Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Beschluss vom 11.09.2002; Aktenzeichen 9 ZB 02.1958) |
VG Ansbach (Urteil vom 11.07.2002; Aktenzeichen AN 4 K 01.01080) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Beitragsfestsetzung einer berufsständischen Versorgungseinrichtung. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Höhe des Beitrages zur Bayerischen Rechtsanwaltsversorgung und begehrt unter Hinweis auf seine Kindererziehungsleistung eine Minderung seines Beitrages.
I.
Der Beschwerdeführer ist Vater von drei Kindern und als selbständiger Rechtsanwalt kraft Gesetzes Mitglied der Bayerischen Rechtsanwaltsversorgung. Die Mitglieder sind gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über das öffentliche Versorgungswesen (VersoG) in der hier maßgeblichen Fassung vom 25. Juni 1994 (GVBl S. 466) nach näherer Maßgabe des § 19 Abs. 1 der Satzung der Bayerischen Rechtsanwaltsversorgung vom 6. Dezember 1996 (StAnz Nr. 51/52) in der hier anzuwendenden Fassung der Änderungssatzung vom 7. Oktober 1998 (StAnz Nr. 48 – im Folgenden: RAVS) zur Zahlung von Beiträgen auf der Grundlage des beitragspflichtigen Einkommens verpflichtet. Die Erziehung von Kindern findet bei der Beitragsbemessung keine Berücksichtigung.
Der Beschwerdeführer hatte im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren erfolglos eine Verringerung seines Beitrages für das Jahr 1999 begehrt. Neben der Höhe des der Beitragsfestsetzung zugrunde zu legenden Einkommens des Beschwerdeführers war streitig, ob die Betreuung und Erziehung von Kindern bei der Beitragsfestsetzung begünstigend zu berücksichtigen sei. Die verwaltungsgerichtliche Klage blieb ohne Erfolg. Zuletzt lehnte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof den Antrag auf Zulassung der Berufung ab.
Die Verfassungsbeschwerde wendet sich bei verständiger Auslegung des vom Beschwerdeführer gestellten Antrags unmittelbar gegen die das Begehren ablehnenden Gerichts- und Verwaltungsentscheidungen und mittelbar gegen die ihnen zugrunde liegende Rechtsvorschrift des § 19 RAVS. Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG geltend.
II.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Annahmegründe gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist ohne Aussicht auf Erfolg.
1. Art. 6 Abs. 1 GG ist nicht dadurch verletzt, dass der Beschwerdeführer für den Unterhalt und die Betreuung seiner Kinder zu sorgen hat, ohne dass dieser finanzielle Aufwand bei der Bemessung seiner Beiträge Berücksichtigung erfährt. Der besondere Schutz der Familie, zu dem Art. 6 Abs. 1 GG den Staat verpflichtet, beinhaltet nicht, jede zusätzliche finanzielle Belastung der Familie zu vermeiden. Zwar folgt aus Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip die allgemeine Pflicht des Staates, für einen Familienlastenausgleich zu sorgen. Es liegt aber in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers und der ihm nachgeordneten Normgeber, in welcher Weise und in welchem Umfang ein sozialer Ausgleich vorzunehmen ist (vgl. BVerfGE 87, 1 ≪36≫; 103, 242 ≪259≫; 106, 166 ≪178≫; 113, 1 ≪26≫). Soweit § 19 Abs. 1 RAVS erwerbstätige Mitglieder der Bayerischen Rechtsanwaltsversorgung mit Kindern zur Zahlung von Beiträgen verpflichtet, ohne die Leistung der Erziehung und Betreuung beitragsmindernd zu berücksichtigen, ist dieser Spielraum nicht überschritten. Im Übrigen bleibt die finanzielle Belastung von Familien im Satzungsrecht des Versorgungswerks nicht unberücksichtigt. Mitglieder können sich während der Betreuung eines Kindes in den ersten drei Lebensjahren von der Beitragspflicht befreien lassen oder auf Antrag einen verringerten Beitrag leisten. Für Ruhegeldempfänger ist zusätzlich ein Anspruch auf Kindergeld in Höhe von einem Zehntel des Ruhegelds für Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres vorgesehen.
2. Es verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG, dass die Erziehungsleistung eines erwerbstätigen Mitgliedes des Versorgungswerkes nach § 19 Abs. 1 RAVS nicht beitragsmindernd berücksichtigt wird. Die vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 3. April 2001 (BVerfGE 103, 242) entwickelten Grundsätze können auf die Beitragserhebung durch die Bayerische Rechtsanwaltsversorgung nicht übertragen werden.
a) Die Finanzierung der Versorgungsleistungen der Bayerischen Rechtsanwaltsversorgung – inzwischen Bayerische Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung – wird maßgeblich durch die Ansparung der Beitragszahlungen der einzelnen Mitglieder gesichert. Soweit die Beiträge nicht für satzungsgemäße Ausgaben verwandt werden, werden die Einnahmen eines jeden Jahres den Rückstellungen und sonstigen Reserven zugeführt. Das Vermögen wird in verschiedenste Anlageformen investiert und fortlaufend vermehrt. Die Bayerische Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung ist daher derzeit nicht in der gleichen Weise wie ein umlagefinanziertes Sozialversicherungssystem auf eine ausreichende Anzahl von beitragszahlenden Mitgliedern der nachwachsenden Generationen angewiesen (vgl. zur privaten Pflegeversicherung BVerfGE 103, 271 ≪292≫).
b) Unabhängig davon fehlt es auch an der Mindestgeschlossenheit des Systems (vgl. dazu BVerfGE 109, 96 ≪127≫). Anders als bei der sozialen Pflegeversicherung mit ihrem sehr hohen Versichertengrad kann nicht davon ausgegangen werden, dass die heute von den Mitgliedern der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung erzogenen Kinder ihrerseits wieder deren Mitglieder werden und dann mit ihren Beiträgen die Finanzierung der Versorgungsleistungen sicherstellen.
3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Steiner, Gaier
Fundstellen
Haufe-Index 1672806 |
DStR 2007, 414 |
NJW 2007, 1446 |
AnwBl 2007, 157 |
FPR 2007, 374 |