BAG, Urteil vom 24.1.2024, 4 AZR 114/23
Gruppenleiter bei Gerichten oder Staatsanwaltschaften i. S. d. EG 9b TV-L sind solche Beschäftigte, denen die Koordination der Geschäftsabläufe innerhalb einer großen Geschäftsstelle oder einer großen Serviceeinheit übertragen ist. Dies ist grundsätzlich dann anzunehmen, wenn der dort bestehende Arbeitskräftebedarf – umgerechnet in Vollzeitäquivalenten – erheblich größer ist als der für die Annahme einer „Gruppe” bestehende Mindestwert von 3 Beschäftigten, deren Geschäftsabläufe zu koordinieren sind, d. h. diesen um ein Mehrfaches überschreitet.
Sachverhalt
Die Klägerin war bei dem beklagten Land bis zum 31.8.2023 als Justizbeschäftigte tätig. Auf das Arbeitsverhältnis fand der TV-L Anwendung. Die Klägerin war seit dem Jahr 2001 in einer Serviceeinheit für Familiensachen eingesetzt und übernahm zum Juli 2018 zusätzlich die Aufgaben einer Serviceteamleiterin für diese Serviceeinheit. Nach der vorliegenden Tätigkeitsbeschreibung waren ihr die Aktenbearbeitung in der Serviceeinheit für Familiensachen mit einem Arbeitszeitanteil von 88 %, davon schwierige Tätigkeit mit einem Arbeitszeitanteil von 39 %, sowie die koordinierende Leitung der Bürokräfte dieser Serviceeinheit mit einem Arbeitszeitanteil von 12 % übertragen. Zudem oblagen ihr als Teamleiterin die Koordinierung der Kräfte des Bürodienstes des Familiengerichts, die Wahrnehmung der Funktion der Ansprechpartnerin aus beiden hierarchischen Richtungen, die Zusammenarbeit mit den übrigen Leitungsträgern, kurzfristige Organisationsentscheidungen und die Unterstützung der Behördenleitung beim Erkennen und Lösen von Problemen. In der Serviceeinheit der Klägerin waren neben ihr zunächst 8 Beschäftigte mit einem Arbeitskraftanteil (AKA) – umgerechnet auf sog. Vollzeitäquivalente – von insgesamt 5,87, vom 20.1.2022 bis zum 30.9.2022 7 Beschäftigte mit 5,373 AKA und ab dem 1.10.2022 8 Beschäftigte mit 5,703 AKA tätig. Zudem waren der Serviceeinheit je 2 Auszubildende zugeordnet. Die Klägerin hatte diese den übrigen Beschäftigten der Serviceeinheit zuzuweisen.
Die Klägerin erhielt zuletzt eine Vergütung nach EG 9a Stufe 6 TV-L. Sie beantragte im Hinblick auf die zum 1.1.2020 in Kraft getretene Änderung der Entgeltordnung zum TV-L mit Schreiben vom 9.6.2020 erfolglos die Höhergruppierung in EG 9b TV-L. Da sie die Auffassung vertreten hatte, sie erfülle allein aufgrund ihrer Tätigkeit und unabhängig von der Größe der Serviceeinheit die tariflichen Anforderungen einer Gruppenleiterin i. S. d. EG 9b TV-L, erhob sie Klage.
Die Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Gericht entschied, dass die Tätigkeit der Klägerin nicht die tariflichen Anforderungen der EG 9b TV-L erfüllt.
Zunächst führte das BAG aus, dass es sich bei den der Klägerin übertragenen Aufgaben um einen einheitlichen Arbeitsvorgang i. S. v. § 12 Abs. 1 TV-L handelte; denn auch wenn sich wie vorliegend unmittelbare Leitungstätigkeiten und andere Tätigkeiten zwar unterscheiden ließen, dienten letztlich alle Tätigkeiten der Beschäftigten dem Arbeitsergebnis der Leitung der jeweiligen Gruppe. Wenn die Leiterin einer Organisationseinheit selbst Aufgaben wahrnehme, die innerhalb des von ihr betreuten Bereichs anfielen, gehörten diese Tätigkeiten als Zusammenhangsarbeiten zur einheitlich zu bewertenden Leitungstätigkeit (vgl. u. a. BAG, Urteil v. 13.5.2020, 4 AZR 173/19; v. 29.1.2020, 4 ABR 8/18; v. 15.2.2006, 4 AZR 66/05). Dies komme auch in der Protokollerklärung Nr. 5 zu Teil II Abschnitt 12.1 (Beschäftigte im Justizdienst) TV-L EntgeltO zum Ausdruck, nach welcher die Tätigkeit von Gruppenleitern die Koordination der Geschäftsabläufe innerhalb einer großen Geschäftsstelle oder Serviceeinheit beinhaltet. Zudem seien die Tätigkeiten der Betreuung von Aktenvorgängen in der Serviceeinheit und der Leitung der Serviceeinheit während der gesamten Arbeitszeit der Klägerin tatsächlich nicht getrennt; denn die Klägerin musste auch dann, wenn sie Aktenvorgänge bearbeitete, stets damit rechnen, Leitungsaufgaben wahrzunehmen.
Nach Auffassung des Gerichts war die Klägerin jedoch nicht als Gruppenleiterin i. S. d. EG 9b TV-L beschäftigt worden. Es führte hierzu aus, dass gemäß der Protokollerklärung zu EG 9b Gruppenleiter bei Gerichten oder Staatsanwaltschaften solche Beschäftigte seien, denen die Koordination der Geschäftsabläufe innerhalb einer großen Geschäftsstelle oder einer großen Serviceeinheit übertragen seien. Dem Merkmal "groß" komme hierbei eine eigenständige Bedeutung zu, was die Auslegung des Tarifvertrags ergebe. Diesem Ergebnis stehe auch nicht entgegen, dass der Tarifvertrag keine gesonderte Regelung für die Eingruppierung von Beschäftigten aufweise, die Geschäftsabläufe innerhalb einer nicht großen Geschäftsstelle oder Serviceeinheit koordinierten. Die Tätigkeit dieser Beschäftigten werde dann von den Tätigkeitsmerkmalen der EG 9a TV-L erfasst, da sich ihre Tätigkeit in diesem Fall dadurch aus EG 6 TV-L heraushebt, dass sie schwierig ist. Die Koordination der Geschäftsab...