Entscheidungsstichwort (Thema)
Alterssicherung der Landwirte – Befreiung – Versicherungspflicht – rückwirkende Befreiung – Drei-Monats-Frist – Verschulden – Vertretenmüssen – Verstoß – Meldepflicht – Anzeigepflicht
Leitsatz (amtlich)
Auch wenn die landwirtschaftliche Alterskasse die Versicherungspflicht erst rückwirkend feststellt, ist eine rückwirkende Befreiung jedenfalls dann nicht möglich, wenn der Betroffene gegen eine Meldepflicht verstoßen und deshalb die Versäumung der Drei-Monats-Frist des § 3 Abs 2 ALG zu vertreten hat.
Stand: 12. Februar 2001
Normenkette
ALG § 3 Abs. 1-2, § 34 Abs. 2 Sätze 3-4, § 94 Abs. 2; GAL § 14 Abs. 2
Beteiligte
Westfälische landwirtschaftliche Alterskasse |
den Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen |
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. September 1999 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger begehrt die Befreiung von der Versicherungspflicht zur beklagten landwirtschaftlichen Alterskasse ab 1. Januar 1994 bis zum 5. Juli 1995; für die Folgezeit hat ihn die Beklagten bereits von der Versicherungspflicht befreit.
Der Kläger, hauptberuflich Angestellter, hatte zumindest seit 1980 landwirtschaftliche Flächen bewirtschaftet und war Mitglied der Westfälischen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft (BG). Seit dem 1. Januar 1994 betrieb er auf eigene Rechnung ein landwirtschaftliches Unternehmen mit ca 6 ha landwirtschaftlicher und 0,5 ha forstwirtschaftlicher Nutzfläche. Nach eigenem Vortrag hatte er zu jenem Datum aufgrund eines kurzfristigen Entschlusses seiner Mutter von dieser das Haus und die dazugehörenden Flächen übernommen; die Eigentumsänderung habe er der BG angezeigt, als diese im April 1995 die Beiträge für 1994 noch von seiner Mutter erhoben habe. Die – ihm nur Verluste bringende – Landwirtschaft betreibe er lediglich hobbymäßig.
Mit Bescheid vom 2. Juni 1995 (zur Post gegeben am 8. Juni 1995) stellte die Beklagte fest, daß der Kläger seit dem 1. Januar 1994 auch ihr Mitglied sei und zog ihn zur Beitragszahlung heran: Der Rückstand für die Zeit vom 1. Januar 1994 bis zum 30. Juli 1995 betrage DM 5.238,–. Am 6. Juli 1995 beantragte der Kläger, ihn nach § 3 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) von der Versicherungspflicht zu befreien. Dem entsprach die Beklagte mit Bescheid vom 26. Juli 1995 mit Wirkung ab 6. Juli 1995. Da der Befreiungsantrag nicht binnen dreier Monate seit Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen gestellt worden sei, könne die Befreiung erst vom Zeitpunkt des Eingangs des Befreiungsantrags erfolgen (bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 22. November 1995).
Mit Urteil vom 11. Januar 1999 hat das Sozialgericht Dortmund (SG) die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) mit Urteil vom 22. September 1999 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die nach dem insoweit geltenden Übergangsrecht (§ 94 Abs 2 ALG) allenfalls in Betracht kommende Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 3 Abs 1 Nr 1 ALG stehe dem Kläger erst ab Antragseingang zu, da er sie nicht innerhalb von drei Monaten seit dem Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen beantragt habe (§ 3 Abs 2 ALG). Die Vorschrift des § 34 Abs 2 Satz 3 ALG sei auf den Fall des Klägers nicht entsprechend anwendbar. Eine planwidrige Gesetzeslücke sei nicht ersichtlich. Auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch stehe dem Kläger nicht zur Seite. Die Beklagte habe von der Übertragung der landwirtschaftlichen Nutzflächen an den Kläger keine Kenntnis und insoweit auch keine Nachforschungspflicht gehabt.
Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers. Er rügt eine Verletzung des bis zum 31. Dezember 1994 in Kraft gewesenen § 14 Abs 2 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) iVm den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs; die Beklagte hätte ihn über die zukünftige Rechtslage nach dem am 1. Januar 1995 in Kraft getretenen ALG informieren müssen, damit er den Befreiungsantrag bis zum 31. März 1995 hätte stellen können. Verletzt sei auch § 3 ALG; die dreimonatige Ausschlußfrist des § 3 Abs 2 ALG beginne erst mit der Kenntnis vom Eintritt der Versicherungspflicht, in seinem Falle also mit Erhalt des Bescheides der Beklagten vom 2. Juni 1995. Zumindest also habe ihm in analoger Anwendung des § 34 Abs 2 Satz 3 ALG eine dreimonatige Befreiungsfrist zugestanden. Hilfsweise beruft er sich schließlich auch hinsichtlich der Dreimonatsfrist des § 3 Abs 2 ALG auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch.
Er beantragt sinngemäß,
die angefochtenen Urteile aufzuheben und die Beklagte unter Änderung der angefochtenen Bescheide zu verurteilen, ihn auch für die Zeit vom 1. Januar 1994 bis zum 31. Juli 1995 von der Versicherungspflicht zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Kläger habe die für ihn nach Inkrafttreten des ALG und nach Ablauf der Übergangsfrist des § 94 Abs 2 ALG am 31. März 1995 geltende Dreimonatsfrist des § 3 Abs 2 ALG versäumt. Diese gelte auch bei rückwirkender Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht. Die Regelung des § 34 Abs 2 Satz 3 ALG sei insoweit nicht entsprechend anwendbar. Zu einer mehr als drei Monate rückwirkenden Feststellung der Versicherungspflicht komme es nämlich im Regelfall nur als Folge einer Nichtbeachtung von Anzeige- und Meldepflichten. Es diene auch der Rechtssicherheit, wenn das Bestehen oder Nichtbestehen der Versicherungspflicht möglichst schnell geklärt sei. Wende man jedoch § 34 Abs 2 Satz 3 ALG analog auf § 3 Abs 2 ALG an, müsse dies auch zu einer analogen Anwendung des § 34 Abs 2 Satz 4 ALG führen; insofern jedoch sei von einem „Vertretenmüssen” des Klägers auszugehen. Ein anderes Ergebnis folge schließlich nicht aus den Grundsätzen über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Die Beklagte ist nicht verpflichtet, den Kläger rückwirkend ab den 1. Januar 1994 nach § 3 Abs 1 ALG von der Versicherungspflicht zu befreien.
Das LSG hat unter Beachtung der Übergangsvorschrift des § 94 Abs 1 Satz 1 ALG zu Recht das ab 1. Januar 1995 geltende neue Recht des ALG (verkündet als Art 1 des Agrarsozialreformgesetzes 1995) angewandt. Nach dieser Regelung sind die Vorschriften des ALG von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Der Antrag des Klägers ist auch nicht in der ausnahmsweise geltenden Übergangsfrist bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung des GAL – also bis zum 31. März 1995 – gestellt worden (§ 94 Abs 2 ALG). Damit ist auf den Kläger nicht mehr die bis zum 31. Dezember 1994 geltende Vorschrift des § 14 Abs 2 GAL anzuwenden, die eine generelle Rückwirkung des Antrags auf Befreiung von der Beitragspflicht nach dem GAL vorsah. Vielmehr gilt seit 1. Januar 1995 die Regelung des § 3 Abs 2 ALG; hiernach wirkt die Befreiung von der Versicherungspflicht vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an.
Ebenfalls zu Recht ist das LSG für den streitigen Zeitraum von der Versicherungspflicht des Klägers nach § 1 Abs 1 und 2 iVm Abs 5 ALG (§ 14 Abs 1 Buchst a iVm § 1 GAL) ausgegangen. Der Kläger betrieb als Unternehmer ein auf Bodenbewirtschaftung beruhendes Unternehmen der Landwirtschaft, das die Mindestgröße (Existenzgrundlage) übersteigt.
Die Vorschrift des § 1 Abs 7 ALG ist nicht einschlägig. Hiernach ist Landwirt nach § 1 Abs 2 ALG nicht, wer ein Unternehmen der Landwirtschaft ohne die Absicht der nachhaltigen Gewinnerzielung betreibt. Die Erfüllung jener Voraussetzungen folgt jedoch nicht bereits aus dem Vortrag des Klägers, er betreibe die Landwirtschaft nur „hobbymäßig” und erwirtschafte ausschließlich Verluste. Wie das SG zu Recht im einzelnen dargelegt hat, kann der Kläger nicht gleichzeitig die in der Landwirtschaft anfallenden Verluste (wie er selber einräumt) steuermindernd geltend machen – also nicht als steuerlich unbeachtliche Liebhaberei (s BFH vom 5. Mai 1988 – III R 139/85, BFH/NV 1988, 774; zur Gewinnerzielungsabsicht allg BFH Großer Senat vom 25. Juni 1984, BFHE 141, 405, 432 ff) gewertet wissen wollen – und sich gleichzeitig auf § 1 Abs 7 ALG berufen, um der Versicherungspflicht zur Altershilfe der Landwirte zu entgehen. Im übrigen hat das SG ebenfalls zutreffend darauf hingewiesen, daß der Kläger, wenn § 1 Abs 7 ALG auf ihn zuträfe, nach der Übergangsvorschrift des § 84 ALG zumindest bis zum 31. Dezember 1995 versichert gewesen wäre. Denn auch dann war er am 31. Dezember 1994 als Landwirt beitragspflichtig; das bis zu diesem Zeitpunkt geltende GAL kannte keine Ausnahme von der Versicherungspflicht entsprechend der Neuregelung des § 1 Abs 7 ALG. Für diesen Personenkreis aber sieht § 84 Abs 1 Satz 1 und 2 ALG eine Versicherungspflicht bis mindestens 31. Dezember 1995 vor.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 3 Abs 1 ALG für die Zeit vom 1. Januar 1994 bis zum 5. Juli 1995.
Er hat zwar auch in diesem Zeitraum die – materiellen – Voraussetzungen jener Vorschrift erfüllt. Er bezog in seiner Beschäftigung als Angestellter Arbeitsentgelt, das ein Siebtel der Bezugsgröße (§ 18 Abs 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch ≪SGB IV≫) überschritt. Im Ergebnis zu Recht haben die Vorinstanzen jedoch entschieden, daß dem Befreiungsanspruch des Klägers insoweit die Ausschlußfrist nach § 3 Abs 2 ALG entgegensteht. Denn der Kläger hat seinen entsprechenden Antrag bei der Beklagten nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen gestellt. Diese waren ab dem 1. Januar 1994 gegeben, ab dem Zeitpunkt, in dem der Kläger als Landwirt zur Beklagten beitragspflichtig wurde. Auch die Übergangsfrist des § 94 Abs 2 ALG bis zum 31. März 1995 (s oben) hat er versäumt. Entgegen der Rechtsansicht des Klägers ergibt sich nichts anderes aus der von ihm befürworteten Anwendung der Grundsätze über den sog sozialrechtlichen Herstellungsanspruch auf die hier vorliegende Fallkonstellation. Eine Pflichtverletzung der Beklagten, die einen derartigen Anspruch begründen könnte, ist nicht ersichtlich.
Schließlich folgt auch aus der Regelung des § 34 Abs 2 Satz 3 iVm Satz 1 ALG nichts im Sinne des Klagebegehrens. Es handelt sich hierbei um eine der Regelungen über den Beitragszuschuß (§§ 32 ff ALG). Nach § 34 Abs 2 Satz 1 und 2 ALG wird diese Leistung von Anfang an gezahlt, wenn der Antrag binnen dreier Monate nach Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen gestellt wird, bei späterer Antragstellung jedoch erst ab dem Antragsmonat. In Satz 3 heißt es dann: „Bei rückwirkender Feststellung der Versicherungspflicht gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe, daß die Frist mit Bekanntgabe des Bescheides über die Feststellung der Versicherungspflicht beginnt.” Satz 4 schränkt Satz 3 wiederum für den Fall ein, daß die Versicherungspflicht als Folge der Beendigung einer Befreiung nach § 3 Abs 1 (zB außerlandwirtschaftliches Arbeitsentgelt, Pflege) oder § 85 Abs 3b ALG (übergangsrechtliche Befreiungsmöglichkeit für „Neubäuerinnen”, solange eine Wirtschaftswertgrenze unter- und eine Erwerbseinkommensgrenze überschritten wird) rückwirkend festgestellt wird: Dann setzt die Anwendung des Satzes 3 voraus, daß die Frist nach Satz 1 aus Gründen versäumt wurde, die der Berechtigte nicht zu vertreten hat.
Diese Vorschrift trägt der Situation Rechnung, daß ein Anlaß zur Beantragung eines Beitragszuschusses grundsätzlich solange nicht besteht, wie die Beitragspflicht nicht festgestellt ist. Ganz ähnlich aber besteht vor Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht auch kein Anlaß zur Stellung eines Befreiungsantrages. In beiden Fällen erfüllen nach dem Gesetz Versicherungspflichtige gleichzeitig die Voraussetzungen für ein ihnen zustehendes Gestaltungsrecht, nämlich für einen Anspruch auf Beitragszuschuß oder auf Befreiung von der Versicherungspflicht; ebenso haben die Betroffenen in beiden Fällen gleichermaßen noch keine Bestätigung jener Versicherungspflicht von der hierfür zuständigen Behörde, nämlich der landwirtschaftlichen Alterskasse. Der Senat hat daher (mit den Urteilen vom 28. März 2000, B 10 LW 2/99 R und B 10 LW 4/99 R) den Rechtsgedanken aus § 34 Abs 2 Satz 3 ALG im Rahmen der übergangsrechtlichen Befreiungsvorschrift des § 85 Abs 3a ALG bei rückwirkender Feststellung der Versicherungspflicht angewandt.
Der Senat kann jedoch offenlassen, ob auch im Rahmen des § 3 Abs 2 ALG der Rechtsgedanke des § 34 Abs 2 Sätze 3 und 4 ALG Anwendung findet. Dies ist bereits deshalb fraglich, da hier – anders als bei der Übergangsvorschrift des § 85 Abs 3a ALG – eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 27 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch ≪SGB X≫) nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. Damit könnte es von vornherein an der Notwendigkeit einer Rechtsanwendung, wie vom Senat für die Übergangsvorschrift des § 85 Abs 3a ALG befürwortet, fehlen. Der Senat kann freilich gleichermaßen offenlassen, ob die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Dreimonatsfrist des § 3 Abs 2 ALG – auch ohne ausdrückliche Regelung – ausgeschlossen ist (§ 27 Abs 5 SGB X). Denn der Kläger erfüllt in keinem Fall die Voraussetzungen dafür, seinem Antrag auf Befreiung Rückwirkung auf den 1. Januar 1994 beizumessen.
Selbst wenn auf die Versäumung der Dreimonatsfrist des § 3 Abs 2 ALG das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 27 SGB X) anwendbar wäre, wäre eine Entscheidung im Sinne des Klägers nicht möglich. Insoweit würde es bereits daran fehlen, daß der Kläger seinen – dann im Befreiungsantrag vom 6. Juli 1995 enthaltenen – Wiedereinsetzungsantrag innerhalb der insoweit geltenden Frist von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses (§ 27 Abs 2 Satz 1 SGB X) gestellt hat. Spätestens mit dem Beitragsbescheid der Beklagten vom 2. Juni 1995, zur Post gegeben am 8. Juni 1995, war das Hindernis der vom Kläger behaupteten Unkenntnis von seiner Versicherungspflicht zur Beklagten beseitigt; sein Befreiungsantrag ist jedoch erst am 6. Juli 1995 bei der Beklagten eingegangen.
Auch bei Einhaltung dieser Frist wäre im übrigen ein Wiedereinsetzungsantrag des Klägers an der hierfür geltenden Voraussetzung gescheitert, daß die Verhinderung, eine gesetzliche Frist einzuhalten, „ohne Verschulden” des Betroffenen verursacht sein muß (§ 27 Abs 1 Satz 1 SGB X); der Betroffene muß die Sorgfalt beachtet haben, die einem im jeweiligen Verwaltungsverfahren gewissenhaft Handelnden nach den gesamten Umständen des jeweiligen Falles zuzumuten ist (Krasney in: Kasseler Komm, § 27 SGB X RdNr 5, Stand: 1993; vgl Bundessozialgericht ≪BSG≫ vom 16. Oktober 1986 – 12 RK 32/85 = MittLVA BE 1987, 72, 74). Dies war beim Kläger nicht der Fall.
Zum einen hat das BSG bereits auch im Zusammenhang der landwirtschaftlichen Sozialversicherung ausgesprochen, daß sich ein Unternehmer – oder zum Unternehmer Gewordener – grundsätzlich selbst darum zu kümmern hat, welche sozialversicherungsrechtlichen Folgen seine Betätigung nach sich zieht (vgl BSG, 4. Senat vom 23. Oktober 1996, SozR 3-5850 § 14 Nr 2 S 5 f). Zum anderen hat der Kläger bei Übernahme der Landwirtschaft zum 1. Januar 1994 gegen Meldepflichten verstoßen; hätte er diese eingehalten, hätte er auch problemlos seine rückwirkende Befreiung bis zu diesem Zeitpunkt erreichen können. Der Kläger war nicht nur verpflichtet, die Übernahme des landwirtschaftlichen Unternehmens seiner Mutter binnen eines Monats der landwirtschaftlichen BG sowie der Beklagten anzuzeigen (§ 796 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫ – für die landwirtschaftliche Alterskasse iVm § 32 GAL – sowie § 25 der Satzung der Westfälischen landwirtschaftlichen BG ≪idF des 6. Nachtrags vom 6. Dezember 1991≫ bzw § 23 Abs 1 der Satzung der Beklagten ≪idF des 6. Nachtrags vom 5. Dezember 1991≫; diese nicht revisiblen Vorschriften konnte der Senat feststellen, da die Vorinstanzen insoweit keine Feststellungen getroffen haben: vgl ua BSG vom 15. November 1995, BSGE 77, 53, 59 = SozR 3-2500 § 106 Nr 33); er hätte auch der BG (nach § 797 iVm § 666 RVO sowie § 26 der Satzung der BG) binnen eines Monats die Flächenänderung hinsichtlich seines eigenen landwirtschaftlichen Unternehmens mitteilen müssen. Denn bereits seit 1980 wurde er von der BG veranlagt, von wo er jährlich einen Beitragsbescheid sowie ein Meldeformular zur Angabe von Flächenveränderungen erhalten hatte; dies hat das SG in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils festgestellt, die das LSG insoweit in Bezug genommen hat.
Wäre er diesen Pflichten nachgekommen, wäre der Beitragsbescheid der Beklagten noch so frühzeitig ergangen, daß der Kläger jedenfalls noch nach dem bis zum 31. Dezember 1994 geltenden Recht (§ 14 Abs 2 GAL), spätestens innerhalb der Übergangsfrist des § 94 Abs 2 ALG (31. März 1995) seine rückwirkende Befreiung von der Befreiungspflicht hätte erreichen können. Nach alledem kann er sich jedenfalls nicht mit dem Vortrag entlasten, er habe die Übernahme des landwirtschaftlichen Betriebes „sofort” der BG angezeigt, als deren Beitragsbescheid für das Jahr 1994 erst am 10. April 1995 noch seiner Mutter gegenüber ergangen sei.
Im Ergebnis nichts anderes ergäbe sich bei einer eventuellen Anwendung des Rechtsgedankens aus § 34 Abs 2 Satz 3 ALG. Denn selbst wenn eine Rückwirkung des Befreiungsantrags auf dieser Grundlage denkbar wäre, stünden ihr dieselben Erwägungen entgegen wie einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Zwar würde im Falle des Klägers die Anwendung des Rechtsgedankens auch aus Satz 4 der genannten Vorschrift (s hierzu ebenfalls die Senatsurteile vom 28. März 2000, B 10 LW 2/99 R und B 10 LW 4/99 R) daran scheitern, daß diese Teilregelung (eingeführt durch Art 1 Nr 13 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Reform der agrarsozialen Sicherung ≪ASRG-ÄndG≫ vom 15. Dezember 1995, BGBl I 1814) erst am 23. Dezember 1995 in Kraft getreten ist (Art 5 Abs 1 ASRG-ÄndG). Die Neuregelung macht jedoch deutlich, daß auch in den Augen des Gesetzgebers die Rückwirkung des Antrags auf Beitragszuschuß dann eine Einschränkung erfordert, wenn der Betroffene die Verspätung zu vertreten hat. Nach § 34 Abs 2 Satz 4 ALG setzt die Anwendung des Satzes 3 voraus, daß die Frist nach Satz 1 aus Gründen versäumt wurde, die der Berechtigte nicht zu vertreten hat, wenn die Versicherungspflicht als Folge der Beendigung einer Befreiung zB nach § 3 Abs 1 ALG (etwa außerlandwirtschaftliches Arbeitsentgelt iS der Nr 1 aaO) rückwirkend festgestellt wird. Diese Vorschrift versagt die Rückwirkung des Anspruchs auf Beitragszuschuß bei rückwirkender Feststellung der Versicherungspflicht (§ 34 Abs 2 Satz 3 ALG), also in solchen Fallkonstellationen, in denen dem Betroffenen seine Eigenschaft als Landwirt und seine daraus folgende grundsätzliche Versicherungspflicht bekannt war, er jedoch ausnahmsweise hiervon (zB nach § 3 Abs 1 ALG) befreit war und diese Befreiung aufgrund einer Änderung in den persönlichen Lebensverhältnissen (zB Aufgabe der außerlandwirtschaftlichen Beschäftigung) geendet hatte, die wiederum der Landwirtschaftlichen Alterskasse nicht bekannt sein mußten. Nach den Materialien (BT-Drucks 13/2747, S 4, 13; BT-Drucks 13/3057, S 7, 27) soll durch die Regelung einerseits verhindert werden, daß bei rückwirkender Feststellung der Versicherungspflicht als Folge des Fortfalls einer Befreiung bei nicht rechtzeitiger Anzeige von Einkommensänderungen rückwirkend Zuschüsse zu zahlen sind; andererseits aber auch sichergestellt werden, daß der Beitragszuschuß dann rückwirkend zu zahlen ist, wenn der Betroffene die verspätete Feststellung des „Wiederauflebens” der Versicherungsfrist nicht zu vertreten hat.
Dies entspricht – jedenfalls dem Grundgedanken nach – den oben zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erläuterten Grundsätzen. Sie wären auch für den Zeitraum vor Inkrafttreten des § 34 Abs 2 Satz 4 ALG bei einer Anwendung des Rechtsgedankens aus § 34 Abs 2 Satz 3 ALG auf die Antragsfrist des § 3 Abs 2 ALG maßgebend. Nur so widerspräche eine Rückwirkung der Antragsbefreiung nicht bereits grundsätzlich der insoweit durch das ASRG getroffenen Neuregelung. Denn nach dem bis zum Jahre 1994 geltenden GAL war eine Befreiung von der Beitragspflicht wegen versicherungspflichtiger außerlandwirtschaftlicher Beschäftigung bei erfüllter Wartezeit in der gesetzlichen Rentenversicherung (gemäß § 14 Abs 2 Satz 1 Buchst a GAL) zeitlich unbegrenzt – rückwirkend – möglich, solange der Betroffene einer derartigen Beschäftigung nachging; gezahlte Beiträge waren ihm zurückzuerstatten. Dies bedeutete eine nicht unerhebliche Begünstigung des betroffenen Personenkreises: Dieser konnte erst nach Ablauf einer längeren – im Einzelfall jahrzehntelangen – „Probezeit” entscheiden, ob sich die Doppelversicherung gelohnt hatte. War zwischenzeitlich ein Versicherungsfall eingetreten, der einen Leistungsanspruch begründete – oder war ein solcher in Kürze zu erwarten –, blieb die Alterskasse auf dem (wie sich herausgestellt hatte: für sie schlechten) Risiko „hängen”, während der Betroffene jederzeit rückwirkend die Beitragspflicht „aufkündigen” konnte, wenn er keine Leistungen erwartete (vgl zum Versicherungsschutz nach dem GAL in Form einer jederzeit ausübbaren „Option” BSG, 4. Senat vom 23. Oktober 1996, SozR 3-5850 § 14 Nr 2 S 5). Dem wollte der Gesetzgeber des ASRG 1995 mit der Neuregelung des Befreiungsrechts erkennbar entgegenwirken und hat die – auch von ihm als im Gegensatz zum bisherigen Recht stehend bezeichnete (BT-Drucks 12/5700, S 71, zu § 3) – Antragsfrist nach § 3 Abs 2 ALG eingeführt. Diesem Zweck der Neuregelung widerspräche es, eine rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht – wie beim Kläger – immer schon dann zu ermöglichen, wenn der Bescheid über die Versicherungspflicht – und sei es aufgrund eines Fehlverhaltens des Landwirts – erst rückwirkend ergeht. Damit spräche alles dafür, die Anwendung des Rechtsgedankens der auf den Beitragszuschuß zugeschnittenen Regelung aus § 34 Abs 2 Satz 3 ALG auch bereits für die Zeit vor Inkrafttreten des Satzes 4 jener Vorschrift jedenfalls wie folgt einzuschränken: Ein Anspruch auf eine rückwirkende Befreiung bei rückwirkender Bescheiderteilung über die Versicherungspflicht besteht dann nicht, wenn der Betroffene eine Änderung in den persönlichen Lebensverhältnissen (zB – wie hier – Übernahme einer Landwirtschaft) nicht anzeigt, die der landwirtschaftlichen Alterskasse nicht bekannt sein mußte, er durch diese Änderung versicherungspflichtig wird und ihm die Versicherungspflicht bekannt war oder bekannt sein mußte.
In diesem Sinne hätte der Kläger die Verspätung des Befreiungsantrages zu vertreten. Auf die obigen Ausführungen zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann auch hier Bezug genommen werden. Die Versicherungspflicht ist (und sind damit auch die Voraussetzungen für seine Befreiung) aufgrund einer Änderung von Umständen im persönlichen Lebensbereich des Klägers (Übernahme einer Landwirtschaft bei gleichzeitiger außerlandwirtschaftlicher abhängiger Beschäftigung) eingetreten – und nicht etwa (wie in den vom Senat in den Urteilen vom 28. März 2000 – B 10 LW 2/99 und 4/99 R – entschiedenen Fallkonstellationen) aufgrund einer Gesetzesänderung.
Im übrigen bedeutet die vom Kläger angefochtene Entscheidung der Beklagten für ihn auch keine unzumutbare Härte. Er wird hierdurch zwar zur Zahlung von DM 5.238,– herangezogen. Er konnte jedoch, wie aufgezeigt, insoweit (in unmittelbarer Anwendung des § 34 Abs 2 Satz 3 und 4 ALG) – bei Erfüllung der einkommensabhängigen Voraussetzungen – im Bedarfsfall einen Beitragszuschuß beantragen. Zudem sind die Beiträge nicht notwendigerweise verloren. Wegen der Anrechnung der in der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegten Beitragszeiten (§ 17 Abs 1 ALG) hätte der Kläger die Wartezeit für Leistungen aus der Alterssicherung der Landwirte bereits dann erfüllt, wenn er bis zum 31. Dezember 1993 13 ½ Jahre Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt hätte; liegen diese Voraussetzungen noch nicht vor, könnten sie uU mit Rentenversicherungszeiten nach einer späteren Aufgabe der Landwirtschaft (und damit auch einer Befreiung nach § 3 Abs 1 ALG – vgl § 17 Abs 1 Satz 3 ALG) erreicht werden.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen