Die zentrale Rechtsfolge bei Verletzung des Benachteiligungsverbots ist in § 15 AGG geregelt. Hier ist zwischen dem verschuldensabhängigen Anspruch auf Ersatz materieller Schäden (§ 15 Abs. 1 AGG) sowie dem verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch für immaterielle Schäden (§ 15 Abs. 2 AGG) zu unterscheiden.
3.4.1 Anspruch auf Schadensersatz
Gemäß § 15 Abs. 1 AGG hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die diesem durch die Benachteiligung entstandenen Schäden zu ersetzen. Dass § 15 Abs. 1 AGG nur materielle Schäden erfasst, ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang zu Abs. 2, der ausdrücklich den Ersatz immaterieller Schäden regelt. Der Schadensersatzanspruch aus § 15 Abs. 1 AGG ist verschuldensabhängig, wobei das Verschulden vermutet wird (§ 15 Abs. 1 Satz 2 AGG). Fehlendes Verschulden hat somit der Arbeitgeber zu beweisen.
Der Schadensersatzanspruch ist auf Naturalrestitution gerichtet (§ 249 BGB). Auszugleichen ist daher der gesamte materielle Schaden, der durch den Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot eingetreten ist.
Die arbeitslose schwangere Bewerberin wird – obgleich deutlich am besten qualifiziert – wegen ihrer Schwangerschaft nicht eingestellt. Sie bezieht weiter Arbeitslosengeld und erhält nach einem ¾ Jahr einen Job, für den sie umziehen muss. Zudem liegt das Gehalt 500 EUR unter dem Gehalt der ausgeschriebenen Stelle.
Sie hat nunmehr einen Anspruch auf
- Differenzbetrag zwischen dem Arbeitslosengeld und dem Gehalt, das sie bei dem ablehnenden Arbeitgeber erhalten hätte,
- Ersatz der Umzugskosten,
- Differenzbetrag zwischen ihrem Gehalt bei dem jetzigen Arbeitgeber und dem möglichen Gehalt bei dem ablehnenden Arbeitgeber.
Daneben hat sie zusätzlich noch einen Anspruch auf angemessene Entschädigung zum Ausgleich des immateriellen Schadens nach § 15 Abs. 2 AGG.
Eine Höchstgrenze des Schadensersatzanspruchs ist im AGG nicht normiert. Anhaltspunkte für eine Begrenzung des Schadensersatzes finden sich auch nicht in der Gesetzesbegründung. Die Vorgängerregelung des § 611a Abs. 2 BGB sah im Fall einer Nichteinstellung ausschließlich wegen des Geschlechts eine angemessene Entschädigung in Geld vor. Dieser Entschädigungsanspruch beinhaltete sowohl den Ersatz des materiellen Schadens (Vermögensschaden) als auch des immateriellen Schadens (wegen der Verletzung des Persönlichkeitsrechts). Eine solche Begrenzung auf einen angemessenen Schadensersatzanspruch findet sich im AGG nicht wieder. Andererseits bezweckt die Norm des § 15 Abs. 1 AGG auch nicht, dem einmal benachteiligten Bewerber ein Leben lang Schadensersatz zuzubilligen. Gefragt ist daher nach einer Schadenshöchstgrenze. Eine Begrenzung auf den Zeitpunkt, auf den der Arbeitgeber hätte frühestens kündigen können, erscheint wenig sachgerecht, Eine Berücksichtigung eines rechtmäßigen Alternativverhaltens ist zwar grundsätzlich zulässig. Hintergrund einer Kündigung auch während der Probezeit wäre aber wiederum das Diskriminierungsmerkmal, was zur Unwirksamkeit der Kündigung auch während der Probezeit aufgrund Verstoßes gegen die Grundsätze von Treu und Glauben führen würde. Eine Haftungshöchstgrenze ist daher in jedem Einzelfall vom Gericht zu ermitteln, wobei insbesondere der Gedanke der Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB zu beachten ist.
3.4.2 Anspruch auf Entschädigung
Für immaterielle Schäden hat der Arbeitgeber nach § 15 Abs. 2 AGG dem Beschäftigten eine angemessene Entschädigung in Geld zu zahlen. § 15 Abs. 2 AGG ist gegenüber § 253 BGB die speziellere Norm, tritt zusätzlich neben den Schadensersatzanspruch aus § 15 Abs. 1 AGG und ist unabhängig von einem Verschulden des Arbeitgebers. Nach der Gesetzesbegründung soll der Anspruch auf Entschädigung die Forderungen der Richtlinien sowie der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nach einer wirksamen und verschuldensunabhängig ausgestalteten Sanktion bei Verletzung des Benachteiligungsverbots durch den Arbeitgeber erfüllen. Daher ist auch nicht Voraussetzung eine erhebliche Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Weise einer "Herabwürdigung" des Beschäftigten. § 15 Abs. 2 AGG enthält eine eigenständige Anspruchsgrundlage für einen Entschädigungsanspruch, sodass nicht die Grundsätze, die für den Anspruch auf Schmerzensgeld bei Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gelten, anzuwenden sind.
Steht ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot fest, ist vom Vorliegen eines immateriellen Schadens auszugehen. Es bedarf im Regelfall keiner zusätzlichen Feststellung oder Darlegung des Eintritts eines immateriellen Schadens für einen Entschädigungsanspruch. Es besteht keine Erheblichkeitsschwelle. Eine Ausnahme hiervon kommt allenfalls in ganz eng umrissenen Ausnahmefällen in Betracht, wenn die Benachteiligung nur ganz geringe Auswirkungen zeitigt. Die Höhe der Entschädigung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Zu diesen zählen etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns, der Grad der Verantwort...