Entscheidungsstichwort (Thema)
HNO-Arzt. Röntgenaufnahmen der HWS. Vergütungsanspruch
Leitsatz (redaktionell)
- Kein Anspruch auf Vergütungen nach Nr. 5032 EBM-Ä für Röntgenaufnahmen der HWS. Solche Leistungen sind für Ärzte, die als HNO-Ärzte zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind, als außerhalb ihres Fachgebiets liegend auch dann nicht vergütungsfähig, wenn sie die Zusatzbezeichnung Chirotherapie führen.
- Die bundesrechtlichen Regelungen des Vertragsarztrechts zur Zulassung, zur Bedarfsplanung und zu Zulassungsbeschränkungen verdeutlichen in ihrer Zusammenschau, dass der (Bundes-)Gesetzgeber von einer nach einzelnen ärztlichen Fachgebieten gegliederten ambulanten vertragsärztlichen Tätigkeit ausgeht.
Normenkette
SGB V § 83 Abs. 3; BMV-Ärzte § 34 Abs. 4 S. 2; EBM-Ä Nr. 5032; WBO § 1 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 18. August 2004 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten für das Revisionsverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist, ob Röntgenaufnahmen der Halswirbelsäule (HWS) für einen Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde (HNO-Arzt) mit Zusatzbezeichnung Chirotherapie fachfremd sind.
Der Kläger ist als HNO-Arzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und zur Führung ua der Zusatzbezeichnung Chirotherapie berechtigt. Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) genehmigte ihm die Ausführung von Röntgenleistungen der HWS nach Nr 5032 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä – in der bis zum 31. März 2005 geltenden Fassung) sowie die Durchführung chirotherapeutischer Eingriffe an der Wirbelsäule nach Nr 3210 EBM-Ä und vergütete zunächst entsprechende Leistungen. Unter Hinweis auf eine Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen vom 23. April 1997 (Breith 1998, 715), in der HWS-Röntgenaufnahmen für einen HNO-Arzt – auch mit Zusatzbezeichnung Chirotherapie – als fachfremd beurteilt worden waren, teilte die Beklagte Ende Oktober 1997 allen HNO-Ärzten in einem Rundschreiben mit, eine Abrechnung solcher Leistungen sei nicht mehr möglich. Im Honorarbescheid für das Quartal IV/1997 schloss sie die vom Kläger gleichwohl angesetzten fünf Leistungen nach Nr 5032 EBM-Ä von der Honorierung aus. Seinen Widerspruch wies sie zurück (Bescheid vom 1. September 1998).
Das vom Kläger angerufene Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verpflichtet, die abgesetzten Leistungen nach Nr 5032 EBM-Ä nachzuvergüten (Urteil vom 27. Februar 2002). Das LSG hat auf die – vom SG zugelassene – Berufung der Beklagten die erstinstanzliche Entscheidung hinsichtlich der beiden vom Kläger nach Erhalt des Rundschreibens erbrachten Leistungen aufgehoben und insoweit die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, Röntgenaufnahmen der HWS und chirotherapeutische Eingriffe an der HWS seien für einen HNO-Arzt fachfremd. Nach der niedersächsischen Weiterbildungsordnung (WBO) dürfe allerdings ein Facharzt, der zur Führung einer Zusatzbezeichnung berechtigt sei, auch außerhalb der Grenzen seines Fachgebiets tätig werden, sodass ein HNO-Arzt mit Zusatzbezeichnung Chirotherapie berufsrechtlich berechtigt sei, Röntgenaufnahmen und chirotherapeutische Eingriffe an der HWS vorzunehmen. Dies sei jedoch im Rahmen der vertragsärztlichen Tätigkeit ohne Bedeutung. Der Bundesgesetzgeber habe für das Vertragsarztrecht nicht das gesamte System des ausdifferenzierten landesrechtlichen Berufsrechts übernommen, sondern im Rahmen der vertragsärztlichen Zulassung allein auf die Fachgebietsgrenzen abgestellt. Die nach Landesrecht erworbenen Zusatzbezeichnungen könnten hier nicht zu einer Ausweitung des abrechnungsfähigen Gebiets führen, da andernfalls die Effektivität der Bedarfsplanung und die sachgerechte Abgrenzung der einzelnen ärztlichen Disziplinen nachhaltig gefährdet wären. Der Kläger könne sich aber hinsichtlich der drei Leistungen, die er vor Erhalt des Rundschreibens der Beklagten Ende Oktober 1997 erbracht habe, auf Vertrauensschutz berufen und aus diesem Grunde deren Honorierung noch beanspruchen.
Mit seiner – vom LSG zugelassenen – Revision rügt der Kläger, die Bewertung von Röntgenaufnahmen der HWS für einen HNO-Arzt mit Zusatzbezeichnung Chirotherapie als fachfremd sei fehlerhaft und beeinträchtige ihn unverhältnismäßig in seiner Berufsfreiheit. Die Ausübung einer berufsrechtlich erlaubten Zusatzqualifikation könne nicht unter Berufung auf einen vertragsarztrechtlich engeren Gestaltungsrahmen verhindert werden. Die Regelungen in § 18 Abs 1 Satz 2 sowie in § 24 Abs 3 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) bezögen sich nur auf gleichwertig nebeneinander stehende Fachgebiete und seien auf das Verhältnis zwischen Gebietsbezeichnung und Zusatzqualifikation nicht übertragbar. Auch Gesichtspunkte der Bedarfsplanung könnten die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht rechtfertigen, denn für den Bereich der Zusatzbezeichnung Chirotherapie existierten keine Bedarfsplanungskriterien.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 18. August 2004 aufzuheben, soweit die Klage abgewiesen wurde, und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 27. Februar 2002 auch insoweit zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Berufungsurteil im Ergebnis für zutreffend, geht aber in Übereinstimmung mit der beigeladenen Ärztekammer davon aus, dass die Röntgendiagnostik der HWS für einen HNO-Arzt mit Zusatzbezeichnung Chirotherapie nach niedersächsischem Berufsrecht ebenfalls fachfremd sei. Die Chirotherapie umfasse nach ihrer Definition nur manuelle Untersuchungs- und Behandlungstechniken; das schließe die Benutzung von Röntgengeräten aus. Gegenstand der Weiterbildung zum Erwerb dieser Zusatzbezeichnung seien lediglich die Einstelltechniken und die Interpretationen von Röntgenaufnahmen, während die Erstellung von Röntgenbildern in einem lediglich 180 Stunden umfassenden Chirotherapiekurs nicht vermittelt werden könne.
Die beigeladene Ärztekammer stellt keinen Antrag.
Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die von der Beklagten vorgenommenen sachlich-rechnerischen Richtigstellungen sind rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütungen nach Nr 5032 EBM-Ä für die von ihm durchgeführten Röntgenaufnahmen der HWS, soweit im Revisionsverfahren hierüber noch Streit besteht – dh für die zwei Röntgenbilder, die er im November und Dezember 1997 anfertigte. Solche Leistungen sind für Ärzte, die als HNO-Ärzte zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind, als außerhalb ihres Fachgebiets liegend auch dann nicht vergütungsfähig, wenn sie die Zusatzbezeichnung Chirotherapie führen.
Rechtsgrundlage der sachlich-rechnerischen Richtigstellungen sind § 45 Abs 2 Satz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte in der seit 1. Januar 1995 geltenden und § 34 Abs 4 Satz 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen in der seit 1. Juli 1994 geltenden Fassung, die auf der Grundlage des § 83 Abs 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (≪SGB V≫ idF des Gesundheits-Reformgesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl I 2477) zunächst abgeschlossen, dann auf der Grundlage des § 83 Abs 1 SGB V (idF des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992, BGBl I 2266) geändert wurden. Nach diesen – für die hier betroffene Abrechnung des Quartals III/1997 maßgeblichen und im Wesentlichen gleich lautenden – Vorschriften hat die KÄV die Aufgabe, die von den Vertragsärzten eingereichten Abrechnungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und nötigenfalls richtig zu stellen. Hiernach war die Beklagte berechtigt, die vom Kläger vorgenommenen Ansätze der Nr 5032 EBM-Ä von der Honorierung auszuschließen. Denn diese Leistungen liegen für HNO-Ärzte – auch für solche mit der Zusatzbezeichnung Chirotherapie – in der vertragsärztlichen Versorgung außerhalb der Grenzen ihres Fachgebiets.
In der Rechtsprechung ist geklärt, dass Ärzte für fachfremde Leistungen grundsätzlich keine Vergütung beanspruchen können (s zuletzt BSGE 93, 170 = SozR 4-2500 § 95 Nr 8, jeweils RdNr 4, mwN). Die Heilberufs- bzw Kammergesetze der Länder und die auf der Grundlage von Ermächtigungen in diesen Gesetzen von den Ärztekammern der Länder erlassenen Weiterbildungsordnungen normieren die Verpflichtung derjenigen Ärzte, die – wie der Kläger – eine Gebietsbezeichnung führen, ihre Tätigkeit auf dieses Fachgebiet zu beschränken. Für den Kläger folgt diese Verpflichtung aus § 22 der auf der Grundlage von § 34 Abs 2 des niedersächsischen Kammergesetzes für die Heilberufe (HKG) erlassenen WBO der Ärztekammer Niedersachsen idF vom 1. Oktober 1997, wie das LSG in Anwendung dieser – nicht revisiblen (§ 162 SGG) – landesrechtlichen Vorschrift dargelegt hat (ebenso § 36 Abs 2 HKG). Die Bindung an die Grenzen seines Fachgebietes gilt für den Arzt auch in seiner Tätigkeit als Vertragsarzt (stRspr, s zuletzt BSG, aaO, jeweils RdNr 6, mwN). Welche ärztlichen Leistungen zu einem bestimmten Fachgebiet gehören oder aber außerhalb dieses Gebiets liegen und deshalb als fachfremd zu behandeln sind, beurteilt sich in erster Linie nach der jeweiligen Gebietsdefinition in der WBO. Ergänzend können die Richtlinien über den Inhalt der Weiterbildung – hier der Ärztekammer Niedersachsen – herangezogen werden, die als allgemeine Verwaltungsvorschrift iS von § 15 Abs 2 WBO die für eine gründliche und eingehende Weiterbildung erforderlichen Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten konkret und detailliert beschreiben (vgl BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 5 RdNr 14; Nr 7 RdNr 6).
Das LSG ist unter Auslegung dieser Vorschriften zu dem Ergebnis gelangt, dass nach den landesrechtlichen Bestimmungen zur ärztlichen Weiterbildung sowohl chirotherapeutische Eingriffe an der HWS als auch Röntgenaufnahmen der HWS für einen HNO-Arzt als fachfremd zu beurteilen sind. Hieran ist der Senat gebunden. Er kann die genannten Bestimmungen, wie sich aus § 162 SGG ergibt, nicht selbst in einem abweichenden Sinne auslegen, sondern hat sie gemäß § 560 Zivilprozessordnung (in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung des Zivilprozessreformgesetzes vom 27. Juli 2001, BGBl I 1887) iVm § 202 SGG mit dem vom Berufungsgericht festgestellten Inhalt seiner Revisionsentscheidung zu Grunde zu legen, sofern durch die Anwendung irrevisiblen Rechts diesen Inhalts nicht Bundesrecht verletzt wird. Für letztgenannten Sachverhalt sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Insbesondere hat das Berufungsgericht anhand der Regelungen der WBO nachvollziehbar dargelegt, dass die von ihm getroffene Abgrenzung der Fachgebiete vom fachlich-medizinischen Standpunkt aus sachgerecht ist (vgl zu diesem Kriterium BSGE 93, 170 = SozR 4-2500 § 95 Nr 8, jeweils RdNr 6). Dass chirotherapeutische Eingriffe an der HWS und Röntgenaufnahmen der HWS für das Fachgebiet der HNO-Heilkunde prägend und wesentlich wären und ein HNO-Arzt ohne diese Leistungen keine ausreichende Lebensgrundlage finden könnte, hat auch der Revisionskläger nicht geltend gemacht. Er stimmt vielmehr in dieser Frage mit dem LSG ausdrücklich überein, sodass sich weitere Ausführungen hierzu erübrigen.
Der Senat ist auch insoweit an die Feststellungen des LSG zum Inhalt des landesrechtlichen Weiterbildungsrechts gebunden, als dieses aus der Regelung in § 1 Abs 3 WBO gefolgert hat, in Niedersachsen dürften Fachärzte mit Berechtigung zur Führung einer Zusatzbezeichnung in diesem Umfang auch außerhalb der Grenzen ihres Fachgebiets tätig werden; ein HNO-Arzt mit Zusatzbezeichnung Chirotherapie sei daher berufsrechtlich befugt, auch Chirotherapien der HWS und die zur vorherigen Indikationsprüfung erforderlichen Röntgenaufnahmen der HWS durchzuführen. Der Kläger und Revisionskläger hat eine Rüge gegen diese – für ihn günstige – Auslegung nicht geltend gemacht. Die von der Beklagten und der Beigeladenen erhobene Gegenrüge bezüglich dieser für sie ungünstigen Feststellung des Berufungsgerichts zum Inhalt des landesrechtlichen Weiterbildungsrechts (zur Statthaftigkeit solcher Gegenrügen vgl BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 5 RdNr 7, mwN) ist hingegen unzulässig. Diese haben zwar vorgetragen, aus welchen inhaltlichen Gründen sie die entsprechende Auslegung des LSG für unzutreffend halten. Sie haben jedoch die für eine revisionsgerichtliche Überprüfung von Landesrecht zwingend erforderliche Darlegung verabsäumt, dass für die Bezirke anderer LSGe inhaltlich übereinstimmende Vorschriften bewusst und gewollt um der Rechtseinheit willen geschaffen wurden (vgl BSG SozR 3-2500 § 95 Nr 7 S 30 f; s auch BSG SozR 3-2500 § 95 Nr 9 S 36; SozR 4-2500 § 95 Nr 5 RdNr 10). Eine abweichende Auslegung des § 1 Abs 3 WBO ist dem Senat deshalb verwehrt, auch wenn fraglich ist, ob allein der von § 1 Abs 3 (Muster-)WBO der Bundesärztekammer (gemäß Beschluss des 95. Deutschen Ärztetags 1992) geringfügig differierende Wortlaut (Berechtigung zur Ankündigung einer “zusätzlichen” statt – laut (Muster-)WBO – einer “speziellen” ärztlichen Tätigkeit nach erfolgreicher Weiterbildung in einem Gebiet, Schwerpunkt oder Bereich) eine unterschiedliche Interpretation des niedersächsischen Berufsrechts zwingend erfordert (anders nunmehr ausdrücklich § 3 Abs 3 Satz 3 WBO in der ab 1. Mai 2005 geltenden Fassung, wonach die Gebietsgrenzen fachärztlicher Tätigkeiten durch Zusätzliche Weiterbildungen – dazu gehören gemäß § 3 Abs 1 WBO auch Zusatzbezeichnungen – nicht erweitert werden). Es liegt auch kein Fall schlechthin nicht nachvollziehbarer und damit willkürlicher Auslegung von Landesrecht durch das LSG vor, der das Revisionsgericht zu einer eigenen Interpretation berechtigen würde (vgl BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 19 RdNr 6, mwN). Denn die vom LSG gegebene Begründung eines von der (Muster-)WBO abweichenden Wortlauts der niedersächsischen Regelung erscheint zumindest vertretbar.
Die vom Berufungsgericht für zutreffend erachtete Auslegung des im Jahr 1997 geltenden niedersächsischen Weiterbildungsrechts in dem Sinne, dass die Berechtigung zur Führung der Zusatzbezeichnung Chirotherapie ein Überschreiten der Grenzen des HNO-Fachgebiets erlaube, widerspricht jedoch, wie das LSG selbst erkannt hat, bundesrechtlichen Vorgaben des Vertragsarztrechts und ist deshalb in diesem Bereich gemäß Art 31 Grundgesetz (GG) nicht anzuwenden (vgl zu einer ähnlichen Konstellation BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 19 RdNr 6).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats verdeutlichen die bundesrechtlichen Regelungen des Vertragsarztrechts zur Zulassung (§ 18 Abs 1 Satz 2 und § 24 Abs 3 Ärzte-ZV), zur Bedarfsplanung (§ 101 Abs 1 Satz 4 SGB V und § 12 Abs 3 Ärzte-ZV) und zu Zulassungsbeschränkungen (§ 103 Abs 2 Satz 3 SGB V) in ihrer Zusammenschau, dass der (Bundes-)Gesetzgeber von einer nach einzelnen ärztlichen Fachgebieten gegliederten ambulanten vertragsärztlichen Tätigkeit ausgeht (vgl BSG SozR 3-2500 § 95 Nr 7 S 27 f; Nr 9 S 35; BSGE 84, 290, 292 = SozR 3-2500 § 95 Nr 21 S 86; SozR 4-2500 § 95 Nr 5 RdNr 8). Dies ergibt sich nunmehr auch ausdrücklich aus dem Auftrag an den Bewertungsausschuss zur Gliederung der in der fachärztlichen Versorgung abrechenbaren Leistungen nach den einzelnen Facharztgruppen (§ 87 Abs 2a Satz 5 letzter Satzteil und Satz 6 SGB V – idF des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14. November 2003, BGBl I 2190). Ein auch in der vertragsärztlichen Versorgung gegliedertes Facharztwesen kann aber seine Funktion nicht erfüllen, wenn jeder Facharzt Leistungen auf jedem ärztlichen Gebiet ohne Einschränkungen erbringen und abrechnen kann. Deshalb enthalten die genannten Regelungen des SGB V und der Ärzte-ZV zugleich den bundesrechtlichen Grundsatz, dass Leistungen außerhalb des eigenen Fachgebiets nicht vergütungsfähig sind (vgl BSG SozR 3-2500 § 95 Nr 9 S 34 f). Aus der (auch) vertragsarztrechtlichen Beschränkung der Tätigkeit auf das Fachgebiet, für das der Arzt als Vertragsarzt zugelassen ist, folgt zugleich zwingend, dass es für die Einhaltung der Fachgebietsgrenzen und für die Beurteilung der Fachfremdheit auf die persönliche Qualifikation des Arztes nicht ankommt. Dem steht die Notwendigkeit zu einer sachgerechten und klaren Abgrenzung der einzelnen ärztlichen Disziplinen entgegen. Deshalb ist, wie der Senat mehrfach betont hat, aus bundesrechtlich-vertragsarztrechtlicher Sicht die berufsrechtliche Berechtigung zur Führung einer Zusatzbezeichnung für die Fachgebietskonformität oder Fachfremdheit einer Leistung ohne Belang (vgl BSG SozR 3-2500 § 95 Nr 7 S 29; BSGE 84, 290, 295 = SozR 3-2500 § 95 Nr 21 S 89 f; BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 7 RdNr 11, mwN; zuletzt BSG, Beschluss vom 8. September 2004 – B 6 KA 39/04 B – juris). Mithin führt der Umstand, dass der Kläger als HNO-Arzt auch zur Führung der Zusatzbezeichnung Chirotherapie berechtigt ist, nicht dazu, dass er die – nach den insoweit bindenden Feststellungen des LSG nicht zu diesem Fachgebiet gehörenden – chirotherapeutischen Eingriffe an der HWS sowie Röntgenaufnahmen der HWS als vertragsärztliche Leistungen abrechnen kann.
Die Bewertung von chirotherapeutischen Eingriffen an der HWS und von Röntgenaufnahmen der HWS als für einen HNO-Arzt in der vertragsärztlichen Versorgung fachfremd ist mit dem Grundrecht des Klägers aus Art 12 Abs 1 GG vereinbar. Hierin liegt lediglich eine nicht statusrelevante Berufsausübungsregelung. Sie betrifft nur Leistungen, die nicht in den Kernbereich dieses Fachgebiets fallen und die weder wesentlich noch prägend für dieses Fachgebiet sind (vgl BSGE 93, 170 = SozR 4-2500 § 95 Nr 8, jeweils RdNr 14). Zudem stellen das Ziel einer sachgerechten und klaren Abgrenzung der einzelnen ärztlichen Disziplinen sowie das mit der vertragsärztlichen Bedarfsplanung verfolgte Ziel der Erhaltung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung hinreichende Gemeinwohlbelange dar, die den mit der Fachgebietsabgrenzung verbundenen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit rechtfertigen (vgl BVerfG ≪Kammer≫ SozR 4-2500 § 135 Nr 2 RdNr 26). Aus diesem Grund ist es auch nicht zu beanstanden, dass das Vertragsarztrecht im Einzelfall gegenüber dem Berufsrecht weiterreichende Einschränkungen vorsieht. Denn Leistungserbringer, die einerseits von den Vorteilen des öffentlich-rechtlichen Systems des Vertragsarztrechts profitieren, müssen andererseits im Interesse der Funktionsfähigkeit und Finanzierbarkeit des Systems auch Einschränkungen hinnehmen, die ihnen das Berufsrecht nicht abverlangt (BVerfG ≪Kammer≫, aaO, RdNr 29).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und Abs 4 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).
Fundstellen
ArztR 2007, 53 |
SGb 2006, 605 |