihr Träger zu ihren Veranstaltungen oder deren Vorbereitung selbständige Künstler (zB andere Chöre, Sänger, Instrumentalmusiker oder Arrangeure) heranziehen. Chorkonzerte (einschließlich Sängerwettstreiten und Sängerbällen) sowie sonstige musikalische Veranstaltungen mit Beteiligung von Chören beinhalten jeweils die Darbietung künstlerischer Leistungen bzw die Aufführung künstlerischer Werke.
Der Kläger erfüllt aber nicht die Anforderungen, die an ein Unternehmen iS des § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 3 KSVG 1989 zu stellen sind. Der Begriff des Unternehmens setzt voraus, daß die Tätigkeit „mit einer gewissen Regelmäßigkeit” (BSG SozR 3-5425 § 24 Nr 10) bzw „mit Nachhaltigkeit” (BSG SozR 3-5425 § 24 Nrn 6 und 8) ausgeübt wird. Die Rechtsprechung des erkennenden Senats zu § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 3 KSVG 1989, an der festzuhalten ist, sieht dieses Erfordernis grundsätzlich erst dann als erfüllt an, wenn jährlich 2 bis 3 Veranstaltungen ausgerichtet werden, bei denen ein Unternehmen als Vermarkter fremder künstlerischer Leistungen auftritt (BSG SozR 3-5425 § 24 Nrn 10, 11 und 16). Das ist hier nicht der Fall. Der Kläger organisiert und veranstaltet zwar jährlich zwei öffentliche Chorkonzerte, nämlich ein offenes Singen und einen Sängerwettstreit. Dabei hat im vorliegenden Zusammenhang das offene Singen aber außer Betracht zu bleiben, da es nach dem nicht angegriffenen und für das Gericht daher bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG ohne Beteiligung fremder Künstler abläuft. Lediglich bei dem Sängerwettstreit, zu dem befreundete Chöre eingeladen werden, wird der Kläger „kunstvermarktend” iS des § 24 KSVG tätig. Nur diese Veranstaltung ist daher von Belang. Von „Kunstvermarktung” gekennzeichnet war daneben auch der bis 1992 in unregelmäßigen jährlichen Abständen veranstaltete öffentliche Sängerball, der – als dritte Veranstaltung – seit 1993 nicht mehr ausgerichtet wird. Im fraglichen Zeitraum organisierte der Kläger somit pro Jahr nur eine musikalische Veranstaltung mit fremdvermarktendem Charakter regelmäßig und eine weitere Veranstaltung nur sporadisch. Dies reicht grundsätzlich nicht aus. Ein Ausnahmefall liegt nicht vor. Er ist zB bei Unternehmen vorstellbar, die nur einmal jährlich oder gar in größeren Abständen stattfindende, mehrere Tage oder Wochen umfassende Großveranstaltungen mit umfangreicher Planungs- und Vorbereitungsarbeit organisieren und für die Veranstaltung auch selbständige Künstler engagieren.
Die Abgabepflicht des Klägers kann auch nicht auf den Auffangtatbestand des § 24 Abs 2 KSVG 1989 gestützt werden. Danach sind Unternehmer zur Künstlersozialabgabe verpflichtet, die nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten erteilen, um deren Werke oder Leistungen für Zwecke ihres Unternehmens zu nutzen, wenn im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen erzielt werden sollen. Der Kläger erfüllt auch diese Voraussetzungen nicht. Er hat „nur gelegentlich” Aufträge an selbständige Künstler erteilt, soweit es die Einladungen befreundeter Chöre zu den jährlichen Sängerwettstreiten sowie die Engagements von Tanzmusikern zu den in unregelmäßigen jährlichen Abständen bis 1992 veranstalteten Sängerbällen betrifft. Einen „nicht nur gelegentlichen” Auftrag iS des § 24 Abs 2 KSVG 1989 stellt allerdings die – entgeltliche – Zusammenarbeit des Klägers mit der Chorleiterin dar. Die „nicht nur gelegentliche” Auftragserteilung erfaßt zwar in erster Linie den über seltene Einzelfälle hinausgehenden Abschluß von Werkverträgen mit Künstlern, sie ist aber auch dann zu bejahen, wenn es um das Engagement eines selbständigen Künstlers geht, das nicht nur für einzelne Aufführungen oder Darbietungen gilt, sondern eine langfristige, kontinuierliche Zusammenarbeit zum Gegenstand hat. Das seit dem Jahre 1990 andauernde unbefristete Engagement der Chorleiterin entspricht diesen Voraussetzungen. Die Chorleitung stellt eine entgeltliche künstlerische Tätigkeit dar. Sie ist auf Dauer angelegt und geht daher über eine „nur gelegentliche” Auftragserteilung hinaus. Die Chorleiterin ist – trotz ihrer Vereinsmitgliedschaft – nach der Ausgestaltung des Engagementsvertrags vom 8. Januar 1990 keine angestellte Mitarbeiterin des Klägers; sie ist im Verhältnis zum Kläger nicht weisungsgebunden und damit selbständig. Dennoch besteht keine Abgabepflicht; denn der Kläger erzielt – anders als in § 24 Abs 2 KSVG 1989 gefordert – „im Zusammenhang mit der Nutzung” der Tätigkeit der Chorleiterin keine Einnahmen und hatte dies bei Abschluß des Engagementsvertrages auch nicht beabsichtigt.
