Leitsatz (amtlich)
Zum Begriff der psychiatrischen Institutsambulanz.
Normenkette
SGB V § 118 Abs. 1 Fassung: 1988-12-20; Ärzte-ZV § 31 Abs. 1 Fassung: 1992-12-21
Verfahrensgang
SG Münster (Entscheidung vom 17.06.1993; Aktenzeichen S 2 Ka 8/91) |
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 27.07.1994; Aktenzeichen L 11 Ka 123/93) |
Tatbestand
Der klagende Landschaftsverband beantragte im Jahr 1989 bei dem zuständigen Zulassungsausschuß, die von ihm betriebene Westfälische Klinik für Psychiatrie und Neurologie L. (Klinik L.) zur ambulanten Behandlung von Versicherten zu ermächtigen und in die Ermächtigung eine "Außenstelle" einzubeziehen, die er in R. errichten wolle, um die ambulante psychiatrische Versorgung im westlichen Teil des Kreises S. sicherzustellen. In der Außenstelle, deren Unterbringung im Gebäude der psychiatrischen Tagesklinik eines anderen Krankenhauses beabsichtigt war, sollten ein Arzt, eine Krankenschwester und ein Sozialarbeiter Patienten vor Ort ambulant behandeln und beraten. Während die Ermächtigung für die Klinik L. erteilt wurde, lehnten die Zulassungsinstanzen die Einbeziehung der Außenstelle R. in die Ermächtigung ab (Bescheid des beklagten Berufungsausschusses vom 8. November 1990).
Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Münster vom 17. Juni 1993; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Nordrhein-Westfalen vom 27. Juli 1994). Zur Begründung hat das Berufungsgericht im wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Erteilung einer Ermächtigung zur ambulanten Behandlung psychiatrischer Patienten für eine Außenstelle in R. Dieser ergebe sich zunächst nicht aus § 118 Abs 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), weil es sich bei der Außenstelle nicht um ein "psychiatrisches Krankenhaus" iS der genannten Vorschrift handele. Die dem Kläger für die Klinik L. erteilte Ermächtigung erfasse die Außenstelle in R. nicht. Die Ermächtigung setze eine ambulante Behandlung im Krankenhaus und damit eine enge Verzahnung von ambulanter und stationärer Behandlung voraus. Wenn, wie bei der Außenstelle R., ein räumlicher Zusammenhang zwischen psychiatrischem Krankenhaus und der Behandlungseinrichtung nicht bestehe, fehle es auch an der erforderlichen Verzahnung. Ein Ermächtigungsanspruch sei aus § 118 Abs 1 Satz 2 SGB V ebenfalls nicht herzuleiten. Schließlich scheide eine Ermächtigung gemäß § 31 Abs 1a der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) aus, weil die ambulante psychiatrische Versorgung der Versicherten in R. durch die dort niedergelassenen Ärzte für Neurologie und Psychiatrie sichergestellt sei.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, die Ermächtigung für die Klinik L. erstrecke sich auch auf die Außenstelle in R., weil es sich bei ihr um eine Ambulanz der Klinik handele. Aus § 118 Abs 1 SGB V folge die Verpflichtung, die gemeindenahe psychiatrische Versorgung bestimmter Patientengruppen sicherzustellen. Die Psychiatrische Klinik L. könne wegen der großen Entfernungen und der ungünstigen Verkehrsverbindungen jedoch nur einen Teil der Patienten ambulant versorgen. Das Angebot der Außenstelle in R. richte sich daher in erster Linie an die Patienten, die bereits in der Klinik L. stationär behandelt worden seien. Insoweit bestehe die geforderte enge Verzahnung zwischen ambulanter und stationärer Behandlung. Eine übermäßige Ausdehnung der Ambulanz sei nicht zu erwarten, weil § 118 Abs 2 SGB V den Personenkreis bezeichne, für den die psychiatrische Versorgung in Institutsambulanzen angezeigt sei. Jedenfalls ergebe sich ein Anspruch auf Ermächtigung aus § 31 Abs 1a Ärzte-ZV. Zu Unrecht habe das LSG für den speziellen Personenkreis des § 118 Abs 2 SGB V das Vorliegen eines Bedarfs verneint.
Der Kläger beantragt,
1.
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. Juli 1994, das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 17. Juni 1993 sowie den Beschluß des Beklagten vom 8. November 1990 aufzuheben,
2.
festzustellen, daß sich die der Westfälischen Klinik für Psychiatrie und Neurologie L. erteilte Ermächtigung auch auf die Außenstelle R. bezieht,
3.
hilfsweise,
den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger die Ermächtigung für die ambulante psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung der Versicherten für die Außenstelle R. der Westfälischen Klinik für Psychiatrie und Neurologie in L. zu erteilen,
4.
hilfsweise,
den Beklagten zu verurteilen, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Der Beklagte und die Beigeladenen zu 1), 2), 4) und 5) beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die übrigen Beteiligten haben keine Anträge gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das LSG hat die Auffassung des SG, daß eine Ermächtigung für die Außenstelle R. der Klinik L. nicht besteht und nicht zu erteilen ist, zu Recht bestätigt.
Die Ermächtigung psychiatrischer Institutsambulanzen zur Teilnahme an der ambulanten Versorgung der Versicherten richtet sich nach § 118 SGB V. Die Vorschrift ist mit Wirkung vom 1. Januar 1989 durch das Gesundheitsreformgesetz (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) eingeführt worden. Sie schließt an die zu diesem Zeitpunkt aufgehobene Regelung des § 368n Abs 6 Sätze 2 bis 5 Reichsversicherungsordnung (RVO) an, nach der die Einbeziehung der psychiatrischen Krankenhäuser und Krankenhäuser mit selbständigen psychiatrischen Abteilungen durch Vertragsabschluß mit den Kassenärztlichen Vereinigungen erfolgte. Dadurch, daß in § 118 Abs 1 SGB V die Erteilung der Ermächtigung auf die Zulassungsinstanzen übertragen worden ist, hat sich an der inhaltlichen Konzeption der Regelung nichts geändert (vgl Urteil des Senats vom 15. März 1995 - 6 RKa 1/94 - ≪zur Veröffentlichung vorgesehen≫).
Während der Entstehungsgeschichte keine Hinweise auf die Beurteilung der hier streitigen Frage zu entnehmen sind, weist bereits der im Gesetz als übergeordneter Begriff verwandte Terminus "Psychiatrische Institutsambulanz" darauf hin, daß in § 118 SGB V nur solche Einrichtungen gemeint sind, in denen die ambulante Behandlung der Versicherten in der Ambulanz einer Klinik durchgeführt wird. Das setzt, wie das LSG zutreffend dargelegt hat, eine organisatorische und räumliche Anbindung der Behandlungseinrichtung an die Klinik voraus.
Diese sich aus dem Wortlaut der Vorschrift ergebende Auslegung wird durch ihren Sinn und Zweck gestützt. § 118 Abs 1 SGB V differenziert bezüglich des Anspruchs auf Ermächtigung zwischen psychiatrischen Krankenhäusern und Allgemeinkrankenhäusern mit selbständigen, gebietsärztlich geleiteten psychiatrischen Abteilungen. Gemäß Abs 1 Satz 1 aaO sind psychiatrische Krankenhäuser von dem Zulassungsausschuß zur ambulanten psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlung der Versicherten zu ermächtigen. Die psychiatrischen Krankenhäuser haben damit einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Ermächtigung, ohne daß hierfür eine Bedarfsprüfung vorzunehmen ist. Das Bestehen einer Versorgungslücke ist keine Voraussetzung der Ermächtigung. Damit ist der grundsätzliche Vorrang der niedergelassenen Vertragsärzte bei der ambulanten ärztlichen Versorgung und eine Beteiligung der Krankenhausärzte hieran nur bei Bestehen eines Bedarfs (hierzu BSGE 70, 167, 173 = SozR 3-2500 § 116 Nr 2 S 15; BSGE 73, 25, 28 = SozR 3-2500 § 116 Nr 4 S 28) für den Bereich der ambulanten psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlung der Versicherten durch Ärzte von