Nach Auffassung der Bundesregierung beeinträchtigt die Kollision verschiedener Tarifverträge die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie. Tarifkollisionen bergen die Gefahr, dass die Koalitionen ihrer durch Art. 9 Abs. 3 GG überantworteten Aufgabe der Ordnung und Befriedung des Arbeitslebens nicht mehr gerecht werden können. Eine Entsolidarisierung der Belegschaften soll vermieden werden. Die Befriedungsfunktion eines Tarifvertrags werde dadurch beeinträchtigt, dass sich ein bereits tarifgebundener Arbeitgeber jederzeit einer Vielzahl weiterer Forderungen konkurrierender Gewerkschaften gegenübersehen könne.[1]

Ziel des Tarifeinheitsgesetzes ist es, durch Vermeidung von Tarifkollisionen im Betrieb die Schutzfunktion, Verteilungsfunktion, Befriedungsfunktion sowie Ordnungsfunktion von Rechtsnormen des Tarifvertrags zu sichern (§ 4a Abs. 1 TVG in der Fassung des Art. 1 Nr. 1 Tarifeinheitsgesetz).

Der Grundsatz der Tarifeinheit ist als subsidiäre Kollisionsregel ausgestaltet. Nach dem Ziel des Tarifeinheitsgesetzes sollen mehrere Gewerkschaften ihre Zuständigkeiten wechselseitig abstimmen und Tarifverträge jeweils für verschiedene Arbeitnehmergruppen abschließen, um so Tarifkollisionen zu verhindern. Auch können mehrere Gewerkschaften sich zu einer Tarifgemeinschaft verbinden und gemeinsam Tarifverträge verhandeln.

Können die Gewerkschaften die zwischen ihnen bestehenden Interessenkonflikte jedoch autonom nicht regeln, löst das Gesetz den Konflikt nach dem Grundsatz der Tarifeinheit. Es gilt dann der Tarifvertrag der Gewerkschaft, die im jeweiligen Betrieb die größte Zahl von Mitgliedern hat.

 
Hinweis

Lösung nur bei deckungsgleicher Zuständigkeit der Gewerkschaften

Das Tarifeinheitsgesetz hilft nur bei Vorliegen einer Tarifkollision. Hinsichtlich der Tarifverträge im öffentlichen Dienst besteht eine solche Tarifkollision derzeit zwischen dem von der Gewerkschaft ver.di abgeschlossenen TVöD für die Sparte der Krankenhäuser bzw. bei den Ländern dem TV-L sowie den mit der Ärztegewerkschaft Marburger Bund abgeschlossenen Ärzte-Tarifverträgen TV-Ärzte/VKA bzw. TV-Ärzte (Länder). Beide Gewerkschaften sind nach ihrer Satzung u. a. für die Vertretung der Interessen der Ärzte zuständig.

Das Tarifeinheitsgesetz wird jedoch auf Tarifkonflikte wie die bei der Lufthansa voraussichtlich keinen direkten Einfluss haben. Schließlich machen sich – im Gegensatz zur Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) und der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) bei der Deutschen Bahn – die Pilotenvereinigung Cockpit und die Gewerkschaft ver.di die jeweiligen Zuständigkeitsbereiche gerade nicht streitig.

[1] Begründung des Gesetzentwurfs, Bundestags-Drucksache 18/4062 vom 20.2.2015, B. Besonderer Teil zu Art. 1, Nr. 1 Abs. 1.

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