Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersuchen um Vorabentscheidung: Landgericht Bonn – Deutschland. Richtlinie 90/314/EWG über Pauschalreisen – Nichtumsetzung – Haftung und Schadensersatzpflicht des Mitgliedstaats. 1. Gemeinschaftsrecht ° Dem einzelnen verliehene Rechte ° Verstoß eines Mitgliedstaats gegen die Verpflichtung zur Umsetzung einer Richtlinie ° Pflicht zum Ersatz des dem einzelnen entstandenen Schadens ° Voraussetzungen ° Hinreichend qualifizierter Verstoß ° Begriff ° Nicht fristgerechte Umsetzung der Richtlinie (EG-Vertrag, Artikel 189 Absatz 3). 2. Rechtsangleichung ° Pauschalreisen ° Richtlinie 90/314 ° Artikel 7 ° Schutz gegen das Risiko der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses des Veranstalters ° Verleihung eines inhaltlich hinreichend bestimmbaren Rechts an den Pauschalreisenden (Richtlinie 90/314 des Rates, Artikel 7). 3. Rechtsangleichung ° Pauschalreisen ° Richtlinie 90/314 ° Schutz gegen das Risiko der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses des Veranstalters ° Für die Gewährleistung einer korrekten Umsetzung der Richtlinie erforderliche Maßnahmen (Richtlinie 90/314 des Rates, Artikel 7 und 9)
Leitsatz (amtlich)
1. Sind keine Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie innerhalb der dafür festgesetzten Frist getroffen worden, um das durch diese Richtlinie vorgeschriebene Ziel zu erreichen, so stellt dieser Umstand als solcher einen qualifizierten Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht dar und begründet daher einen Entschädigungsanspruch für die Geschädigten, soweit das durch die Richtlinie vorgeschriebene Ziel die Verleihung von Rechten an den einzelnen umfasst, deren Inhalt bestimmbar ist, und ein Kausalzusammenhang zwischen dem Verstoß gegen die dem Staat auferlegte Verpflichtung und dem entstandenen Schaden besteht.
2. Das durch Artikel 7 der Richtlinie 90/314 über Pauschalreisen, wonach der Veranstalter und/oder Vermittler, der Vertragspartei ist, nachzuweisen hat, daß im Fall der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses die Erstattung der vom Verbraucher gezahlten Beträge und seine Rückreise sichergestellt sind, vorgeschriebene Ziel umfasst die Verleihung eines Rechts an den Pauschalreisenden, dessen Inhalt mit hinreichender Genauigkeit bestimmt werden kann.
3. Nach Artikel 9 der Richtlinie 90/314 über Pauschalreisen, aus dem hervorgeht, daß die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen zu treffen hatten, um der Richtlinie spätestens am 31. Dezember 1992 nachzukommen, mussten die Mitgliedstaaten innerhalb der vorgeschriebenen Frist alle erforderlichen Maßnahmen treffen, um für den einzelnen ab 1. Januar 1993 einen wirksamen Schutz gegen die Risiken der Zahlungsunfähigkeit und des Konkurses der Veranstalter zu gewährleisten.
Erlaubt ein Mitgliedstaat einem Veranstalter, von den Reisenden eine Anzahlung auf den Reisepreis bis zur Höhe von 10 % des Reisepreises zu verlangen, die jedoch einen bestimmten Betrag nicht übersteigen darf, so fordert der mit Artikel 7 der Richtlinie verfolgte Zweck des Verbraucherschutzes insoweit, daß im Fall der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses des Veranstalters auch die Erstattung dieser Anzahlung sichergestellt ist.
Der genannte Artikel 7 ist ferner dahin auszulegen, daß die „Sicherstellung”, die die Veranstalter nachzuweisen haben, auch dann fehlt, wenn die Reisenden bei Zahlung des Reisepreises im Besitz werthaltiger Unterlagen sind, die ihnen zwar einen direkten Anspruch gegen den tatsächlichen Leistungserbringer gewähren, von diesem ° der überdies selbst dem Konkursrisiko ausgesetzt ist ° aber nicht unbedingt anerkannt zu werden brauchen, und daß ein Mitgliedstaat nicht unter Berufung auf eine nationale höchstrichterliche Entscheidung, nach der die Käufer von Pauschalreisen nicht mehr verpflichtet sind, vor dem Erhalt solcher werthaltiger Unterlagen mehr als 10 % des Reisepreises zu zahlen, auf die Umsetzung der Richtlinie verzichten darf.
Im übrigen verpflichten weder der Zweck der Richtlinie noch ihre einzelnen Bestimmungen die Mitgliedstaaten, im Rahmen von Artikel 7 spezielle Maßnahmen zu treffen, um eigenen Nachlässigkeiten der Pauschalreisenden vorzubeugen; das nationale Gericht kann, wenn die Richtlinie nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist umgesetzt wurde, bei der Bestimmung des ersatzfähigen Schadens stets prüfen, ob sich der Geschädigte in angemessener Form um die Verhinderung des Schadenseintritts oder um die Begrenzung des Schadensumfangs bemüht hat. Ein Pauschalreisender, der den gesamten Reisepreis gezahlt hat, kann jedoch nicht allein deshalb als nachlässig angesehen werden, weil er nicht gemäß der vorgenannten nationalen Entscheidung von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, nicht mehr als 10 % des gesamten Reisepreises zu zahlen, bevor er werthaltige Unterlagen erhalten hat.
Normenkette
EGVtr Art. 189 Abs. 3; Richtlinie 90/314 des Rates Art. 7, 9
Beteiligte
Bundesrepublik Deutschland |
Tenor
1. Sind keine Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie...