Beteiligte
Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein |
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. Oktober 1997 wird zurückgewiesen.
Die Kläger haben die außergerichtlichen Kosten der Beklagten für das Revisionsverfahren als Gesamtschuldner zu erstatten.
Gründe
I
Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) berichtigte die Honoraranforderungen der als Ärzte für Kinderheilkunde in Gemeinschaftspraxis zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Kläger in den Quartalen II und III/1995 dahin, daß in 90 bzw 48 Fällen die Leistungen nach Nr 74 Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen/Ersatzkassen-Gebührenordnung ≪BMÄ/E-GO≫ (kurzer ärztlicher Bericht über das Ergebnis einer Patientenuntersuchung) gestrichen wurden, die die Kläger für die auf Teil „b” des Abrechnungsscheins für den Notfalldienst festgehaltene Information des behandelnden Arztes abgerechnet hatten. Abrechnungsscheine für den ärztlichen Notfalldienst berechtigen nach Auffassung der Beklagten nur zur Abrechnung von Leistungen der Erstversorgung bzw der Behandlung während des organisierten Notfalldienstes. Als Mitteilung über die in diesem Rahmen durchgeführte Behandlung sei dem weiterbehandelnden Arzt der Teil „b” des Abrechnungsscheins zuzusenden. Dafür könne die Nr 74 BMÄ/E-GO nicht angesetzt werden. Den Widerspruch der Kläger wies die Beklagte zurück.
Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 5. Februar 1997). Die Berufung der Kläger ist erfolglos geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat ausdrücklich offengelassen, ob die Nichtabrechenbarkeit der Nr 74 BMÄ/E-GO für die Angaben auf Teil „b” des Abrechnungsscheins für den Notfalldienst aus § 36 Abs 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) bzw aus § 6 Abs 2 Arzt-Ersatzkassenvertrag (EKV-Ä) oder aus der Präambel zu Abschnitt B V des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) abzuleiten sei. Jedenfalls ergebe sich der Abrechnungsausschluß daraus, daß die Unterrichtung des weiterbehandelnden Arztes eine selbstverständliche, aus dem ärztlichen Berufsrecht folgende Verpflichtung sei und keine zusätzlich vergütungspflichtige ärztliche Leistung darstelle. Nach § 16 Abs 2 der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte sei ein Arzt, der in einem Notfall zu einem Patienten gerufen werde, der bereits in Behandlung eines anderen Arztes stehe, verpflichtet, diesen Arzt nach der Notfallbehandlung baldmöglichst zu unterrichten und ihm die weitere Behandlung zu überlassen. Die Erfüllung dieser berufsrechtlichen Verpflichtung, für die im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung lediglich Angaben über Befunde und Therapie auf dem dem weiterbehandelnden Arzt zu übersendenden Teil „b” des Abrechnungsscheins für den ärztlichen Notfalldienst vorgesehen seien, verlange keine besondere Abrechenbarkeit. Es handele sich nur um die Übersendung einer Durchschrift der auch im Notdienst ohnehin anzufertigenden eigenen Dokumentation (Urteil vom 29. Oktober 1997).
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision rügen die Kläger, die Auffassung des LSG widerspreche geltendem Berufs- und Vertragsarztrecht. Es sei unstreitig, daß der Inhalt der von ihnen auf dem Teil „b” des Behandlungsscheins für den ärztlichen Notfalldienst gemachten Mitteilungen jeweils die Leistungslegende der Nr 74 BMÄ/E-GO erfülle. Der Auffassung des LSG, allein aus dem Umstand, daß es sich insoweit um den ärztlichen Bericht über eine Notfallbehandlung handele, folge ein Abrechnungsausschluß dieser Gebührenordnungsnummer, könne nicht gefolgt werden. Ärzte seien berufsrechtlich in unterschiedlichen Konstellationen verpflichtet, anderen Ärzten über die von ihnen durchgeführten Behandlungen Mitteilung zu machen. Es sei nicht gerechtfertigt, lediglich in der besonderen Situation der Notfallbehandlung entsprechende Informationen, soweit die Leistungslegende der Nr 74 BMÄ/E-GO erfüllt sei, generell von der Abrechenbarkeit auszunehmen. Einen Rechtssatz des Inhalts, daß Berichte, die ein Arzt (auch) in Ausführung einer ihm nach der Berufsordnung obliegenden Verpflichtung erstelle, generell im vertragsärztlichen System nicht vergütungsfähig seien, gebe es nicht. Im übrigen leite sich die Verpflichtung zur Information des behandelnden Arztes über Notfallmaßnahmen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung aus § 73 Abs 1b Satz 2 SGB V ab, wonach die wesentlichen Behandlungs- und Befunddaten dem Hausarzt zur Verfügung zu stellen seien. Schließlich sei die Annahme nicht gerechtfertigt, die lediglich formularmäßige Abwicklung des Berichts über eine Notfallbehandlung schließe eine Abrechnung als „ärztlicher Bericht” nach Nr 74 BMÄ/E-GO aus. Die formularmäßige Erstellung erweise sich nur als eine Erleichterung der Verfahrensweise, könne jedoch aus einem „Befundbericht” nicht einen „Nichtbericht” machen.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. Oktober 1997 und des Sozialgerichts Düsseldorf vom 5. Februar 1997 aufzuheben und die Bescheide der Beklagten vom 7. September 1995 und 17. November 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 1996 insoweit aufzuheben, als die Gebührennummer 74 BMÄ/E-GO gestrichen wurde, und die Beklagte zu verurteilen, ihnen, den Klägern, die Leistungen nach dieser Gebührennummer nachzuvergüten.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
In erster Linie ist sie der Auffassung, aus § 36 Abs 2 BMV-Ä und § 6 Abs 3 EKV-Ä sei abzuleiten, daß die für den weiterbehandelnden Arzt auf Teil „b” des Abrechnungsscheins für den Notfalldienst bestimmten Mitteilungen nicht abrechnungsfähig seien. Nach diesen Vorschriften würden für schriftliche Informationen Vordrucke vereinbart. Vereinbarte Vordrucke, kurze Bescheinigungen und Auskünfte seien vom Vertragsarzt ohne besonderes Honorar gegen Erstattung von Auslagen auszustellen, es sei denn, daß eine andere Vergütungsregelung vereinbart sei. Das sei hinsichtlich des „Musters 19” für Notfallbehandlungen nicht der Fall. Im übrigen ergebe sich der Ausschluß der Abrechenbarkeit der Nr 74 BMÄ/E-GO aus den vom LSG dargelegten Gründen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) einverstanden erklärt.
II
Die Revision der Kläger ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß die Kläger die Leistung nach Nr 74 BMÄ/E-GO für das Ausfüllen des Teils „b” des Abrechnungsscheins für den ärztlichen Notfalldienst nicht abrechnen können. Dies ergibt sich aus den einschlägigen Bestimmungen der Bundesmantelverträge sowie der dazu vereinbarten Ausführungsregelungen.
§ 34 Abs 1 des auf der Grundlage des § 82 Abs 1 SGB V von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Spitzenverbänden der Krankenkassen vereinbarten BMV-Ä in der ab 1. Januar 1995 geltenden Fassung bestimmt, daß Abrechnungs- und Verordnungsvordrucke sowie Vordrucke für schriftliche Informationen als verbindliche Muster in der Vordruckvereinbarung (Anlage 2 zum Bundesmantelvertrag) festgelegt werden. Ergänzend dazu ist in § 36 Abs 2 BMV-Ä normiert, daß für schriftliche Informationen Vordrucke vereinbart werden. Vereinbarte Vordrucke, kurze Bescheinigungen und Auskünfte sind danach vom Vertragsarzt ohne besonderes Honorar gegen Erstattung von Auslagen auszustellen, es sei denn, daß eine andere Vergütungsregelung vereinbart wurde. Der Vordruck enthält einen Hinweis darüber, ob die Abgabe der Information gesondert vergütet wird oder nicht. Gutachten und Bescheinigungen mit gutachtlichen Fragestellungen, für die keine Vordrucke vereinbart wurden, sind nach den Leistungspositionen des BMÄ zu vergüten. Sachlich damit übereinstimmend schreibt § 6 Abs 1 EKV-Ä für den Bereich der Ersatzkassen vor, daß Abrechnungs- und Verordnungsvordrucke sowie Vordrucke für schriftliche Information als verbindliche Muster in der Vordrucksvereinbarung festgelegt werden. In § 6 Abs 3 EKV-Ä wird eine wörtlich mit § 36 Abs 2 BMV-Ä übereinstimmende Regelung für die Erteilung und Vergütung schriftlicher Informationen durch die Vertragsärzte getroffen.
In Ausführung der bundesmantelvertraglichen Bestimmungen des § 34 Abs 1 und § 36 Abs 2 BMV-Ä bzw § 6 Abs 1 und 3 EKV-Ä haben die Partner der Bundesmantelverträge am 7. Februar 1995 die „Vereinbarung über Vordrucke für die vertragsärztliche Versorgung” (Vordruckvereinbarung) geschlossen, die am 1. April 1995 in Kraft getreten ist. Darin sind die einzelnen in der vertragsärztlichen Versorgung einheitlich zu verwendenden Vordrucke und ihre Zweckbestimmung beschrieben sowie allgemeine Regelungen über die Verwendung und das Ausfüllen von Vordrucken getroffen. Ziff 1.1.1 des Abschnitts 1 der Vordruckvereinbarung schreibt vor, daß im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung die als Bestandteil dieser Vereinbarung beigefügten Muster zu verwenden sind, sofern sich aus dieser Vereinbarung nichts anderes ergibt. Ziff 1.2.2. bestimmt, daß Auskünfte, Bescheinigungen, Zeugnisse, Berichte und Gutachten auf besonderes Verlangen der Krankenkassen bzw des Medizinischen Dienstes nur nach den Leistungspositionen des Abschnitts B V EBM berechnungsfähig sind, die auf den vereinbarten Vordrucken angegeben sind. Kurze Bescheinigungen und Auskünfte auf vereinbarten Vordrucken ohne entsprechenden Aufdruck sind ohne besonderes Honorar, ggf gegen Erstattung von Auslagen, auszustellen. Aus diesen bundesmantelvertraglichen Regelungen folgt zwingend, daß der Vertragsarzt für das vollständige Ausfüllen aller Bestandteile eines in der Vordruckvereinbarung geregelten Vordrucks nur dann eine Leistungsposition des EBM gesondert abrechnen kann, wenn dies auf dem Vordruck angegeben ist. Für den hier maßgeblichen Vordruck „Muster 19” der Anlage zur Vordruckvereinbarung ist das nicht der Fall.
In Ziff 2.19 des Abschnitts 2 der Vordruckvereinbarung wird für die Abrechnung der Leistungen im ärztlichen Notfalldienst und bei Urlaubs- bzw Krankheitsvertretung die Verwendung des „anliegenden Musters 19” vorgeschrieben. Dieses Muster besteht aus einem dreiteiligen Formularsatz mit Kopfleimung aus selbst durchschreibendem Papier: „Muster 19a” der Ausfertigung als Abrechnungsschein, „Muster 19b” als Mitteilung für den weiterbehandelnden Arzt und „Muster 19c” als Ausfertigung für den notfallmäßig oder vertretungsweise tätig werdenden Arzt. Keiner der drei Teile dieses Formularsatzes enthält Hinweise auf eine gesonderte Abrechenbarkeit für das Ausfüllen der Angaben über die gestellten Diagnosen bzw die durchgeführte Behandlung auf Teil „b” des Vordrucks. In den Vordruckerläuterungen zu dem Abrechnungsschein für den ärztlichen Notfalldienst, die nach Ziff 1.2.1 der Vordruckvereinbarung von den Vertragsärzten zu beachten sind, ist lediglich bestimmt, daß „Muster 19b” dem weiterbehandelnden Arzt als Mitteilung zuzustellen ist, während die Durchschrift „19c” beim tätig gewordenen Arzt verbleibt. Die Vertragspartner der Bundesmantelverträge haben danach verbindlich geregelt, in welcher Form der weiterbehandelnde Arzt über die notfallmäßig durchgeführten Behandlungen seitens eines anderen Arztes zu informieren ist. Für die Information über Diagnosen und Behandlungen besteht keine gesonderte Abrechnungsmöglichkeit, weil eine solche auf dem zur Verwendung verbindlich vorgeschriebenem Vordruck nicht ausdrücklich vorgesehen ist. Bedenken gegen die Befugnis der Partner der Bundesmantelverträge, im Interesse einer praktikabelen und standardisierten Leistungsabrechnung entsprechende Regelungen zu treffen, sind nicht ersichtlich.
Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob und ggf unter welchen Voraussetzungen die Angaben des im Not- oder Vertretungsfall behandelnden Arztes auf dem Vordruck Muster 19b den Inhalt der Leistungslegende der Nrn 74 BMÄ/E-GO erfüllen (vgl dazu Wezel/Liebold, Handkommentar BMÄ, E-GO und GOÄ, 6. Aufl, Stand Oktober 1998, S 9 B-130). Soweit dort allerdings die Auffassung vertreten wird, eine Abrechnung der Nr 74 BMÄ/E-GO sei dann nicht ausgeschlossen, wenn der Vertragsarzt auf dem „Muster 19b” einen ausführlichen Befundbericht mit näheren Angaben über das Ergebnis seiner Patientenuntersuchung abgibt, kann dem nicht gefolgt werden. Die Vordruckvereinbarung enthält in Verbindung mit § 36 Abs 2 BMV-Ä bzw § 6 Abs 3 EKV-Ä eine abschließende Regelung, wonach die Information des weiterbehandelnden Arztes, die auf dem zweiten Teil des „Muster 19” erfolgt, nicht gesondert berechnungsfähig ist. Es widerspräche dem Ziel einer Vereinfachung der Abrechnung der im Vertretungs- bzw Notfall zu erbringenden Leistungen, wenn die KÄV gehalten wäre, jeden einzelnen Not- bzw Vertretungsfall daraufhin zu überprüfen, ob die Mitteilung des tätig gewordenen an den weiterbehandelnden Arzt über den Umfang dessen hinausgeht, was üblicherweise auf dem Teil „b” des „Muster 19” eingetragen wird.
Soweit die Kläger geltend machen, der Ausschluß der Abrechnungsfähigkeit der Nr 74 BMÄ/E-GO im Not- bzw Vertretungsfall stelle eine sachlich nicht gerechtfertigte Benachteiligung der in Not- oder Vertretungsfällen tätigen Ärzte dar, weil bei konsiliarischer Behandlung bzw Mitbehandlung die Nr 74 BMÄ/E-GO im Rahmen der innerärztlichen Kommunikation abrechenbar sei, trifft das nicht zu. Anders als in den Fällen der Mitbehandlung tritt im Not- und Vertretungsfall die Notwendigkeit einer Kommunikation zwischen Ärzten nur auf, weil der behandelnde Vertragsarzt wegen der Besonderheiten der Vertretungs- bzw Notfallsituation seine ihm grundsätzlich obliegenden Behandlungsaufgaben nicht erfüllen kann. Welche Leistungen im Rahmen der innerärztlichen Kommunikation in diesen typischen Fällen abrechenbar sind, ist in der Vordruckvereinbarung und der Regelung zum Inhalt des „Muster 19” abschließend geregelt. Der Senat hat zu einer vergleichbaren Konstellation bereits entschieden, daß dem Vertragszahnarzt für die Eintragung der von ihm durchgeführten Behandlungen in das „Bonusheft” des Versicherten, mit dem dieser regelmäßige zahnärztliche Behandlungen nachweisen kann, keine gesonderte Vergütung zusteht. Das ergibt sich nicht in erster Linie aus dem Leistungsinhalt der einschlägigen Ziffer der Vertragsgebührenordnung, sondern daraus, daß die Vertragspartner auf Bundesebene die Leistungen der Individual-Prophylaxe in einer gesonderten Vereinbarung geregelt und in dieser Vereinbarung ausdrücklich keine gesonderte Abrechenbarkeit der Eintragung in das Bonusheft vorgesehen haben. Diese als abschließend zu bewertende Regelung schließt einen Rückgriff auf eine bestimmte – ihrem Leistungsinhalt nach möglicherweise in Einzelfällen erfüllte – Position der Gebührenordnung aus (BSG SozR 3-2500 § 30 Nr 6 S 19, 21). Diese Erwägungen gelten in vergleichbarer Weise hinsichtlich der Abrechenbarkeit der Nr 74 BMÄ/E-GO im Zusammenhang mit der bundesmantelvertraglich abschließend geregelten Abrechenbarkeit ärztlicher Kommunikationsleistungen im Rahmen der Vertretungs- bzw Notfallbehandlung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 542948 |
SozSi 1999, 226 |