Entscheidungsstichwort (Thema)
Wegeunfall. innerer Zusammenhang. ehrenamtliche Tätigkeit. Heimatfest. Repräsentation
Leitsatz (amtlich)
Der Versicherungsschutz umfaßt bei einem ehrenamtlichen Beigeordneten einer Gemeinde (§ 539 Abs 1 Nr 13 RVO) auch den Besuch des von ihr organisierten Heimatfestes als offizieller Vertreter.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
RVO § 550 Abs. 1, § 539 Abs. 1 Nr. 13
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. Mai 1996 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten um die Entschädigung eines Unfalls als Arbeitsunfall.
Der Kläger, von Beruf Jurist und als solcher hauptberuflich beim Verband der Kriegs- und Wehrdienstopfer, Behinderten und Rentner (VdK) in Trier angestellt, übte zur Zeit des Unfalls die ehrenamtliche Tätigkeit des 3. Beigeordneten der Verbandsgemeinde Schweich aus.
Als er am 13. September 1992 (Sonntag) von seinem Wohnort Föhren kommend in Begleitung von Familienangehörigen und einer Bekannten in Richtung der Stadt Schweich fuhr, stieß er mit einem anderen Fahrzeug zusammen, wobei er sich schwere Verletzungen zuzog. Er hatte zusammen mit seinen Begleitern zum Heimat-, Wein- und Erntedankfest fahren wollen, das jährlich von der Stadt Schweich organisiert wird. Dort fand an diesem Tag um 14.00 Uhr ein großer Festumzug und danach um 15.30 Uhr ein „bunter Nachmittag” bei Kaffee und Kuchen mit anschließender musikalischer Unterhaltung in der Stefan-Andres-Halle statt.
Entsprechend den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) begann – nach den Angaben des Klägers – der offizielle Teil der Festveranstaltung nach dem Umzug. Dort war seine Anwesenheit erforderlich. Der Stadtbürgermeister pflegte die von der Stadt Schweich eingeladenen Ehrengäste zu begrüßen. Nach der Auskunft der Verbandsgemeindeverwaltung Schweich hatten die Ehrengäste keine offiziellen Aufgaben, sondern sollten nur repräsentieren. Die Einladung zum Fest war an den 1. Beigeordneten der Stadt Schweich gegangen. Falls der Bürgermeister verhindert war, eine solche Veranstaltung zu besuchen, was am Unfalltag der Fall war, entschied der 1. Beigeordnete, ob er selbst an der Veranstaltung teilnahm oder damit den 2. oder 3. Beigeordneten beauftragte. Der 1. Beigeordnete hatte die Einladung an den Kläger als Vertreter der Verbandsgemeinde weitergeleitet.
Der Beklagte lehnte es ab, den Unfall vom 13. September 1992 als Arbeitsunfall zu entschädigen. Der Kläger sei bei der zum Unfall führenden Fahrt nicht nach § 539 Abs 1 Nr 13 der Reichsversicherungsordnung (RVO) gegen Unfall versichert gewesen, denn er habe bei dem Besuch des Festumzugs keine Amtspflichten zu erfüllen gehabt. Der bloße Besuch eines öffentlichen Festes könne keinen Unfallversicherungsschutz begründen (Bescheid vom 26. April 1993 idF des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 1993).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 8. Juni 1995). Das LSG hat den Beklagten verurteilt, den Kläger wegen der Folgen seines Wegeunfalls vom 13. September 1992 zu entschädigen (Urteil vom 8. Mai 1996): Der Besuch des Heimat-, Wein- und Erntedankfestes am Unfalltag sei Bestandteil der ehrenamtlichen Tätigkeit des Klägers als Beigeordneter der Verbandsgemeinde Schweich gewesen. Zu den Aufgaben der Beigeordneten einer Verbandsgemeinde zähle auch deren Repräsentation. Dies habe sich auch auf die Anwesenheit des Klägers beim Heimat-, Wein- und Erntedankfest bezogen. Zwar habe der Besuch des Umzugs nicht wesentlich Repräsentationszwecken gedient, weil der Kläger dabei als offizieller Vertreter der Verbandsgemeinde von der Bevölkerung der Gemeinde nicht wahrgenommen werden konnte. Maßgebend für die Repräsentation sei aber der Besuch des anschließenden „bunten Nachmittags” in der Stefan-Andres-Halle gewesen. Denn die Vertreter der Gemeinden würden dort als Ehrengäste an gesonderten Tischen sitzen. Dadurch seien diese Gemeindevertreter in ihrer Funktion erkenntlich. Insbesondere in kleinen Gemeinden in ländlichen Gebieten werde die Teilnahme eines Repräsentanten der Gebietskörperschaft bei solchen Anlässen erwartet. Die ehrenamtlichen Funktionsträger würden es typischerweise als Verpflichtung auffassen, an solchen Veranstaltungen in Vertretung der Kommune teilzunehmen. Deshalb sei es auch üblich, daß an den Sonntagsveranstaltungen aus Anlaß des Festes entweder der Bürgermeister oder einer der Beigeordneten der Verbandsgemeinde Schweich anwesend sei. Diese Erwartungshaltung der Bevölkerung rechtfertige es, den Besuch des „bunten Nachmittags” als Bestandteil der Tätigkeit des Klägers als Beigeordneter zu qualifizieren. Es sei auch nachvollziehbar, daß der Kläger der Auffassung gewesen sei, der Besuch des „bunten Nachmittags” sei im Interesse der Repräsentation der Verbandsgemeinde Schweich sinnvoll. Dies entspreche auch dem Sinn und Zweck des § 539 Abs 1 Nr 13 RVO. Die Fahrt habe auch keine unversicherte gemischte Tätigkeit dargestellt. Ausschlaggebend für die Fahrt in die Stadt Schweich seien die Gründe der Repräsentation der Gemeinde beim „bunten Nachmittag” in der Stefan-Andres-Halle gewesen. Unerheblich sei, daß im Anschluß an den Besuch des Festes die Weiterfahrt nach Thörnich beabsichtigt gewesen sei, um dort in Vertretung der Verbandsgemeinde Schweich ein weiteres Ortsfest zu besuchen.
Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt der Beklagte die Verletzung des § 539 Abs 1 Nr 13 RVO. Es sei unverständlich, daß allein aufgrund der subjektiven Beurteilung des Klägers, der Besuch des „bunten Nachmittags” am Unfalltag sei im Interesse der Repräsentation der Verbandsgemeinde Schweich sinnvoll, der Unfallversicherungsschutz gegeben sein solle. Insbesondere könne nicht überzeugen, daß allein aufgrund der Erwartungshaltung der Bevölkerung, die die Teilnahme eines Repräsentanten der Gebietskörperschaft bei solchen Anlässen als üblich ansehe, es gerechtfertigt sei, den Besuch des „bunten Nachmittags” als Bestandteil der ehrenamtlichen Tätigkeit des Klägers als Beigeordneter zu qualifizieren. Die Erwartungshaltung der Bevölkerung sei kein geeignetes Abgrenzungskriterium, weil abhängig vom Bildungsstand, vom kulturellen und sozialpolitischen Interesse sowie einem ständigen Wandel unterworfen. Dies zeige sich im vorliegenden Fall schon daran, daß für die an dem „bunten Nachmittag” teilnehmende Bevölkerung nicht zu unterscheiden gewesen sei, in welcher Eigenschaft einzelne ehrenamtliche Funktionsträger an der Veranstaltung teilgenommen hätten. Entgegen der Ansicht des LSG habe die im Anschluß an den Festumzug stattfindende Veranstaltung keinen offiziellen Charakter gehabt und sei somit für die teilnehmenden „Ehrenamtsinhaber” nicht zu Repräsentationszwecken geeignet gewesen. In den Jahren vor und nach dem Unfall sei lediglich bei der Samstagsveranstaltung ein Repräsentant der Gemeinde anwesend gewesen. Die Teilnahme von ehrenamtlichen Funktionsträgern am Sonntag sei nicht erforderlich oder vorgesehen gewesen, wenn auch „erwünscht”. In diesem Zusammenhang habe auch die Formulierung der Einladung für die Ehrengäste besondere Bedeutung. Die Einladung habe sich nur auf die Festveranstaltung am Abend des 12. September 1992 bezogen. Nach der Rechtsauffassung des LSG wäre eine Trennung zwischen Veranstaltungen, die einen offiziellen Charakter aufweisen und objektiv geeignet wären, Repräsentationszwecken zu dienen, und solchen Veranstaltungen, die ehrenamtliche Funktionsträger als „Privatpersonen” besuchen, nicht mehr möglich.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. Mai 1996 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 8. Juni 1995 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. Mai 1996 zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist unbegründet.
