Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen. Begriff des Entgelts. Berücksichtigung der im Rahmen des Militärdienstes zurückgelegten Zeiten bei der Berechnung der Abfertigung. Möglichkeit, die Gruppe der Arbeitnehmer, die einen Militärdienst leisten, mit der Gruppe der Arbeitnehmerinnen zu vergleichen, die nach Ablauf ihres Mutterschaftsurlaubs einen Karenzurlaub nehmen, dessen Dauer bei der Berechnung der Abfertigung nicht berücksichtigt wird

 

Beteiligte

Österreichischer Gewerkschaftsbund

Österreichischer Gewerkschaftsbund

Gewerkschaft der Privatangestellten

Wirtschaftskammer Österreich

 

Tenor

1. Der Vorteil, der für Personen, die einen obligatorischen Militärdienst oder an dessen Stelle einen obligatorischen Zivildienst mit der Möglichkeit einer freiwilligen Verlängerung leisten, darin besteht, dass die Dauer dieser Dienste bei der Berechnung einer ihnen möglicherweise später zustehenden Abfertigung berücksichtigt wird, ist als Bestandteil ihres Entgelts im Sinne von Artikel 141 EG anzusehen.

2. Artikel 141 EG und die Richtlinie 75/117/EWG des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen stehen dem nicht entgegen, dass bei der Berechnung der Abfertigung die Dauer des Militärdienstes oder des entsprechenden Zivildienstes, die hauptsächlich von Männern geleistet werden, als Dienstzeit berücksichtigt wird, die Dauer des zumeist von Frauen genommenen Karenzurlaubs dagegen nicht.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Obersten Gerichtshof (Österreich) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Österreichischer Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft der Privatangestellten,

gegen

Wirtschaftskammer Österreich

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Artikels 141 EG und des Artikels 1 der Richtlinie 75/117/EWG des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen (ABl. L 45, S. 19)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas, J.-P. Puissochet (Berichterstatter) und J. N. Cunha Rodrigues, des Richters R. Schintgen, der Richterinnen F. Macken und N. Colneric, des Richters S. von Bahr sowie der Richterin R. Silva de Lapuerta,

Generalanwältin: J. Kokott, Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler,

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen:

  • des Österreichischen Gewerkschaftsbunds, Gewerkschaft der Privatangestellten, vertreten durch K. Mayr, Referent der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich,
  • der Wirtschaftskammer Österreich, vertreten durch O. Körner als Bevollmächtigten,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch N. Yerell und H. Kreppel als Bevollmächtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen des Österreichischen Gewerkschaftsbunds, Gewerkschaft der Privatangestellten, vertreten durch K. Mayr, der Wirtschaftskammer Österreich, vertreten durch O. Körner, der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Hesse als Bevollmächtigten, und der Kommission, vertreten durch H. Kreppel, in der Sitzung vom 3. Februar 2004,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 12. Februar 2004,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1

Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom 22. Mai 2002, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Juni 2002, gemäß Artikel 234 EG drei Fragen nach der Auslegung des Artikels 141 EG und des Artikels 1 der Richtlinie 75/117/EWG des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen (ABl. L 45, S. 19) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2

Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen dem Österreichischen Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft der Privatangestellten (im Folgenden: Gewerkschaftsbund), und der Wirtschaftskammer Österreich wegen einer Forderung nach gleichen Abfertigungen für männliche und weibliche Arbeitnehmer.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3

Artikel 141 Absätze 1 und 2 EG bestimmt:

„(1) Jeder Mitgliedstaat stellt die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicher.

(2) Unter ‚Entgelt’ im Sinne dieses Artikels sind die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen zu verstehen, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt.”

4

Artikel 1 der Richtlinie 75/117 sieht vor:

„Der in Artikel 119 des Vertrages [jetzt Artikel 141 EG] genannte Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen, im Folgenden...

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