Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerden betreffen die Finanzierung von Pflegeeinrichtungen aus Mitteln der Sozialhilfe. Die Beschwerdeführerinnen sehen sich durch die Festsetzung eines hinter ihren tatsächlichen Aufwendungen zurückbleibenden Mietkostenanteils im Rahmen der vom Sozialhilfeträger zu übernehmenden Investitionskosten in Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.
I.
1. Auch nach Einführung der Sozialen Pflegeversicherung kommt eine Eintrittspflicht des Sozialhilfeträgers für die durch Pflegebedürftigkeit bedingten Aufwendungen in Betracht, wenn die pflegebedürftige Person nicht pflegeversichert ist oder die Leistungen der Pflegeversicherung den tatsächlichen Bedarf nicht decken. Nach § 75 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII; bis zum 31. Dezember 2004: § 93 Abs. 1 Satz 1 Bundessozialhilfegesetz ≪BSHG≫) sollen die Sozialhilfeträger zu diesem Zweck keine eigenen Einrichtungen schaffen, soweit geeignete Einrichtungen anderer Träger vorhanden sind. Nach § 75 Abs. 3 SGB XII (zuvor § 93 Abs. 2 BSHG) sind die Sozialhilfeträger zur Übernahme der Vergütung für die in einer Einrichtung erbrachte Leistung verpflichtet, wenn eine Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung besteht, die den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entsprechen muss. Bei Einrichtungen, die nicht im Sinne des § 9 Sozialgesetzbuch – Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) öffentlich gefördert werden, ist der Sozialhilfeträger zur Übernahme gesondert berechneter Investitionskosten nach § 75 Abs. 5 Satz 3 SGB XII (zuvor § 93 Abs. 7 Satz 4 BSHG) in Verbindung mit § 82 Abs. 4 SGB XI nur verpflichtet, wenn auch hierüber eine Vereinbarung im Sinne der §§ 75 ff. SGB XII mit dem Einrichtungsträger getroffen worden ist. Unter den Begriff der gesondert berechneten Investitionskosten fallen auch die Aufwendungen für Miete oder Pacht (vgl. BSGE 91, 182 ≪189≫ m.w.N.; Neumann, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 75, Rn. 55 ≪Stand: August 2007≫).
2. Kommt eine Vergütungsvereinbarung nicht binnen sechs Wochen nach schriftlicher Aufforderung der anderen Partei zu Verhandlungen zustande, entscheidet die Schiedsstelle – bestehend in gleicher Zahl aus Vertretern der Einrichtungsträger und Vertretern der örtlichen und überörtlichen Sozialhilfeträger sowie einem unparteiischen Vorsitzenden (§ 80 Abs. 2 Satz 1 SGB XII; zuvor § 94 Abs. 2 Satz 1 BSHG) – auf Antrag einer Partei unverzüglich über die Gegenstände, über die keine Einigung erreicht werden konnte (§ 77 Abs. 1 Satz 3 SGB XII; zuvor § 93b Abs. 1 Satz 2 BSHG).
Die Festsetzung durch die Schiedsstelle erfordert eine vergleichende Bewertung (vgl. BVerwGE 108, 47 ≪55 f.≫; BSGE 87, 199 ≪202 f.≫). Hierbei werden die Entgelte verschiedener Einrichtungen für vergleichbare Leistungen verglichen (externer Vergleich) oder aber einzelne Positionen der Kalkulation eines Einrichtungsträgers gesondert darauf überprüft, ob sie einer sparsamen oder wirtschaftlichen Betriebsführung entsprechen (interner Vergleich). Falls der Einrichtungsträger sich beim externen Vergleich nicht als der preisgünstigste Anbieter erweist, muss der von ihm gewünschte Betrag innerhalb der Bandbreite für vergleichbare Leistungen anderer Einrichtungen liegen (marktgerechter Preis).
II.
Die Beschwerdeführerinnen betreiben nicht öffentlich geförderte Pflegeeinrichtungen, die sie nach ihrer Errichtung zunächst verkauft und sodann zurückgemietet haben (sog. sale-and-lease-back-Verfahren).
1. In den Ausgangsverfahren hielten sie den angegriffenen Schiedsstellenentscheidungen entgegen, die herangezogenen Vergleichswerte entsprächen nicht den von anderen Einrichtungsbetreibern tatsächlichen gezahlten Mieten, vielmehr handele es sich um Werte, die der Sozialhilfeträger in entsprechenden Vereinbarungen “künstlich heruntergehandelt” habe. Außerdem habe kein externer Vergleich mit im Eigentümermodell betriebenen Einrichtungen stattgefunden, obwohl der Mieter wirtschaftlich das Refinanzierungsrisiko des Vermieters zu tragen habe und langfristig an einen Mietvertrag mit gleichbleibend hohem monatlichem Mietzins gebunden sei. Schließlich sei auch ein Vergleich mit teilweise öffentlich geförderten Einrichtungen angebracht gewesen, bei dem die Fördermittel entsprechend umzurechnen seien.
2. Klagen und Berufungen blieben ohne Erfolg. Die Gerichte führten aus, entscheidend sei der Marktpreis, für den es nicht auf tatsächliche oder kalkulierte Mietkosten der anderen Einrichtungsträger ankomme, sondern auf die Sätze, zu denen vergleichbare Pflegeeinrichtungen ihre Leistungen anböten und Vereinbarungen geschlossen hätten. Wegen der völlig unterschiedlichen Kalkulations- und Finanzierungsgrundlage sei es auch nicht zu beanstanden, dass sich der externe Vergleich auf andere Einrichtungen im Mietermodell beschränkt habe. Das in den vorliegenden Fällen praktizierte sale-and-lease-back-Verfahren ändere hieran nichts, da hierfür wirtschaftliche Gründe ausschlaggebend gewesen sein dürften. Auch die Nichtberücksichtigung öffentlich geförderter Pflegeeinrichtungen erweise sich nicht als sachwidrig oder willkürlich. Der insoweit einschlägige § 93 Abs. 7 Satz 4 BSHG habe nur auf § 82 Abs. 4 SGB XI verwiesen, der wiederum nur die nicht nach Landesrecht geförderten Pflegeeinrichtungen erfasse. Eine vollständige Kompensation der unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen habe der Gesetzgeber nicht vorgenommen, zumal geförderte Einrichtungen wegen der mit der Förderung verbundenen besonderen Pflichten häufig einen erhöhten Investitionsaufwand betreiben müssten und die öffentliche Förderung nicht selten in Darlehensform erbracht werde.
Auch die anschließenden Nichtzulassungsbeschwerden sowie Anhörungsrügen blieben erfolglos.
III.
Die Beschwerdeführerinnen sehen sich in Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 103 Abs. 1 GG verletzt: Das auf Art. 12 Abs. 1 GG beruhende Gebot einer leistungsgerechten Vergütung stehe Festsetzungen unterhalb der Selbstkosten zwingend entgegen. Da die Gerichte und die Schiedsstelle keine Sachaufklärung zur Frage der notwendigen Eigenkosten des Heimbetreibers vorgenommen hätten, seien auch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG (Justizgewährleistungsanspruch), Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.
IV.
Die Verfassungsbeschwerden sind unzulässig, soweit die Beschwerdeführerinnen Verletzungen von Art. 103 Abs. 1 GG rügen. Den Verfassungsbeschwerden fehlt es insoweit an einer den Anforderungen aus den §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 92 BVerfGG entsprechenden Begründung. Die Beschwerdeführerinnen haben nicht dargetan, welchen konkreten tatsächlichen oder rechtlichen Vortrag die Gerichte unbeachtet gelassen haben sollen. Angesichts der ausführlichen Aufarbeitung ihres Vorbringens in den angegriffenen Entscheidungen zielen die Rügen ersichtlich auf die einfachrechtliche Würdigung durch die Fachgerichte ab, die dem Bundesverfassungsgericht entzogen ist.
V.
Im Übrigen sind die Verfassungsbeschwerden jedenfalls unbegründet.
1. Die Beschwerdeführerinnen sind nicht in ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) verletzt. Zwar stellen die gerichtlich bestätigten Schiedsstellenentscheidungen Eingriffe in die Berufsfreiheit dar, jedoch sind diese durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt.
a) Das Betreiben einer Pflegeeinrichtung ist als eigener Beruf von der Berufsfreiheit geschützt (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senates vom 17. Oktober 2007 – 2 BvR 1095/05 –, DVBl 2007, S. 1555 ≪1559≫). In die Freiheit der Berufsausübung greifen auch Vergütungsregelungen und zu ihrer Umsetzung ergangene Entscheidungen ein, die auf die Einnahmen, welche durch eine berufliche Tätigkeit erzielt werden können, von nicht unerheblichem Einfluss sind (vgl. BVerfGE 47, 285 ≪321≫; 101, 331 ≪347≫). Auch wenn Schiedsstellenentscheidungen auf dem Gebiet des Sozialhilferechts nicht schlechthin die gesamten Einnahmen des Einrichtungsträgers aus dem Betrieb der Einrichtung betreffen, kommt der Übernahme von Kosten aus Sozialhilfemitteln eine solch erhebliche wirtschaftliche Bedeutung für den Einrichtungsbetreiber zu, dass sie an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen sind (zum Schutz einer leistungsgerechten Vergütung von Pflegeleistungen in der Sozialen Pflegeversicherung vgl. BSGE 85, 278 ≪286≫).
b) Die angegriffenen Entscheidungen sind jedoch mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.
aa) Ein Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung ist mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn er auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, die durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt wird und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt, und wenn die Fachgerichte bei der Auslegung und Anwendung der Regelung das betroffene Grundrecht beachten (vgl. BVerfGE 83, 1 ≪16≫; 85, 248 ≪258≫; 101, 331 ≪347≫).
bb) Als gesetzliche Grundlage der Festsetzung fungieren die dargestellten Vorschriften des SGB XII beziehungsweise des BSHG. Auch ein ausreichender Grund des Gemeinwohls liegt vor. Es besteht ein überragendes Interesse der Allgemeinheit daran, dass staatliche Mittel wirtschaftlich und sparsam eingesetzt werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senates vom 17. Oktober 2007 – 2 BvR 1095/05 –, DVBl 2007, S. 1555 ≪1558≫). Hieraus ergibt sich für die Festsetzung durch die Schiedsstelle ein allgemeinverbindlicher Angemessenheitsmaßstab, der auf den entsprechenden Marktpreis abstellt und nicht an die unternehmerischen Entscheidungen des Einrichtungsbetreibers gebunden ist (vgl. BSGE 87, 199 ≪203≫; 91, 182 ≪189 f.≫). Diese Notwendigkeit wird umso deutlicher, wenn – wie es hier jedenfalls bei der Beschwerdeführerin in den Verfahren 1 BvR 889/08, 890/08 und 891/08 der Fall ist – Mieter und Vermieter wirtschaftlich eng verwoben sind und somit über sehr viel weitere Möglichkeiten der Preisgestaltung verfügen, als dies bei Mietverhältnissen sonst der Fall zu sein pflegt.
cc) Gerichte und Schiedsstelle haben bei der Ermittlung des Marktpreises Art. 12 Abs. 1 GG hinreichend beachtet.
(1) Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn sich der Vergleich insoweit auf die mit anderen Einrichtungsträgern vereinbarten (mithin von beiden hieran beteiligten Seiten für angemessen befundenen) Investitionskosten beschränkt. Eine solche Vorgehensweise begegnet gerade dem gegen den externen Vergleich vorgebrachten Bedenken, die zum Vergleich herangezogenen Entgelte würden ihrerseits nicht auf ihre Wirtschaftlichkeit geprüft, so dass die Kostenentwicklung unreflektiert übernommen werde (hierzu Neumann, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 75, Rn. 35 ≪Stand: August 2007≫). Die Gefahr eines staatlichen Preisdiktats besteht jedenfalls solange nicht, wie die Gestaltung der zum Vergleich herangezogenen Vereinbarungen in erster Linie den dortigen Vertragsparteien obliegt und auch für den Fall der Festsetzung durch die – ohnehin nur subsidiär tätig werdende und paritätisch besetzte – Schiedsstelle sichergestellt ist, dass den Interessen der Einrichtungsbetreiber in hinreichendem Umfang Rechnung getragen wird. Für ein Ungleichgewicht zugunsten der Sozialhilfeträger, das einer Preisgestaltung allein durch sie nahekäme, ist jedenfalls zum derzeitigen Zeitpunkt nichts ersichtlich.
(2) Die Gerichte und die Schiedsstelle waren von Verfassungs wegen auch nicht veranlasst, im Eigentümermodell betriebene Einrichtungen sowie öffentlich ganz oder teilweise geförderte Einrichtungen in den externen Vergleich mit einzubeziehen. Es ist nicht zu beanstanden, wenn Einrichtungsbetreiber, die sich selbst aus wirtschaftlichen Gründen für das Mietermodell entschieden haben, auch bei der Festsetzung durch die Schiedsstelle als Mieter und nicht als Eigentümer der Einrichtung behandelt werden. Eine möglicherweise ungünstige Ausgestaltung des Mietvertrages ändert hieran nichts. Weiterhin unterscheidet sich das in den vorliegenden Fällen gewählte sale-and-lease-back-Verfahren erheblich vom Eigentümermodell, in dem der Einrichtungsbetreiber keinen Kaufpreis für die von ihm errichtete und betriebene Einrichtung erhält.
Ähnlich große Unterschiede bestehen gegenüber öffentlich geförderten Pflegeeinrichtungen, worauf insbesondere das Oberverwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat.
2. Art. 19 Abs. 4 GG (der in Fällen wie dem vorliegenden lex specialis gegenüber dem ebenfalls gerügten Justizgewährleistungsanspruch ist, vgl. BVerfGE 83, 182 ≪194≫) ist nicht verletzt. Ebenso wie Art. 103 Abs. 1 GG keinen Schutz gegen Entscheidungen gewährt, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts unberücksichtigt lassen (vgl. BVerfGE 50, 32 ≪35≫ m.w.N.), verpflichtet Art. 19 Abs. 4 GG Gerichte nicht dazu, einen Sachverhalt zu ermitteln, auf den es nach ihrer rechtlichen Würdigung nicht ankommt.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hohmann-Dennhardt, Gaier, Kirchhof
Fundstellen