Nach der Regelung zur Tarifeinheit in § 4a TVG sind bei Vorliegen einer Tarifkollision im Betrieb nur die Rechtsnormen des Tarifvertrags derjenigen Gewerkschaft anwendbar, die "im Betrieb" innerhalb der Beschäftigten dieses Betriebs die meisten Mitglieder hat.

 
Hinweis

Zahl der gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten des Betriebs entscheidend

Besteht eine Tarifkollision nur hinsichtlich einer bestimmten Beschäftigtengruppe – vorliegend der Gruppe der Ärzte –, so kommt es dennoch nicht auf den Organisationsgrad allein innerhalb der betroffenen Beschäftigtengruppe an. Abzustellen ist vielmehr stets auf die Gesamtbeschäftigten des Betriebs.

Das Tarifeinheitsgesetz stellt auf den "Betrieb", nicht auf das "Unternehmen" ab. Dies kann dazu führen, dass in einem Unternehmen, z. B. einer GmbH, oder einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung mit mehreren Betrieben unterschiedliche Tarifverträge zu Anwendung kommen.

§ 4a TVG enthält keine eigenständige Definition des Betriebsbegriffs. Der Betriebsbegriff, der für die Ermittlung der Mehrheitsverhältnisse zugrunde zu legen ist, ist – ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs – "tarifrechtlich" zu bestimmen.[1] Danach ist ein Betrieb diejenige organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe von technischen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Der tarifrechtliche Betriebsbegriff entspricht damit in seiner grundsätzlichen Ausrichtung dem betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff. In § 4a Abs. 2 Satz 4 TVG nimmt das Gesetz auch ausdrücklich Bezug auf bestimmte Vorschriften des BetrVG (näher unten).

 
Praxis-Beispiel

Unterschiedliche Tarifverträge in verschiedenen Betrieben eines Unternehmens/einer Einrichtung

Ein Landkreis betreibt mehrere rechtlich unselbstständige Krankenhäuser. Diese sind räumlich weit entfernt oder organisatorisch eigenständig, somit eigenständige "Betriebe" i. S. d. § 4a TVG. Der Landkreis ist Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband, damit an den TVöD-K sowie den TV-Ärzte/VKA gebunden.

Im Krankenhaus am Standort A ist der Organisationsgrad der nichtärztlich Beschäftigten in ver.di sehr hoch, während sich unter den Ärzten – was ungewöhnlich sein dürfte – nur wenige Marburger-Bund-Mitglieder finden.

Im Krankenhaus am Standort Z werden zahlreiche Ärzte beschäftigt. Weit mehr als 90 % der Ärzte sind Mitglied des Marburger Bundes. Die nichtärztlich Beschäftigten am Standort Z sind kaum organisiert, so dass letztlich die Anzahl der ver.di-Mitglieder die Anzahl der Marburger-Bund-Mitglieder unterschreitet.

Nach den Bestimmungen des § 4a TVG findet auf die Arbeitsverhältnisse der Ärztinnen und Ärzte auf der normativen Ebene[2]

  • im Krankenhaus am Standort A der TVöD-K
  • im Krankenhaus am Standort Z der TV-Ärzte/VKA

Anwendung.

Wird ein Arzt vom Standort Z an den Standort A versetzt, so unterliegt das Arbeitsverhältnis tarifrechtlich nunmehr dem TVöD-K.

Die Mehrheitsverhältnisse sind zu dem Zeitpunkt festzustellen, zu dem der letzte kollidierende Tarifvertrag unterzeichnet wird (§ 4a Abs. 2 Satz 2 TVG). Der kollidierende Tarifvertrag kommt also nur dann zur Anwendung, wenn die tarifschließende Gewerkschaft im Zeitpunkt ihres Tarifabschlusses die relative Mehrheit der gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer des Betriebs vertritt. Bei der Mehrheitsfeststellung sind auch die organisierten Auszubildenden zu berücksichtigen (vgl. § 10 Abs. 2 BBiG). Die im Zeitpunkt der Tarifkollision bestehenden Mehrheitsverhältnisse sind so lange maßgeblich, bis es zu einer erneuten Tarifkollision kommt. So wird vermieden, dass jeder Gewerkschaftswechsel oder jedes Ausscheiden und Eintreten von Arbeitnehmern die betriebliche Mehrheitsfrage erneut aufwirft.

 
Praxis-Tipp

Nachweis der Zahl der organisierten Arbeitnehmer

In der Regel hat der Arbeitgeber keine Kenntnis darüber, ob ein Beschäftigter in der Gewerkschaft organisiert und ggf. in welcher Gewerkschaft der Beschäftigte Mitglied ist. Nach herrschender Meinung ist die Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit zumindest im Personalauswahlverfahren nicht zulässig. Die Anzahl der in der jeweiligen Gewerkschaft organisierten Arbeitnehmer im Betrieb kann zum Schutze der gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer durch eine notarielle Erklärung nachgewiesen werden (§ 58 Abs. 3 ArbGG in der Fassung des Art. 2 Nr. 2 Tarifeinheitsgesetz).

Über eine notarielle Erklärung wird sichergestellt, dass die Gewerkschaft die Namen ihrer im Betrieb des Arbeitgebers beschäftigten Arbeitnehmer nicht nennen muss. Gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer werden damit in ihrer verfassungsrechtlich geschützten Rechtsposition aus Art. 9 Abs. 3 GG sowie ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG) geschützt. Auch der Notar hat Stillschweigen über die Identität von Gewerkschaftsmitgliedern und Nichtgewerkschaftsmitgliedern zu bewahren.

§ 4a Abs. 2 Satz 4 TVG bestimmt, dass als Betrieb auch gilt

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