Abweichende tarifvertragliche Bestimmungen haben nicht nur bei normativer – beiderseitiger – Tarifgebundenheit Bedeutung. Die abweichenden Bestimmungen gelten auch zwischen nichttarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, wenn zwischen diesen die Anwendung der einschlägigen tarifvertraglichen Regelung arbeitsvertraglich vereinbart ist (§ 19 Abs. 2 BetrAVG).
3.1 TVöD/TV-L als "einschlägiger" Tarifvertrag
Bei nichttarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern gilt es zu berücksichtigen, dass die Anwendung des Entgeltumwandlungstarifvertrags den neuen gesetzlichen Anspruch auf einen Arbeitgeberzuschuss bei Entgeltumwandlung nur dann wirksam ausschließen kann, wenn in den Arbeitsverträgen die Anwendung des "einschlägigen" Tarifvertrags vereinbart ist.
Definition "einschlägiger" Tarifvertrag
Der Tarifvertrag ist einschlägig, wenn sich die Bezugnahme auf den räumlich, zeitlich, fachlich und persönlich anwendbaren Tarifvertrag bezieht. Maßgebend ist, ob der Tarifvertrag gelten würde, wenn die Parteien des Arbeitsvertrags tarifgebunden wären.
Entsorgungsunternehmen mit Verweis auf den TVöD und die ergänzenden Tarifverträge
Ein in privatrechtlicher Rechtsform als GmbH oder AG geführtes Entsorgungsunternehmen verweist in den Arbeitsverträgen auf den TVöD-E und die den TVöD ergänzenden Tarifverträge, somit auch den TV-EUmw/VKA.
Das Entsorgungsunternehmen mit Sitz in Baden-Württemberg befindet sich in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft. Sämtliche Gesellschaftsanteile bzw. ein maßgeblicher Teil der Gesellschaftsanteile befinden sich in der Hand des Landkreises.
Nach § 5 der Satzung des Kommunalen Arbeitgeberverbands Baden-Württemberg (KAV) können juristische Personen des privaten Rechts Mitglied im KAV werden, wenn sie "kapitalmäßig oder tatsächlich unter maßgebendem kommunalen Einfluss stehen" oder an ihrer Mitgliedschaft ein kommunales Interesse besteht.
Die in kommunaler Trägerschaft befindliche Entsorgungs-GmbH könnte potenziell Mitglied im kommunalen Arbeitgeberverband werden und ist folglich vom Geltungsbereich des TVöD erfasst. Bei arbeitsvertraglicher Inbezugnahme des TVöD-E und des TV-EUmw/VKA verweist das Unternehmen somit auf den "einschlägigen" Tarifvertrag. Der Anspruch auf den Arbeitgeberzuschuss ist – wie bei normativ tarifgebundenen Arbeitsvertragsparteien – ausgeschlossen, sofern der Arbeitnehmer vom persönlichen Geltungsbereich des TVöD erfasst ist.
3.2 TVöD/TV-L als nicht "einschlägiger" Tarifvertrag
Der Anspruch auf Zahlung des Arbeitgeberzuschusses bei ab dem 1.1.2019 vereinbarter Entgeltumwandlung bzw. bei vor diesem Zeitpunkt vereinbarten Entgeltumwandungen ab dem 1.1.2022 besteht dagegen, wenn der in den Arbeitsverträgen in Bezug genommene Tarifvertrag nicht als "einschlägiger" Tarifvertrag zu werten ist.
Der Tarifvertrag ist nicht einschlägig, wenn Arbeitgeber bzw. Arbeitnehmer nicht unter den räumlichen, zeitlichen, fachlichen oder persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Arbeitgeber nicht, auch nicht potenziell, Mitglied des tarifschließenden Arbeitgeberverbands bzw. Partei des Tarifvertrags werden kann.
Forschungseinrichtung mit Verweis auf den TVöD-Bund und die ergänzenden Tarifverträge
Eine in der Rechtsform eines privatrechtlichen Vereins (e. V.) organisierte Forschungseinrichtung mit Sitz in Bayern finanziert sich zu nahezu 100 % aus öffentlichen Mitteln. Nach der Verweisung in den Arbeitsverträgen richten sich die Arbeitsbedingungen nach den Bestimmungen des TVöD-Bund sowie den diesen ergänzenden Tarifverträgen. Damit ist zwar auch der TV-EntgeltU-B/L einbezogen. Da die Forschungseinrichtung jedoch nicht vom Geltungsbereich des TVöD-Bund erfasst ist, sind der TVöD-Bund sowie der TV-EntgeltU-B/L keine "einschlägigen" Tarifverträge.
Das BAG stellte dies in seinem Urteil vom 19.4.2011 zur vergleichbaren Frage, ob der Anspruch auf Entgeltumwandlung durch Anwendung des Tarifvertrags Altersversorgung ausgeschlossen ist, klar:
Das Forschungsunternehmen verwies im konkret entschiedenen Fall in den Arbeitsverträgen auf den Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) in der Fassung für die Angestellten des Bundes und die diesen ändernden und ergänzenden bzw. ersetzenden Tarifverträge. Auf das Arbeitsverhältnis fand damit unter anderem der Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (Tarifvertrag Altersversorgung – ATV) vom 1.3.2002, ab 1.10.2005 der TVöD sowie der TVÜ-Bund Anwendung. Der ATV stellte keine gem. § 19 Abs. 2 BetrAVG (zum damaligen Zeitpunkt: § 17 Abs. 3 Satz 2 BetrAVG a. F.) zulässigerweise vom Anspruch auf Entgeltumwandlung nach § 1a BetrAVG abweichende "einschlägige" tarifliche Bestimmung dar. Der BAT in der Fassung für die Angestellten des Bundes erfasst im Geltungsbereich nicht die in privatrechtlicher Rechtsform organisierte Forschungseinrichtung.
Übertragen auf vorstehendes Beispiel, in dem die Forschungseinrichtung auf den TVöD-Bund sowie den EntgeltU-B/L als ergänzenden Tarifvertrag verweist, b...