Schließlich bleibt festzuhalten, daß die Abgabepflicht auch nicht aus § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 9 KSVG 1989 hergeleitet werden kann, wonach Ausbildungseinrichtungen für künstlerische oder publizistische Tätigkeiten zu den abgabepflichtigen Unternehmen zählen. Obgleich der Tätigkeit eines Chorleiters stets ein pädagogisches Element anhaftet, geht es bei der Einstudierung von Liedern in einem Laienchor nicht um die von § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 9 KSVG 1989 allein erfaßte institutionalisierte Ausbildung von Chorsängern, sondern um die gemeinsame Gesangsausübung.
c) Zeit ab 1. Januar 1997
Der Kläger ist auch derzeit nicht künstlersozialabgabepflichtig. Maßgebend ist die Regelung des § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 2 KSVG idF des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes (WFG) vom 25. September 1996 (BGBl I S 1461), im Folgenden: KSVG nF. Danach sind nunmehr ua auch Unternehmen abgabepflichtig, die einen Chor betreiben, soweit dessen Zweck überwiegend darauf gerichtet ist, künstlerische Werke oder Leistungen öffentlich aufzuführen oder darzubieten. Dies ist dann der Fall, wenn der Schwerpunkt der Interessen nach Vereinbarung (Vereinssatzung) und Praxis auf dem öffentlichen Auftreten des Chores (einschließlich der zugehörigen Probenarbeit) liegt und demgegenüber andere – nicht kommerzielle – Zwecke wie zB die Freizeitgestaltung, die Pflege eines Hobbys, die Freude am gemeinsamen Musizieren, der regelmäßige gesellschaftliche Kontakt in der Gruppe sowie die Aufrechterhaltung und Förderung des Vereinslebens nur untergeordneten Charakter haben. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht. Der Chor tritt nur zweimal jährlich in öffentlichen Veranstaltungen auf. Die beschriebenen Zwecke stehen bei den Chormitgliedern im Vordergrund. Sie üben auch den Chorgesang weder haupt- noch nebenberuflich aus, sondern pflegen damit ein Hobby. Derartige Tätigkeiten sollten nach der erklärten Absicht des Gesetzgebers nicht erfaßt werden (vgl BT-Drucks 13/5108 S 17). Damit entfällt eine Abgabepflicht nach § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 2 KSVG nF.
Die Abgabepflicht folgt auch nicht aus § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 3 KSVG nF. Danach sind neben Theater-, Konzert- und Gastspieldirektionen nunmehr nur noch sonstige Unternehmen abgabepflichtig, deren „wesentlicher Zweck” darauf gerichtet ist, für die Aufführung oder Darbietung publizistischer Werke oder Leistungen zu sorgen. Auch die Regelung des § 24 Abs 2 KSVG nF scheidet aus. Danach sind Unternehmen abgabepflichtig, die nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten erteilen, um deren Werke oder Leistungen für Zwecke ihres Unternehmens zu nutzen, wenn im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen erzielt werden sollen (Satz 1), wobei nach der neuen Regelung eine nicht nur gelegentliche Erteilung von Aufträgen nicht bereits dann vorliegt, wenn in einem Kalenderjahr lediglich zwei Veranstaltungen durchgeführt werden, in denen künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen aufgeführt oder dargeboten werden (Satz 2). Beide Auffangtatbestände sind schon deshalb nicht anwendbar, weil § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 2 KSVG nF als Spezialvorschrift für Chöre vorrangig ist und insoweit abschließenden Charakter hat. Zudem liegen, wie vorstehende Ausführungen zu den weiter gefaßten § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 3 und § 24 Abs 2 KSVG 1989 zeigen, auch die Voraussetzungen dieser – durch das WFG eingeschränkten – Auffangtatbestände nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1175546 |
MDR 1998, 1419 |
SozR 3-5425 § 24, Nr. 17 |
SozSi 1998, 440 |