Entgegen der Ansicht des Beklagten hat der Kläger einen Anspruch auf Entschädigung wegen der Folgen des Unfalls vom 13. September 1992 nach den Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung; denn der Kläger erlitt bei dem Zusammenstoß einen Arbeitsunfall.
Der Entschädigungsanspruch richtet sich noch nach den Vorschriften der RVO, da der vom Kläger geltend gemachte Arbeitsunfall vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) am 1. Januar 1997 eingetreten ist (Art 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz ≪UVEG≫, § 212 SGB VII).
Nach § 548 Abs 1 Satz 1 RVO ist Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten und danach versicherten Tätigkeiten erleidet. Im vorliegenden Fall beurteilt sich der Versicherungsschutz entgegen der Auffassung des LSG nicht nach § 550 Abs 1 RVO, sondern nach § 548 Abs 1 Satz 1 RVO, weil das Zurücklegen des Weges bereits einen Teil der ehrenamtlichen Tätigkeit darstellte. Zur Annahme eines Arbeitsunfalls nach § 548 Abs 1 Satz 1 RVO ist in der Regel erforderlich, daß das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, und daß diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat. Zunächst muß also eine sachliche Verbindung mit der geschützten Tätigkeit bestehen, der innere Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (BSGE 63, 273, 274; BSG SozR 2200 § 548 Nr 95; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 27). Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSGE 58, 76, 77; 61, 127, 128).
Der Kläger war – neben seiner Tätigkeit als juristischer Assessor beim VdK in Trier – als 3. Beigeordneter der Verbandsgemeinde Schweich ehrenamtlich für diese Gemeinde tätig. Als ehrenamtlicher Beigeordneter gehörte er zu den nach § 539 Abs 1 Nr 13 RVO gegen Arbeitsunfall versicherten Personen. Nach dieser Vorschrift sind gegen Arbeitsunfälle ua versichert die für den Bund, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband oder eine andere Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts ehrenamtlich Tätigen, wenn ihnen nicht durch Gesetz eine laufende Entschädigung zur Sicherstellung ihres Lebensunterhalts gewährt wird. Der Kläger erfüllte die Voraussetzungen für den Versicherungsschutz. Er war ehrenamtlich tätig in dem in § 539 Abs 1 Nr 13 RVO genannten öffentlich-rechtlichen Bereich. Ihm wurde dafür keine laufende Entschädigung zur Sicherstellung seines Lebensunterhalts gewährt. Nach § 18 Abs 4 GemO des Landes Rheinland-Pfalz iVm § 13 der Landesverordnung über die Aufwandsentschädigung für Ehrenämter in Gemeinden und Verbandsgemeinden vom 1. März 1974 (GVBl S 105) können ehrenamtliche Beigeordnete eine Aufwandsentschädigung erhalten. Es wird ihnen daher keine laufende Entschädigung zur Sicherstellung ihres Lebensunterhalts gezahlt.
Der Kläger war daher im Zeitpunkt des Unfalles vom 13. September 1992 gemäß § 539 Abs 1 Nr 13 RVO gegen Arbeitsunfall versichert. Nach § 548 RVO besteht Versicherungsschutz für alle Tätigkeiten in Ausübung des Ehrenamtes einschließlich der hiermit im Zusammenhang stehenden Wege (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 474k; Lauterbach/Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl § 539 RVO Anm 80 2d).
§ 539 Abs 1 Nr 13 RVO enthält keine eigene Umschreibung der versicherten Tätigkeit selbst, sondern spricht insoweit nur von für den Bund, ein Land, usw „ehrenamtlich Tätigen”, setzt also die Tätigkeit in der Form voraus, in der sie im Einzelfall tatsächlich oder gesetzlich ausgestaltet ist (BSG SozR 2200 § 539 Nr 63). Das LSG hat dazu bezüglich der Tätigkeit des Klägers als Beigeordneter auf die Gemeindeordnung des Landes Rheinland-Pfalz (GemO) verwiesen. Nach § 50 Abs 2 GemO vertreten die Beigeordneten – in bestimmter Reihenfolge – den Bürgermeister in dessen Verhinderungsfall. Dieser hat nach § 47 Abs 1 Satz 1 GemO ua die Aufgabe, die Gemeinde nach außen zu vertreten. Dazu gehört auch die Repräsentation der Stadt in der Öffentlichkeit. Der Versicherungsschutz des Klägers umfaßte im Vertretungsfall daher alle mit der Ausübung seiner Aufgaben in einem rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhang stehenden Tätigkeiten (vgl BSG SozR 2200 § 539 Nr 63). Nachdem auch der Zeuge Porten – nach den Feststellungen des LSG – als für die Vertretung des Bürgermeisters zunächst zuständiger 1. Beigeordneter an der Festveranstaltung der Stadt Schweich nicht teilnehmen konnte, betraute er den Kläger mit der Wahrnehmung des Veranstaltungstermins, indem er ihm die dafür bestimmte Einladung zukommen ließ. Der beabsichtigte Besuch des Klägers beim „bunten Nachmittag” in der Stefan-Andres-Halle am Unfalltag sollte damit in Ausübung seines Amtes als Beigeordneter zur Vertretung des Bürgermeisters erfolgen. Auf dem Weg zu dieser versicherten Tätigkeit iS des § 539 Abs 1 Nr 13 RVO verunglückte der Kläger.
Dabei würde der Unfallversicherungsschutz des Klägers – entgegen der Ansicht des Beklagten – nicht schon dann scheitern, wenn nur nach den subjektiven Vorstellungen des Klägers der Besuch des „bunten Nachmittags” am Unfalltag im Interesse der Repräsentation der Stadt Schweich sinnvoll gewesen wäre. Nach den für Versicherte, die in einem Beschäftigungsverhältnis iS des § 539 Abs 1 Nr 1 RVO stehen, entwickelten Grundsätzen, die auch auf ehrenamtlich tätige Versicherte iS von § 539 Abs 1 Nr 13 RVO anwendbar sind, kommt es für den erforderlichen inneren Zusammenhang zwischen der zum Unfall führenden Verrichtung und der versicherten Tätigkeit darauf an, daß die Verrichtung, bei der sich der Unfall ereignete, dazu bestimmt war, den Zwecken des Unternehmens zu dienen (vgl BSG SozR Nr 22 zu § 548 RVO; BSG SozR 2200 § 539 Nr 119). Maßgebend ist dabei die sich erkennbar ergebende Handlungstendenz. Ob eine Tätigkeit aber dem Unternehmen zu dienen bestimmt war, beurteilt sich nicht danach, ob die Tätigkeit dem Unternehmen objektiv tatsächlich dienlich war. Vielmehr ist es ausreichend, daß der Versicherte von seinem Standpunkt aus der Auffassung sein konnte, daß die Tätigkeit geeignet sei, den Interessen des Unternehmens zu dienen (BSG SozR 2200 § 550 Nr 39). Voraussetzung dafür ist jedoch, daß der Versicherte aufgrund der objektiv vorliegenden oder objektiv nachzuvollziehenden Umstände davon ausgehen konnte, seine zum Unfall führende Verrichtung werde dem Unternehmen dienlich sein (vgl Krasney in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, Unfallversicherungsrecht, § 8 RdNr 41). Dies gilt hier auch für die Beurteilung der Frage, ob der Besuch des „bunten Nachmittags” in der Stefan-Andres-Halle durch den Kläger zur Erfüllung seiner Aufgaben als Beigeordneter im Interesse der Stadt erforderlich war. Dem Kläger war die offizielle Einladung als Ehrengast für diese Veranstaltung anläßlich des Heimat-, Wein- und Erntedankfestes als Beigeordneten vom Bürgermeister und dessen – ersten – Vertreter zugeleitet worden. Schon daraus konnte er entnehmen, daß sein Besuch des „bunten Nachmittags” als Vertreter der Stadt Schweich, die das Fest organisierte, für erforderlich angesehen wurde. Hinzu kommt, daß die Vertreter der Gemeinden als Ehrengäste an gesonderten Tischen zu sitzen pflegten, wodurch schon ihre repräsentative Funktion deutlich sichtbar zum Ausdruck kommt. Nach der Feststellung des LSG wird in kleinen Gemeinden, besonders in ländlichen Gebieten, die Teilnahme eines Repräsentanten der Gebietskörperschaft bei derartigen Anlässen erwartet. Daher – und nur insoweit ist die Erwartungshaltung der Einwohner bedeutsam – pflegen ehrenamtliche Funktionsträger es typischerweise als Verpflichtung aufzufassen, in Vertretung der Gemeinde an derartigen Veranstaltungen teilzunehmen. Üblicherweise sind daher in der Stadt Schweich bei den Festveranstaltungen entweder der Bürgermeister oder einer der Beigeordneten anwesend. Zutreffend kam daher das LSG zu dem Ergebnis, den Besuch des „bunten Nachmittags” als Teil der Tätigkeit des Klägers als Beigeordneter zu qualifizieren. Der Kläger konnte zumindest aufgrund der objektiven Gegebenheiten davon ausgehen, sein Besuch des „bunten Nachmittags” würde der Repräsentation der Stadt Schweich dienlich sein.
Der Versicherungsschutz des Klägers am Unfalltag entfällt ferner nicht unter dem Gesichtspunkt der sog gemischten Tätigkeit. Nach den Feststellungen des LSG hat die Fahrt am Unfalltag von Föhren nach Schweich sowohl privaten als auch versicherten Zwecken gedient. Die Fahrt diente auch dem privaten Zweck, Familienangehörige sowie eine Bekannte des Klägers zum Heimat-, Wein- und Erntedankfest mitzunehmen. In einem solchen Falle ist in erster Linie darauf abzustellen, ob sich der zurückgelegte Weg eindeutig in zwei Teile zerlegen läßt, von denen der eine versicherten Zwecken und der andere privaten Interessen gedient hat (Brackmann/Krasney, Handbuch der Sozialversicherung, Bd 3, § 8 RdNrn 49 und 204 mwN). Ist – wie hier – eine Trennung nicht möglich, so besteht Versicherungsschutz, wenn die Verrichtung im Einzelfall versicherten Interessen wesentlich gedient hat; sie braucht ihnen aber nicht überwiegend gedient zu haben (vgl BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 19 mwN). Die Wesentlichkeit des Interesses beurteilt sich hierbei in erster Linie nach den aufgrund von objektiven Anhaltspunkten nachvollziehbaren subjektiven Vorstellungen des Versicherten (BSGE 20, 215, 218). Entscheidendes Abgrenzungskriterium für die Frage, ob eine gemischte Tätigkeit wesentlich versicherten Interessen gedient hat, ist, ob diese Tätigkeit hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn der private Zweck entfallen wäre (vgl BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 19 mwN). Damit sind entgegen der Auffassung der Revision auch hier die erforderlichen Abgrenzungen ausreichend möglich zwischen wesentlich allein privaten Interessen dienenden Besuchen von Veranstaltungen und solchen, die wesentlich den dienstlichen Interessen zu dienen bestimmt sind.
Nach den Feststellungen des LSG ist aufgrund der glaubhaften Angaben des Klägers davon auszugehen, daß bei der Fahrt für ihn entscheidend gewesen ist, aus Gründen der Repräsentation der Stadt Schweich am „bunten Nachmittag” in der Stefan-Andres-Halle teilzunehmen. Er hätte die Fahrt in offizieller Funktion als Vertreter der Verbandsgemeinde zum Heimat-, Wein- und Erntedankfest auch dann unternommen, wenn die anderen Insassen des PKW nicht mitgefahren wären.
Nach alledem war die Revision des Beklagten zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1173522 |
DStR 1998, 306 |
NVwZ 1998, 111 |
AuA 1998, 255 |
SozR 3-2200 § 539, Nr.38 |