psychiatrischen Krankenhäusern aufgehoben (vgl Jung in GesamtKomm, § 118 SGB V RdNr 3). Hintergrund dieser Regelung ist, daß sich die Klientel der psychiatrischen Krankenhäuser nach den in der Psychiatrie - Enquete getroffenen Feststellungen (BT-Drucks 7/4200, S 209) von der in nervenärztlichen Praxen ganz erheblich unterscheidet und aus diesem Grunde sowie wegen der geringen Zahl der vorhandenen psychiatrischen Krankenhäuser eine Konkurrenzsituation zur ambulanten Versorgung durch niedergelassene Ärzte nicht besteht. Anders stellt sich die Sach- und Rechtslage für Allgemeinkrankenhäuser mit selbständigen, gebietsärztlich geleiteten psychiatrischen Abteilungen dar. Gemäß § 118 Abs 1 Satz 2 SGB V können diese Abteilungen von dem Zulassungsausschuß zur Durchführung von Leistungen zur ambulanten psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlung ermächtigt werden, wobei die Ermächtigung zu erteilen ist, soweit und solange eine ausreichende psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung ohne die besonderen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden des Krankenhauses nicht sichergestellt ist. Abs 1 Satz 2 aaO schließt mithin für die Erteilung einer Ermächtigung erkennbar an die Formulierung des § 116 Satz 2 SGB V an, nach der Krankenhausärzte (nur) zu ermächtigen sind, sofern Versorgungslücken bestehen. Angesichts der im Verhältnis zu psychiatrischen Kliniken weitaus größeren Zahl von psychiatrischen Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern und der Tatsache, daß deren Krankengut sich stärker mit dem nervenärztlicher Praxen überschneidet, hat es der Gesetzgeber als erforderlich angesehen, insoweit die Berechtigung zur ambulanten Behandlung von Versicherten vom Vorliegen eines Bedarfs abhängig zu machen. Die Abstufung der Ermächtigung von psychiatrischen Krankenhäusern einerseits und von psychiatrischen Abteilungen von Allgemeinkrankenhäusern andererseits verdeutlicht die Absicht des Gesetzgebers, die bedarfsunabhängige Ermächtigung auf den Sonderfall der psychiatrischen Krankenhäuser zu beschränken. Sinn und Zweck der Regelung schließen es dann aber auch aus, die Ermächtigung auf Einrichtungen zu erstrecken, die mit dem psychiatrischen Krankenhaus nicht in einem räumlichen Zusammenhang stehen und deshalb der eigentlichen Institutsambulanz nicht mehr zugerechnet werden können.
In Anwendung der aufgezeigten Grundsätze ergibt sich, daß eine Außenstelle in R. schon aufgrund der räumlichen Entfernung von der Klinik L. nicht als Bestandteil von deren Institutsambulanz angesehen werden kann. Die der Klinik erteilte Ermächtigung umfaßt damit nicht eine in R. zu errichtende Außenstelle.
Da es sich bei der Außenstelle in R. auch nicht um eine psychiatrische Abteilung eines Allgemeinkrankenhauses handelt, läßt sich ein Anspruch auf Erteilung einer Ermächtigung gleichfalls nicht aus § 118 Abs 1 Satz 2 SGB V herleiten. Ein solcher Anspruch kann auch nicht auf § 31 Abs 1a Ärzte-ZV gestützt werden. Danach können die Zulassungsausschüsse über den Kreis der zugelassenen Ärzte hinaus in besonderen Fällen ärztlich geleitete Einrichtungen zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigen, sofern dies notwendig ist, um eine bestehende oder unmittelbar drohende Unterversorgung abzuwenden. Nach den vom LSG getroffenen, von der Revision nicht angegriffenen, daher den Senat bindenden (§ 163 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) Feststellungen besteht im maßgeblichen Zulassungsbezirk im Bereich der psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlung keine Versorgungslücke, so daß ein Anspruch auf Ermächtigung des Klägers auch insoweit nicht gegeben ist.
Die Revision war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen